Wirklich kein Elternrecht auf Facebook?

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Bei der elterlichen Erziehungsverantwortung (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) handelt es sich um ein universelles Menschenrecht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 34, 165, 184) bezeichnet die Eltern als „natürliche Sachwalter für die Erziehung der Kinder“. Allerdings scheint dieses Recht auf Facebook, jedenfalls nach dem Tod eines Kindes, wenig wert zu sein. Eine für ihre fünfzehnjährige Tochter sorgeberechtigte Mutter wollte nach ihrem Tod Zugang zu deren Facebook-Account erhalten. Dies wurde ihr verweigert.

Das Kammergericht ging in seinem Urteil vom 31.5.2017 – 21 U 9/16 davon aus, dass § 88 Abs. 3 TKG Facebook zur Verweigerung der Zugangseröffnung verpflichtet. Die elterliche Sorge habe mit dem Tod des Kindes geendet, deshalb käme nur das Recht des Erben am digitalen Nachlass in Betracht, das aber durch die vorgenannte Bestimmung zum Schutz des Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnisses beschränkt werde. Frau Kollegin Dr. Susanne Sachs hat in ihrem Blog-Beitrag vom 19.6.2017 diese Entscheidung für richtig gehalten. Außerdem geht sie davon aus, dass der Zugriff auf die persönliche Kommunikation eines verstorbenen Kindes nach §§ 202, 202a StGB strafbar wäre. Das Lesen von geöffneten Briefen eines verstorbenen Kindes und der Zugang zu seinem Facebook-Account mittels des den Eltern mitgeteilten Passwortes fallen bereits tatbestandmäßig nicht unter diese Strafbestimmungen. Zudem dürfte zusätzlich eine Rechtfertigung durch das Elternrecht vorliegen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in den 1970er-Jahren (Mephisto-Entscheidung) einen postmortalen Persönlichkeitsschutz generell anerkannt, wenn auch im konkreten Fall verneint. Für die betroffenen Eltern wird es schwer verständlich sein, wieso angesichts zwischenzeitlich veränderter (sozialer) Medien zwar eine intensive Debatte über den digitalen Nachlass geführt wird, das Thema der Fortwirkung der Elternrechte als Teil des Schutzes der Familie über den Tod des Kindes hinaus dagegen nicht einmal ansatzweise diskutiert wird. Ist es wirklich richtig, dass der Tod eines Kindes für die Eltern zum bloßen Nachlassabwicklungsfall wird?

Zusatzversorgung kürzt unberechtigt Renten aus Altentscheidungen (OLG Karlsruhe v. 2.5.2017 – 12 U 136/16)

Bereits mit Blog-Beitrag v. 17.8.2016 hatte der Verfasser auf eine Entscheidung des LG Köln hingewiesen, in der das LG die Höhe der Versorgung einer ausgleichspflichtigen Person nach Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht beanstandet und den Versorgungsträger zu einer Nachzahlung der unberechtigten Kürzung verurteilt hat. Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes nehmen die Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person in den nach altem Recht ergangenen Versorgungsausgleichsfällen nach der sogenannten Redynamisierungsmethode vor. Danach entspricht die Versorgungskürzung in der Höhe dem nominalen Ausgleichsbetrag, obgleich die ausgleichsberechtigte Person wegen der Anwendung der Barwertverordnung nur einen Bruchteil dieser Versorgung erhält oder erhalten wird. Das Oberschiedsgericht der VBL in Karlsruhe ( Oberschiedsgericht der VBL in Karlsruhe v. 6.6.2012 – OS 51/10, FamRZ 2012, 1877) hatte bereits diese Kürzungsmethode für unzulässig erklärt. Dem war das LG Köln mit Urteil v. 17.8.2016 – 20 S 8/16 beigetreten. Nunmehr hat auch das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe v. 2.5.2017 – 12 U 136/16) sich dieser Auffassung angeschlossen und seine alte Rechtsprechung (OLG Karlsruhe v. 9.12.2004 – 12 U 303/04) aufgegeben. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dort ist bereits unter Az. IV ZR 260/16 ein entsprechendes Verfahren, die Revision zum Urteils des LG Köln, anhängig.

Für die Betroffenen ausgleichspflichtigen Personen bergen diese Entscheidungen erhebliches Verbesserungspotenzial. Sollte der Bundesgerichtshof sich den Entscheidungen des OLG Karlsruhe und des LG Köln anschließen, wären die Rentenkürzungen für die ausgleichspflichtigen Personen aufgrund eines Versorgungsausgleichs, der nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht durchgeführt worden ist, unberechtigt hoch. Es entsteht für diesen Personenkreis ein erhebliches Nachzahlungspotenzial.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist Folgendes zu beachten:

  • Betroffen sind alle Entscheidungen über einen Versorgungsausgleich in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes die nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrechts ergangen sind.
  • Die Kürzung der Rente der ausgleichspflichtigen Person ist in diesen Fällen in Höhe der Hälfte des Ehezeitanteils der Versorgung vorgenommen worden, obwohl die Kürzung nur in Höhe der Hälfte des bilanzierten Ehezeitanteils hätte durchgeführt werden dürfen.
  • Der der ausgleichspflichtigen Person zustehende Nachzahlungsbetrag kann über einen Zeitraum von max. 47 Monaten geltend gemacht werden (Verjährungsfrist drei Jahre).
  • Vor Geltendmachung des Nachzahlungsbetrags sollten die betroffenen Personen bedenken, dass der Versorgungsträger nach § 51 Abs. 3 VersAusglG eine Abänderung der alten Versorgungsausgleichs betreiben und dadurch den Versorgungsausgleich komplett ins neue Recht transferieren kann. Geschieht dies, wird die Versorgung der ausgleichspflichtigen Person tatsächlich um die Hälfte des Ausgleichswerts gekürzt. Es wäre dann nichts gewonnen außer der Versorgungsnachzahlung für den nicht verjährten Zeitraum. Gleichzeitig kann jedoch eine Abänderung der Altentscheidung gravierende Auswirkungen auf andere Versorgungen haben. Dies kann für die ausgleichspflichtige Person positiv oder negativ sein. Vor Erhebung des Nachzahlungsanspruch müssen daher die Auswirkungen eines möglichen Abänderungsverfahrens auf das gesamte Gefüge des Versorgungsausgleichs geprüft werden.

Sinnvoll ist es in jedem Fall, zunächst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass diese alsbald ergeht.

22. Deutscher Familiengerichtstag in Brühl

Der 22. Deutsche Familiengerichtstag wird vom 28. Juni. bis 1. Juli 2017 traditionsgemäß in der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl stattfinden.

Der diesjährige Familiengerichtstag fällt mit dem 40. Jahrestag des am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen 1. Eherechtsreformgesetzes zusammen. Zum Auftakt der Veranstaltung soll dieses Ereignis in einem Festakt gebührend gewürdigt werden – war es doch zugleich der Anlass zur Gründung des Deutschen Familiengerichtstags. An den nächsten Tagen folgen die Plenarvorträge „Konflikt von Erziehungsleitbildern“ (Prof. Dr. Michael Coester) sowie „Paralleljustiz im Familienrecht“ (Prof. Dr. Mathias Rohe). Zum Abschluss wird Prof. Dr. Markus Rothschild einen Blick auf die „Familie in der Rechtsmedizin“ ermöglichen, woran sich eine Plenardiskussion anschließt.

Auf die 24 Arbeitskreise wartet ein weit gefächertes Spektrum familienrechtlicher Themen, die sowohl aktuelle Fragen aus der Alltagspraxis betreffen als auch Entwicklungen in veränderten Familienstrukturen aufgreifen. Einen Schwerpunkt bildet wiederum das Unterhaltsrecht, bei dem u.a. Fragen von Obliegenheiten, Einkommensbereinigung, eines Verzichts sowie erneut die Probleme beim Elternunterhalt behandelt werden sollen. Auch sehr grundsätzliche Überlegungen zur Zukunft des traditionellen Residenzmodells und des Verhältnisses von Pflege und Unterhalt werden Gegenstand der Beratungen sein. Im Focus der Praxis steht immer wieder die Rolle von Kindern in familiären Konflikten. Die Themen reichen vom Elternverhalten, der Umgangsverweigerung bis zu den Folgen innerfamiliärer Gewalt und notwendigen Reformen bei Sorge- und Umgang. Besondere Herausforderungen ergeben sich aus den Migrationsbewegungen der letzten Jahre mit ihren interkulturellen Einflüssen. Darüber hinaus gehören auch dieses Jahr wieder Probleme des Versorgungsausgleichs, des Güterrechts, des internationalen Rechts sowie verfahrensrechtliche Fragen zum Programm der Arbeitskreise. Weitere Einzelheiten zu den Arbeitskreisen finden sich auf der Homepage des DFGT.

Der Deutsche Familiengerichtstag bietet ein interdisziplinäres Forum für alle mit dem Familienrecht befassten Professionen, um in den Arbeitskreisen zu diesen und weiteren Themen Empfehlungen an Rechtsprechung, Rechtsberatung und Gesetzgebung zu erarbeiten. Vollständiges Programm und Anmeldung unter www.dfgt.de, E-Mail: info@dfgt.de oder Deutscher Familiengerichtstag e.V., c/o HS Bund, Willy-Brandt-Straße 1, 50321 Brühl; Telefon: 02232/929-9116; Fax: 02232/929-9011; Anmeldeschluss ist der 22. Mai 2017 (Eingang).

Hard cases make bad law

Kuriose Fälle

Diese juristische Maxime gilt in letzter Zeit vor allem für das Familien- und Erbrecht. Der Fall der bereits geschiedenen, alleinerziehenden Frau, die entgegen der Absprache mit ihrem Partner schwanger wurde und von ihrem Anwalt einen Ehevertrag entwerfen ließ, um unbedingt geheiratet zu werden (BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = FamRZ 2001, 343), bedeutete das Ende der Ehevertragsfreiheit. Die Frau, die in der Empfängniszeit mit anderen Männern außer ihrem Verlobten Geschlechtsverkehr hatte, bei einem Streit entsprechende Andeutungen machte und sich später auf ihr Persönlichkeitsrecht zur Verschweigung ihrer Sexualpartner berief, obwohl sie ihrem Mann ein Kind unterschoben hatte, führte zur Verfassungswidrigkeit der bisherigen Auskunftsrechte des Ehemanns (BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377 = FamRZ 2015, 729 = FamRB 2015, 173). Ähnliches gilt im Erbrecht. Die verfassungsmäßige Verankerung des Pflichtteilsrechts von Kindern betraf das privatschriftliche Testament einer Mutter, die ihren Sohn enterbt hatte. Dieser hatte sie wiederholt tätlich angegriffen und schließlich aus Wut über seine bevorstehende Einweisung in das Landeskrankenhaus erschlagen, ihre Leiche zerstückelt und die Leichenteile im Wald versteckt. Sein Betreuer machte den Pflichtteil geltend und bekam dank des Verfassungsgerichts Recht (BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03, BVerfGE 112, 332 = FamRZ 2005, 872 = FamRB 2005, 204).

Pflichtteilsverzicht nicht gegen Sportwagen

Auch der nunmehrige Fall, in dem das OLG Hamm einen Erbverzicht für sittenwidrig erklärt hat (OLG Hamm, Beschl. v. 8.11.2016 – 10 U 36/15), gehört zu den juristischen Kuriositäten. Ein 17-Jähriger mit erheblichen Schulschwierigkeiten bricht das Gymnasium ab und beginnt bei seinem Vater, der Zahnarzt ist, eine Ausbildung zum Zahntechniker. Er ist von einem Nissan GT-R, einem Supersportwagen mit 570 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h, einer Beschleunigung von 2,8 Sekunden von Null auf Hundert und einem Preis von ca. 100.000 Euro so begeistert, dass er zwei Tage nach seinem 18. Geburtstag mit seinem Vater zu einem Notar geht, um dort einen Pflichtteilsverzicht zu beurkunden. Allerdings bekommt er den Pkw erst mit 25, nach Bestehen seiner Gesellenprüfung und der Meisterprüfung zum Zahntechniker jeweils mit der Note eins. Der Sohn möchte seine Mama anrufen, was ihm aber sein Vater beim Notar nicht erlaubt. Bereits am Nachmittag nach der Beurkundung teilt der Sohn dem Notar mit, dass er die Vereinbarung rückgängig machen will. Er bricht die Ausbildung beim Vater ab und zieht zu seiner Mutter. Das OLG Hamm erklärt den Verzicht (zu Recht) für sittenwidrig. Bemerkenswert ist allerdings die Begründung: Die Aussicht auf einen begehrten Sportwagen habe bei dem gerade erst volljährigen Sohn zu einem Rationalitätsdefizit geführt. Zudem lasse die Vereinbarung dem Sohn keine nochmalige Möglichkeit zu einer weiteren beruflichen Umorientierung. Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass Ergebnisse in Abschlussprüfungen jedenfalls nicht ausschließlich von Umständen abhängen, die der Absolvent selber beeinflussen könne.

Geschäftsfähigkeit mit Einschränkungen?

Die schwangere Frau, der gerade 18-Jährige und, wenn es nach Teilen der Literatur geht, der hochbetagte Erblasser, sind zwar gemäß § 2 BGB volljährig und damit unbeschränkt geschäftsfähig, aber letztlich doch nicht so ganz geschäftsfähig. Die Testierfähigkeit, jedenfalls für ein öffentliches Testament, beginnt zwar nach § 2229 Abs. 1 BGB bereits mit der Vollendung des 16. Lebensjahres. Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 2229 Abs. 2 BGB), er kann also ohne Anruf bei seiner Mama ein Testament über ein ererbtes großes Vermögen beim Notar errichten. Allerdings dürfte dies insbesondere wenn dies zugunsten einer besonders attraktiven Partnerin oder eines attraktiven Partners erfolgt, im Einzelfall nach der oben dargestellten Rechtsprechung doch zu hinterfragen sein. Aber was gilt dann für das Ja-Wort einer gerade erst volljährig Gewordenen beim Standesbeamten? Oder noch schlimmer: Die ohnehin von den erwachsenen erstehelichen Kindern argwöhnisch beobachtete Eheschließung eines seinen zweiten Frühling genießenden über sechzigjährigen Vaters mit der bildhübschen, erotischen Mittdreißigerin?

Also Fazit: Familienrechtliche Näheverhältnisse sind gefährlich und deshalb zumindest mit besonders deutlichen rechtlichen Warnhinweisen, vielleicht sogar mit Fotos wie auf Zigarettenpackungen, zu versehen. Allerdings weiß man, aus dem vorerwähnten Beispiel, dass diese kaum jemand ernstlich abhalten können.

Aufklärung des Notars über das Verfügungsverbot des § 1365 BGB, aber keine Nachforschungspflicht

Verkauft ein Ehegatte, der Alleineigentümer ist, eine Immobilie, kann es sich um sein (nahezu) gesamtes Vermögen handeln. Unklar ist, wieviel Restvermögen ihm verbleiben muss. Bisher ging man von 10 bis 15 % bei kleineren und 15 % für größere Vermögen aus, wobei die Grenze zwischen beiden bei ca. 250.000 Euro liegt. Brudermüller will nunmehr in seiner Kommentierung im Palandt ohne diese Unterscheidung von mindestens 10 % Restvermögen ausgehen.

 

Auch bei Veräußerung eines Einzelgegenstandes kann es sich um das Vermögen im Ganzen handeln. Allerdings muss der Käufer bei Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages positive Kenntnis davon gehabt haben, dass es sich bei dem vorliegenden Gegenstand um das gesamte oder nahezu gesamte Vermögen des Verkäufers handelt (BGH, Beschluss vom 21.2.2013 – V ZB 15/12, FamRB 2013, 205). Die Beweislast für die Kenntnis des Dritten trifft denjenigen Ehegatten, der sich auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruht.

 

Der Notar muss bei Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages die Vorschrift des § 1365 BGB berücksichtigen. Ihn trifft allerdings keine Pflicht zur Stellungnahme und Nachforschung, ob die Vorschrift im konkreten Fall eingreift, wie der BGH zu Recht im Beschluss vom 26.2.2015 – III ZR 279/14, entschieden hat. Der Notar hat in der Regel ebenso wie der Käufer keine Kenntnis der genauen Vermögensverhältnisse des Verkäufers. Er hat auch nicht die Aufgabe, einen gutgläubigen fremden Käufer durch die Anforderung einer Art Vermögensaufstellung vom Verkäufer „bösgläubig“ zu machen.

 

Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen?

Bundesgerichtshof: Eine Schenkung kann bei Verarmung des Schenkers oder groben Undanks des Beschenkten selbst dann rückabgewickelt werden, wenn als Gegenleistung für die Vermögensübertragungen ein Erbverzicht erklärt wurde.

Grundsätzlich ist die alten Volksweisheit „geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen“ auch rechtlich zutreffend. Ein wirksam verschenkter Gegenstand kann von dem Schenker nur in eng begrenzten Ausnahmefällen von dem Beschenkten zurückgefordert werden. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Schenker innerhalb von 10 Jahren ab Vollzug der Schenkung „verarmt“ (§ 528 BGB), zum anderen dann, wenn sich der Beschenkte des „groben Undanks“ (§ 530 BGB) gegen den Schenker schuldig macht. Mit der Problematik der Rückabwicklung einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers ist der Rechtsberater häufig dann konfrontiert, wenn der ehemals vermögende Schenker im Alter pflegebedürftig wird und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen ist. Der Sozialhilfeträger kann in diesen Fällen den Rückabwicklungsanspruch des Schenkers auf sich überleiten und im eigenen Namen gegen den Beschenkten geltend machen.

In dem vom Bundesgerichtshof kürzlich entschiedenen Fall (Urt. v. 7.7.2015 – X ZR 59/13, FamRB 2016, 63) ging es um den zweiten möglichen Rückforderungstatbestand, nämlich den groben Undank. Die Tochter des Klägers hatte ihrem Vater vorgetäuscht, mittellos zu sein, um ihn über die bereits zuvor unentgeltlich übertrage Eigentumswohnung hinaus noch zu weiteren finanziellen Zuwendungen zu veranlassen. Der grobe Undank als solcher stand hier allerdings nicht infrage. Vielmehr musste der Bundesgerichtshof zu der in der juristischen Literatur sehr umstritten Frage Stellung nehmen, ob auch dann eine Schenkung im Rechtssinne anzunehmen ist, wenn der Beschenkte im Gegenzug einen Erbverzicht erklärt. Diese Rechtsfrage hatte der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 528 und 530 BGB erstmalig zu beantworten und kam zu dem Ergebnis, dass Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 528 und 530 BGB, nämlich der Schutz des Schenkers zu seinen Lebzeiten, es rechtfertigt, die Schenkungen gegebenenfalls auch dann rückabzuwickeln, wenn als Gegenleistung ein Erbverzicht erklärt wurde (Hinweis: dieser Erbverzicht könnte gegebenenfalls natürlich im Gegenzug auch rückabgewickelt werden, § 812 BGB). Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt. Demgegenüber soll es gegen eine Schenkung sprechen, wenn die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter der Erberwartung zurückbleibt.

Verzichtet also ein zukünftiger Erbe beispielsweise gegen eine Zahlung von 50.000,00 € auf eine Erbschaft, die voraussichtlich einen Wert von 100.000,00 € haben wird, so soll es sich nicht um eine Schenkung im Sinne der §§ 528 und 530 BGB handeln. Hier könnte also der „Schenker“ die 50.000,00 € weder dann von dem Beschenkten zurückfordern, wenn er selbst innerhalb von 10 Jahren nach der Zuwendung verarmen sollte, noch dann, wenn sich der Beschenkte des groben Undanks gegen ihn schuldig machen sollte. Hätte der zukünftige Erblasser hingegen 100.000,00 € gezahlt und sich im Gegenzug einen Erbverzicht erklären lassen, könnte er gegebenenfalls die volle Summe zurückfordern.

Fazit: Es ist erfreulich, dass der Bundesgerichtshof in diesem Urteil einmal Gelegenheit hatte, sich ausführlich mit dieser sehr umstrittenen Rechtsfrage auseinanderzusetzen. Das Ergebnis, dass die Zuwendung eines gegenüber dem Erbverzicht wertmäßig zu geringen Geldbetrages eine Schenkung darstellen soll, die Zuwendung eines dem Erbverzicht wertmäßig entsprechenden Geldbetrages jedoch nicht, kann jedoch kaum als unmittelbar einleuchtend bezeichnet werden.

Der neue Zöller ist da!

Ihn zu besprechen ist ähnlich sinnvoll, wie Eulen nach Athen, Torf ins Moor oder Holz in den Wald zu tragen. Jeder forensisch tätige Jurist kennt den Zöller und weiß um seinen Wert. Würde ich jetzt behaupten, die fast 3500 Seiten der 31. Auflage für diese Besprechung gelesen zu haben, kein Mensch glaubte das, zumal ich ja Familienrechtler und kein Prozessrechtler bin. Aber gerade deswegen ist mir ja der Zöller so wertvoll. Vor dem Vorwort zitieren die Autoren das Bundesverfassungsgericht mit den Worten, das Verfahrensrecht diene der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, darüber hinaus auch im Rahmen dieser Richtigkeit gerechter Entscheidungen. Besser kann man die Bedeutung des Verfahrensrechts nicht beschreiben. Seine Beachtung ist notwendige Voraussetzung für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit. Zöllers 3500 Seiten sind also der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit gewidmet. Das ist gut. Gut ist auch, dass die Autoren bei ihren Ausführungen an die „Verteidiger“ gedacht haben, die Richter und Anwälte, die mit dem Verfahrensrecht umzugehen haben. Das gilt übrigens auch für das Familienrecht. Die ersten beiden Bücher des FamFG werden auf 435 Seiten klar und praxisorientiert besprochen. Obendrein liefert Feskorn im Anhang noch ein ABC der familienrechtlichen Verfahrenswerte, natürlich mit aktuellster Rechtsprechung hinterlegt. Weil auch das FamFG nicht ohne die ZPO auskommt, ist die Behandlung beider Verfahrensrechte in einem Kommentar für die Praktiker so hilfreich.

Ein Standardwerk wie der Zöller bedarf für eine Neuauflage keiner Begründung. Jeder Jurist weiß, dass im Verfahrensrecht zwei Jahre auch dann eine große Weile sind, wenn keine bahnbrechenden Reformen die Prozesswelt verändert haben. Die Autoren haben aber nicht nur die Rechtsprechung aktualisiert, sondern insbesondere neues europäisches Recht eingearbeitet. Das Vorwort liefert die Ankündigung, dass allein acht EU-Verordnungen neu kommentiert bzw. ihre Kommentierungen aktualisiert wurden. Wenn jetzt die familienrechtlichen Praktiker stöhnen „so what?“, sei Ihnen gesagt: „it matters“. Wir haben nicht nur mehr multinationale Ehen, sondern daraus folgend auch mehr Streitigkeiten, die an den zum Glück optisch meist imaginären Grenzen nicht anhalten. Die europäische Verfahrensrechtsharmonisierung gelingt schneller als man denkt. Mit einem Verfahren zu „flüchten“ und in einem anderen europäischen Land „Asyl“ zu beantragen, bringt nur noch selten Vorteile.

Die Jüngeren unter uns werden fragen, warum überhaupt noch ein Printprodukt erforderlich ist, wenn es doch auch online geht. Der Zöller ist eine gute Antwort darauf. Online findet man nur das, was man nicht weiß. Im Print findet man auch das, was man wissen müsste. Wer das nicht glaubt, sollte sich die Kommentierung zu den §§ 220, 221 FamFG durchlesen und im praktischen Alltag umsetzen. Es sind nur 3 1/2 Seiten. Deren Lektüre erspart aber viele Seiten versorgungsausgleichsrechtlicher Fachliteratur. Verfahrensrecht und materielles Recht haben eben doch etwas miteinander zu tun. Weil das so ist, wünscht man der Neuauflage des Zöller, dass sie in die Gerichte und Anwaltspraxen getragen wird und überall dorthin, wo auch die Vorauflage stand oder hätte stehen müssen. Eulen nach Athen zu tragen, war überflüssig. Den Zöller in die Büros zu tragen, wäre es nicht.