Neuer Teilungsgegenstand in der Betriebsrente: die Beitragsrente

Durch das „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ (BT-Drucks. 18/11286), das von Bundestag und Bundesrat verabschiedet ist und seiner Verkündung harrt, ist der Versorgungsausgleich um einen neuen Teilungsgegenstand bereichert worden: die reine Beitragszusage (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG).

Die Beitragsrente unterscheidet sich von den bisherigen Durchführungswegen in der betrieblichen Altersvorsorge dadurch, dass sie den Arbeitgeber zu nichts verpflichtet. Dieser zahlt vielmehr die vereinbarten Beiträge aus dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers an einen externen Versorgungsträger, der aus diesen Beiträgen im Leistungsfall dem Arbeitnehmer eine Rente zahlt. Der Arbeitgeber übernimmt für die Höhe der Rentenzahlung keinerlei Garantie und Haftung. Die Höhe der späteren Rente hängt vielmehr allein von der Kapitalmarktentwicklung ab (Beitragsrente).

Eine derartige Form der Betriebsrente hat bislang nicht bestanden. Voraussetzung für eine solche Rente ist eine tarifvertragliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften, die im Einzelfall auszuhandeln ist. Da die Beitragsrente aus dem Einkommen des Arbeitnehmers finanziert wird und keine Sozialversicherungsabgaben auf diese Beiträge gezahlt werden, hat der Arbeitgeber einen Zuschuss von 15 % auf diese Beiträge an den Versorgungsträger zu zahlen, soweit er insoweit Sozialversicherungsabgaben spart (§ 23 Abs. 2 BetrAVG n.F.). Das ist für Arbeitgeber derzeit attraktiv. Ihre Sozialversicherungsabgaben betragen zzt. 17,925 % (9,35 % Rente, 7,3 % Krankenversicherung, 1,275 % Pflegeversicherung).

Ob eine solche Rente als sekundäre Altersvorsorge ein Erfolg wird, ist zu bezweifeln. Auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (AbA) äußerten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber skeptisch, ob entsprechende Tarifvertragsregelungen zu schließen sind. Diese Skepsis ist berechtigt. In der gesetzlichen Rentenversicherung wird derzeit eine Rendite von ca. 2,2 % erzielt. Diese Entwicklung ist mittelfristig stabil. In der kapitalmarktabhängigen Rentenversicherung sind die Renditen derzeit deutlich bescheidener. Warum ein Arbeitnehmer, der ein Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielt, seine gesetzliche Rentenversicherung zu Gunsten einer kapitalmarktabhängigen Alterssicherung eintauschen sollte, bleibt unklar. Die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Stärkung kapitalmarktabhängiger Alterssicherung ist vor dem Hintergrund der durch die Finanzkrise 2009 ausgelösten Turbulenzen nicht nachvollziehbar.

Im Versorgungsausgleich handelt es sich um eine kapitalgedeckten Versorgung, die in ihrem ehezeitlichen Kapitalanteil zu teilen sein wird. Da es sich um eine betriebliche Altersversorgung handelt, ist auf diese § 17 VersAusglG anzuwenden mit der Folge, dass hochwertige Ausgleichswerte in eine externe Teilung und damit einen hohen Versorgungsverlust geraten können. Bis es dazu kommt, wird noch viel Zeit vergehen. Einer unverkennbaren Euphorie der Arbeitgeber stand auf der AbA-Jahrestagung eine ebenso unverkennbare Skepsis der Gewerkschaften gegenüber. Da die „reine Beitragszusage“ aber eine tarifvertragliche Einigung zur Voraussetzung hat, bleibt sie dem Versorgungsausgleich vielleicht noch lange erspart.

Zusatzversorgung kürzt unberechtigt Renten aus Altentscheidungen (OLG Karlsruhe v. 2.5.2017 – 12 U 136/16)

Bereits mit Blog-Beitrag v. 17.8.2016 hatte der Verfasser auf eine Entscheidung des LG Köln hingewiesen, in der das LG die Höhe der Versorgung einer ausgleichspflichtigen Person nach Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht beanstandet und den Versorgungsträger zu einer Nachzahlung der unberechtigten Kürzung verurteilt hat. Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes nehmen die Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person in den nach altem Recht ergangenen Versorgungsausgleichsfällen nach der sogenannten Redynamisierungsmethode vor. Danach entspricht die Versorgungskürzung in der Höhe dem nominalen Ausgleichsbetrag, obgleich die ausgleichsberechtigte Person wegen der Anwendung der Barwertverordnung nur einen Bruchteil dieser Versorgung erhält oder erhalten wird. Das Oberschiedsgericht der VBL in Karlsruhe ( Oberschiedsgericht der VBL in Karlsruhe v. 6.6.2012 – OS 51/10, FamRZ 2012, 1877) hatte bereits diese Kürzungsmethode für unzulässig erklärt. Dem war das LG Köln mit Urteil v. 17.8.2016 – 20 S 8/16 beigetreten. Nunmehr hat auch das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe v. 2.5.2017 – 12 U 136/16) sich dieser Auffassung angeschlossen und seine alte Rechtsprechung (OLG Karlsruhe v. 9.12.2004 – 12 U 303/04) aufgegeben. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dort ist bereits unter Az. IV ZR 260/16 ein entsprechendes Verfahren, die Revision zum Urteils des LG Köln, anhängig.

Für die Betroffenen ausgleichspflichtigen Personen bergen diese Entscheidungen erhebliches Verbesserungspotenzial. Sollte der Bundesgerichtshof sich den Entscheidungen des OLG Karlsruhe und des LG Köln anschließen, wären die Rentenkürzungen für die ausgleichspflichtigen Personen aufgrund eines Versorgungsausgleichs, der nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht durchgeführt worden ist, unberechtigt hoch. Es entsteht für diesen Personenkreis ein erhebliches Nachzahlungspotenzial.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist Folgendes zu beachten:

  • Betroffen sind alle Entscheidungen über einen Versorgungsausgleich in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes die nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrechts ergangen sind.
  • Die Kürzung der Rente der ausgleichspflichtigen Person ist in diesen Fällen in Höhe der Hälfte des Ehezeitanteils der Versorgung vorgenommen worden, obwohl die Kürzung nur in Höhe der Hälfte des bilanzierten Ehezeitanteils hätte durchgeführt werden dürfen.
  • Der der ausgleichspflichtigen Person zustehende Nachzahlungsbetrag kann über einen Zeitraum von max. 47 Monaten geltend gemacht werden (Verjährungsfrist drei Jahre).
  • Vor Geltendmachung des Nachzahlungsbetrags sollten die betroffenen Personen bedenken, dass der Versorgungsträger nach § 51 Abs. 3 VersAusglG eine Abänderung der alten Versorgungsausgleichs betreiben und dadurch den Versorgungsausgleich komplett ins neue Recht transferieren kann. Geschieht dies, wird die Versorgung der ausgleichspflichtigen Person tatsächlich um die Hälfte des Ausgleichswerts gekürzt. Es wäre dann nichts gewonnen außer der Versorgungsnachzahlung für den nicht verjährten Zeitraum. Gleichzeitig kann jedoch eine Abänderung der Altentscheidung gravierende Auswirkungen auf andere Versorgungen haben. Dies kann für die ausgleichspflichtige Person positiv oder negativ sein. Vor Erhebung des Nachzahlungsanspruch müssen daher die Auswirkungen eines möglichen Abänderungsverfahrens auf das gesamte Gefüge des Versorgungsausgleichs geprüft werden.

Sinnvoll ist es in jedem Fall, zunächst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass diese alsbald ergeht.

Pensionsminderung durch Rentengewinne im Versorgungsausgleich?

Die Umsetzung eine Versorgungsausgleichsentscheidung überfordert manchmal die Träger der Beamtenversorgung. Wird zugunsten des Beamten im Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet und erhält der Beamte später neben seiner Beamtenpension daraus eine Rente, kommt es immer wieder vor, dass diese Rente auf die Beamtenversorgung angerechnet wird. Selbst bei Richtern besteht diesbezüglich oftmals Unsicherheit. Die Versorgungsträger berufen sich dabei auf § 55 BeamtVG oder vergleichbare Vorschriften in den entsprechenden Landes-Beamtenversorgungsgesetzen. Zugegeben, die Norm ist lang. Aber schon in Abs. 1 findet man Satz 7: 

§ 55 Abs. 1 S. 7 BeamtVG:

Renten, Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder § 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, jeweils in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung, beruhen, sowie übertragene Anrechte nach Maßgabe des Gesetzes über den Versorgungsausgleich vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) und Zuschläge oder Abschläge beim Rentensplitting unter Ehegatten nach § 76c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberücksichtigt. 

Es wäre auch ein merkwürdiges Ergebnis, wenn der Versorgungsausgleichsgewinn aus einem Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Pensionsminderung der durch den Versorgungsausgleich ohnehin geminderten Versorgung führte. Recht hat immer etwas mit Logik zu tun. Die Norm schafft ein logisches und damit auch gerechtes Ergebnis.

 

Karge Worte des Sparsamen – Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde zu § 17 VersAusglG nicht an (BVerfG v. 9.3.2017 – 1 BvR 963/16)

Ein Bild von Paul Klee ist betitelt: „Karge Worte des Sparsamen“. Es zeigt einen intelligenten Flaschenkopf mit hellwachen Augen und einem im Verhältnis dazu deutlich zu kleinen, verschlossenem Mund. Der Bildtitel erscheint als „Krg Wrt Sp.“ in Buchstaben im Bild.

Mit ebensolcher Kargheit hat das BVerfG am 9.3.2017 (1 BvR 963/16) eine eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen der nachteiligen Folgen der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts mit einem Ausgleichswert von knapp 50.000 € nicht angenommen. 33 Worte genügten den Verfassungsrichtern dazu.

In den familienrechtlichen Kommunikationsmedien wird eine Mischung von Trübsal, Enttäuschung und rücksichtsvollem Gerichtsbashing betrieben. Viele meinen, das Verfassungsgericht hätte sich doch wenigstens einige Worte der Begründung abringen können.

Zum Glück hat es das nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht ist an das BVerfGG gebunden und die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 13 Nr. 8a BVerfGG sind, dass ihr ‚grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt‘ oder eine Grundrechtsverletzung einen ‚besonders schweren Nachteil‘ beim Beschwerdeführer auslöst (§ 93a BVerfGG), falls eine Entscheidung zur Sache versagt wird. Diese Voraussetzungen hat der Beschwerdeführer darzulegen. Er muss also nicht nur darlegen, welches Grundrecht durch eine Gerichtsentscheidung verletzt worden ist, sondern auch die Dimension der Verletzung. Dabei reicht es nicht aus, die verfassungswidrige Ungerechtigkeit einer Norm zu beklagen (das wäre Aufgabe einer Normenkontrollklage). Vielmehr müssen die Grundrechtsverletzung und deren Auswirkungen auf den Beschwerdeführer dargelegt werden (§ 92 BVerfGG).

Das alles macht Verfassungsbeschwerden aufwändig. Die hier nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde erfüllte diese formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nach Ansicht des Gerichts nicht. Deshalb konnte und durfte das BVerfG die Beschwerde nicht zur Entscheidung annehmen.

Vielleicht sind die mit der externen Teilung zusammenhängenden Rechtsprobleme auch noch nicht ausreichend erörtert.

Im Versorgungsausgleich werden bei der internen Teilung ‚Renten‘ dinglich geteilt. Die Forderung eines angemessenen Teilungsergebnisses ist daher in diesen Fällen gerechtfertigt.

Bei der externen Teilung wandelt sich die ‚dingliche Teilung‘ gewissermaßen in einen ‚Wertausgleich‘.

  • Fehlt dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen tatsächlich der Spielraum, einen solchen Transfer zu ermöglichen, an den wir uns im Zugewinnausgleich, dem jede dingliche Teilhabe fremd ist, gewöhnt haben und dessen Verfassungswidrigkeit dort nicht bemängelt wird?
  • Könnten wir tatsächlich die betrieblichen Versorgungsträger zur Auskehrung höherer Ausgleichswerte zwingen, als diese für eine Versorgung bilanziert haben, ohne die nächste verfassungsrechtlich bedenkliche Baustelle zu eröffnen?
  • Wir wissen, dass die Kapitalmarktentwicklung dazu geführt hat, dass betriebliche Versorgungssysteme unterfinanziert sind und einen erheblichen finanziellen Nachschussbedarf haben. Können wir aber diesen Nachschussbedarf präemptiv in der Höhe des Ausgleichswerts abbilden, obwohl er erst nachehezeitlich entsteht, wenn nämlich der Mitarbeiter zum Rentenbezieher mutiert und sich dann herausstellt, dass die tatsächlich gebildeten Rückstellungen nicht ausreichend sind? Der dann erforderliche ‚Nachschuss‘ wird von den ‚aktiven Mitarbeitern‘ des Unternehmens nachehezeitlich erwirtschaftet. Da betriebliche Anrechte keine Abänderungsmöglichkeit kennen (§ 32 VersAusglG), kann die ausgleichsberechtigte Person an diesem nachehezeitlichen Nachschuss auch nicht beteiligt werden.

Solange die Diskussion das Ausgleichsergebnis fokussiert, werden die Familienrechtler die Sozialpolitiker und die Frauenrechtler aktivieren, wahrscheinlich aber nicht die Verfassungsrechtler.

Diese könnten sich aber dafür interessieren, ob die in § 17 VersAusglG vorgesehene Schwellgrenze für den Übergang zur internen Teilung nicht willkürlich hoch bemessen ist. Welches Argument rechtfertigt die interne Teilung einer Versorgung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und die externe Teilung einer Versorgung mit einem Kapitalwert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze? Nach der Rechtsprechung des BGH können die Betriebe die durch die Teilung entstehenden Kosten (einschließlich der künftigen Verwaltungskosten) auf die sich scheidenden Ehegatten umlegen (BGH v. 27.06.2012 – XII ZB 275/11, FamRZ 2012, 1546 = FamRB 2012, 307). Ein Kostenargument kann also die Differenzierung nicht rechtfertigen. Dass die ausgleichsberechtigten Ehegatten kleinerer Versorgungswerte der Versorgungshomologität eher abträglich seien als die größerer Versorgungswerte, dürfte Verfassungsrechtler wohl eher zu mildem Lächeln bringen. Das berechtigte Interesse am Ausschluss von Bagatellversorgungen aus den betrieblichen Systemen kann man durch eine moderate Anhebung der Bagatellgrenze bewerkstelligen. Wählte man z.B. für die betriebliche Altersversorgung als Grenzwert 50 % des Durchschnittsentgelts in der gesetzlichen Rentenversicherung als Grenzwert für die interne Teilung (das wären heute rd. 19.000 €), reduzierte man zwar nicht den prozentualen Transferverlust, aber die „besonders schweren Nachteile“ der ausgleichsberechtigten Personen (§ 93a Abs. 2 Nr. 2a BVerfGG).

Das BVerfG hat – aus formalen Gründen – die Beschwerde nicht angenommen. Damit ist die Verfassungsmäßigkeit von § 17 VersAusglG nicht festgestellt. Festzustellen ist aber, dass Verfassungsbeschwerden nicht leichtsinnig eingelegt und gut begründet werden sollten. Das BVerfG ist keine familienrechtliche Superrevisionsinstanz, sondern Verfassungsorgan.

Ich zweifele – wie oben dargestellt – nach wie vor daran, dass die durch § 17 VersAusglG gezogene Grenze für interne und externe Teilung unter Gleichheitsaspekten zu begründen ist (vgl. FS Brudermüller, S. 277). Ein entsprechender Fall muss aber sorgsam ausgesucht und ein Verfahren von vornherein mit der Grundrechtsproblematik „belastet“ werden. Und schließlich muss auch der „besonders schwere Nachteil“ dokumentiert werden. Ab wann ein solcher gegeben ist, ist schwer zu sagen. Aber dafür haben wir ja das Bundesverfassungsgericht. Bessere Richter haben wir nicht und eine bessere Institution zur Klärung solcher Fälle ist uns bislang auch noch nicht eingefallen.

Nun schätzt mal schön – Der Versorgungsausgleich in der Zusatzversorgung (BGH v. 8.3.2017 – XII ZB 697/13)

Rechtzeitig vor Ostern sorgt der BGH für Unruhe bei den Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und kippt einen zentralen Bestandteil ihres Berechnungsmodells: die geschlechtsspezifische Versorgungsbegründung im Versorgungsausgleich. Damit sind fast alle Auskünfte der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und der VBL, die nach dem 31.12.2012 erteilt wurden, als Grundlage für den Versorgungsausgleich Makulatur.

Drei Fragen im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes waren offen:

  1. Ist die Berechnung des Ausgleichswerts auf der Basis der zu teilenden Versorgungspunkte in einen Kapitalwert und die Begründung der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person auf der Basis der aus diesem Kapitalwert resultierenden altersabhängigen Entgeltpunkte zulässig?
  2. Ist es in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zulässig, geschlechtsspezifische Barwertfaktoren für die Rentenbegründung im Versorgungsausgleich zu benutzen?
  3. Ist es bei der internen Teilung eines Anrechts des ZVK zulässig, vom Pflicht- in den freiwilligen Versicherungszeig zu wechseln?

Die ersten beiden Fragen sind nun beantwortet:

Zu 1.:

In der ZVK des öffentlichen Dienstes sind die Versorgungspunkte die Bezugsgröße. Nach § 5 Abs. 1 VersAusglG wird auf der Basis der jeweiligen Bezugsgröße geteilt und für die ausgleichsberechtigte Person eine Versorgung begründet. Wenn also ehezeitlich 20 Versorgungspunkte (VP) begründet wurden, wären 10 VP für die ausgleichsberechtigte Person zu begründen. So einfach macht es sich und uns die ZVK indessen nicht. Vielmehr werden die ehezeitlich erworbenen VP anhand der biometrischen Daten der ausgleichspflichtigen Person in einen Barwert umgerechnet, dieser wird geteilt und anhand der biometrischen Faktoren der ausgleichsberechtigten Person wird das geteilte Kapital in VP umgerechnet. Das führt für die Beteiligten zu der oftmals als verblüffend empfundenen Erkenntnis, dass die Teilung von 12,64 VP für die ausgleichsberechtigte Person zu einer Versorgung in Höhe von 10,82 VP führt. Falsche Mathematik? Nein, richtige Versicherungsmathematik sagt die ZVK und nun auch der BGH, denn der Versorgungsausgleich müsse für Versorgungsträger kostenneutral abgewickelt werden und deswegen sei es zulässig, wenn unterschiedliches Alter von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person zu unterschiedlich hohen Versorgungen führe. Bei jüngeren Ausgleichsberechtigten verweile das Ausgleichskapital länger im Versorgungssystem, erziele Zinserträge und könne daher auch höhere Renten generieren. Deshalb seien die Teilung auf Kapitalwertbasis und deren Umrechnung in Versorgungspunkte zulässig.

Zu 2.:

  1. Die Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Umrechnung des Kapitalbetrages in Versorgungspunkte hält der BGH allerdings nicht für zulässig (Rz. 26 ff.). Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes seien als Anstalten des öffentlichen Rechts an die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gebunden. Zwar hätten Frauen eine längere Lebenserwartung als Männer, was versicherungsmathematisch differierende Barwertfaktoren rechtfertige. Letztlich stelle dies aber eine geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen dar, die im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu rechtfertigen sei. Dies bedeute allerdings nicht, dass alle Versorgungsausgleiche, die auf der Basis nicht genderneutraler Auskünfte der Zusatzversorgungen durchgeführt worden seien, fehlerhaft seien. Erst solche Versorgungsauskünfte, die nach dem 1.1.2013 erteilt worden seien, könnten vor der Rechtsordnung keinen Bestand haben, weil der Europäische Gerichtshof Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie 2004/113/EG mit Wirkung zum 21.12.2012 für ungültig erklärt habe (Rz. 43) und seitdem fraglich sei, ob die Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren in der betrieblichen Altersversorgung unionsrechtlich zulässig sei. Da eine solche geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung aber bereits gegen nationales Verfassungsrecht verstoße (Rz. 48), könne sie nur bis zum 31.12.2012 hingenommen werden. Nach diesem Stichtag erteilte Versorgungsauskünfte von öffentlich-rechtlichen Zusatzversicherungen seien grundsätzlich nicht verwertbar. Bis zur Umstellung der Rechnungsgrundlagen durch die Versorgungsträger könnten die Werte geschätzt werden. Ein brauchbares Schätzmodell sei in der Entscheidung des OLG Celle (FamRZ 2014, 305, 308 f.) enthalten.
  2. Nun schätzt mal schön*, will uns der BGH sagen. Das ist aber gar nicht so einfach und dürfte die Familienrechtler ohne besondere Hilfsmittel überfordern.
    • Das OLG Celle hatte in der vom BGH erwähnten Entscheidung die ZVK aufgefordert, alle maßgeblichen alters- und geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für die Stichtage zur Berechnung des Kapitalwerts und des Rentenwerts mitzuteilen und dann folgendes Schema entwickelt (entnommen Hauß/Bührer, Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, 2. Aufl., Rz. 952):

      OLG Celle, geschlechtsneutrale Teilungsberechnung

      Barwertfaktor Mann (47)

      Barwertfaktor Frau (42)

      Monatsrente

      148,09 €

      148,09 €

      Jahresrente

      1.777,08 €

      1.777,08 €

      Barwertfaktor (47)

      7,42

      7,434

      Barwert

      13.185,93 €

      13.210,81 €

      Barwert / 2

      6.592,97 €

      6.605,41 €

      Teilungskosten

      – 125,00 €

      – 125,00 €

      Ausgleichswert

      6.467,97 €

      6.480,41 €

      Barwertfaktor (42)

      6,417

      6,436

      Jahresrente

      1.007,94 €

      1.006,90 €

      Monatsrente

      84,00 €

      83,91 €

      Versorgungspunkte (Rente / 4)

      21,00

      20,98

      gemittelte Versorgungspunkte

      20,99

      Der Unterschied zwischen grundgesetzkonformer geschlechtsneutraler und geschlechtsdifferenzierender Berechnungsmethode betrug im Fall des OLG Celle gerade einmal 20 Eurocent (vgl. Hauß, FamRB 2013, 386).

    • Die Gerichte könnten nun recht einfach die Bewertungen vornehmen, wenn die Träger der Zusatzversorgungen nicht ein Geheimnis um Ihre Barwertfaktoren machten. Diese werden nämlich nicht veröffentlicht. Würden sie veröffentlicht, könnte man sehr einfach und auch sehr schnell ein Programm zur geschlechtsneutralen Kalkulation der Werte entwickeln, das den Gerichten die Möglichkeit böte, anhand der Berechnungsparameter der ZVK einen geschlechtsneutralen Ausgleich vorzunehmen. Solange die Parameter allerdings Geheimsache sind, muss man nun in allen Fällen die Versorgungsträger zwingen, neue Auskünfte zu erteilen oder ihnen mit wilden Schätzungen drohen. Das alles kostet Geld der Versorgungsträger und Zeit der Mandanten. Schade.
    • Besteht jetzt Abänderungspotential um bei 180.000 Scheidungen pro Jahr zehntausende genderpolitisch fehlerhaft durchgeführten Versorgungsausgleiche zu korrigieren? Wohl kaum. Das Beispiel des OLG Celle zeigt, wie gering der versicherungsmathematische Unterschied genderpolitischer Korrektheit materiell ausfällt. Bevor die Anwaltschaft nun die Abänderungsmaschine anwirft, sollte man kurz die Reaktion der Zusatzversorgungen abwarten. Diese täten gut daran, nun endlich ihre Barwertfaktoren zu veröffentlichen und so eine einfache Möglichkeit der Prüfung und Neuberechnung zu schaffen, ganz ohne neue Auskünfte und ohne lange Stauzeiten.

Zu 3.:

Die Frage, ob ein interner Ausgleich vorliegt, wenn der Versicherungszweig in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gewechselt wird, und ein Anrecht statt in der Pflicht- in der freiwilligen Versicherung begründet wird (z.B. in der eZVK Hessen), ist noch nicht beantwortet. Sie weist auch über das Zusatzversorgungssystem hinaus, weil auch der BVV und viele private Versorgungen einen für die ausgleichsberechtigte Person regelmäßig nachteiligen Tarifwechsel vornehmen. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH mit ähnlich beeindruckender Rigidität wie im obigen Beschluss das System eines gerechten Ausgleichs der ehezeitlichen Versorgungen vor der schleichenden Demontierung durch die Versorgungsträger schützt.

* Leichte Abwandlung eines Satzes des ehemaligen Bundespräsidenten Heuss, der als Manövergast der Bundeswehr 1958 die Generalität in scherzend ironischer Art mit dem Satz konfrontierte: „Nun siegt mal schön!“

Geldanlage in den Zeiten der Cholera – oder wie man dem Versorgungsausgleich Investitions-Charme abgewinnen kann

Zufriedene Gesichter sieht man bei familienrechtlichen Mandanten selten. Ehe kaputt, Konto leer, Altersversorgung geplündert, eine offene Anwaltsrechnung und der Verkauf der Immobilie klappt erst in drei Monaten. Und was dann tun mit dem Geld? Anlegen für null Zinsen oder einen unbequemen Porsche kaufen in der Hoffnung auf einen imagegebundenen Mitnahmeeffekt bei dem noch zu Findenden? Da fällt das Lächeln schwer.

Der Versorgungsausgleichsrechtler zaubert das Lächeln auf das Gesicht der Mandanten zurück. Das durch den Versorgungsausgleich geplünderte Renten- oder Versorgungskonto kann nämlich durch Beitragszahlungen aufgefüllt werden (§§ 58 BeamtVG, 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Auch etliche betriebliche Altersversorgungen ermöglichen dies.

Seit dem 1.1.2017 besteht diese erweiterte Möglichkeit nun auch im Rahmen des Flexirentengesetzes (§ 187a SGB VI). Zum Ausgleich einer Rentenminderung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze (Abschlag 0,3 % pro Monat vorzeitigen Rentenbezugs) können Beiträge gezahlt werden, die dann später die Rentenminderung abdämpfen, oder, wenn keine vorzeitige Rente in Anspruch genommen wird, die Rente erhöhen. Anspruch auf die zur Berechnung des Abschlagsausgleichs erforderliche Auskunft besteht – auch ohne Nachweis eines berechtigten Interesses – nunmehr schon mit Vollendung des 50. Lebensjahrs.

Lohnt sich das? Die Antwort ist eindeutig ‚Ja‘. Beamtenversorgung und gesetzliche Rente haben jährliche Steigerungsraten von über 2 % und zwar nicht nur in der Leistungsphase. Wo gibt es heute noch solche Renditen? Die späteren Renten- und Pensionsleistungen sind zwar zu versteuern, dafür können aber die Wiederauffüllungsbeiträge steuerlich nach § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG (bis max. 2.100 € pro Jahr) geltend gemacht werden.

Wenn Sie als Anwalt dem gebeutelten Mandanten das Lächeln zurückgeben wollen, empfehlen Sie ihm, sein Rentenkonto durch freiwillige Beitragszahlungen aufzufüllen. Zunächst wird er lächeln, weil er – vorverständnisgebunden – Sie für einen ‚armen Irren‘ hält. Erst wenn das Denken einsetzt, dankt er Ihnen. Es kann allerdings auch sein, dass er verlegen lächelt, weil sein Konto nun wirklich nichts hergibt. Dann kann man nichts machen. Sie müssten ihn auf später vertrösten. Aber Vorsicht: Beiträge für 2016 können nur bis zum 31.3.2017 nachgezahlt werden!

Ausübung des Kapitalwahlrechts einer Altersversorgung bei Gütertrennung

In Eheverträgen wird häufig der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Teilung des während der Ehe erworbenen Vermögens) ausgeschlossen, während der Versorgungsausgleich (Teilung der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften) unangetastet bleibt. In diesen Fällen ist die  erste Frage eines Anwalts an den Mandanten, ob er über Altersvorsorgeanwartschaften mit Kapitalwahlrecht verfügt. Der Anspruch auf Auszahlung eines Kapitalbetrags unterliegt – anders als der Anspruch auf eine Rente – ausschließlich dem Zugewinnausgleich und nicht dem Versorgungsausgleich. Es ist also in diesen Fällen ein Leichtes, diesen Vermögenswert durch bloße Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Ausgleich an den anderen Ehegatten vollständig zu entziehen. 

Bei dem anderen Ehegatten kommt diese Vorgehensweise verständlicherweise meist nicht gut an. Das gilt umso mehr, wenn der benachteiligte Ehegatte dadurch nicht nur seinen Ausgleichsanspruch verliert, sondern darüber hinaus auch noch selbst im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtig wird. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der benachteiligte Ehegatte in diesen Fällen auch tatsächlich erfolgreich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Lasten in Höhe des Ausgleichswerts wehren, den der andere dem Versorgungsausgleich durch Ausübung des Kapitalwahlrechts entzogen hat, indem er sich auf § 27 VersAusglG (grobe Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs) beruft (zuletzt BGH v. 21.9.2016 – XII ZB 264/13, FamRZ 2017,  26 = FamRB 2017, 9).

 Nicht erfolgreich wehren kann sich gegen diese Vorgehensweise hingegen bisher ein Ehegatte, der selbst während der Ehe keine oder nur geringfügige Altersvorsorgeanwartschaften erworben hat, etwa weil er oder sie nicht gearbeitet, sondern Kinder betreut hat. Diesem Ehegatten nützt es nichts, sich auf § 27 VersAusglG zu berufen, da ein Versorgungsausgleich zu seinen Lasten mangels eigener Versorgungsanwartschaften ohnehin nicht in Betracht kommt. Die Vertragsfreiheit der Beteiligten auch insoweit zu beschränken, als der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bzgl. des Ausgleichsbetrags wegen Treuwidrigkeit aufgehoben oder gar die Ausübung des Kapitalwahlrechts als sittenwidrig und damit nichtig betrachtet wird, hat sich der Bundesgerichtshofs bisher noch nicht getraut. Das mag ja auch grundsätzlich richtig sein, vergleicht man aber diesen mit dem zuerst geschilderten Fall, kann man sich Eindrucks einer gewissen Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle nicht erwehren.

Das Ende des Blindflugs im Versorgungsausgleich – Programm zur Kontrolle von Kapitalwerten

Eigentlich ist der Versorgungsausgleich ganz einfach. Man teilt alle Versorgungen im Ehezeitanteil und begründet für die ausgleichsberechtigte Person zu den Bedingungen der Quellversorgung eine eigene Versorgung beim gleichen Versorgungsträger. Das war die Idee. Im Laufe der Gesetzgebungsarbeit ist diese Idee verwässert worden. Die Länder wollten die Beamtenversorgungen, die Betriebe die Versorgungen aus Direktzusagen und Unterstützungskassen nicht intern teilen. Um Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für die Versorgungsträger zu wahren, wurde ihnen schließlich erlaubt, Renten auf Kapitalwertbasis zu teilen.

Ein Kennzeichen demokratischer Rechtsordnung ging damit verloren: Die Transparenz. Niemand ist nämlich in der Lage, ohne aufwändige Rechenhilfen oder Sachverständigengutachten zu kontrollieren, ob für einen 50-jährigen Mann der Kapitalwert der ehezeitlich erdienten Rente von 500 € vom Versorgungsträger mit 41.000 € richtig angegeben ist. Vielleicht sind es ja auch 30.000 oder knapp 50.000 €?

Dem Interessierten hilft auch die Formel formel_klein nicht wirklich weiter. Wie soll er an den Invaliditäts- oder Hinterbliebenenfaktor kommen? Leistungs-, Anwartschaftszeit, Zinssätze und das Vorversterbensrisiko lassen sich ja noch aus den Generationensterbetafeln ermitteln. Die Berechnung der Formel ist trotzdem nicht banal. Wehe, eine Klammer wird falsch gesetzt.

Das führt bei 160.000 Scheidungen pro Jahr zu 160.000 mal „Blindflug“. Es wird schon stimmen, was der Versorgungsträger oder mehr oder weniger renommierte mathematische Dienstleister berechnen. Diese Hoffnung ist manchmal nicht gerechtfertigt. Die Erfahrung zeigt: auch renommierte Unternehmen schummeln. Teilweise findet das heimlich statt, indem z.B. eine Hinterbliebenenversorgung oder ein Rententrend nicht mitberechnet oder der Stichtag verändert wird. Teilweise wird auch offen geschummelt, indem der „Betrug“ in die Teilungsordnungen geschrieben wird. Der Versorgungsträger hofft, dass sich keiner die Teilungsordnung durchliest. Verweist das Gericht dann im Tenor auf die Teilungsordnung, wäre diese umzusetzen, gerecht oder nicht, das ist egal. Rechtskraft ist Rechtskraft.

Die Anwaltschaft kann die Berechnungen nicht ohne Hilfe durchführen. Die von der Versicherungswirtschaft verwendeten „Richttafeln Heubeck 2005-G“ kosten ca. 800 € und auch ihre Anwendung ist nicht banal.

Diesem Mangel abzuhelfen dient ein neues kleines kostenloses Programm, das von mir entwickelt worden ist und von Arndt Voucko-Glockner und mir nunmehr verantwortet wird. Das Programm hat die Leistungsfähigkeit der Heubeck-Tabellen, ist aber sehr einfach zu bedienen. Es funktioniert mit Excel als Programmbasis und steht ab sofort auch beim FamRB als Download zur Verfügung. Die Kontrolle eines Kapitalwerts dauert – nach dem dritten Mal – vielleicht zwei Minuten. Das sollten uns die Interessen unserer Mandanten wert sein.

Rechtswidrige Umsetzung von Versorgungsausgleichsentscheidungen

Wird eine Ehe geschieden, wird der Versorgungsausgleich durchgeführt. In einem Fall lautete der Tenor der Entscheidung – wie üblicherweise bei der internen Teilung: „Zu Lasten der Versorgung der <ausgleichspflichtigen Person> wird zugunsten der <ausgleichsberechtigten Person> ein Anrecht in Höhe einer Monatsrente von 582 € bezogen auf den 30.9.2000 nach Maßgabe von § 36a der Versorgungsordnung begründet.“ Wenn nun – wie hier – zwischen Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung 16 Jahre liegen, fragt sich, ob die Rentenleistung des Versorgungsträgers zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung vom Versorgungsträger bei der ausgleichspflichtigen Person zurückgefordert werden kann.

Die Architektenversorgung Baden-Württemberg meinte „ja“ und kürzte die Versorgung des Versorgungsbeziehers über den im Rahmen des Versorgungsausgleichs entschiedenen Kürzungsbetrag von 582 € monatlich hinaus, um die angebliche „Überzahlung“ der Versorgung bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu kompensieren, obwohl die ausgleichsberechtigte Person nicht einmal Leistungen aus der Versorgung erhalten hatte. Sie zog einen Kapitalwert von immerhin mehr als 13.000 € dem ausgleichspflichtigen Mitglied ab. Auch argumentenreicher Protest des betroffenen Architekten bewirkte kein Einlenken. Erst Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht (öffentlich rechtlicher berufsständischer Versorgungsträger) brachte die abrupte Wende – ein sofortiges Anerkenntnis der Forderung.

Zu Recht: Die Ausgangsentscheidung im Versorgungsausgleich wird nach § 224 FamFG „erst mit Rechtskraft wirksam“. Bis dahin zahlt also der Versorgungsträger an den Berechtigten und mit Rechtsgrund.

Der Versorgungsträger berief sich zur Begründung seines Gesinnungswandels auf die BGH-Entscheidung zum Kapitalverzehr durch Rentenbezug (BGH v. 17.2.2016 – XII ZB 447/13, FamRB 2016, 176, 178). Nichts ist verkehrter. Denn da der Versorgungsträger auf Rentenbasis teilt und der Ausgleichswert in einer Rente angegeben ist, spielt das Problem des Kapitalverzehrs keine Rolle.

Das Verhalten dieses Versorgungsträgers ist keine Einzelfehlleistung. Versorgungsträger entdecken den Versorgungsausgleich als Geschäftsmodell zur Sanierung ihrer durch die Niedrigzinspolitik gebeutelten Versorgungssysteme. Es ist Aufgabe der Anwaltschaft, die Umsetzung der Versorgungsausgleichsentscheidungen zu kontrollieren. Der Einfallsreichtum der Versorgungsträger, aus dem Versorgungsausgleich Kapital zu schlagen, ist groß. Es wäre gut, wenn die ausgleichsberechtigten Personen die Korrektheit der Umsetzung von Versorgungsausgleichsentscheidungen prüfen ließen und Fehler der Umsetzung meldeten. Vielleicht würde es sich sogar lohnen, ein Fehlerregister aufzubauen.

 

Rentenkürzung der Zusatzversorgung in Versorgungsausgleich-Altfällen rechtswidrig

Wird eine Ehe geschieden, wird der Versorgungsausgleich durchgeführt. Nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht wurden die ehezeitlich erworbenen Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mit Hilfe der BarwertVO „dynamisiert“. So wurden aus 53,50 € ehezeitlicher auszugleichender Versorgung in einem vom LG Köln nunmehr entschiedenen Fall 11,11 €. Diesen Betrag hätte die Zusatzversorgungskasse der gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten gehabt, wenn es zu einem Rentenbezug der ausgleichsberechtigten Person gekommen wäre.

Tatsächlich verminderte die Zusatzversorgungskasse den Versorgungsbezug des nachehezeitlich im Alter von 45 Jahren invalide gewordenen Ehemannes um den nicht dynamisierten Ausgleichsbetrag von 53,50 €, obwohl die ausgleichsberechtigte Ehefrau noch gar keine Rente bezog. Die Einsparungen für den Versorgungsträger sind erheblich. Bis zum Altersrenteneintritt der 3,5 Jahre jüngeren Ehefrau des Versorgungsberechtigten hätte die Zusatzversorgungskasse für die Ehefrau keinerlei Zahlungen erbringen müssen und danach auch nicht die 53,50 €, sondern maximal ca. 20 €. Im konkreten Fall hätte der Verlust des Ehemannes über die gesamte Bezugszeit der Versorgung bis zu seinem Tod ca. 15.000 € betragen. Bedenkt man die geringe Versorgungshöhe von 53,50 €, ist dies ein erheblicher Betrag.

Das LG Köln (Urteil v. 17.8.2016 – 20 S 8/16) hat sich nun als erstes Zivilgericht einer Entscheidung des Oberschiedsgerichts der VBL in Karlsruhe v. 6.6.2012 – OS 51/10, FamRZ 2012, 1877 angeschlossen und für die Rheinische Zusatzversorgungskasse entschieden, dass die Kürzung der Versorgungsrente für die ausgleichspflichtige Person lediglich in Höhe des aktualisierten dynamisierten Ausgleichsbetrags erfolgen darf. Die Kürzung darf also nicht höher als der in der Versorgungsausgleichsbilanz des Scheidungsurteils bilanzierte Ehezeitanteil der Zusatzversorgung sein, der mit Hilfe der aktuellen Rentenwerte dynamisiert wird.

Im konkreten Fall war das Ehezeitende 2004. Der aktuelle Rentenwert betrug im Jahr 2004 26,13 €, im Jahr 2016 beträgt er 30,45 €. Der berechtigte Abzugsbetrag für das Jahr 2016 hätte sich dann wie folgt errechnet: 11,11 x 30,45 / 26,13 = 12,95 €. Tatsächlich wurden 53,50 € abgezogen!

Das LG Köln hat Revision zum BGH zugelassen.

Konsequenzen aus der Entscheidung:

Bevor die Betroffenen nun die Versorgungsträger anschreiben und die Erhöhung ihrer Rentenbezüge geltend machen, gilt es einiges zu bedenken:

  • Die Zusatzversorgungsträger können dieses Erhöhungsverlangen mit Anträgen auf Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung beantworten. Dann erfolgt die Realteilung der Versorgung nach neuem Recht. Die Versorgung würde dann tatsächlich um den Nominalbetrag (im vorliegenden Fall 53,50 €) gekürzt.
  • Wenn der Versorgungsbezieher eine Versorgung von einem betrieblichen oder privaten Versorgungsträger bezieht, die ebenfalls mit der BarwertVO „gekürzt“ worden ist, kann ein solches Abänderungsverfahren für den Versorgungsbezieher zu einer Kürzung auch der anderen Bezugsrenten führen.
    • Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens müssten die durch Kindererziehungszeiten für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder erworbenen Anrechte mitausgeglichen werden und
    • könnten zwischenzeitliche Verschlechterungen der Beamtenversorgung ebenfalls versorgungsausgleichsrechtlich berücksichtigt werden.

Ob ein Antrag an den Versorgungsträger, die unberechtigte Rentenkürzung zu unterlassen, gestellt werden soll, bedarf folglich sorgfältiger Prüfung des Abänderungspotentials aller in den Versorgungsausgleich einbezogenen Versorgungen. Ratsam ist es, unter Hinweis auf die Entscheidung des LG Köln in geeigneten Fällen den Anspruch beim Versorgungsträger zunächst anzumelden und sich zugleich einverstanden zu erklären, bis zur Entscheidung des BGH über die Revision abzuwarten. Zwar kann man so den Versorgungsträger nicht verbindlich davon abhalten, ein Abänderungsverfahren einzuleiten; die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber gering, weil Abänderungsverfahren auch für die Versorgungsträger aufwändig sind.

Kenntnisreiche anwaltliche Beratung ist daher gefragt!