Änderungsbedarf der Unterhaltsleitlinien bzgl. der Abziehbarkeit von Tilgungsleistungen vom Wohnwert beim Ehegattenunterhalt?

Wenn ein Ehegatte nach Zustellung des Scheidungsantrags in einer Immobilie lebt, die in seinem Alleineigentum steht, wird für die Unterhaltsberechnung sein Einkommen um den objektiven Wohnwert (Kaltmietwert) dieser Immobilie erhöht, weil er keine Miete zahlen muss. Die zur Finanzierung der Immobilie aufgenommenen Darlehen sind nach den bisherigen Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte nur mit dem Zinsanteil der Monatsraten von dem unterhaltsrechtlichen Einkommen abziehbar. Der Tilgungsanteil soll hingegen nicht abziehbar sein. Dahinter steht der Gedanke, dass nicht ein Ehegatte auf Kosten des anderen Ehegatten Vermögen aufbauen können soll. Auf den ersten Blick überzeugt dieser Gedanke. 

Nach dem Beschluss des BGH v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519 = FamRB 2017, 170 – werden die Oberlandesgerichte ihre Richtlinien an diesem Punkt allerdings wohl dennoch überdenken müssen. Zwar betraf die Entscheidung des BGH ausdrücklich nur den Elternunterhalt (in diesem Blog bereits genauer dargestellt und kommentiert am 1.3.2017 von Rechtsanwalt Jörn Hauß), sie enthält in Rz. 33 jedoch einen Gedanken, der offensichtlich ebenso für den Ehegattenunterhalt gilt: 

Es fehlt an einer Vermögensbildung auf Kosten des Unterhaltsberechtigten, wenn und soweit den Tilgungsanteilen ein einkommenserhöhender Wohnvorteil gegenübersteht. Denn ohne Zins- und Tilgungsleistungen gäbe es den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht. 

Das bedeutet: Soweit der eine Ehegatte unterhaltsrechtlich nicht schlechter steht, als wenn der andere zur Miete wohnen würde, können die Darlehensraten einschließlich Tilgungsanteil abgezogen werden. 

Dieser Gedanke ist so überzeugend und eindeutig richtig, dass die Oberlandesgerichte kaum darum herum kommen werden, die Leitlinien dahin gehend anzupassen, dass die Darlehensraten einschließlich Tilgungsanteil immer in Höhe des vollen Wohnwerts vom unterhaltsrechtlichen Einkommen abziehbar sind.  

Ähnlich äußerte sich auch bereits Dr. Johannes Norpoth, Richter am OLG Hamm, 10. Familiensenat, in der NZFam 2017, 303, 308, in seiner Anmerkung zu dem oben genannten Beschluss des BGH und auch der Vorsitzende Richter am BGH, Hans-Joachim Dose, äußert im Rahmen seiner Dozententätigkeit für Fachanwälte für Familienrecht ausdrücklich, dass es ihn nicht überraschen würde, wenn der BGH zum Ehegattenunterhalt entsprechend entscheiden würde. 

 

Ich muss wohl eine Riesenschildkröte sein

Wer sich im Rentenalter scheiden lässt, hat doppelt Pech. Nach bindender Bewilligung einer Altersrente kann der Ausgleichsbetrag aus einer betrieblichen Altersversorgung nicht mehr als Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden. Übrig bleibt – neben anderen privaten Versorgungen – nur die Versorgungsausgleichskasse. Für einen Ausgleichswert von 53.000 € gewährt diese eine lebenslange Garantierente i.H.v. 185,75 € monatlich. Das ist zwar immer noch mehr, als jede private sonstige Versorgung gewährt, aber doch reichlich wenig. Schaut man in die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes, ergibt sich für einen 68 Jahre alten Mann des Baujahrs 1949 eine Restlebenserwartung von 16,79 Jahren. Da das Statistische Bundesamt seine Generationensterbetafeln jüngst aktualisiert hat, kann man davon ausgehen, dass diese Restlebenserwartung halbwegs realistisch ist. Die Versorgungsausgleichskasse müsste einen Rechnungszins von 0,9 % und damit nach der Versicherungsmathematik eine Versorgung i.H.v. monatlich 285 € garantieren. Sie gewährt allerdings ca. 100 € weniger. Bei dem derzeit niedrigen Zinssatz bedeutet dies, dass ich noch 27 Jahre leben müsste, um den Ausgleichswert rentenrechtlich zu verbrauchen. Man kann es auch anders ausdrücken: Der Ausgleichswert in der Versorgungsausgleichskasse wird mit einem Negativzins von ca. 3,6 % verrechnet.

Die Vorstellung ist grausam, da diese 27 Jahre die mittlere Lebenserwartung angeben. Ich würde also durchschnittlich 95 Jahre alt. Auch Riesenschildkröten haben eine mittlere Lebenserwartung von 95 Jahren. Ich werde mich bemühen, es schneller zu erledigen.

Für die versorgungsausgleichsrechtliche Praxis bedeutet dieses niederschmetternde Ergebnis, dass man insbesondere bei rentennahen Jahrgängen alle Register ziehen sollte, einen vernünftigen saldieren Vergleich im Versorgungsausgleich zu erreichen. Die Lebensversicherungsunternehmen bedienen sich zur Berechnung der Renten nämlich ganz offensichtlich der für Riesenschildkröten geltenden Sterbetafeln.

Umgang, auch wenn Oma gar nicht so lieb ist ? (BGH v. 12.7.2017 – XII ZB 350/16)

Nicht nur in den Fällen gescheiteter Beziehungen geraten Kinder häufig in den Strudel der elterlichen Auseinandersetzung. Auch im Verhältnis belasteter Beziehungen zwischen Eltern und Großeltern sind sie nicht selten „zwischen den Fronten“.

Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die 2006 und 2008 geborenen Kinder hatten bis etwa 2009 zu ihren Großeltern regelmäßigen Kontakt, der dann bis zum Jahr 2011 unterbrochen war. Die Wiederaufnahme der Kontakte erfolgte vor dem Hintergrund einer zwischen Eltern und Großeltern getroffenen Vereinbarung, wonach den Eltern – als Gegenleistung für die Einräumung der Kontakte – ein zinsloses Darlehen gewährt wurde. Nachdem die Großeltern sich im Sommer 2014 schriftlich an das Jugendamt wandten und dort Bedenken zur Erziehungseignung der Eltern erhoben, wurden die Umgangskontakte von den Eltern abgebrochen. Ein Umgangsrechtsantrag der Großeltern blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Auch der BGH gründete seine ablehnende Entscheidung darauf, dass vorliegend der Umgang der Kinder mit den Großeltern nicht dem Kindeswohl diene, da aus den erheblichen Zerwürfnissen zwischen Eltern und Großeltern keine positive Vermutung für die Kindeswohldienlichkeit der Kontakte hergeleitet werden könne. Zudem seien die Großeltern ersichtlich auch nicht bereit, den Erziehungsvorrang der Eltern zu respektieren, sondern stellten deren Erziehungskompetenz dadurch in Frage, dass sie sie der seelischen Misshandlung der Kinder in einem Schreiben an das Jugendamt bezichtigten.

In der Begründung des Entwurfs des KindRG vom 13.6.1996 verwies der Gesetzgeber erstmals darauf, dass in nicht seltenen Fällen Kinder überwiegend nicht von ihren Eltern, sondern von anderen Personen, insbesondere auch ihren Großeltern, betreut würden und sich hieraus folgend auch besondere Bindungen zwischen den Kindern und der Betreuungsperson entwickelten, deren plötzlicher Wegfall für das Kind schädlich sein könne (BT-Drucks. 13/4899, 47). Da bis zu diesem Zeitpunkt für Betreuungspersonen aber kein eigenständiges Umgangsrecht im Gesetz verankert war, sondern lediglich über eine zu vermeidende Kindeswohlgefährdung Umgangskontakte realisiert werden konnten, wurde im Zuge des 1998 in Kraft getretenen KindRG mit § 1685 Abs. 1 BGB Großeltern und Geschwistern des Kindes ein eigenständiges Umgangsrecht eröffnet.

In Abgrenzung zu den in § 1685 Abs. 2 BGB begünstigten Personen (sonstige enge Bezugspersonen des Kindes) müssen Großeltern und Geschwister, wenn sie ein Umgangsrecht geltend machen wollen, keine zu dem Kind bestehende sozial-familiäre Beziehung nachweisen können. Das Umgangsrecht von Großeltern und Geschwister beruht allein auf dem engen Verwandtschaftsgrad, d.h. auf der hieraus folgenden Annahme, dass sich Großeltern und Enkel regelmäßig nahestehen, zumindest jedoch der Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen beiden grundsätzlich im Interesse des Kindes steht. Vom Schutz des § 1685 Abs. 1 BGB umfasst sind allerdings auch nur die gesetzlichen Großeltern.

Das Umgangsrecht zwischen Großeltern und Enkel steht unter der grundlegenden Voraussetzung, dass es dem Kindeswohl dient. Hierzu führt § 1626 Abs. 3 BGB näher aus, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang nicht nur mit beiden Elternteilen gehört, sondern gleiches auch für den Umgang mit anderen Personen gilt, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist. Konkret bedeutet dies, dass entweder bereits bestehende Bindungen erhalten werden sollen – wenn dies der Kindesentwicklung förderlich ist – oder aber es sollen erst Bindungen hergestellt werden, so dass in diesem Fall deren Kindeswohldienlichkeit geprüft werden muss, wobei die umgangsbegehrenden Großeltern hierfür die Feststellungslast trifft.

Eine zu verneinende Kindeswohldienlichkeit haben die bislang veröffentlichten ober- und nun auch höchstrichterliche Entscheidungen dann angenommen, wenn die Umgangskontakte zwischen Enkel und Großeltern letztlich zu Loyalitätskonflikten der Kinder führten, sofern sie in bestehende massive Streitigkeiten auf Erwachsenenebene involviert wurden, oder aber dann, wenn Großeltern nicht bereit waren, den verfassungsrechtlich verankerten Erziehungsvorrang der Eltern zu respektieren, sei es indem sie während der Umgänge die Erziehung der Eltern konterkarierten oder sogar im äußersten Fall wie hier durch Information des Jugendamts auf einen – aus ihrer Sicht – inakzeptablen Erziehungsstil der Eltern verwiesen.

In der Praxisberatung sollte immer mit dem notwendigen Augenmaß und dem Blick auf die Besonderheiten des Einzelfalls das Umgangsrecht zwischen Enkel und Großeltern thematisiert werden. Nicht jede Unstimmigkeit zwischen Eltern und Großeltern muss zwingend einen Umgangskontakt der Großeltern aushebeln. Es bedarf jeweils der Prüfung, ob die Erwachsenen willens und in der Lage sind, ihre persönlichen Befindlichkeiten zurückzustellen und im Interesse, aber auch Recht des Kindes auf Kontakt mit allen Familienangehörigen, sich in der Regel ohnehin überflüssiger Kommentare und Äußerungen zu enthalten, um dem Kind einen unbelasteten Kontakt zu ermöglichen.

Die Kindergeldfalle (zu BFH v. 18.5.2017 – III R 11/15)

Trennen sich Eltern, ist die finanzielle Abwicklung der Trennung stets schwierig. Das gilt auch für das Kindergeld. Dessen Regelung ist – für viele immer noch überraschend – nicht im Kindergeldgesetz, sondern fast ausschließlich im Einkommensteuergesetz (§§ 62 ff. EStG) zu finden. Danach hat derjenige, der

  • ein leibliches Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder
  • ein bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldetes Kind bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder
  • ein in der Berufsausbildung befindliches Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres hat,

Anspruch auf Kindergeld.

Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Da nach dieser Regelung beide Eltern Anspruch auf Kindergeld hätten, bestimmt § 64 Abs. 2 S. 2 EStG, dass bei gemeinsamem Haushalt von Eltern und Kind die Eltern untereinander bestimmen, wer kindergeldberechtigt ist. Liegt eine solche Bestimmung nicht vor, bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 S. 3 EStG). Besteht kein gemeinsamer Haushalt der Eltern mit dem Kind, steht das Kindergeld demjenigen Elternteil zu, in dessen es Haushalt aufgenommen ist.

Diese Regelungen sorgen im Fall von Trennungen stets für Probleme. Trennen sich die Eltern und verbleibt das Kind im Haushalt des Elternteils, der das Kindergeld nicht bekommt, einigen sich diese meist darauf, dass das Kindergeld an den betreuenden Elternteil ausgekehrt wird. Diese praktische und weitverbreitete Lösung führt jedoch, wenn es im weiteren Verlauf zwischen den Eltern zu Streitigkeiten kommt, oftmals zu nicht beabsichtigten Ergebnissen. Auch wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Residenzelternteil das Kindergeld in vollem Umfang überwiesen und deshalb den Kindesunterhalt um die Hälfte des Kindergeldes vermindert hat, ändert dies nichts daran, dass ab Trennung die Kindergeldkasse das Kindergeld an den nichtberechtigten Elternteil gezahlt hat. Die Kindergeldkasse fordert dann vom Nichtberechtigten die Überzahlung des Kindergeldes zurück. Zwar kann der nicht berechtigte Elternteil vom anderen die Überzahlung wieder zurückverlangen, das setzt jedoch Leistungsfähigkeit des Residenzelternteils voraus. Dieser könnte z.B. mit der Entreicherungseinrede den Anspruch zu Fall bringen.

In dem vom BFH entschiedenen Fall unternahmen die Eltern nach einer 6-monatigen Trennung einen 2-monatigen Versöhnungsversuch und lebten in dieser Zeit zusammen. Der Vater, der von den Eltern während ihres ursprünglichen Zusammenlebens als Kindergeldberechtigter bezeichnet worden war, hatte während der gesamten Trennungszeit das Kindergeld stets an die Mutter überwiesen. Auch während der Zeit des Versöhnungsversuchs erhielt er das Kindergeld. Erst nachdem der Versöhnungsversuch scheiterte, beantragte die Kindesmutter die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Der BFH entschied, dass die Bezugsberechtigtenbestimmung (welch ein Wort!) der Eltern durch deren Trennung und die Übersiedlung des Kindes ausschließlich in den Haushalt eines der beiden Elternteile erloschen und auch nicht durch den Versöhnungsversuch wieder aufgelebt sei. Die Kindergeldkasse könne also für den gesamten Trennungszeitraum einschließlich des Versöhnungsversuchs das gezahlte Kindergeld zurückfordern.

Familienrechtlich wirkt eine solche Entscheidung nicht sonderlich befriedend. Sie ist gleichwohl konsequent. Denn die Gesetzeslage lässt eine andere Lösung nicht zu.

Insgesamt wird man allerdings in einem modernen Familienrecht das Kindergeld neu zu regeln haben. Schon heute wird die Implementierung einer Unterhaltslösung im Fall beiderseitiger Betreuung eines Kindes durch die Eltern (vulgo Wechselmodell) durch die im Einkommensteuergesetz angesiedelte Vorschrift, dass nur einem Elternteil das Kindergeld zusteht, oftmals kompliziert und schwer durchschaubar. Darüber hinaus ist die Verortung des Kindergelds im Steuerrecht wenig sozial, führt sie doch bei Gutverdienern zu einer höheren staatlichen Bezuschussung ihrer Kinder als bei Niedrigverdienern. Der familienpolitische Sinn einer derartigen Regelung ist nicht erkennbar. Bedenklich ist auch, dass die gieskannenartige Auskehrung des Kindergeldes bislang keinen Beitrag zur Behebung der Kinderarmut geleistet hat. Auch dies sollte die Familienpolitiker nachdenklich stimmen und die Koalitionsverhandlungen hoffentlich befruchten.

Der beste Freund des Menschen nur ein Haushaltsgegenstand? (OLG Nürnberg v. 20.12.2016 – 10 UF 1249/16)

Die Formen des familiären Zusammenlebens haben sich grundlegend verändert. Die noch das letzte Jahrhundert bestimmende klassische Rollenverteilung hat sich ebenso gewandelt, wie auch die tatsächliche Zusammensetzung der Haushalte. Der ehedem „klassischen Familie“, bestehend aus Eltern und Kindern, stehen zunehmend Haushalte von kinderlosen Paaren gegenüber und eine ebenso steigende Zahl von Haustieren, die in diesen Haushalten leben. Unabhängig davon, ob man diese Haustiere als „Kinderersatz“ bewertet, gilt in jedem Fall, dass sie für ihren jeweiligen Halter regelmäßig einen hohen Stellenwert besitzen. Die mit der Trennung der Paare dann einhergehenden Fragen zum künftigen Schicksal des Haustieres haben nicht nur längst auch die Gerichte erreicht, sondern werden häufig mit der gleichen Vehemenz geführt, wie sie für kindschaftsrechtliche Verfahren typisch sind. Neben dem familiengerichtlich erstrebten „Umgang“ mit dem Haustier bedarf es häufig der gerichtlichen Entscheidung zu der vorgelagerten Fragestellung, bei welchem Ehegatten denn künftig das Haustier leben soll.

Mit einer entsprechenden Fragestellung hat sich das OLG Nürnberg auseinandergesetzt (FamRB 2017, 85). Die dort beteiligten Ehegatten hielten bis zu ihrer Trennung insgesamt 6 Hunde, von denen 4 während der Ehe angeschafft worden waren. Alle Tiere blieben nach der Trennung bei der Ehefrau, die gerichtlich die Herausgabe des größeren der beiden vorhandenen Fahrzeuge beantragte unter Verweis darauf, dass sie dieses für den Transport der Tiere benötige. Erst im weiteren Verlauf dieses Verfahrens wurde dann seitens des Ehemannes die „Zuweisung“ von 3 Hunden beantragt, wobei sich die Ehegatten in dem geführten Verfahren dann zwar hinsichtlich der Haushaltsgegenstände im Übrigen vergleichsweise verständigen konnten, nicht jedoch zum Aufenthalt der Tiere. Die Entscheidung des Familiengerichts, wonach der Ehefrau die Tiere insgesamt zugewiesen wurden, hat das OLG Nürnberg bestätigt auf der Grundlage einer umfassenden Billigkeitsabwägung.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass grundsätzlich körperliche Gegenstände als Sachen i.S.d. § 90 BGB bewertet werden. Zwar sieht die auf den Grundsätzen des Tierschutzes aufbauende Regelung des § 90a BGB vor, dass Tiere keine Sachen sind, lässt im Ergebnis jedoch offen, welche rechtliche Qualifizierung Tieren de facto zukommt. Sie werden daher in Rechtsprechung und Literatur typischerweise als körperliche Gegenstände eigener Art bewertet, die rechtlich wie Sachen behandelt werden, d.h. die Vorschriften über Sachen finden letztlich entsprechende Anwendung.

Leben Ehegatten voneinander getrennt, so kann für die Dauer des Getrenntlebens eine Verteilung der Haushaltsgegenstände geltend gemacht werden.

Unabhängig von Anschaffungszeit, Motiv der Anschaffung und dem Wert, versteht man unter Haushaltsgegenständen alle Gegenstände, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Familie für das Zusammenleben sowie für die Wohn- und Hauswirtschaft bestimmt sind. Neben den unstreitigen Dingen, wie etwa Wohnungseinrichtung, Geschirr und Wäsche wird in der Praxis häufig die rechtliche Qualifizierung eines Pkw diskutiert, der aber nur ausnahmsweise dann als Haushaltsgegenstand bewertet werden kann, wenn er überwiegend für familiäre Fahrten, Einkäufe, im Zusammenhang mit der Kindesbetreuung oder ähnlichem genutzt wird. Nicht vom Begriff des Haushaltsgegenstands umfasst werden Sachen, die dem persönlichen Gebrauch, individuellen Interessen oder beruflichen Zwecken eines Ehegatten zuzuordnen sind. Auf Haustiere findet § 1361a BGB entsprechende Anwendung.

Bei der für die Dauer des Getrenntlebens vorzunehmenden vorläufigen Nutzungsregelung ist danach zu differenzieren, ob ein Haushaltsgegenstand im Alleineigentum eines Ehegatten steht, d.h. insbesondere von ihm bereits vorehelich erworben wurde, oder aber Miteigentum besteht. Ist das Alleineigentum eines Ehegatten zu bejahen, so kann der Nichteigentümer die Überlassung nur dann verlangen, wenn er die Gegenstände zur Führung eines abgesonderten Haushalts benötigt. Die Überlassung muss dabei der Billigkeit entsprechen, so dass eine Abwägung zwischen der Notwendigkeit der Gebrauchsüberlassung einerseits und den Belangen des Eigentümers andererseits vorzunehmen ist. Besondere Bedeutung haben die Interessen der im Haushalt lebenden Kinder. Gegenüberzustellen ist die Situation bei bestehendem Miteigentum. Dieses wird hinsichtlich der während der Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschafften Gegenstände vermutet, es sei denn der das Alleineigentum behauptende Ehegatte kann den Gegenbeweis führen. Im Miteigentum stehende Gegenstände werden nach den Grundsätzen der Billigkeit verteilt. Neben den Interessen der Kinder ist im Rahmen dieser Abwägung auch zu berücksichtigen, welcher Ehegatten den Gegenstand dringender benötigt bzw. ihn – auch aus wirtschaftlichen Erwägungen folgend – leichter entbehren kann.

Soweit sich die Billigkeitsabwägung auf Haustiere erstreckt, darf nicht unberücksichtigt bleiben, welches Interesse ein Ehegatte – auch aus dem Inhalt seiner gerichtlichen Schriftsätze folgend – an dem jeweiligen Tier bislang zum Ausdruck gebracht hat. Zudem sind tierschutzrechtliche Aspekte beachtlich, etwa die Tatsache, dass ein Hund ein Rudeltier ist – ein Gesichtspunkt, der bei der Entscheidung des OLG Nürnberg eine Rolle spielte.

In der Praxisberatung sollte zwingend verdeutlicht werden, dass auf Haustiere kindschaftsrechtliche Erwägungen keine Anwendung finden. Ebenso darf aber auch nicht aus dem Blick verloren werden, dass Haustiere für zahlreiche – vor allem ältere – Menschen einen hohen emotionalen Stellenwert haben. Ob einer der Beteiligten sein Begehren tatsächlich an einem echten Interesse für das Tier ausrichtet, sollte daher sowohl mit Blick auf das Tier selbst als auch den jeweils anderen Ehegatten sorgfältig geprüft werden.

Und sie bewegt sich doch! – Fondsbasierte Versorgungen sind auf Basis der ehezeitlichen Fondsanteile zu teilen! (BGH v. 19.7.2017 – XII ZB 201/17)

Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.2.2012 – XII ZB 609/10, FamRZ 2012, 694 = FamRB 2012, 177, war ein versorgungsausgleichsrechtliches Ärgernis in der Welt: Die externe Teilung fondsgestützter Versorgungen durfte nicht in Fondsanteilen tenoriert werden, sondern, bezogen auf das Ehezeitende in einem Kapitalwert. Allein dies, so damals der BGH, ermögliche eine zweifelsfreie Vollstreckung. Gleichzeitig erklärte der BGH, dass ein nachehezeitlicher Wertverlust des Fonds im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sei, weil dem Versorgungsträger nicht zugemutet werden könne, zum Zeitpunkt der Rechtskraft mehr auszugleichen, als noch vorhanden sei. An einer Wertsteigerung der Fondsanteile zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung nehme die ausgleichsberechtigte Person indessen nicht Teil, weil dies ein nachehezeitliches Ereignis sei. Dies hat zu dem flapsigen Spruch geführt: „Nach unten immer, nach oben nimmer“.

Dies gilt nun nicht mehr. Mit der Entscheidung vom 19.7.2017 – XII ZB 201/17 gibt der BGH diese Rechtsprechung ausdrücklich auf und lässt nunmehr auch im Fall externer Teilung eine Tenorierung zu, die die ehezeitlich erworbenen Fondsanteile teilt. Die Vollstreckbarkeit einer solchen Entscheidung sieht der BGH als gegeben an, weil der Kurswert dieser Fondsanteile anhand der ISIN-Nummer taggenau bestimmt werden kann (§ 170 KABG).

Diese Entscheidung adelt den hartnäckigen Widerstand einiger Versorgungsausgleichsrechtler und belohnt die Konsequenz, mit der das Oberlandesgericht Frankfurt seine Entscheidung, die der BGH gehalten hat, begründete (OLG Frankfurt v. 24.3.2017 – 4 UF 249/15; OLG Frankfurt v. 28.2.2013 – 4 UF 194/11, FamRZ 2013, 1806 = FamRB 2013, 242). Damit schließt der BGH eine Gerechtigkeitslücke und zwar in beide Richtungen: Die Teilung von Fondsanteilen spiegelt die Werthaltigkeit der Versorgung weit besser wider als jeder stets nur auf einen bestimmten Stichtag bezogene Kapitalwert, der wegen der Marktabhängigkeit des Werts der Fondsanteile ständigen Wandlungen unterzogen ist. Dies kann sich zum Nachteil der ausgleichsberechtigten Person, nunmehr aber auch zu deren Vorteil auswirken.

Gleichzeitig macht der BGH darauf aufmerksam, dass der im Tenor einer Versorgungsausgleichsentscheidung enthaltene Bezug auf das Ehezeitende lediglich zur Bemessung des Ehezeitanteils und zur Verdeutlichung des Ausschlusses der ausgleichspflichtigen Person an der Wertentwicklung des der ausgleichsberechtigten Person zustehenden Ausgleichswerts dient.

Wenn zwischen Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung eine größere Zeitspanne liegt, treten Wertentwicklungen des Ausgleichswerts ein, die angesichts teilweiser hoher Rechnungszinsen nicht unerheblich sind. Immerhin verdoppelt sich ein Kapital bei einem Zinssatz von 6 % in ca. sieben Jahren. (Man kann die Zeit, in der sich ein Kapital bei Aufzinsung verdoppelt relativ genau ermitteln, indem man 72 durch den Rechnungszinssatz teilt.) Ehescheidungsverfahren dauern leider oft länger. Würde man dem Versorgungsträger die Möglichkeit einräumen, die Versorgungsbegründung für die ausgleichsberechtigte Person erst zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung vorzunehmen, bliebe dieser Wertzuwachs in der Kasse des Versorgungsträgers. Deswegen ist die Anordnung der Verzinsung im Tenor der Versorgungsausgleichsentscheidung zwischen Ehezeitende und Rechtskraft wichtig. Bedauerlicherweise wird dies von der Anwaltschaft und den Gerichten nur sehr schlampig beachtet.

Der BGH führt aus, richtiger als die Verzinsung, sei die Aufzinsung. Dies stimmt. Wenn es der BGH gleichwohl bei der Verzinsung des Ausgleichswerts zwischen Ehezeitende und Rechtskraft Eintritt belässt, sieht er sich aus praktischen Gründen dazu veranlasst. Er meint, die Rechtspraxis sei mit der Aufzinsung des Ausgleichswerts überfordert (Rz. 34).

Dem kann abgeholfen werden. In dem kostenfrei zur Verfügung stehenden Berechnungstool zur Kontrolle der Kapitalwerte von Versorgungen (http://www.famrb.de/muster_formulare.html; https://www.anwaelte-du.de/kapitalwertkontrolle.html), wird ab 1.9.2017 eine einfache Aufzinsungsberechnung angeboten, die die Rechtspraxis nicht überfordern wird.

 

Auf die Glatze, fertig, los! – Happy birthday, Ernst Spangenberg!

Ernst Spangenberg, unser bekannter Familienrichterkollege a.D., feiert heute seinen 80. Geburtstag. Verlag, FamRB-Redaktion und ich gratulieren ihm von Herzen.

Sein schönstes Geschenk, das ihn uns zugleich nahe bringt, hat ihm seine Ehefrau Brigitte gemacht. Nicht nur, dass er mit ihr zusammen lesenswerte Fachliteratur verfasst (zuletzt im FamRB „Aufs Maul geschaut, in den Verstand geschaut – Grundlagen der Kommunikation“, FamRB 2017, 116 und FamRB 2017, 156), Ernst Spangenberg dichtet auch gerne. Aus seinen neueren Gedichten und der Prosa der letzten Jahre hat Brigitte Spangenberg ihre Lieblingsstücke ausgewählt und eine 104 Seiten starke Sammlung zusammengestellt, die im Wiesenburg Verlag, Postfach 4410, 97412 Schweinfurt (Auf die Glatze, fertig, los!) erschienen ist. „… Palmström und Korf nicken beifällig.“, so die treffenden Worte von Widulind Clerc auf dem Cover.

Das ist für die Sommerferien mal ein etwas anderer Lesehinweis  –  obwohl, im IV. Kapitel wird auch die Justiz auf die Schippe genommen.

Ernst Spangenberg wünsche ich noch viele schaffensreiche Jahre bei bester Gesundheit und Ihnen eine amüsante Lektüre.

Ehe? Zwecklos!

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 7. Juli 2017 der Änderung von § 1353 BGB zugestimmt. Der Bundespräsident hat das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ unterzeichnet, es ist im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2017, 2787). Gleichgeschlechtliche Paare können nun ab 1.10.2017 eine Ehe schließen.

Was angesichts der breiten Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe in der Bevölkerung aussieht wie ein Nachvollzug einer gesellschaftlichen Entwicklung durch den Gesetzgeber, ist familienrechtlich tatsächlich mehr. Die Ehe ist seit Einführung des BGB im Jahre 1900 der Nukleus des Familienrechts. Sie bestimmte schon lange zuvor, wer mit wem geschlechtlich verkehren durfte, entschied über Unterhalts- und Erbansprüche, löste steuerliche Privilegierung und sozialrechtliche Diskriminierung aus. Aus einer ehelichen Paarbeziehung geborene Kinder hatten immer Vater und Mutter, die beide sorgeberechtigt (auch -verpflichtet waren).

Kinder aus einer nichtehelichen Paarbeziehung hatten lange Zeit immer nur eine Mutter. Seit einigen Jahren teilweise auch einen sorgeberechtigten Vater. Ihr Anspruch auf Betreuung unterschied sich zunächst massiv, dank beharrlicher Eingriffe des Bundesverfassungsgerichts später nur noch minimal vom Betreuungsanspruch ehelich geborener Kinder. Im Zentrum des Familienrechts stand die Ehe, nicht die Familie und auch nicht das Kind.

Das alles hatte dogmatische Wurzeln. Bis weit ins 19. Jahrhundert beherrschte die Kirche mit ihrem sakramentalen Eheverständnis das Familienrecht. Erst spät bemächtigte sich der Staat der Ehe und begründete ein staatliches Eheschließungsmonopol. In Deutschland fällt dies zusammen mit der Herausbildung des Nationalstaats. Friedrich der Große brauchte „Lange Kerls“, die Nation „Bürger“ genannte Untertanen, die die beanspruchten neuen Lebensräume im Osten hätten besiedeln können. Eine Notwendigkeit der Ehe zur Erfüllung bevölkerungspolitischer Ziele besteht nicht mehr. Der Osten muss nicht mehr von Deutschen besiedelt werden und der Nationalstaat ist der europäischen Integration gewichen. 30 % aller neugeborenen Kinder werden von unverheirateten Frauen zur Welt gebracht, Tendenz steigend.

Lange Zeit war die Ehe für Frauen die unverzichtbare Basis ihrer Existenzsicherung. Die „Mitgift“ starb nicht mit den Buddenbrooks aus. Die bildungspolitische und die daraus folgende wirtschaftspolitische Emanzipation der Frauen und die Notwendigkeit ihrer stärkeren Teilhabe am Wirtschaftsprozess hat die Ehe als Existenzsicherung überflüssig gemacht. Den Rest verbliebener Notwendigkeiten erledigt der Sozialstaat.

Auch bei der Sicherung der Vermögensnachfolge im Erbrecht hat die Ehe ihre Bedeutung verloren. Seit eine DNA-Analyse weit präziser als die Ehe über die Abstammung entscheidet, kann die eheliche Abstammung nur eine erste Vermutung, nicht aber Sicherheit bieten.

Die faktische Erosion der klassischen Ehezwecke wird von zunehmender gesellschaftlicher und nun auch staatlicher Toleranz unterschiedlichen Lebens- und Ehemodellen gegenüber flankiert. Diese legislative Toleranz kennt indessen auch Grenzen. Wenn Sterbende heiraten, kann die Verschaffung der Hinterbliebenenversorgung ein bestimmender Ehezweck sein, den die Versorgungsträger meist durch Ausschlussklauseln durchkreuzen. Die karitative Heirat eines deutschen mit einer ausländischen Person verschafft dieser einen stabileren Aufenthaltsstatus, gleichwohl missbilligt das Gesetz dies und versucht derartige Scheinehen oder ihre sozialpolitischen Folgen zu bekämpfen.

Damit erklärt der Gesetzgeber letztendlich die Verantwortung übernehmende Liebe zum eigentlichen legitimen Ehezweck und -motiv. Alle anderen Motive sind obsolet oder zu missbilligen. Wenn dies so ist, und wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Liebe von erwachsenen Personen nicht bewertet, sondern akzeptiert, gibt es keinen Grund, homosexuellen Paaren den Zugang zur Ehe zu verweigern.

Art. 6 GG enthält keine Definition der Ehe. § 1353 BGB enthielt sie auch nicht, sondern setzte die Heterosexualität als Ehemerkmal voraus. Indem der Gesetzgeber nun die Ehe definiert und Heterosexualität als Voraussetzungsmerkmal streicht, nachvollzieht er eine gesellschaftlich akzeptierte Umdeutung des Eheverständnisses. In nunmehr 15 Staaten der Europäischen Union können gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe schließen. Deutschland war der vierzehnte, Malta hat wenige Tage später nachgezogen.

Wenn alle traditionellen Ehezwecke durch gesellschaftliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen obsolet geworden sind, ist es konsequent, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Der einzige Zweck der Ehe, der rechtlich noch zu schützen wäre, ist die Sicherung und Förderung des Zusammenlebens zweier sich Liebenden. Warum? Weil sie es wollen, weil es ihrem Lebensentwurf entspricht und weil es keinen besseren Staat gäbe als einen, der frei gewählte Lebensentwürfe seiner Bürger nicht nur toleriert, sondern fördert.

Quo vadis Mediator? – Anm. zum Urt. des AGH Celle v. 22.5.2017 – AGH 16/16 (I 9)

Der Anwaltsgerichtshof Celle hatte sich in seiner Entscheidung vom 22.5.2017 (AnwBl. 2017, 373) mit der Frage einer möglichen Berufsausübungsgemeinschaft zwischen einem Rechtsanwalt und einem nichtanwaltlichen Mediator und Berufsbetreuer zu befassen. Nach der Entscheidung des BVerfG zur Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern (BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, MDR 2016, 242) ist das ein weiterer Versuch der Rechtsprechung, die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufsgruppen zu regeln. Der Clou dieses Mal: Der Mediator/Berufsbetreuer war zuvor als Rechtsanwalt sogar Sozius des Anwalts gewesen, er hatte aber, um bessere Chancen als Mediator und Berufsbetreuer zu haben, die Anwaltszulassung zurückgegeben.

Inhalt der Entscheidung

Der AGH Celle hat der angestrebten Bürogemeinschaft eine Absage erteilt. Zur Begründung führt er zunächst an, dass ein nichtanwaltlicher Mediator nicht zu den Katalogberufen des § 59a BRAO zähle, weshalb ein nichtanwaltlicher Mediator i.S.v. § 59a Abs. 3 BRAO auch nicht an einer Berufsausübungsgemeinschaft beteiligt sein dürfe.

Im Weiteren setzt sich der AGH mit der vorgenannten Entscheidung des BVerfG auseinander, woraus sich nichts andere ergebe. Er betont zunächst, dass es sich dabei um eine isolierte Entscheidung in Bezug auf die konkrete Zusammenarbeit von Anwälten mit Ärzten und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft handele, so dass keine Vergleichbarkeit gegeben sei. Aufgrund der allgemein formulierten Vorfrage des BGH und des Tenors des BVerfG entstünde keine Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG. Auch käme man über eine verfassungskonforme Auslegung des § 59a BRAO nicht zu einem anderen Ergebnis.

Schließlich sei die vom Kläger angeregte Vorlage beim BVerfG nicht erforderlich, da im vorliegenden Fall keine Grundrechte des Klägers verletzt würden. Begründet wird dies mit rechtlichen Bedenken bezüglich der Verschwiegenheitspflicht von nichtanwaltlichen Mediatoren. So führt der AGH zunächst aus, dass nichtanwaltliche Mediatoren in § 203 StGB nicht genannt seien und im Übrigen auch keine den §§ 53 und 97 StPO vergleichbare Regelungen bestünden; folglich sei keine mit einem Rechtsanwalt vergleichbare strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht gegeben, worauf das BVerfG in seiner Entscheidung aber abstelle. Eine solche Regelung sei insb. auch nicht in § 4 MediationsG zu sehen, so dass der vom Gesetzgeber durch die Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe verfolgte Zweck legitim sei.

Zudem, so der AGH weiter, sei in einem nichtanwaltlichen Mediator in Bürogemeinschaft mit einem Rechtsanwalt kein Gehilfe i.S.v. § 203 Abs. 3 StGB zu sehen. Zwar seien nach einigen Stimmen der Literatur über § 53a StPO einerseits und § 383 ZPO andererseits Zeugnisverweigerungsrechte auch für nichtanwaltliche Partner des Rechtsanwalts gegeben, so dass danach auch die nichtanwaltlichen Gesellschafter in einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft zur Zeugnisverweigerung berechtigt seien, zumal ein soziales Abhängigkeitsverhältnis für die Gehilfenstellung nicht erforderlich sei. Dem schließt sich der AGH jedoch nicht an und lehnt eine (weite Auslegung der) Gehilfenstellung ab. Im strafrechtlichen Schrifttum sei es „absolut herrschende Meinung“, dass ein Gehilfe nur die Person sei, die „einen der genannten Schweigepflichtigen in dessen beruflicher Tätigkeit unterstützt, und dass es an einer derartigen Hilfsfunktion fehlt, wenn die Berufsausübenden gleichgeordnet sind und ein Aufgabengebiet eigenständig zu bewältigen haben – wie etwa ein Sozius oder ein angestellter Rechtsanwalt“. Von daher, mutmaßt der AGH, „muss davon ausgegangen werden, dass auch nach der Entscheidung des BVerfG (…)“ ein nichtanwaltlicher Mediator kein Gehilfe i.S.d. § 203 Abs. 3 StGB sei.

Stellungnahme

Zutreffend ist die Prämisse des AGH, dass das BVerfG in dem Tenor seiner Entscheidung vom 12.1.2016 nur einen ganz bestimmten Teilbereich des § 59a BRAO als verfassungswidrig angesehen hat. Zutreffend ist auch, dass das BVerfG bei seiner Bewertung insb. auf die Regelung des § 203 StGB  und insoweit auf eine Vergleichbarkeit zwischen Rechtsanwälten und Ärzten bzw. Apothekern in Bezug auf die Verschwiegenheitspflichten abstellt. Zutreffend ist schließlich auch, dass der Gehilfenbegriff in der Rechtsprechung und im strafrechtlichen Schrifttum nicht abschließend geklärt ist. Dennoch liegt (auch) hier ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 1 Abs. 1 GG vor. Der AGH Celle fasst den Gehilfenbegriff zu eng.

Es geht dem Gesetzgeber bei der Aufstellung der berufsrechtlichen Pflichten der Rechtsanwaltschaft, wie der AGH auch zutreffend feststellt, um den Schutz des Rechtssuchenden. Insbesondere soll dieser durch die Verschwiegenheitspflichten davor geschützt werden, dass persönliche Geheimnisse, Daten etc. verletzt oder weitergegeben werden. Diesem Grundgedanken folgend bedarf es dann aber auch einer weiten Auslegung des Gehilfenbegriffs, wie Römermann schon seit vielen Jahren fordert. Daher kann nach hiesiger Auffassung auch eine Kooperationsvereinbarung oder ein Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Gehilfenstellung begründen – und zwar unabhängig von einer originären beruflichen Verschwiegenheitspflicht. Denn gerade bei einem Gesellschaftsvertrag unterstützen sich die Gesellschafter in besonderer Weise gegenseitig und üben ihren Beruf gemeinschaftlich aus; die Unterstützung kommt dabei insb. in den gesellschaftsrechtlichen Beitrags- und Treuepflichten zum Ausdruck. Von daher kann es in Bezug auf die Schutzwirkung des § 203 StGB nicht zwingend darauf ankommen, ob die betroffenen Personen in einem Über-/Unterordnungsverhältnis stehen oder gleichgeordnet sind.

Im Übrigen besteht auch für nichtanwaltliche Mediatoren eine Verschwiegenheitspflicht, und zwar aus § 4 MediationsG. Festzuhalten ist dabei zunächst, dass das Mediationsgesetz ein Berufsrecht für Mediatoren darstellt und in § 3 auch eine Regelung in Bezug auf widerstreitende Interessen enthält, insoweit vergleichbar mit § 43a BRAO. Festzuhalten ist aber ebenfalls, dass die Regelung des § 4 MediationsG – nach ganz h.M. (wobei sich die mediationsrechtliche Literatur bisher nicht mit der Gehilfenstellung des § 203 StGB auseinandersetzt) – an sich keine Zeugnisverweigerungsrecht für den nichtanwaltlichen Mediator für den Strafprozess bietet, sehr wohl aber für den Zivilprozess und gemäß § 98 VwGO entsprechend auch für den Verwaltungsprozess.

Es bleibt somit im Ergebnis festzustellen, dass die Tätigkeit eines nichtanwaltlichen Mediators durchaus eine Gehilfentätigkeit i.S.d. § 203 Abs. 3 StGB darstellen kann, so dass berufliche Zusammenschlüsse möglich sein müssen. Alles andere würde eine Verletzung von Grundrechten darstellen (wie beim BVerfG wurden hier Aspekte in Bezug auf Art. 3 oder Art 9 GG nicht weiter behandelt), insb. wäre dies ein Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, so dass § 59a BRAO auch insoweit als verfassungswidrig anzusehen ist.

Zusammenfassung

In Bezug auf die nichtanwaltliche Mediatorentätigkeit ist der Gesetzgeber unabhängig von dem Vorstehenden gehalten, zur Förderung der Mediation – was ja eigentlich schon durch das Mediationsgesetz erfolgen sollte – hier für Rechtsklarheit zu sorgen. Die jüngst von der Bundesregierung veröffentlichte Evaluation des Mediationsgesetzes (BT-Drucks. 18/13178) bietet eine gute Gelegenheit, Verbesserungen des Mediationsgesetzes und somit eine Aufwertung der Mediation und des Mediatorenberufs durchzusetzen, z.B. durch eine klare Regelung bzw. eine klarstellende Erweiterung der §§ 203 StGB und 53 StPO. Dies ist auch aus Gründen des Verbraucherschutzes dringend geboten, denn der (rechtlich laienhafte) Mediand wird bei der Suche nach einem geeigneten Mediator den Unterschied zwischen einem anwaltlichen und einem nichtanwaltlichen Mediator in Bezug auf die konkreten einzelnen Rechte und Pflichten nur schwerlich durchschauen. Einstweilen, bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber, sollte der nichtanwaltliche Mediator, der sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit einem sog. sozietätsfähigen Beruf, insb. einem Rechtsanwalt, zusammenschließen möchte, als Gehilfe i.S.v. § 203 StGB angesehen werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beim BGH wurde unter dem Az. AnwZ (Brfg) 32/17 Berufung eingelegt.

 

Neuer Teilungsgegenstand in der Betriebsrente: die Beitragsrente

Durch das „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ (BT-Drucks. 18/11286), das von Bundestag und Bundesrat verabschiedet ist und seiner Verkündung harrt, ist der Versorgungsausgleich um einen neuen Teilungsgegenstand bereichert worden: die reine Beitragszusage (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG).

Die Beitragsrente unterscheidet sich von den bisherigen Durchführungswegen in der betrieblichen Altersvorsorge dadurch, dass sie den Arbeitgeber zu nichts verpflichtet. Dieser zahlt vielmehr die vereinbarten Beiträge aus dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers an einen externen Versorgungsträger, der aus diesen Beiträgen im Leistungsfall dem Arbeitnehmer eine Rente zahlt. Der Arbeitgeber übernimmt für die Höhe der Rentenzahlung keinerlei Garantie und Haftung. Die Höhe der späteren Rente hängt vielmehr allein von der Kapitalmarktentwicklung ab (Beitragsrente).

Eine derartige Form der Betriebsrente hat bislang nicht bestanden. Voraussetzung für eine solche Rente ist eine tarifvertragliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften, die im Einzelfall auszuhandeln ist. Da die Beitragsrente aus dem Einkommen des Arbeitnehmers finanziert wird und keine Sozialversicherungsabgaben auf diese Beiträge gezahlt werden, hat der Arbeitgeber einen Zuschuss von 15 % auf diese Beiträge an den Versorgungsträger zu zahlen, soweit er insoweit Sozialversicherungsabgaben spart (§ 23 Abs. 2 BetrAVG n.F.). Das ist für Arbeitgeber derzeit attraktiv. Ihre Sozialversicherungsabgaben betragen zzt. 17,925 % (9,35 % Rente, 7,3 % Krankenversicherung, 1,275 % Pflegeversicherung).

Ob eine solche Rente als sekundäre Altersvorsorge ein Erfolg wird, ist zu bezweifeln. Auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (AbA) äußerten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber skeptisch, ob entsprechende Tarifvertragsregelungen zu schließen sind. Diese Skepsis ist berechtigt. In der gesetzlichen Rentenversicherung wird derzeit eine Rendite von ca. 2,2 % erzielt. Diese Entwicklung ist mittelfristig stabil. In der kapitalmarktabhängigen Rentenversicherung sind die Renditen derzeit deutlich bescheidener. Warum ein Arbeitnehmer, der ein Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielt, seine gesetzliche Rentenversicherung zu Gunsten einer kapitalmarktabhängigen Alterssicherung eintauschen sollte, bleibt unklar. Die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Stärkung kapitalmarktabhängiger Alterssicherung ist vor dem Hintergrund der durch die Finanzkrise 2009 ausgelösten Turbulenzen nicht nachvollziehbar.

Im Versorgungsausgleich handelt es sich um eine kapitalgedeckten Versorgung, die in ihrem ehezeitlichen Kapitalanteil zu teilen sein wird. Da es sich um eine betriebliche Altersversorgung handelt, ist auf diese § 17 VersAusglG anzuwenden mit der Folge, dass hochwertige Ausgleichswerte in eine externe Teilung und damit einen hohen Versorgungsverlust geraten können. Bis es dazu kommt, wird noch viel Zeit vergehen. Einer unverkennbaren Euphorie der Arbeitgeber stand auf der AbA-Jahrestagung eine ebenso unverkennbare Skepsis der Gewerkschaften gegenüber. Da die „reine Beitragszusage“ aber eine tarifvertragliche Einigung zur Voraussetzung hat, bleibt sie dem Versorgungsausgleich vielleicht noch lange erspart.