Der neue Zöller ist da!

Ihn zu besprechen ist ähnlich sinnvoll, wie Eulen nach Athen, Torf ins Moor oder Holz in den Wald zu tragen. Jeder forensisch tätige Jurist kennt den Zöller und weiß um seinen Wert. Würde ich jetzt behaupten, die fast 3500 Seiten der 31. Auflage für diese Besprechung gelesen zu haben, kein Mensch glaubte das, zumal ich ja Familienrechtler und kein Prozessrechtler bin. Aber gerade deswegen ist mir ja der Zöller so wertvoll. Vor dem Vorwort zitieren die Autoren das Bundesverfassungsgericht mit den Worten, das Verfahrensrecht diene der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, darüber hinaus auch im Rahmen dieser Richtigkeit gerechter Entscheidungen. Besser kann man die Bedeutung des Verfahrensrechts nicht beschreiben. Seine Beachtung ist notwendige Voraussetzung für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit. Zöllers 3500 Seiten sind also der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit gewidmet. Das ist gut. Gut ist auch, dass die Autoren bei ihren Ausführungen an die „Verteidiger“ gedacht haben, die Richter und Anwälte, die mit dem Verfahrensrecht umzugehen haben. Das gilt übrigens auch für das Familienrecht. Die ersten beiden Bücher des FamFG werden auf 435 Seiten klar und praxisorientiert besprochen. Obendrein liefert Feskorn im Anhang noch ein ABC der familienrechtlichen Verfahrenswerte, natürlich mit aktuellster Rechtsprechung hinterlegt. Weil auch das FamFG nicht ohne die ZPO auskommt, ist die Behandlung beider Verfahrensrechte in einem Kommentar für die Praktiker so hilfreich.

Ein Standardwerk wie der Zöller bedarf für eine Neuauflage keiner Begründung. Jeder Jurist weiß, dass im Verfahrensrecht zwei Jahre auch dann eine große Weile sind, wenn keine bahnbrechenden Reformen die Prozesswelt verändert haben. Die Autoren haben aber nicht nur die Rechtsprechung aktualisiert, sondern insbesondere neues europäisches Recht eingearbeitet. Das Vorwort liefert die Ankündigung, dass allein acht EU-Verordnungen neu kommentiert bzw. ihre Kommentierungen aktualisiert wurden. Wenn jetzt die familienrechtlichen Praktiker stöhnen „so what?“, sei Ihnen gesagt: „it matters“. Wir haben nicht nur mehr multinationale Ehen, sondern daraus folgend auch mehr Streitigkeiten, die an den zum Glück optisch meist imaginären Grenzen nicht anhalten. Die europäische Verfahrensrechtsharmonisierung gelingt schneller als man denkt. Mit einem Verfahren zu „flüchten“ und in einem anderen europäischen Land „Asyl“ zu beantragen, bringt nur noch selten Vorteile.

Die Jüngeren unter uns werden fragen, warum überhaupt noch ein Printprodukt erforderlich ist, wenn es doch auch online geht. Der Zöller ist eine gute Antwort darauf. Online findet man nur das, was man nicht weiß. Im Print findet man auch das, was man wissen müsste. Wer das nicht glaubt, sollte sich die Kommentierung zu den §§ 220, 221 FamFG durchlesen und im praktischen Alltag umsetzen. Es sind nur 3 1/2 Seiten. Deren Lektüre erspart aber viele Seiten versorgungsausgleichsrechtlicher Fachliteratur. Verfahrensrecht und materielles Recht haben eben doch etwas miteinander zu tun. Weil das so ist, wünscht man der Neuauflage des Zöller, dass sie in die Gerichte und Anwaltspraxen getragen wird und überall dorthin, wo auch die Vorauflage stand oder hätte stehen müssen. Eulen nach Athen zu tragen, war überflüssig. Den Zöller in die Büros zu tragen, wäre es nicht.

Und ewig grüßen Lebenspartner

„Bereinigungsgesetze“ sind spannend. Liest man sie, weiß man, was der Gesetzgeber verbockt hat und kann sich freuen: Nicht nur Bürger, Anwälte und Richter machen Fehler, nein auch der Gesetzgeber. Für Familienrechtler ist daher das „Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“ (BGBl. 2015 I, 2010; s. dazu auch FamRB 2015, 237) Quelle solch klammheimlicher Freude. In 33 Artikeln werden die Lebenspartner verknüpft mit „und“ oder „oder“ an die Seite der Ehegatten gestellt. Das geht sprachlich nicht ohne Ermüdung und Wiederholungen ab. Den Literaturnobelpreis bekommt man für so etwas nicht, eher Fleißkärtchen.

Insinuiert die Überschrift des Gesetzes noch eine Befassung mit Lebenspartnern, lohnt für den überwiegend mit Heteros befassten Familienrechtler trotzdem die Lektüre. Nach der Einführung des FamFG hatten viele juristische Trüffelschweine emsig die Stellen im Gesetz markiert, bei denen es der Gesetzgeber bei der „Klage“ belassen hatte. Der so durchgearbeitete Gesetzestext glich dank der horizontalen Markierungen einem Kunstwerk von Vasarely und tausende „Anträge“ blieben ungestellt, weil man nach dem Gesetzeswortlaut hätte klagen müssen. Diesen wirklich beklagenswerten Zustand hat die GroKo nun abgeschafft. Nie wieder werden wir darüber klagen müssen zu klagen, wo etwas zu beantragen gewesen wäre. Nie wieder? Ich habe das Gesetz nicht ganz durchgearbeitet. Es ist zu vermuten, dass es neue Fehler enthält und einige alte übersehen hat. Es ist eben nicht ganz banal, Gesetze zu machen.

Einen „Fehler“ habe aber auch ich gefunden. § 1 LPartG enthält eine Definition der Lebenspartnerschaft. Die Ehe ist gesetzlich nirgendwo definiert. Wie einfach wäre es doch gewesen, der Gesetzgeber hätte den derzeit unbesetzten § 1300 BGB belebt und definiert: „Zwei Personen, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, auf Lebenszeit für einander einstehen zu wollen, begründen eine Ehe.“ Das wäre Vereinfachung und Bereinigung gewesen. Ich garantiere Ihnen, das Abendland würde diese Reform überleben.

Glückwunsch zum Fünfzehnten!

Mit seiner Januarausgabe ist der FamRB in seinen 15 Jahrgang gestartet. Geburtstage sind janusköpfig. Eltern und Großeltern blicken in dem für den Gefeierten peinlichen „Weißt-Du-Noch-Stil“ zurück. Tante und Onkel lassen sich – ermuntert durch die vermeintlich neutralitätsstiftende größere familiäre Distanz – dazu verleiten, etwas Gedankenschweres zur Zukunft zu sagen. Nur das Geburtstagskind lebt voll und ganz im Augenblick, freut sich über die Geschenke randständiger Personen, die sich mit seiner Gegenwart und Zukunft beschäftigen, um – gerade in diesem Alter – ganz in seiner Peergroup aufzugehen. So sei es auch diesmal.

Für die Peergroup des FamRB lebte jede Ausgabe und für diese wird er auch weiter erstellt, denn eine Beraterzeitschrift lebt für die Berater und will deren Rat erleichtern und verbessern. Dieses Konzept war vor 15 Jahren neu und wurde von manchem familienrechtlichen Schwergewicht verächtlich bis spöttisch missachtet. Doch das „Blättchen“ hat sich in die Fachzeitschriftenlandschaft gut integriert. So gut, dass es immer wieder Kopierversuche gibt. Und auch diejenigen, die dem „Blättchen“ Leichtgewichtigkeit prognostizierten, weil Entscheidungen nicht im Volltext gedruckt würden und Aufsätze nicht unverständlich genug und nicht ausreichend lang und hinreichend langweilig genug seien, zollen dem Geburtstagskind zwischenzeitlich Respekt, zitieren seinen Inhalt, drucken kürzere und verständlichere Aufsätze und kürzen Entscheidungen, weil die immer länger werden.

Das hat beim Geburtstagskind zu kecker Meinungsstärke geführt. Neue Fragestellungen des Familienrechts – wie jüngst das Wechselmodell – werden nicht erst aufgegriffen, wenn sie die Weihe höchstrichterlicher Zuwendung erhalten haben. Neue Fragestellungen bürsten wir auch nicht seicht in Richtung Mainstream. Zwar beherrschen wir den doppelten juristischen Konjunktiv, wonach es möglich sein könnte jede mögliche Frage auch anders zu beantworten, wir mögen ihn aber nicht wirklich. Wir wissen nämlich, dass, wo immer zwei Juristen zusammenstehen, mindestens drei differenzierte Meinungen zum selben Thema vertreten sind, und wir nehmen diese Meinungen und ihre Verfechter ernst, weswegen wir sie ja auch gelegentlich deutlich kritisieren.

Obwohl oder gerade weil noch jung, hat sich der FamRB jüngst nicht nur optisch gehäutet. Die opulente Omnipräsenz digitaler Fachinformation vermittelt jedem Studienrat und Ingenieur die Illusion fachjuristischer Waffengleichheit. Weil juristische Information nicht mehr monopolisiert werden kann und werden soll, bietet das digitale Angebot des FamRB auf der frei zugänglichen Internetseite und mehr noch im nur für Abonnenten kostenfrei zugänglichen Berater-Modul schnelle und fachlich hochqualifizierte Beratungshilfe. Der „Prütting/Helms“, das „Anwalts-Handbuch Familienrecht von Krenzler/Borth“ und das „Handbuch Unterhaltsrecht von Ehinger/Griesche/Rasch“ sind fachliche Schwergewichte. Merkwürdig nur, dass unsere Leser weniger Gebrauch von diesem Angebot machen als Ingenieure und Oberstudienräte. Wer als Richter oder Anwalt aber die „Weißt-Du-noch-Fragestellung“ hat und einen Beitrag aus einem der fünfzehn Jahrgänge sucht, wird im FamRB-Portal oder bei juris meist deutlich schneller fündig als im eigenen Kopf oder Bücherregal.

Ein Verlag, der eine juristische Fachzeitschrift herausgibt, lebt von den Abonnenten. Die Zeitschrift selbst lebt für die Leser und nur deswegen, weil es eine Redaktion gibt, die mit Engagement und Beharrlichkeit Autoren gewinnt und animiert, die alle nicht vom Schreiben leben. Die Leser wissen meist nicht, wie viel Arbeit zwischen Aufsatz- und Besprechungsmanuskript und dem im Heft gedruckten Beitrag von der Redaktion geleistet wird. Deswegen – stellvertretend für alle Autoren – Glückwunsch und Dank an die Redakteurin Frau Beckers-Baader. Und nun noch eine Bitte an die Leser: Lest nicht nur, sondern beschimpft, lobt, kritisiert, kurz: Mischt Euch ein, damit wir, Autoren, Redaktion und Verlag, noch besser werden, und schließlich: Schreibt einen Kommentar!