Covid-19-Testverfahren – Die unendliche Geschichte (AG Mainz v. 4.5.2021 – 34 F 126/21)

Pandemien sind immer auch die Stunde selbsternannter Sachverständiger, die in Zeiten sozialer Netzwerke zudem davon profitieren – ohne zu befürchten, sich mit fundierten Gegenargumenten auseinandersetzen zu müssen – ihre persönliche Meinung als Maßstab allen Denkens weltweit verbreiten zu können. Leider genügt es nicht mehr, den im Netz und der Öffentlichkeit verbreiteten kruden Gedankengängen nur mit einem mitleidigen Lächeln zu begegnen. Wie die Entscheidung des AG Weimar v. 8.4.2021 – 9 F 148/21 und die zeitlich folgenden, inhaltlich hieran angelehnten gerichtlichen Beschlüsse (lesen Sie dazu die Blogbeiträge von Werner Schwamb) gezeigt haben, können fragwürdige Gedankengänge relativ schnell juristische Grundlagen ins Paradoxe verkehren und in Frage stellen. Besonders bedenklich wird diese Entwicklung, wenn Familiengerichte, für die in Kindschaftssachen nach § 155 FamFG der Beschleunigungsgrundsatz gilt und die gerade in Pandemiezeiten ohnehin an den Grenzen ihrer Kapazitäten arbeiten, zusätzlich mit Fragen befasst werden, die durchaus die Rückfrage zulassen, ob es einem beteiligten Elternteil tatsächlich noch um das Kindeswohl geht oder nur die eigene Weltanschauung in den Vordergrund gestellt werden soll.

Das AG Mainz hat sich in seinem Beschluss vom 4.5.2021 – 34 F 126/21 mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Teilnahme eines Kindes an Testverfahren zur Diagnose von Covid-19 eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1628 Satz 1 BGB ist.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt erstrebte die Mutter die Alleinentscheidungsbefugnis zu der Frage, ob ihre 2011 geborene Tochter zum Zweck des Schulbesuchs an einem solchen Testverfahren teilnehmen bzw. sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen dürfe. Der Kindesvater, zu dem sowohl die Tochter als auch ihr älterer Bruder bereits seit 2019 auf eigenen Wunsch keinen Kontakt mehr unterhielten, beantwortete eine Anfrage seiner geschiedenen Ehefrau negativ, da nach einer von ihm zitierten Internetveröffentlichung, Selbsttests bei ungeübten Kindern zu nicht unerheblichen Verletzungen führen könnten. Gleichzeitig kündigte er der Kindesmutter strafrechtliche Konsequenzen an, sollte sie sich über seine fehlende Einwilligung hinwegsetzen.

Das AG Mainz hat der Kindesmutter die alleinige Befugnis zur Entscheidung betreffend der Teilnahme des Kindes an Testverfahren übertragen, da dies dem Wohl des Kindes entspreche. Zu berücksichtigen sei zunächst, dass das Kind keinen Kontakt zum Vater habe. Zudem seien seit der Änderung des § 28b ISG vom 22.4.2021, Coronatests in allgemeinbildenden Schulen für Schüler und Lehrer verpflichtend bei einer Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 100 und 165. Es gelte auch eine Präsenzpflicht für Schülerinnen und Schüler in den rheinland-pfälzischen Schulen. Nach dem aktuellen Stand der Corona-Pandemie könne nicht sicher prognostiziert werden, wann sich die Inzidenz soweit reduziert habe, dass ein Präsenzunterricht auch ohne Tests möglich sei. Es erscheine daher möglich, dass das Kind bis zum Beginn der Sommerferien – bei fehlender Zustimmung des Vaters – den Präsenzunterricht nicht wahrnehmen könne. Es habe bereits eine Klassenarbeit über Videokonferenz schreiben müssen, während die Mitschüler die Arbeit in den Schulräumen hätten schreiben können.

Eine Gesundheitsgefahr durch Verwendung der Teststäbchen sei nicht festzustellen. Aus der Anleitung verschiedener Bundesministerien und Gesellschaften zum Corona-Selbsttest ergebe sich die bedenkenlose Anwendung dieser Tests auch für Kleinkinder. Alle Schulen hätten ein umfangreiches Informationspaket enthalten, das ein Testkonzept zum Einsatz der Selbsttests enthalte.

Die seitens der Mutter begehrte Entscheidungskompetenz betreffe eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Beurteilungsmaßstab sei dabei der Testzweck, d.h. die Ermöglichung der Teilnahme des Kindes am Präsenzunterricht, die wiederum geeignet sei, nachhaltig Einfluss auf seine schulische und seelische Entwicklung einschließlich seiner sozialen Kompetenzen zu nehmen. Dies gelte umso mehr, wenn das Kind bereits längere Zeit pandemiebedingt nur am Heimunterricht habe teilnehmen dürfen und im Gegensatz zu seinen Mitschülern trotz gesunkener Fallzahlen im Heimunterricht bleiben müsse. Das Kind werde daher im Vergleich zu seinen Mitschülern benachteiligt, was umso schwerer wiege, als es nach den Sommerferien 2021 eine weiterführende Schule besuchen werde.

Das AG Mainz bewertet in seinem Beschluss nicht nur die Annahme einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zutreffend, da es mit dem Kindeswohl nicht vereinbar wäre, wenn in der konkreten Streitfrage die Entscheidung unterbliebe, sondern sieht zutreffend die Entscheidungskompetenz – am Maßstab des Kindeswohls (§ 1697a BGB) orientiert – allein bei der Kindesmutter.

Covid-19-Impfungen von Kindern und Jugendlichen als Standardimpfungen? (OLG Frankfurt v. 8.3.2021 – 6 UF 3/21)

Die Frage, ob Angebote einer Covid-19-Impfung angenommen werden oder nicht, wird in der Gesellschaft unterschiedlich diskutiert, wobei bislang primär die Impfung Volljähriger in Rede stand. Jugendlichen ab dem 16. Lebensjahr wurde nur bei bestehenden Grunderkrankungen und einem daraus folgenden erhöhten Infektionsrisiko ein Impfangebot unterbreitet. Gerade solche Grunderkrankungen, insbesondere chronische Erkrankungen, waren Anlass für die von BioNTech initiierte Prüfung einer europäischen Zulassung dieses Impfstoffs auch für Kinder ab dem 12. Lebensjahr. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat Ende Mai 2021 eine Empfehlung zur Impfung von Kindern ab 12 Jahren mit dem Impfstoff BioNTech abgegeben. Diese Entscheidung korrespondiert mit dem Ergebnis des Corona-Gipfels der Ministerpräsidenten/innen vom 28.5.2021. Eine gleichlautende uneingeschränkte Impfempfehlung wurde seitens der STIKO allerdings verweigert. Empfohlen wird die Impfung lediglich für Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen. Im Übrigen soll eine Impfung nicht ausgeschlossen sein, allerdings nur erfolgen nach entsprechender ärztlicher Aufklärung, Risikoakzeptanz und individuellem Wunsch.

Für die Impfung von Kindern und Jugendlichen sprechen die Überlegungen, dass sie – ebenso wie Erwachsene – einen Anspruch auf Impfschutz haben, bestehenden Grunderkrankungen und einem damit verbundenen erhöhten Infektionsrisiko nur so effektiv begegnet werden kann, aber letztlich auch die angestrebte „Herdenimmunität“ nur erreicht werden kann, wenn auch dieser Teil der Bevölkerung (15 % der Gesamtbevölkerung) in die Impfstrategie einbezogen wird. Als Gegenargument wird vorgetragen, dass Kinder in der Regel leichtere Krankheitsverläufe aufzeigen und damit die Impfung nur zu empfehlen ist, wenn die hiermit einhergehenden Vorteile die gleichzeitig damit verbundenen Nachteile und Risiken aufwiegen. Gerade die im Zusammenhang mit einer Impfung durchaus auch bestehenden Risiken sind nach Einschätzung der STIKO bislang allerdings noch nicht ausreichend geprüft und bewertet.

Im Jahr 2017 hat der BGH sich in einer Grundsatzentscheidung zu der Frage positioniert, unter welchen Voraussetzungen einem Elternteil nach § 1628 BGB die alleinige Entscheidungskompetenz zur Durchführung einer Schutzimpfung des Kindes zu übertragen ist. Auch wenn nur Standard- oder Routineimpfungen in Rede stehen, hat der BGH diese gleichwohl als Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bewertet (BGH v. 3.5.2017 – XII ZB 157/16, FamRB 2017, 250), die grundsätzlich einer einheitlichen Entscheidung gemeinsam sorgeberechtigter Eltern bedürfen. Kann dieses Einvernehmen zwischen den Eltern nicht hergestellt werden, so ist die Entscheidungskompetenz jenem Elternteil zur alleinigen Ausübung zu übertragen, der sich an den Impfempfehlungen der STIKO orientiert, wobei es für die zu treffende gerichtliche Entscheidung dann auch keiner neuen sachverständigen Begutachtung bedarf, wenn das Kind keine besonderen Impfrisiken aufweist.

Diese Grundsatzentscheidung hat das OLG Frankfurt in einem aktuellen Beschluss aufgegriffen (OLG Frankfurt v. 8.3.2021 – 6 UF 3/21, FamRB 2021, 240) und ergänzend ausgeführt, dass die Prüfung der Impffähigkeit ebenso wie die Aufklärung über Kontraindikationen ohnehin zu den ärztlichen Pflichten vor einer Impfung gehört, d.h. den behandelnden Kinderarzt oder Kinderärztin hier weitergehende Pflichten treffen.

Unbeschadet davon, ob man eine Covid-19-Impfung als Routine- oder Standardimpfung bewertet, ist sie in jedem Fall eine Angelegenheit von grundlegender Bedeutung. Die Diskussion um die Impfung von Kindern und Jugendlichen mit einem Covid-19-Vakzin wird damit auch in naher Zukunft das Familienrecht verstärkt beschäftigen und nicht unerheblich auch davon beeinflusst werden, wie sich die STIKO mit ihren Empfehlungen gerade auch zu dieser Bevölkerungsgruppe in Zukunft positioniert.

Schutzimpfung – eine Maßnahme zum Wohl des Kindes ? (BGH v. 3.5.2017 – XII ZB 157/16)

Die Frage, ob Kleinkinder bestimmten Schutzimpfungen zugeführt werden sollen, ist nicht nur im Kreis betreuender Eltern ein hochemotional diskutiertes Thema und nicht unerheblich davon überlagert, welchen grundsätzlichen Wertvorstellungen sie insbesondere zu medizinischen Fragen folgen. In dieser Diskussion wird nicht selten übersehen, dass allein die Information durch Internetforen nicht zwingend die erforderliche Basis bieten kann, um nach heutigem Forschungsstand hochkomplexe medizinische Sachverhalte abschließend würdigen und werten zu können. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist zudem aber auch nicht nur eine Einzelentscheidung mit Blick auf das unmittelbar betroffene eigene Kind, sondern kann nicht überschaubare Folgen für Teile der Gesellschaft haben. Zu erinnern ist etwa an eine epidemische Verbreitung von Masern in Berlin im Jahr 2014, die mit Schulschließungen verbunden war, bzw. ein Schulverbot für nicht geimpfte Kinder in Marburg im Jahr 2015. Dass im Zusammenhang mit diesen Erkrankungen dann auch Todesfälle zu beklagen waren und aktuell wieder zu beklagen sind, zeigt die besondere Brisanz dieser Thematik und der hieraus folgenden Fragen, ob ein Kind Schutzimpfungen zugeführt werden soll bzw. wer letztlich hierüber entscheidet, wenn sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern zu dieser Frage nicht einigen können.

Mit dieser Problematik hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern konnten zu der Frage von Schutzimpfungen ihrer Tochter kein Einvernehmen herstellen. Während der Vaters altersentsprechende Schutzimpfungen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) befürwortete, lehnte die Mutter diese ab, da nach ihrer Einschätzung das Risiko von Impfschäden das Infektionsrisiko überwog. Nur bei ärztlich mit Sicherheit ausgeschlossenen Schäden befürwortete sie anlassunabhängige Impfungen. Dem Vater wurde das Entscheidungsrecht über die Impfdurchführung erstinstanzlich übertragen. Die Beschwerdeinstanz hat diese Entscheidung bestätigt, aber die Entscheidungsbefugnis auf bestimmte Schutzimpfungen beschränkt, wie etwa Tetanus, Masern, Röteln oder Mumps. Die Rechtsbeschwerde der Mutter hat der BGH zurückgewiesen und die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil bestätigt, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO durchführen möchte, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Zudem hat der BGH klargestellt, dass auch die Entscheidung zur Durchführung von Standard- oder Routineimpfungen als eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten ist, so dass es bei gemeinsamer elterlicher Sorge auch grundsätzlich einer gemeinsamen Entscheidung hierzu bedarf.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil nach § 1628 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge – soweit es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht nur um eine Alltagsangelegenheit handelt – zur alleinigen Entscheidung übertragen werden kann, wenn zwischen den Eltern Dissens zu dieser konkreten sorgerechtlichen Frage besteht und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Lösungsvorschlag jenes Elternteils, dem die Entscheidungsbefugnis letztlich übertragen wird, dem Kindeswohl besser gerecht wird. Ob von einer grundlegenden sorgerechtlichen Entscheidung oder einer Frage auszugehen ist, die den Alltagsangelegenheiten zuzuordnen ist, beurteilt sich nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB: Danach zeichnen sich Angelegenheiten des täglichen Lebens dadurch aus, dass sie häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. Soweit es um die Impfung eines Kindes geht, können sich diese schwerwiegenden Auswirkungen sowohl aus der Gefahr einer Infektion bei Nichtimpfung aber auch aus einem gesundheitlichen Schaden bei durchgeführter Impfung ergeben.

In der Praxisberatung ist es wichtig, Eltern, die die Sorge für ihr Kind gemeinsam ausüben, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, etwaige Impfungen nicht nur zwingend mit dem jeweils anderen Elternteil abzustimmen, sondern auch auf die bestehenden Empfehlungen der STIKO zu verweisen, die den Kreis der empfohlenen Impfungen selbst bereits begrenzt. Daneben sollte zwingend aber auch mit den Eltern abgestimmt werden, dass ggf. durch den behandelnden Kinderarzt ein besonderes Impfrisiko ausgeschlossen werden kann. Sind diese grundlegenden Fragen geklärt, kann möglicherweise ein Einvernehmen der Eltern hergestellt, in jedem Fall aber das Verfahrensrisiko eingegrenzt werden.

Namensänderung zum Wohl des Kindes? (BGH v. 9.11.2016 – XII ZB 298/15)

Auch wenn nach Goethes „Faust“ Namen Schall und Rauch sind, haben sie in der familienrechtlichen Praxis einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert; sei es, dass ein geschiedener Ehegatte möglichst schnell den Ehenamen ablegen möchte oder die Familie eines Ehegatten darauf „drängt“, dass der geschiedene Partner nicht mehr berechtigt sein soll, den Familiennamen weiterzutragen. Hohe Brisanz haben jedoch vor allem jene Verfahren, in denen es um den Namenswechsel eines gemeinsamen Kindes geht. Nicht immer sind die Motive, die diese Verfahren leiten, streng am Kindeswohl orientiert, sondern eher Ausdruck dafür, dass der frühere Partner nun auch auf dieser Ebene endgültig aus dem eigenen Leben und ebenso dem des Kindes ausgeklammert werden soll. Die „selbstverständliche“ Zustimmung des Kindes zu der erstrebten Namensänderung wird häufig von floskelhaften Begründungen überlagert, die nur vordergründig an realen Kindesbelangen ausgerichtet sind.

Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die nicht verheirateten, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern hatten ihrem Kind nach dessen Geburt den Nachnamen des Vaters als Geburtsnamen erteilt. Nach der Trennung der Eltern wollte die Mutter dem Kind ihren Nachnamen erteilen. Mangels Zustimmung des Vaters beantragte sie die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Namensänderung. Auf die Rechtsbeschwerde des Vaters wurde ihr Antrag zurückgewiesen, da im konkreten Fall die Namensänderung für das Kindeswohl nicht erforderlich war.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil nach § 1628 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge – soweit es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht nur eine Alltagsangelegenheit handelt – zur alleinigen Entscheidung übertragen werden kann, wenn zwischen den Eltern Dissens zu dieser konkreten sorgerechtlichen Frage besteht und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Lösungsvorschlag jenes Elternteils, dem die Entscheidungsbefugnis letztlich übertragen wird, dem Kindeswohl besser gerecht wird.

Geht es um die Namensänderung eines Kindes, so bedarf sie der behördlichen Beantragung und ist – ohne Einwilligung des jeweils anderen Elternteils – nach § 3 Abs. 1 NamÄndG nur dann erfolgreich, wenn es für die Änderung einen wichtigen Grund gibt, d.h. sie für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinn ist eine Änderung nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erst dann, wenn das Kindeswohl die Änderung geradezu gebietet. Zwischen den Folgen der Änderung und der Namensbeibehaltung ist abzuwägen. Dabei muss die Änderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringen, dass die Beibehaltung der Namensgleichheit mit dem anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint.

Hierzu hat der BGH in seiner Rechtsprechung hervorgehoben, dass allein der Wunsch des Kindes ebenso wenig ausreichend ist wie der elterliche Wunsch, um von der Erforderlichkeit einer Namensänderung auszugehen, da eine Namensverschiedenheit zwischen Eltern und Kinder nicht ungewöhnlich sei. Ebenso hat der BGH klargestellt, dass allein die Trennung der Eltern keine abweichende Bewertung ihrer Motive rechtfertige, die ursprünglich für sie bei der Namensgebung entscheidend waren. In die Abwägung sei zudem einzubeziehen, in welchem tatsächlichen persönlichen Verhältnis der Elternteil, dessen Namen abgelegt werden soll, zu dem Kind stehe.

In der Praxisberatung ist es daher wichtig, Eltern, die eine Namensänderung anstreben, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass eine solche – am Kindeswohl orientiert und aus der Bedeutsamkeit der Namenskontinuität folgend – an restriktiv zu prüfende Voraussetzungen gebunden ist. Es bedarf einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung, im Rahmen derer insbesondere auch die persönliche Beziehungen des Kindes zum jeweils anderen Elternteil sowie dessen Bemühen um das Kind zu bewerten sind. Erst wenn diese umfassenden Ermittlungen abgeschlossen sind, sollte vom Gericht die Entscheidung getroffen werden, ob eine Namensänderung tatsächlich erforderlich ist oder das gerichtliche Verfahren nichts anderes zum Ergebnis hat, als eine vermeidbare Belastung des Kindes.

Alle Jahre wieder – Verhinderung eines Sommerurlaubs (hier: einer Türkeireise) durch die gemeinsame elterliche Sorge?

Der Familienrechtler kennt diese Problematik: Unmittelbar vor einem längst geplanten Urlaub eines Elternteils mit dem gemeinsamen Kind gibt es Unstimmigkeiten. Ein typischer Streitpunkt – die bloße Information darüber, welchen konkreten Urlaubsort man anreisen will – kann häufig noch durch Korrespondenz mit dem anwaltlich vertretenen, die Reise beabsichtigenden Elternteil gelöst werden. Wesentlich schwieriger wird es dann jedoch, wenn der Urlaub als solcher in Rede steht. Klammert man die nach wie vor doch leider häufigen grundlosen Verweigerungen aus, die so kurz vor dem Urlaub erklärt werden, dass eine gerichtliche Regelung nicht mehr möglich ist, so bleiben immer noch jene Fälle, in denen ein mitsorgeberechtigter Elternteil aus tatsächlichen Befürchtungen mit einem bestimmten Urlaubsziel nicht einverstanden ist. In einer intakten Beziehung wäre dieses Problem in einem Gespräch unter Abwägung aller wesentlichen Aspekte gelöst worden. Nicht so in einer Phase nach Beziehungsende. Hier wird der Einwand gegen ein bestimmtes Urlaubsland so gedeutet, dass dem nichtbetreuenden Elternteil sein Urlaub mit dem gemeinsamen Kind missgönnt wird und auf irgendeine Weise versagt werden soll. An dieser Stelle bedarf es dann der Prüfung, ob die konkret geplante Urlaubsreise dem Alleinvertretungsrecht eines Elternteils unterliegt. Es handelt sich dabei um eine Frage, die in Zeiten angebotener Billigflüge auch in die entferntesten Länder und politischer und terroristischer Unruhen an vielen Orten der Welt, nicht immer eindeutig zu beantworten ist.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass bei gemeinsamer elterlicher Sorge die wesentlichen Fragen von den Eltern auch gemeinsam zu entscheiden sind und lediglich in Angelegenheiten des täglichen Lebens gem. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB der betreuende Elternteil das Alleinentscheidungsrecht hat. Damit stellt sich regelmäßig aber auch das Problem der Abgrenzung zwischen Angelegenheiten des täglichen Lebens und den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Eine wesentliche Hilfe für diese Abgrenzung bietet die in § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB formulierte Legaldefinition. Danach sind Alltagsangelegenheiten solche Entscheidungen, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. In der Praxis empfiehlt sich daher regelmäßig die Prüfung, ob es im Zusammenhang mit einer bestimmten Frage mit dem Kindeswohl vereinbar wäre, wenn die Entscheidung dieser Streitfrage unterbliebe.

Ist unter diesen Voraussetzungen eine bestimmte Streitfrage als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten und können die Eltern hierzu keinen Konsens finden, so eröffnet § 1628 BGB die Möglichkeit, zu dieser Einzelfrage einem Elternteil das Alleinvertretungsrecht zu übertragen. Die zu treffende gerichtliche Entscheidung unterliegt den gleichen Prüfungskriterien, wie sie für eine Sorgeentscheidung in ihrer Gesamtheit gilt, d.h. zentrales Prüfungskriterium ist auch hier das Kindeswohl und es bedarf der Abwägung, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, die am Kindeswohl orientierte konkrete Sachentscheidung zu treffen. Das Gericht hat dabei die Möglichkeit, die Zuweisung der Entscheidungskompetenz an einen Elternteil – betreffend diese konkrete Streitfrage – mit Auflagen zu verbinden. Keineswegs jedoch darf das Gericht eine Entscheidung anstelle des dazu berufenen Elternteils treffen.

Geplante Auslandsaufenthalte eines Kindes – sei es auch nur die Ermöglichung einer Urlaubsreise zusammen mit einem Elternteil in dessen Heimatland – sind in der Rechtsprechung häufig als Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bewertet worden. Im Fall des OLG Frankfurt v. 21.7.2016 – 6 UF 206/16 ging es darum, dass der Vater nicht wollte, dass die Mutter mit dem gemeinsamen Kind zum jetzigen Zeitpunkt – nach dem Putschversuch und den diversen terroristischen Anschlägen in der Türkei – dorthin reiste. Zu dem Zweck der Verhinderung der beabsichtigten Türkeireise beantragte er die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis in dieser Sache im Wege der einstweiligen Anordnung, was das OLG Frankfurt abgelehnt hat. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfalle die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei zu machen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB.

In der Praxisberatung sollte darauf geachtet werden, nicht nur mit dem Mandanten – soweit Umgangskontakte in Rede stehen – diese Problematik so früh wie möglich anzusprechen, um ihn diesbezüglich auch bei eigenen Planungen zu sensibilisieren. Gleichlautend sollte auch, wenn konkrete Urlaubsreisen geplant werden, mit dem jeweils anderen Elternteil frühestmöglich die Kontaktaufnahme veranlasst werden, verbunden mit der Aufforderung zur verbindlichen Stellungnahme, so dass ggf. auch noch eine gerichtliche Entscheidung in der verbleibenden Zeit herbeigeführt werden kann. Dabei darf man aber nicht die Augen davor verschließen, dass – insbesondere in Zeiten erhöhter Terrorgefahr – alle Planungen durch tatsächliche Abläufe überholt werden können. Dann wäre es wünschenswert, wenn Elternteile Bedenken des anderen zu einer Urlaubsreise nicht als persönlichen Affront werten, sondern besonnen überlegen würden, ob sie in einer intakten Partnerschaft ebenso beharrlich an diesem Urlaubsziel festgehalten und das auch nur latente Risiko für ihr Kind in Kauf genommen hätten.