„Geizkragen-Ehe“ bei einem monatlichen Verbrauch unter 11.000 € für die allgemeine Lebenshaltung?

Keinem Familienrechtler ist die Entscheidung des BGH vom 25.9.2019 entgangen, die die bisherige Rechtsprechung zur Unterhaltsberechnung in Fällen besonders günstiger Einkommensverhältnisse revolutioniert hat (BGH v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19, FamRB 2020, 6). Bis zu dieser Entscheidung musste der Unterhaltsberechtigte in vielen Oberlandesgerichtsbezirken (dankenswerter Weise seit längerer Zeit schon nicht mehr in Köln) umständlich und arbeitsaufwändig seinen konkreten Bedarf, also seine tatsächlichen Ausgaben, während der Ehe im Einzelnen darlegen und zumindest teilweise auch belegen, wenn er einen Unterhaltsbedarf von über 2.500 € monatlich geltend machen wollte. In der genannten Entscheidung hat der BGH diese Bedarfsgrenze ganz erheblich erhöht, in dem er bis zu einem Familieneinkommen in Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrages im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgeht, dass dieser Betrag vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Bei diesem Einkommensbetrag handelt es sich derzeit um 11.000 € netto (sogar bereits abzüglich Krankenversicherung und Altersvorsorge sowie Zinsen auf zu leistende Darlehen). Der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann seither einen Unterhaltsbedarf von rund 5.000 € geltend machen, ohne konkret darlegen zu müssen, dass er diesen Betrag auch während der Ehe tatsächlich verbraucht hat. Wenn der unterhaltsverpflichtete Ehegatte nicht bereit ist, diesen Bedarf zu decken, muss er nun seinerseits umständlich im Einzelnen darlegen und belegen, wohin das Einkommen stattdessen geflossen ist, um seiner Zahlungspflicht zu entgehen.

Naturgemäß knüpfen sich an diese revolutionäre Entscheidung des BGH eine Vielzahl von Folgefragen. In einem im Moment vor dem OLG Köln anhängigen Verfahren (II 14 UF 24/20) bemüht sich der Ehemann, der ein jährliches Einkommen von rund 600.000 € brutto erzielt, derzeit darzulegen, dass die Eheleute – gemessen an ihren Einkommensverhältnissen – während der Ehe äußerst sparsam gelebt haben, also weder er noch seine Ehefrau auch nur annähernd 5.000 € pro Monat für die allgemeine Lebenshaltung (Miete, Essen, Kleidung, Reisen etc.) aufgewandt haben. Sollte es dem Ehemann tatsächlich gelingen, dies im hinreichenden Umfang darzulegen und zu belegen, müsste man sich noch immer die Frage stellen, ob er seiner Ehefrau diese Sparsamkeit während der intakten Ehe nun nach der Trennung überhaupt noch entgegenhalten kann, entspricht es doch der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass sowohl bei der Bemessung des Trennungsunterhalts als auch bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts ein „objektiver Maßstab“ anzulegen ist. Entscheidend soll danach derjenige Lebensstandard sein, der nach dem vorhandenen Einkommen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus angemessen erscheint. Dabei soll, gemessen am verfügbaren Einkommen, eine zu dürftige Lebensführung außer Betracht bleiben (siehe nur BGH v. 4.7.2007 – XII ZR 141/05, NJW 2008, 57, 60; Weber-Monecke in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 1361 Rz. 6 und auch Maurer in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 1578 Rz. 15 –  „Geizkragen-Ehe“ genannt). Wenn ein Verbrauch von 11.000 € für den allgemeinen Lebensunterhalt bei entsprechenden Einkommensverhältnissen derart natürlich erscheint, dass eine tatsächliche Vermutung hierfür spricht, muss sich dann nicht der Ehegatte, der einen entsprechend hohen Verbrauch unterbindet, bereits den Vorwurf gefallen lassen, ein „Geizkragen“ zu sein? In diesem Fall würde es dem Ehemann in dem geschilderten Fall auch nichts nützen, wenn es ihm gelingen würde, die tatsächliche Vermutung des vollständigen Verbrauchs von 11.000 € während der intakten Ehe für den Lebensunterhalt zu widerlegen.