Familienrecht im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode

Der Koalitionsvertrag, veröffentlicht am 9.4.2025, enthält keine umfassenden inhaltlichen Ausführungen zu Reformvorhaben im Familienrecht (Reformvorhaben in der Diskussion: FamRB 2024, 425). Es wird konstatiert, dass sich die Koalition bei familienrechtlichen Reformen vom Kindeswohl leiten lassen wolle (Rz. 2903 ff.). Konkrete Aspekte finden sich nur punktuell:

Unterhaltsrecht

Bei Änderungen im Unterhaltsrecht soll sichergestellt werden, dass diese nicht zulasten der Kinder oder hauptlasttragenden Eltern gehen. Eine stärkere Verzahnung des Unterhaltsrechts mit dem Steuer- und Sozialrecht ist vorgesehen (Rz. 2906 ff.).

Im Bereich des UVG ist beabsichtigt, säumige Unterhaltsschuldner durch härtere Strafen zu sanktionieren. Ferner wird eine unterjährige Auskunftspflicht eingeführt und die Pfändungsfreigrenzen für Unterhaltsschuldner auf den Prüfstand gestellt. Kindergeld soll zur Entlastung Alleinerziehender nur hälftig auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden (Rz. 3172 ff.)

Kindschaftsrecht

Häusliche Gewalt wird ausdrücklich als Kindeswohlgefährdung eingestuft und muss zulasten des Gewalttäters maßgeblich berücksichtigt werden (Rz. 2905 f.). Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen sollen wirksam unterbunden werden (Rz. 2910 f.).

Abstammungsrecht

Zum Abstammungsrecht finden sich keine Ausführungen.

Namensrecht

Das reformierte Namensrecht, das am 1.5.2025 in Kraft tritt, steht erneut zur Überarbeitung an (Rz. 2912 f.). Dabei wird insbesondere eine verbesserte Nachvollziehbarkeit von Namensänderungen angestrebt (Rz. 3323).

Selbstbestimmungsgesetz

Das kürzlich in Kraft getretene SelbstbestimmungsG wird bis zum 31.7.2026 evaluiert. Dabei wird ein Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen gelegt werden (Rz. 3319 ff.).

Gewaltschutz

Die Umsetzung des Gewalthilfegesetzes soll entsprechend der Istanbul-Konvention und der EU-Gewaltschutzrichtlinie eng begleitet und Präventions-, Aufklärungs- und Täterarbeit verstärkt werden (Rz. 3268 ff.).

Geplant ist eine Ausweitung des Strafrahmens des Gewaltschutzgesetzes, die gerichtliche Anordnung der elektronischen Fußfessel nach spanischem Modell sowie verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter (Rz. 2922 ff.). Geflüchtete Frauen sollen besser vor Gewalt geschützt werden, z.B. durch Erleichterungen bei Residenzpflicht und Wohnsitzauflage (Rz. 3066 ff.).

Der strafrechtliche Schutz von Frauen, Kindern, alten Menschen und Menschen mit Behinderungen wird durch Einführung eines neuen Qualifikationsmerkmals (bzw. Mordmerkmals) beim Tatbestand von Mord, gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub verbessert. Der Tatbestand der Nachstellung wird verschärft und die Verwendung von GPS-Trackern mit aufgenommen werden (Rz. 2917 ff.).

Binationale Familien

Eine Reform des Staatsbürgerschaftsrecht ist vorgesehen (Rz. 3069).

Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wird, ausgenommen von Härtefällen, befristet für 2 Jahre ausgesetzt. Anschließend folgt die Überprüfung, ob eine weitere Aussetzung der zuletzt gültigen Kontingentlösung im Rahmen der Migrationslage notwendig und möglich ist (Rz. 2975 ff.).

Integration soll für Bleibeberechtigte gefördert werden. Ein an zahlreiche Voraussetzungen geknüpftes und befristetes neues Bleiberecht für Geduldete wird geschaffen (Rz. 3072 ff.). Neben einer zielgerichteteren Migrationsberatung für Erwachsene (Rz. 3051 ff.) sollen künftig in einer verpflichtenden Integrationsvereinbarung Rechte und Pflichten definiert werden und bei Erwerbslosigkeit konkrete Schritte zur Arbeitsmarktintegration enthalten sein, die sich an den Instrumenten des SGB II orientieren (Rz. 3061 ff.).

Eine gesetzliche Regelung jenseits der Aufnahme von Schutzbedürftigen, z.B. zur Arbeitsmigration, wird nicht thematisiert.

Familienverfahrensrecht

Die kürzlich reformierte Betreuervergütung wird erneut zeitnah evaluiert. Eine Reform der Vergütungsstruktur ist geplant (Rz. 2806 ff.).

Sozialrecht

Es ist beabsichtigt, eine Kommission zur Sozialstaatsreform mit dem Auftrag zur Modernisierung und Entbürokratisierung einzusetzen, die im 4. Quartal 2025 erste Ergebnisse präsentieren soll.

Die sozialrechtlichen Rechtsgebiete Wohngeld, BAföG, Unterhaltsvorschuss sowie Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII werden der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zugeordnet  (Rz. 473 ff.).

Sozialleistungen sollen zusammengefasst und besser aufeinander abgestimmt werden, z.B. durch die Zusammenführung von Wohngeld und Kinderzuschlag (Rz. 443 ff.).

Zur Bekämpfung von Kinderarmut und zur Entlastung von Alleinerziehenden wird u.A. der Teilhabebetrag des Bildungs- und Teilhabepakets von 15 € auf 20 € erhöht. Zudem wird die Einführung einer sog. „Kinderkarte“ geprüft (Rz. 463 ff.). Der Kinderzuschlag wird weiterentwickelt und vereinfacht werden (Rz. 3160 ff.). Armutsgefährdeten Kindern soll durch einen besseren Zugang zu besonderen schulischen Angeboten und Freizeitangeboten eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden (Rz. 3164 ff.). Außerdem ist beabsichtigt, ein übergreifendes digitales Portal für Familienleistungen zu errichten (Rz. 3167 ff.).

Steuerrecht

Durch eine neue gesetzliche Regelung soll sichergestellt werden, dass bei einer Erhöhung des Kinderfreibetrags auch eine adäquate Anhebung des Kindergelds erfolgt (Rz. 1443 ff.).

Der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag wird erhöht oder weiterentwickelt, um die finanzielle Situation von Alleinerziehenden zu verbessern (Rz. 1446 f.)

Mutterschutz für Selbstständige

Analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte wird der Mutterschutz für Selbstständige eingeführt und durch eine Aufklärungskampagne begleitet (Rz. 3247 ff.).

Schwangerschaftsabbrüche

Eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist nicht vorgesehen. Jedoch soll der Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglicht, die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung erweitert und die medizinische Weiterbildung gestärkt werden (Rz. 3253 ff.)

Weitere Themen aus der Familienpolitik (Rz. 3105 ff.)

Unter Anderem: Elterngeld (Rz. 3137), Kita (Rz. 3110 ff.), Kinder- und Jugendschutz (Rz. 3179 ff.) Gleichstellungsstrategie (Rz. 3219 ff.),  Pflege von Angehörigen (Rz. 3292 ff.).

Bundesministerium

Die Leitung des Ministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird durch die CDU gestellt (Rz. 4557, Rz. 4561).

 

Den Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode, „Verantwortung für Deutschland“, zwischen CDU, CSU und SPD finden Sie hier: Koalitionsvertrag

Familienrechtliche Reformpläne im Koalitionsvertrag

Anbei die für den Familienrechtler relevantesten Passagen aus dem mehr als 170-seitigen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP:

 

Familienrecht (S. 101/102)

Wir werden das Familienrecht modernisieren. Hierzu werden wir das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickeln, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann. Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis ermöglichen.

Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein.

Auch außerhalb der Ehe soll die Elternschaftsanerkennung unabhängig vom Geschlecht der anerkennenden Person oder von einem Scheidungsverfahren möglich sein. Wir werden ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren einführen, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen. Das Samenspenderregister wollen wir auch für bisherige Fälle, private Samenspenden und Embryonenspenden öffnen.

Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen Bedingungen schaffen. Wir wollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden.

Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen. Wir werden den Kindern ein eigenes Recht auf Umgang mit den Großeltern und Geschwistern geben. Das Namensrecht liberalisieren wir, z.B. durch Einführung echter Doppelnamen.

Wir werden in familiengerichtlichen Verfahren den Kinderschutz und das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlungen stärken. Die Hürden für die Nichtzulassungsbeschwerde werden wir senken sowie einen Fortbildungsanspruch für Familienrichterinnen und Familienrichter gesetzlich verankern. Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.

Wir ermöglichen es unverheirateten Vätern in den Fällen, in denen die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben, durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Widerspricht die Mutter, so muss das Familiengericht über die gemeinsame Sorge entscheiden. Das Kindeswohl ist dabei besonders zu berücksichtigen. Wir werden die Modernisierung im Kindschafts- und Unterhaltsrecht mit Studien begleiten.

 

Zudem:

Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen. (S. 98)

Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen. … In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt. (S. 100)

Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen. Der elternunabhängige Garantiebetrag im Rahmen der Kindergrundsicherung soll künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Wir richten das BAföG neu aus und legen dabei einen besonderen Fokus auf eine deutliche Erhöhung
der Freibeträge. Außerdem werden wir u. a. Altersgrenzen stark anheben, Studienfachwechsel
erleichtern, die Förderhöchstdauer verlängern, Bedarfssätze auch vor dem Hintergrund steigender
Wohnkosten anheben, einen Notfallmechanismus ergänzen und Teilzeitförderungen prüfen. (S. 97)

Wir werden das Elterngeld vereinfachen, digitalisieren und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung stärken. Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen. Diese Möglichkeit soll es auch für Alleinerziehende geben. Den Mutterschutz und die Freistellung für den Partner bzw. die Partnerin soll es bei Fehl- bzw. Totgeburt künftig nach der 20. Schwangerschaftswoche geben. Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden wir um einen Monat erweitern, entsprechend auch
für Alleinerziehende. Wir werden einen Elterngeldanspruch für Pflegeeltern einführen und den
Anspruch für Selbstständige modernisieren. Für die Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, erweitern wir den Anspruch auf Elterngeld. Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren. Wir verlängern den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den
Beruf, um den Wiedereinstieg abzusichern. (S. 100/101)

Wir werden die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen. (S. 101)

 

 

Zu dem auf den Internetseiten der SPD veröffentlichten vollständigen Koalitionsvertrag kommen Sie hier.