Kinderehenverbot – Der Gesetzentwurf

Das BMJV hat mit Datum v. 17.2.2017 den (innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmten) ‚Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen‘ zur Stellungnahme bis zum 22.2.2017 an ‚Fachkreise und Verbände‘ versandt. Viel möchte das Ministerium wohl nicht lesen und hören. Für eine Stellungnahme zu einem 29 Seiten starken Entwurf nebst Begründung ist die Zeit provokant kurz. Immerhin müssen sich ‚Fachkreise und Verbände‘ intern abstimmen. Der Schluss liegt also nahe, dass die Regierungsfraktionen einer Fachdiskussion entgehen möchten und der Bitte um eine Stellungnahme die Hoffnung hinterlegt ist, diese möge unterbleiben.

Es liegen ja auch schon reichlich Stellungnahmen vor. Vom Deutschen Familiengerichtstag über den Deutschen Juristinnenbund bis zum Deutschen Anwaltverein ist das Gesetzesvorhaben einhellig abgelehnt worden, weil es eines neuen Gesetzes nicht bedarf, um minderjährige Ehegatten zu schützen. Das Deutsche Strafrecht verbietet sexuellen Missbrauch generell und Geschlechtsverkehr mit Personen unter 14 Jahren auch dann, wenn sie verheiratet sind. Schulpflicht besteht für Personen bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres und Jugendämter können Minderjährige wirksam schützen und fördern, auch wenn sie verheiratet sind.

Das Gesetz sieht u.a. vor,

  • die Ehemündigkeit generell an die Volljährigkeit zu koppeln und den Genehmigungsvorbehalt bei Eheschließung minderjähriger Personen in § 1303 Abs. 2 BGB zu streichen;
  • dass Ehen von Personen, die im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, ‚Nichtehen‘ und daher nichtig sind;
  • dass Ehen von Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag durch das Familiengericht aufgehoben werden können (§ 1316 BGB-E). Antragsberechtigt sind der minderjähriger Ehegatte und die Verwaltungsbehörde, die in diesen Fällen den Antrag stellen muss, es sei denn, der zwischenzeitlich volljährig gewordene Ehegatte gibt zu erkennen, dass er die Ehe fortsetzen will;
  • dass das Voraustrauungsverbot, das eine rituelle Eheschließung vor der standesamtlichen verbietet und das 2009 als Beschränkung der Religionsfreiheit aufgehoben wurde, wieder eingeführt wird.

Das Vorhaben der Regierung folgt wohl eher einem Empörungsritual als den Geboten wirksamen Minderjährigenschutzes. Wir lassen Jugendliche ab Vollendung des 16. Lebensjahres bei Kommunal- und Landtagswahlen wählen, nehmen sie ab Vollendung des 17. Lebensjahres in die Bundeswehr auf und konstatieren die stets früher eintretende Geschlechtsreife. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch im Rest der Welt. In einigen dieser Länder ist aber außerehelicher Geschlechtsverkehr (mit Todesdrohung) strafbar. Vielleicht ist es verständlich, wenn man sich dann für den ehelichen Geschlechtsakt statt Schafott entscheidet. Warum solche Ehen unter Jugendlichen unter den Generalverdacht eines Verstoßes gegen den ordre public gestellt werden und die Verwaltungsbehörde einen Eheaufhebungsantrag stellen muss, ist schwer verständlich.

Der Entwurf geht davon aus, dass kein ‚Erfüllungsaufwand‘ für den Haushalt entsteht. Das dürfte indessen ein frommer Wunsch bleiben. 481 Kinderehen sind nach der Gesetzesbegründung nichtig (S. 15). 481 Ehegatten verlieren damit einen Unterhaltsanspruch und werden sozialhilfebedürftig. Das wäre nicht dramatisch. 5 Millionen Euro ist der Minderjährigenschutz sicher wert.

Die ‚Heimatländer‘ der Geflüchteten und Vertriebenen werden sich aber nicht an unserem ordre public und der verordneten Nichtigkeit der Personalstatusentscheidung orientieren. Der minderjährige Ehegatte, der aus der Nichtigkeit seiner Ehe die Konsequenz selbstbestimmter Lebensführung zieht, sollte besser nicht ins Heimatland zurückkehren. Dort wird ihm Verfolgung drohen, wenn er des Ehebruchs geziehen wird. Den 481 Kindern aus nichtiger Ehe werden wir Asyl gewähren müssen wegen staatlich verursachter Nachfluchtgründe, wenn sie nach Nichtigkeit ihrer Ehe sich einem anderen Partner zuwenden. Auch das ist nicht schlimm.

Schlimm ist, dass wir den Grundrechtsschutz des Art. 6 GG nur für Ehen reservieren, die unserem rechtskulturellen Verständnis entsprechen. Da schimmert gefährlich der von der national-völkischen Fraktion erfundene ‚Kulturvorbehalt‘ als Grundrechtsbegrenzung durch.

Zwangsehen und Minderjährigenehen müssen wir nicht hinnehmen. Wir können sie durch Gerichte aufheben oder scheiden lassen. Sie aber verachtend zu ignorieren, ihnen jede rechtliche Wirkung abzusprechen, schützt niemanden, sondern gefährdet unsere Rechtskultur.

Ordre public bei Kinderehen – Keine Überheblichkeit pflegen, sondern effektiven Kinder- und Jugendschutz gewährleisten

Eheschließung von Ausländern im Inland

Nach Art. 13 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen für eine Eheschließung im Inland für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Nur wenn es danach an einer Voraussetzung fehlt, wäre deutsches Recht maßgeblich, wenn die Verlobten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.

Nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB kann eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden, also vor einem Standesbeamten (§ 1310 BGB). Ist keiner der Verlobten Deutscher, kann die Ehe im Inland auch von einer Person geschlossen werden, die der Staat, dem einer der Verlobten angehört, dazu ermächtigt hat (Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB). Das sind teilweise diplomatische oder konsularische Vertretungen, aber auch Militärgeistliche, Truppenoffiziere von Stationierungsstreitkräften oder griechisch-orthodoxe Geistliche, die von Ihrer Regierung benannt sind.

Würde eine ausländische Rechtsordnung für die Eheschließung geringere Voraussetzungen an das Alter der Verlobten stellen als die deutsche Rechtsordnung, könnte das als Verstoß gegen den ‚ordre public‘ angesehen werden und die standesamtliche Eheschließung in Deutschland hindern.

Im Ausland geschlossene Kinderehen im Inland

Eine im Ausland von Ausländern geschlossene Ehe bedarf aber keinerlei ‚Anerkennung‘ in Deutschland. Das deutsche Recht geht bei der Beurteilung der Rechtsnatur einer im Ausland geschlossenen Ehe von deren Beurteilung nach dem Recht des die Eheschließung beurkundenden Staates (oder Institution) aus. Die Ehe ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine auf Willenseinigung der Ehegatten unter staatlicher Mitwirkung formalisierte Rechtsgemeinschaft und Rechtseinrichtung (BVerfGE 29, 166, 176; 36, 146, 161 f.). Einen Gesetzesvorbehalt, der einen Grundrechtseingriff rechtfertigen könnte, kennt Art. 6 GG nicht (BVerfGE 36, 146 ). Deshalb ist es konsequent, wenn die deutsche Rechtsordnung den nach den Bestimmungen eines anderen Staates ordnungsgemäß erfolgten, für die Ehe konstitutiven Hoheitsakt hinnimmt und eine irgendwie geartete Anerkennung dieses staatlichen Aktes nicht kennt.

Ebenso konsequent ist es, dass das deutsche Recht für die Frage, ob eine Ehe nichtig ist oder aufgehoben werden kann, an das ausländische Recht anknüpft. Der Respekt der deutschen Rechtsordnung vor dem Hoheitsakt eines anderen Staates gebietet es, diesen nicht als nichtig anzusehen. Aus diesem Grund gilt auch im deutschen Recht eine mit einer geschäftsunfähigen Person geschlossene Ehe nicht als nichtig, sondern als aufhebbar (§§ 1314, 1304 BGB).

Ein minderjähriger, aber nicht geschäftsunfähiger Ehegatte (ab Vollendung des siebten Lebensjahres) kann auch von unserer Rechtsordnung nicht aus der Ehe gezwungen werden. Nach § 125 Abs. 1 FamFG gilt er als verfahrensfähig. Nur für den geschäftsunfähigen Ehegatten wird das Eheverfahren durch den gesetzlichen Vertreter geführt.

Angesichts dieser Rechtslage ist die jetzt geführte Diskussion um Kinderehen wenig verständlich. Wenn vorgeschlagen wird, im Ausland mit Minderjährigen geschlossenen Ehen im Inland ‚die Anerkennung‘ zu verweigern und sie ‚aufzuheben‘ (so Heiko Maas im Interview mit der katholischen Nachrichten-Agentur KNA am 3.11.2016), wird deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Ausländische Ehen bedürfen in Deutschland keiner Anerkennung, ihre Aufhebung unterliegt dem Recht des Heimatstaates der Ehegatten. Dieser definiert die Voraussetzungen, unter denen die Eheschließung der Ehegatten staatlich testiert wird. Der staatlicherseits gebotene Respekt vor einer anderen staatlichen Rechtsordnung gebietet es, ihre das Personalstatut ihrer Bürger regelnde Hoheitsakte zu akzeptieren. Sie als ‚nichtig‘ oder – trotz Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen – durch einen anderen Staat ‚aufhebbar‘ zu bezeichnen, offenbart mangelnden Respekt einer sich ‚überlegen‘ dünkenden Rechtsordnung und damit ein Stück Rechtskolonialismus.

Schutzlos sind die minderjährig Verheirateten dadurch in Deutschland nicht:

  • Sind sie unter 14 Jahre alt, schützt sie – trotz Heirat – § 176 StGB vor sexuellem Missbrauch.
  • Das Recht zur Trennung voneinander schützt Art. 2 GG. Kinder- und Jugendschutz könnte darüber hinaus durch das Jugendschutzrecht wirksam gewährleistet werden.
  • Nichts spricht dagegen, einem minderjährigen Verheirateten von Amts wegen einen Vormund zu bestellen (§ 1773 BGB), wenn wegen eines fehlenden Kontakts zu den Eltern gem. § 1674 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt ist.
  • Nichts spricht auch dagegen, Eltern minderjähriger Verheirateter das Sorgerecht zu entziehen und einen Vormund einzusetzen, wenn dies das Wohl eines minderjährig Verheirateten erfordert.
  • Nichts spräche auch dagegen, einem minderjährigen Verheirateten selbst dann einen amtlichen Vormund zu bestellen, wenn die ausländische Rechtsordnung den volljährigen Ehegatten mit der Vormundschaft über den minderjährigen ausstatten würde. Auch das wäre durch § 1773 BGB gedeckt, weil nicht die ‚Eltern‘ die Sorge wahrnähmen.

Wie differenziert und wenig einem konservativen Empörungsritual folgend die Rechtsprechung solche Fälle handhabt, lässt sich an der Entscheidung des OLG Bamberg v. 12.5.2016 (FamRB 2016, 375) ablesen. Das Jugendamt bestand auf ‚begleitetem‘ Umgang der 16-jährigen Ehefrau mit ihrem 22-jährigen Mann, weil ansonsten eine Schwangerschaft des Mädchens durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann zu erwarten sei.Das OLG verweigerte sich diesem Anliegen. Pädagogisch ist das nachvollziehbar, weil ansonsten das Diskothekenpublikum sich um die Begleitpersonen verdoppeln müsste und die meisten Eltern keine Lust verspüren werden, Anstandshündchen für ihre Kinder zu spielen. Was aber nichtverheirateten Jugendlichen erlaubt ist, sollte doch auch verheirateten Jugendlichen erlaubt sein. Juristisch ist die Entscheidung zu begrüßen, weil sie Respekt vor der eigenen und einer fremden Rechtsordnung dokumentiert. Nichts deutete im Übrigen auf eine Zwangsehe und eine Gefährdung des Mädchens hin.