Versorgungsausgleich: BVV knickt ein!

Bei der internen Teilung von ehezeitlich erworbenen Ansprüchen in der betrieblichen und privaten Altersversorgung findet oftmals eine wundersame Abwertung der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person statt:

  • Der BVV (Bankenversicherungsverein) schlägt den Gerichten seit langem vor, den Ausgleichswert für die ausgleichsberechtigte Person im Tarif ARLEP zu begründen. Dieser Tarifwechsel ist verbunden mit einem Rechnungszinsverlust. Während im Ausgangstarif ein Rechnungszins von 3,5–4 % angewandt wird, ist der Zieltarif derzeit lediglich mit einem Rechnungszins von 0,9 % ausgestattet. Für eine 50-jährige Frau bedeutet dies, dass die gesicherte Versorgungserwartung sich gegenüber dem Quelltarif in etwa halbiert.
  • Auch die private Versicherungswirtschaft (Allianz & Co) begründet den Ausgleichswert der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person nach der Teilungsordnung zu den im Zeitpunkt der Rechtskraft maßgeblichen Versicherungstarifen. Auch bei diesen Versorgungen kommt der sog. aktuelle Höchstrechnungszins als „Garantiezins“ zur Anwendung, was zu einer deutlich verminderten Versorgungsleistung gegenüber der Quellversorgung führt.

Die Rechtsprechung hat dies teilweise erkannt und moniert.[1]

Der BVV korrigiert nun seine Praxis und hat angekündigt, künftig die Versorgungsverluste durch Umstellung der Tenorierung und Tarifierung zu vermeiden. In allen laufenden Verfahren werden indessen vom BVV nicht freiwillig neu Auskünfte erteilt. Die Anwaltschaft ist daher aufgerufen, in den noch nicht rechtskräftigen Verfahren unter Beteiligung des BVV das Gericht auf die Notwendigkeit der Einholung neuer Auskünfte ausdrücklich hinzuweisen. Für die ausgleichspflichtige Person entstehen dadurch keine versorgungsrechtlichen Nachteile. Die ausgleichsberechtigte Person gewinnt einen fairen Ausgleich und damit ein höheres Alterseinkommen, was möglicherweise auch zu geringeren Unterhaltsleistungen der ausgleichspflichtigen Person führt.

Die privaten Versorgungsträger beharren allerdings auf ihrer Standardteilungsordnung und bieten lediglich dann, wenn die Beteiligten die mangelnde Angemessenheit des Teilungsergebnisses rügen, an, die Tarifierung an die Quellversorgung anzupassen.

Die Anwaltschaft ist aufgerufen, im Versorgungsausgleich aufmerksam darauf zu achten, dass die interne Teilung nicht zu Lasten ihrer Mandanten in einen neuen Tarif des Versorgungsträgers erfolgt.

Vor Umstellung der Praxis des BVV hatte das OLG Köln[2] das Risiko des Versorgungsverlusts durch folgende Tenorierung gebannt:

Im Wege der internen Teilung werden zu Lasten der für die ausgleichspflichtige Person bei dem BVV-Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. unter der Vertragsnummer … bestehenden betrieblichen Altersversorgung zugunsten der ausgleichsberechtigten Person nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen ARLEP/oG-V 2017 ein Anrecht in Höhe von … Euro, bezogen auf den … inklusive der Wertentwicklung bis zum 31.7.2018, verbunden mit der weiteren Maßgabe, dass für das zu begründende Anrecht der ausgleichsberechtigten Person der Rechnungszins, der dem auszugleichenden Anrecht des Antragstellers zugrunde liegt, zur Anwendung kommt.

Bis auch die privaten Versorgungen ihre Teilungsanordnung der Rechtslage entsprechend umstellen, kann eine Tenorierung analog der Praxis des OLG Köln Versorgungsverluste für die ausgleichsberechtigte Person vermeiden.

 

[1] OLG Schleswig v. 12.2.2014 – 13 UF 215/13, FamRZ 2014, 1113; OLG Frankfurt v. 25.8.2017 – 4 UF 146/15, FamRZ 2018, 500 (LS); OLG Frankfurt v. 30.11.2016 – 6 UF 115/16; OLG Saarbrücken v. 6.7.2015 – 6 UF 16/15; OLG Stuttgart v. 18.2.2016 – 11 UF 230/15, FamRZ 2016, 1689 (LS); OLG Köln v. 4.7.2017 – 4 UF 45/14, bestätigt durch BGH v. 9.5.2018 – XII ZB 391/17.

[2] OLG Köln v. 4.7.2017 – 4 UF 45/14, bestätigt durch BGH v. 9.5.2018 – XII ZB 391/17.

BGH zum Rechnungszins im Versorgungsausgleich, BGH v. 9.3.2016 XII ZB 540/14

Schickt die um die Versorgungen geprellten Mandantinnen und Mandanten, die Opfer der externen Teilung betrieblicher Anrechte, zu ihren Bundestagsabgeordneten! Die Justiz ist der falsche Adressat. Das ist die Konsequenz der soeben veröffentlichten Entscheidung des BGH zur Wahl des richtigen Rechnungszinses bei der Bewertung betrieblicher Anrechte im Fall externer Teilung ehezeitlich erworbener Anrechte.

Der BGH billigt die Anwendung des sogenannten BilMoG-Rechnungszinses nach § 253 HGB. Die Hoffnung, die Rechtsprechung werde den Opfern der gesetzlich zugelassenen externen Teilung hochwertiger betrieblicher Anrechte helfen ist mit dieser Entscheidung des BGH dahin. Dahin ist aber auch die Ungewissheit und das Abwarten. Die Rechtsprechung ist vielleicht auch nicht zuständig für Fehler des Gesetzgebers.  Schwamb (OLG Frankfurt) schreibt in einem ersten Kommentar:

Es wird jetzt wirklich Zeit, dass der Gesetzgeber die Reparaturarbeiten aufnimmt (sei es bei § 17 oder auch § 29 VersAusglG). Vielleicht beschleunigen diese BGH-Entscheidungen die Entwicklung eines insoweit bislang fehlenden politischen Willens. „Hoffentlich nicht“, werden die einen antworten, „träum weiter“ die anderen.

Wir Anwälte können die Entwicklung beschleunigen, indem wir nun unsere Mandanten an die Politik verweisen. Sie sollten ihre Abgeordneten aufsuchen und dem Ministerium ihr Leid klagen. Die Justiz ist kein Reparaturgesetzgeber. Vielleicht ist das auch gut so.

Neu: Rechnungszinsänderung im Versorgungsausgleich

Für die Bewertung betrieblicher Altersversorgungen im Versorgungsausgleich ist der Rechnungszins von maßgebendem Einfluss. Seit langem wird dieser als deutlich zu hoch angesehen, weil seine Anwendung bei der Kapitalisierung von Betriebsrenten zu einer massiven Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes bei der externen Teilung führt. Die Versorgungsausgleichskasse rechnet mit einem Zinssatz von 1,25%, die Betriebe derzeit mit 3,83%. Eine betriebliche Anwartschaft mit einem Ehezeitanteil von 500 € monatlicher Rente für einen 45 Jahre alten Mann hätte unter Anwendung des ‚BilMoG-Zinses‘ (§ 253 HGB) einen Kapitalwert von ca. 43.600 € (ReZins 3,83%, HR + IR, Rententrend 1%, Altersgrenze 67). Dieser Kapitalbetrag begründet in der Versorgungsausgleichskasse eine reine (statische) Altersrente von maximal 260 €.

Das soll nun noch schlimmer werden. Die Rentenberaterin Dagmar Nienhaus (Heiligenhaus) weist darauf hin, dass im ‚Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie‘ die Berechnungsmethode des BilMoG-Zinses verändert wurde. Ab 2016 müssen Pensionsrückstellungen mit dem neuen Rechnungszins bilanziert werden, für das Jahr 2015 besteht Wahlfreiheit.

Die Konsequenzen für den Versorgungsausgleich sind schlimm. Im obigen Beispiel vermindert sich durch Anwendung des neuen Zinssatzes von 4,27% der Kapitalwert auf 38.435 € und damit der Rentenertrag in der Versorgungsausgleichskasse auf maximal 230 €. Ab mit dem Betrag in die gesetzliche Rentenversicherung (DRV)! Dort bekäme man mit 67 Jahren wenigstens 256 € bei einer Dynamik von realistischen 2% und zusätzlich eine Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung, die die VA-Kasse nicht gewährt.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der BGH der ausgleichsberechtigten Personen erbarmt. Er hat über die Bewertungszinssätze zu entscheiden (XII ZB 615/13; XII ZB 415/14; XII ZB 447/14; XII ZB 468/14) und angekündigt, dies auch in Bälde zu tun. Die BilMoG-Zins-Anhänger argumentieren damit, dieser sei das Ergebnis einer über nunmehr 10 Jahre (statt bisher 7) laufenden Markbeobachtung. Er sinke deswegen langsamer als der reale Rechnungszins, steige aber auch wieder langsamer, wenn die Marktzinsen sich erholten. Der ausgleichsberechtigten Person, die heute geschieden wird, nutzt das nichts. Der BGH wird sich entscheiden müssen, ob er im VA Einzelfallgerechtigkeit oder Durchschnittsgerechtigkeit über einen 30-Jahres-Zeitraum präferiert.

Den heute Geschiedenen muss die obwaltende Halbteilungspraxis, wonach 500 gleich 260 ist, wie das Hexeneinmaleins aus Goethes Faust vorkommen:

Du musst verstehn!
Aus eins mach Zehn,
Und Zwei lass gehn,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist´s vollbracht;
Und neun ist Eins,
Und Zehn ist keins,
Das ist das Hexen-Einmaleins!

Jörn Hauß