VA-Reform auf Raten

Am 2.9.2020 hat das BMJV den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsausgleichsrechts vorgelegt. Der Referentenentwurf sieht folgende Reparaturmaßnahmen vor:

  • Die externe Teilung von Anrechten eines privaten oder betrieblichen Versorgungsträgers soll zukünftig nur dann vom Versorgungsträger (gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person) verlangt werden können, wenn der Gesamtwert der von dem Versorgungsträger auszugleichenden Anrechte die Grenzwerte des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG (derzeit 63,70 € Rente bzw. 7.644 € bei einem Kapitalbetrag) bzw. § 17 VersAusglG (Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung) nicht übersteigt.
  • Ausgleichsansprüche nach der Scheidung sollen auf Wunsch der ausgleichsberechtigten Person angeordnet werden können, wenn das auszugleichende Anrecht des ausgleichspflichtigen Gatten durch Versorgungsleistungen des Versorgungsträgers (Rentenzahlungen) nach Ehezeitende aber vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ausgezehrt wurde (Fälle des ‚Kapitalverzehrs‘).
  • Leistet der Versorgungsträger während der Laufzeit des Versorgungsausgleichsverfahrens vertragsgemäß an die versicherte Person eine Rente, ist er gegenüber der ausgleichsberechtigten Person bis zur Übergangszeit (§ 30 Abs. 2 VersAusglG) nach dem Wortlaut der Norm von Leistungen befreit. Klarstellend wird nunmehr festgelegt, dass dies nur im Umfang der tatsächlichen Leistungen an die ausgleichsberechtigte Person gilt.
  • Der Zeitpunkt für die frühestmögliche Antragstellung auf Abänderung des Versorgungsausgleichs wird von 6 auf 12 Monate vor dem voraussichtlich ersten Versorgungsbezug eines geschiedenen Gatten erweitert (§ 226 Abs. 2 FamFG-E).

Alle diese Reformpunkte sind sinnvoll:

Die für Versicherungsvertreter attraktiven Abschlussprämien für Neuverträge haben eine teilweise kurios hohe Zahl von Kleinstversicherungen beim gleichen Konzern zur Folge, die dann in ein Ärgernis umschlägt, wenn im Versorgungsausgleich diese Anrechte unter dem Schwellwert der Ausgleichspflicht liegen, in der Summe diesen aber deutlich übersteigen. Auch in der betrieblichen Altersversorgung werden teilweise eine ganze Reihe von Kleinversorgungen begründet, die einzeln, aber nicht in der Summe unter dem Schwellwert der Beitragsbemessungsgrenze bleiben. Es ist gut, dass der Gesetzgeber den Anreiz, die interne Teilung durch Begründung mehrerer Kleinstanrechte zu vermeiden, verbaut.

Bezieht die ausgleichspflichtige Person bereits Leistungen aus einem auszugleichenden Anrecht, kann dessen Kapitalwert absinken. Das kann dazu führen, dass – egal in welcher Teilungsform – die ausgleichsberechtigte Person eine inadäquat niedrige Versorgung erhält. Das Gesetz soll nun auch in diesen Fällen die ‚Flucht in den schuldrechtlichen Ausgleich‘ (nach der Scheidung) öffnen. Niemand muss befürchten, dabei den Rentenanspruch gegen den Versorgungsträger nach Versterben der ausgleichspflichtigen Person zu verlieren. § 25 Abs. 2 VersAusglG schließt diesen nur bei einem ‚Vergleich‘ aus. Bevor man allerdings für den schuldrechtlichen Ausgleich optiert, sollte man prüfen, ob die Versorgungsordnung der auszugleichenden Versorgung überhaupt eine Hinterbliebenenversorgung gewährt oder eine solche durch eine Wiederverheiratungsklausel eingeschränkt ist, die einer Witwe nach Wiederverheiratung mit einem neuen Mann eine Hinterbliebenenversorgung (leider zulässigerweise) verwehren würde.

Ebenso zu begrüßen ist die Klarstellung, dass bei Zahlungen des Versorgungsträgers an die ausgleichspflichtige Person im ‚Nirvana‘ der Übergangszeit zwischen Kenntnis der Rechtskraft und dem letzten Tag des darauf folgenden Monats nur in Höhe der tatsächlichen Zahlung gegenüber der ausgleichsberechtigten Person befreit wird. Diese Klarstellung beseitigt bestehende Unsicherheiten und bereicherungsrechtliche Abwicklungsansprüche zwischen den Ehegatten.

Die Verlängerung der Frist für die Antragstellung in Abänderungsverfahren von 6 auf 12 Monate vor dem voraussichtlich ersten Rentenbezugs eines der Ehegatten (§ 226 Abs 2 FamFG-E) ist ebenfalls zu begrüßen, weil sie realistischer die Laufzeiten von Abänderungsverfahren reflektiert. Auch 12 Monate reichen meist nicht, weil die Überlastung der auskunftspflichtigen Versorgungsträger und Sachverständigen und die Begeisterung der erstinstanzlichen Gerichte, Abänderungsverfahren zu führen, immer noch zu optimistisch eingeschätzt wird. Die Anwaltschaft kann ihren Mandanten in diesen Fällen nur dadurch helfen, dass der frühestmögliche Bezug einer in den Versorgungsausgleich einbezogenen Rente auch als der voraussichtliche Rentenbezugstermin benannt wird. Änderungen in der Lebensplanung (wie seniler Spaß an verlängerter Erwerbstätigkeit) sind nie vorhersehbar, aber der Berechtigung zur Einleitung eines Abänderungsverfahrens auch nicht abträglich.

Das Ministerium kündigt eine Nachbesserung des Versorgungsausgleichs nach gründlicher Evaluation des status quo an. Das klingt gut. An einigen Stellen wäre nachzubessern. Dringlich wäre es, die Auskunftspflichten der Versorgungsträger zu konkretisieren. Bei Schaffung des Gesetzes ging man davon aus, dass ein Versorgungsträger selbstverständlich bei einer Rentenversicherung

  • die ehezeitlich erworbene Rentenhöhe,
  • die Rentendynamik,
  • das Renteneintrittsalter,
  • das Leistungsspektrum und
  • den zur Berechnung des Kaptalwerts angewendeten Rechnungszins

unaufgefordert mitteilt.

Die Praxis zeigt, dass das nicht der Fall ist, weshalb die Kontrolle der Kapitalwerte oft nur durch einen Sachverständigen[1] möglich ist oder den Beteiligten einen Blindflug abfordert.

Auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG zur grundrechtswahrenden Adäquanz bei externer Teilung von Versorgungen (BVerfG v. 26.5.2020 – 1 BvL 5/18, FamRB 2020, 261) hätte es nahe gelegen, die Auskunftspflichten der Versorgungsträger zu konkretisieren. Die Zeitspanne war aber wohl zu kurz, um dies noch in den Entwurf einzuarbeiten.

[1] Oder mit dem kostenlos auf der Homepage des FamRB unter www.famrb.de/muster_formulare.html erhältlichen Berechnungstool „Kapitalwertkontrolle 2020“.