Das Geständnis – warum Anwalt- und Richterschaft bei Teilungsordnungen genau hinschauen sollten

Was wie der (bereits mehrfach verwendete) Titel eines spannenden vielleicht auch tiefschürfenden Romans oder eines Fortbildungsseminars einer anderen fachanwaltlichen Spezies aussieht, hat gleichwohl einen familienrechtlichen Bezug. Wer jetzt aber lüstern tiefe Einblicke ins Scheidungsrecht erwartet, wird enttäuscht. Das Scheidungsrecht ist tot (oder kann sich jemand an ein streitiges Scheidungsverfahren erinnern?). Das Scheidungsfolgenrecht aber lebt, und mit ihm das Versorgungsausgleichsrecht. Von dem erwarten sich die Scheidungspartner einen mehr oder minder gelungenen halbteiligen Ausgleich des ehezeitlichen Versorgungserwerbs. Meist scheitert dieser nicht einmal am guten Willen der Scheidungswilligen, sondern „an widrigen Umständen“.

So auch in einem Fall, in dem es um die Teilung einer zertifizierten Riester-Versorgung ging, die von der Generali Deutschland Lebensversicherung AG unter dem Vertrauen schaffenden Markennamen RiesterRente STRATEGIE PLUS angeboten wird. Ihre interne Teilung sollte der 48 Jahre alten Ehefrau eine Versorgung aus einem Ausgleichswert von rd. 35.000 € und aus diesem dann mit Renteneintritt (67) eine Rente verschaffen. Gericht und ausgleichsberechtigte Ehefrau vertrauten der „Zertifizierung“ der Versorgung durch die BaFin, nur die Anwältin der Frau schaute in die Teilungsordnung der Generali und entdeckte in deren § 5 Sonderbares: Die Versorgung zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person sollte zu den „aktuellen Rechnungsgrundlagen“ begründet, der Ausgleichswert um die „hälftigen Kosten“ vermindert und die Versorgung aus dem so verminderten Ausgleichswert zum Zeitpunkt der Rechtskraft eingerichtet werden.

Die nach dieser „Irritation“ vom Gericht um Aufklärung gebetene Generali zierte sich etwas, um schließlich – geständnisartig – wie folgt zu formulieren:

„Im Rahmen unserer Teilungsanordnung begründen wir für die Ausgleichsberechtigte einen neuen Vertrag. Diesem liegen nicht die gleichen Konditionen wie dem Quellvertrag zugrunde. Der Rechnungszins des neuen Vertrages wäre 0,25 % anstatt wie im Quellvertrag 1,75 %. Dieses hat Auswirkungen auf die Höhe der garantierten Verzinsung des konventionell angelegten Guthabens, sowie die Höhe der garantierten Rente.“

Besser hätte man es kaum formulieren können, nur konkreter.

Allein die Absenkung des Rechnungszinses bewirkt einen Rentenverlust für die ausgleichsberechtigte Person von rund 58 % gegenüber der Quellversorgung und jedes weitere Jahr der Verfahrensverzögerung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung verschafft dem Versorgungsträger nochmals einen Gewinn von etwa 1,8 %, weil Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der Wertentwicklung des Anrechts zwischen Ehezeitende und Eintritt der Rechtskraft entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gewährleistet ist (BGH v. 19.8.2015 – XII ZB 443/14, FamRZ 2015, 1869 m. Anm. Holzwarth = FamRB 2015, 407 [Norpoth]; BGH v. 7.9.2011 – XII ZB 546/10, FamRZ 2011, 1785 = FamRB 2011, 330 [Hauß]).

Es müsste daher wie folgt tenoriert werden:

„Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der <ausgleichspflichtigen Person> bei der Generali <VersNr. …> zu Gunsten der <ausgleichsberechtigten Person> bezogen auf den … (Ehezeitende) eine Versorgung aus einem Ausgleichswert in Höhe von 35.000,00 € (Kapitalwert) nach Maßgabe der Teilungsordnung des Versorgungsträgers in der Fassung vom 01.07.2020 übertragen,

mit der Maßgabe, dass abweichend von < 5. 3. Spstrich > der Teilungsordnung des Versorgungsträgers

  • auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafel der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind,
  • ein Abzug der Teilungskosten vom titulierten Ausgleichsbetrag unzulässig ist,
  • eine Abweichung vom gerichtlich festgelegten Ausgleichsbetrag unzulässig ist,
  • der Ausgleichswert zwischen dem … (Ehezeitende) und dem Datum der Rechtskraft der Entscheidung mit dem Zinssatz aufzuzinsen ist, mit dem auch der Ausgleichswert berechnet wurde.“

Wenn ich mich recht an die – zugegeben lange zurückliegende – Tätigkeit im Strafrecht erinnere, wirken Geständnisse nur dann strafmildernd, wenn sie ehrlich und mit „tätiger Reue“ geleistet werden. Tätige Reue könnte die Generali einfach leisten: Sie müsste nur die Teilungsanordnung der Rechtsprechung und der Rechtslage anpassen.

Solange das nicht geschehen ist, ist die Mandantschaft auf die Aufmerksamkeit von Anwalt- und Richterschaft angewiesen. Um diese Aufmerksamkeit leichter zu machen verweisen wir auf die ein weiteres Mal aktualisierte Beanstandungsliste mit nunmehr fast 300 Teilungsordnungen, die Sie hier herunterladen können: Teilungsordnungen auf dem Prüfstand_6-2023.

Teilungsordnungen auf dem Prüfstand

Der FamRB hatte um Hilfe gebeten (https://blog.otto-schmidt.de/famrb/2022/08/16/hilfeaufruf-an-die-famrb-leser-gefahr-aus-der-teilungsordnung/) und hat Hilfe bekommen und bekommt sie auch weiterhin, danke dafür.

Der FamRB revanchiert sich und präsentiert Ihnen eine Liste mit mittlerweile dank Ihrer tatkräftigen Unterstützung nahezu 300 Teilungsordnungen. Nur ein kleiner Bruchteil dieser Teilungsordnungen sind aus unserer Sicht wirklich in Ordnung und nicht zu beanstanden. Zudem haben wir in diese Liste Entscheidungen der Gerichte zu beanstandungswürdigen Teilungsordnungen aufgenommen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine beeindruckende und für die Versicherer mindestens peinliche Anzahl.

Das werthaltigste Problem ist die Ziffer 5 der Teilungsordnungen, die manchmal auch an anderer Stelle zu finden ist und in der geregelt ist, dass die zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person zu begründende Versorgung zu den „im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung geltenden aktuellen Versicherungsbedingungen“ begründet wird. Wenn im Tenor einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich auf eine derartige Teilungsordnung unkorrigiert verwiesen wird, sollten Anwälte am besten gleich ihre Haftpflichtversicherung informieren. Im statistisch häufigsten Scheidungsfall eines 50-jährigen Mannes, der im Jahr 1995 eine private oder als betriebliche Direktversicherung begründete Rentenversicherung abgeschlossen hat, führt das zu einem Versorgungsverlust der ausgleichsberechtigten Person von bis zu gut 73 % oder anders ausgedrückt: Aus 10.000 € Ausgleichswert erhält die ausgleichsberechtigte Person statt rd. 131 € Monatsrente nur rd. 50 €. Leider profitiert davon in unserem Fall nicht der Mann, sondern die Versicherung. Es liegt daher auch im Interesse der ausgleichspflichtigen Person, darauf zu achten, dass eine solche Vernichtung ehelich erworbenen Vermögens unterbleibt.

Daneben findet sich Erstaunliches:

Viele Teilungsordnungen ermöglichen einen „doppelten Abzug der Teilungskosten“, indem sie diese bereits bei der Ermittlung des dem Gericht vorgeschlagenen Ausgleichswerts berücksichtigen und dann formulieren, dass die Versorgung zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person aus dem vom Gericht festgelegten Ausgleichswert „abzüglich der Teilungskosten“ begründet wird. In Großbritannien wäre das eine Straftat (contempt of court), in Deutschland nur ein lohnendes Geschäft, weil es kaum jemand merkt. Wie soll die ausgleichsberechtigte Person feststellen, ob die zu ihren Gunsten zu begründende Versorgung aus dem gerichtlich festgelegten Ausgleichswert von 50.000 € oder 49.500 € begründet wurde?

Auch behalten sich manche Versorgungsträger vor, den vom Gericht titulierten Ausgleichswert eigenmächtig zu korrigieren, indem Veränderungen des Ausgleichswerts zwischen Ehezeitende und Rechtskraftzeitpunkt vom Versorgungsträger in den Ausgleichswert eingepflegt werden.

Und schließlich – dies könnte die Praxis leicht korrigieren – nehmen es einige Versorgungsträger mit der Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der Wertentwicklung zwischen Ehezeitende und Rechtskraft „nicht so genau“. Sie begründen aus dem gerichtlich festgelegten Ausgleichswert die Versorgung zum Zeitpunkt der Rechtskraft und nicht „bezogen auf das Ehezeitende“. Wenn da die Verzinsung des Ausgleichswerts in diesem Zeitraum nicht vom Gericht angeordnet wurde, kann bereits bei einer Verfahrenslaufzeit von nur zwei Jahren eine Versorgungsverlust von fast 10 % auftreten.

In der Liste der Teilungsordnungen haben wir zunächst unser Augenmerk nur auf die berüchtigte Ziffer 5 (s.o.) gerichtet. Erst später fiel auf, dass auch andere Punkte kritikwürdig sind. Nach Abschluss unserer Sammlung werden wir die Teilungsordnungen nochmals auf die weiteren Kritikpunkte überprüfen und das Ergebnis dann neu werten und publizieren.

Vorab nur schon einmal ein „Mustertenor“ mit einer Maßgabeanordnung, der die wichtigsten Probleme einer Teilungsordnung vermeidet:

„Zu Lasten des Anrechts der <ausgleichspflichtigen Person> bei der <Versorgungsträger nebst Vers.-Nr.> wird zu Gunsten der <ausgleichsberechtigten Person> bezogen auf den <Ehezeitende> eine Versorgung aus einem Ausgleichswert in Höhe von <#.###.##0 € (Kapital/Rente)> nach Maßgabe der Teilungsordnung <des Versorgungsträgers in der Fassung vom …> mit der Maßgabe begründet, dass

  • abweichend von <> der Teilungsordnung auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafel der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind und
  • abweichend von <Ziff. … > der Teilungsordnung ein Abzug der Teilungskosten vom titulierten Ausgleichsbetrag unzulässig ist und
  • abweichend von <> der Teilungsordnung das zu begründende Anrecht an der Wertentwicklung zwischen Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung teilzuhaben hat und der gerichtlich festgelegte Ausgleichswert mindestens mit dem Rechnungszins der auszugleichenden Versorgung zu verzinsen ist.“

Abschließend noch zwei Bitten:

  • Schicken Sie uns Ihnen vorliegende Teilungsordnungen, die in der Liste nicht erfasst sind, auch weiterhin ein. Die Liste wird ständig weiter aktualisiert und steht in aktualisierter Form zum Download bereit.
  • Vergessen Sie bitte nie, im Fall einer externen Teilung die Verzinsung des Ausgleichswerts zwischen Ehezeitende und Rechtskraft zu beantragen. Nur bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist das entbehrlich, weil das auszugleichende Anrecht dann bezogen auf das Ehezeitende begründet wird und an der Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung teilnimmt (gemeinerweise kann aber u.U. auch hier die Verzinsung günstiger sein).

Zu der aktuellen Liste kommen Sie hier: Beanstandungsliste Teilungsordnungen 1-2023!

 

Hilfeaufruf an die FamRB-Leserinnen und -Leser: Gefahr aus der Teilungsordnung – erste Ergebnisse

Die Teilungsordnung bestimmt bei der internen Teilung von Versorgungen die Höhe der aus der Teilung für die ausgleichsberechtigte Person fließenden Versorgung. Zwar gehen die Ehegatten, die Anwaltschaft und das Gericht regelmäßig davon aus, dass das für die ausgleichsberechtigte Person zu begründende Anrecht „zu den Bedingungen der Quellversorgung“ begründet wird, diese Erwartungshaltung ist indessen weder gerechtfertigt, noch wird sie in der Realität erfüllt. § 10 Abs. 3 VersAusglG formuliert nämlich knapp und eindeutig: „Maßgeblich sind die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht.“ Der BGH hat zu Recht mehrfach darauf hingewiesen, dass die Tenorierung der internen Teilung unter Angabe der konkreten Teilungsordnung zu geschehen hat,[1] die Rechtsprechung der OLG hat vielfach einzelne Teilungsordnungen korrigiert[2] und für „nichtig“ befunden, weil sie die Begründung des Anrechts zum Nachteil der ausgleichsberechtigten Person „zu den im Begründungszeitpunkt aktuellen Berechnungsgrundlagen“ vorsehen. Wird im Tenor der Entscheidung auf eine Teilungsordnung verwiesen, die nichtige und die ausgleichsberechtigte Person benachteiligende Regelungen enthält, ist nach Rechtskrafteintritt nichts mehr zu machen.[3] Einige der so gescholtenen Versorgungsträger haben selbst daraufhin die Teilungsordnungen nicht geändert, sondern setzen auf die Lesefaulheit und Unaufmerksamkeit der Anwaltschaft und der Gerichte.

Eine Untersuchung von gut 100 Teilungsordnungen hat nun ergeben:

Mehr als 1/3 der Teilungsordnungen enthält nach wie vor Regelungen, die zu beanstanden sind:

  • Ein für die ausgleichsberechtigte Person nachteiliger Tarifwechsel (Begründung des Anrechts zu den „aktuellen Versicherungsbedingungen“) ist meist in Ziffer 5 der Teilungsordnungen zu finden.
  • Oftmals ermöglichen die Teilungsordnungen auch eine Veränderung des gerichtlich festgelegten Ausgleichswerts.
  • Ebenso häufig ermöglichen sie auch den doppelten Abzug der Teilungskosten.

Da das Übersehen der für die ausgleichsberechtigte Person ungünstigen Klauseln für die Anwaltschaft Haftungsfälle, für die Ausgleichsberechtigten Versorgungsverluste von teilweise mehr als 60 % und für die Versorgungsträger völlig unberechtigte finanzielle Vorteile begründen kann, hat sich der FamRB entschlossen, eine Aufstellung der kritischen und der unbedenklichen Teilungsordnungen öffentlich zugänglich zu machen. Dazu sind wir auf die Hilfe unserer Leserschaft angewiesen. Zwar haben wir die ersten 100 Teilungsordnungen durchgesehen und klassifiziert. Es gibt aber deutlich mehr und sie werden von den Versorgungsträgern meist nur unwillig herausgegeben. Deshalb bitten wir alle Leserinnen und Leser, Ihnen vorliegende Teilungsordnungen der Versorgungsträger – gleich ob sie bedenklich oder unbedenklich sind – an famrb@otto-schmidt.de zu senden.

Wir haben uns entschlossen, schon jetzt – nach Ihren ersten Einsendungen – die Liste zu veröffentlichen, um allen am Versorgungsausgleich Beteiligten die Möglichkeit zu geben, schwerwiegende Fehler zu vermeiden. Wir werden die Liste  weiterhin aktuell halten.

Zur Liste kommen Sie hier: Teilungsordnungen Versorgungsverluste bei interner Teilung

[1] Seit BGH v. 26.1.2011 – XII ZB 504/10, FamRZ 2011, 547 m. Anm. Holzwarth = FamRB 2011, 106 (Norpoth).

[2] BGH v. 25.2.2015 – XII ZB 364/14, FamRZ 2015, 911 m. Anm. Borth = FamRB 2015, 208 (Götsche); BGH v. 19.8.2015 – XII ZB 443/14, FamRZ 2015, 1869 m. Anm. Holzwarth = FamRB 2015, 407 (Norpoth); Bdb. OLG v. 2.9.2020 – 9 UF 86/20; OLG Celle v. 5.4.2019 – 21 UF 202/18, FamRZ 2019, 1780; OLG Frankfurt v. 9.4.2020 – 4 UF 46/19; OLG Frankfurt v. 17.9.2019 – 4 UF 273/17, FamRZ 2020, 676; OLG Frankfurt v. 22.8.2019 – 4 UF 86/17, FamRZ 2020, 673 = FamRB 2020, 16 (Siede); OLG Hamm v. 20.6.2018 – 7 UF 213/17, FamRZ 2019, 26 (LS); OLG Karlsruhe v. 20.4.2021 – 5 UF 112/20, FamRZ 2022, 951; OLG Köln v. 2.10.2018 – 25 UF 34/18; OLG Nürnberg v. 18.12.2018 – 11 UF 815/18, FamRZ 2019, 876; Schl.-Holst. OLG v. 8.6.2020 – 15 UF 188/19.

[3] BGH v. 29.4.2020 – IV ZR 75/19, FamRZ 2020, 985; BGH v. 22.1.2020 – IV ZR 54/19, FamRZ 2020, 491 = FamRB 2020, 142 (Breuers).