Konsequenzen für die Praxis aus dem BVerfG-Urteil v. 26.5.2020 zu § 17 VersAusglG

Fast ein Jahr ist es nun her, dass das BVerfG entschieden hat, dass § 17 VersAusglG verfassungskonform sei. Gleichzeitig hat das oberste deutsche Gericht eine verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift durch die Familiengerichte angemahnt (BVerfG, Urt. v. 26.5.2020 – 1 BvL 5/18, BVerfGE 153, 358 = FamRZ 2020, 1078 = FamRB 2020, 261). Die Familiengerichte müssen vermeiden, dass durch die externe Teilung Transferverluste entstehen, durch die der ausgleichsberechtigte Ehegatte übermäßig belastet wird. Den kritischen Bereich sieht der Senat erreicht, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte auch bei bestmöglicher Wahl der Zielversorgung eine Rente erhalten wird, die weniger als 90 % der bei interner Teilung zu erwartenden Versorgung beträgt. Doch wie soll man dies feststellen? – Eine Möglichkeit wäre, durch ergänzende Auskunft des Quellversorgungsträgers bzw. Sachverständigengutachten zu ermitteln, welche Versorgung die ausgleichsberechtigte Person bei interner Teilung zu erwarten hätte und diese mit der Versorgung zu vergleichen, die der gewählte bzw. bestmögliche Zielversorgungsträger in Aussicht stellt. Ein Berechnungstool, das diese Berechnung erleichtert, wurde durch Hauß/Glockner erstellt (zu finden auch auf der Homepage des FamRB: Erläuterungstext und Programm zur Adäquanzkontrolle). Hier stößt der Anwender aber schnell an seine Grenzen, wenn sich die Zusagen unterscheiden, etwa hinsichtlich Renteneintrittsalter, Leistungsspektrum oder Auszahlungsmodalitäten.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, anhand der Rechenfaktoren, die der Quellversorgungsträger für die Umrechnung des Ausgleichswerts in eine Versorgung bei interner Teilung anwenden würde, den Barwert der Versorgung bei dem gewählten bzw. bestmöglichen Zielversorgungsträger unter Berücksichtigung der spezifischen Unterschiede dieser Versorgung (wie z.B. der Anwartschafts- und Leistungsdynamik) zu berechnen. Erreicht dieser mindestens 90 % des Ausgleichswerts, sind keine verfassungswidrigen Transferverluste zu erwarten. Diese Methode wendet auch die Deutsche Aktuarvereinigung an (Tabellen veröffentlicht unter https://aktuar.de/unsere-themen/fachgrundsaetze-oeffentlich/2021-01-10_Ergebnisbericht_Externe_Teilung.pdf). Sie ist auch Grundlage der Empfehlungen zur Umsetzung des Urteils des BVerfG durch die Familiengerichte in dem Aufsatz der Verfasser (Braun/Siede, FamRB 2021, 160 [Teil 1] und Braun/Siede, FamRB 2021, 216 [Teil 2]; es ist beabsichtigt, die Tabellen des Aufsatzes, die auch Besonderheiten, wie z.B. die externe Teilung für den Fall, dass die ausgleichsberechtigte Person eine Erwerbsminderungsrente bezieht, fortlaufend zu aktualisieren). Diese Methode hat der BGH in der Entscheidung vom 24.3.2021 – XII ZB 230/16 (s. dazu den Blogbeitrag von Hauß) nicht nur ausdrücklich gebilligt, sondern als geboten erachtet, wenn Quell- und Zielversorgung sich hinsichtlich Leistungsspektrum, Leistungsdynamik oder Dauer der Auszahlung erheblich unterscheiden (Rz. 52). Der Senat bestätigt den Vorteil des Vergleichs von Barwerten auch für den Fall, dass verfassungsrechtlich nicht hinzunehmende Transferverluste auftreten sollten: In diesem Fall reicht es aus, den Ausgleichswert so weit zu erhöhen, dass für den Ausgleichsberechtigten eine auskömmliche Versorgung generiert werden kann, einer komplizierten Anpassung des Rechnungszinses bedarf es nicht (Rz. 53).

Dies sieht zwar auf den ersten Blick recht kompliziert aus – tatsächlich ist es aber nur in sehr wenigen Fällen erforderlich, über die bisher angeforderten Auskünfte hinaus Berechnungsgrundlagen zu ermitteln und Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

Solange der Ausgleichsberechtigte das Renteneintrittsalter nicht erreicht hat, steht ihm mit der gesetzlichen Rentenversicherung eine Zielversorgung zur Verfügung, durch die die ausgleichsberechtigte Person angesichts des derzeitigen Zinsniveaus eine bessere Versorgung als bei interner Teilung erhalten wird. Der Grenzzinssatz liegt je nach Alter und Geschlecht des Ausgleichsberechtigten zwischen 2,75 % und 4 %. Dies kann sowohl anhand des Berechnungstools von Hauß/Glockner als auch auf der Grundlage der o.g. Tabellen ohne weiteres nachvollzogen werden. Und: Das gilt auch dann, wenn das Ehezeitende lange zurückliegt und der Kapitalwert des Ehezeitanteils dementsprechend mit einem höheren Zins kalkuliert wurde; denn in diesem Fall ist es nach hier vertretener Auffassung nur erforderlich, für den Ehezeitanteil der Versorgung eine aktuelle Auskunft des Quellversorgungsträgers anzufordern, die anhand der zu einem entscheidungsnahen Zeitpunkt geltenden Rechenfaktoren erstellt wurde – und den Vorteil hat, das sie auch die Entwicklung des biometrischen Risikos abbildet, an der der Ausgleichsberechtigte nicht nur bei interner Teilung partizipieren soll, sondern auch, wenn man das Postulat des BVerfG ernst nimmt, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht hinzunehmen wäre, dass dieser Wertzuwachs verloren ginge, soweit er auf den Ausgleichswert entfällt, ohne dass dies dem Ausgleichsberechtigten zugutekäme.

Hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte das Rentenalter erreicht, steht oft nur die Versorgungsausgleichskasse als Zielversorgung zur Verfügung. In diesem Fall kann aber anhand der Tabellen der Verfasser durch den Anwender aufgrund einer sehr einfachen Berechnung ein auskömmlicher Ausgleichswert berechnet werden. Ein Beispiel hierzu finden Sie in dem Aufsatz der Verfasser.

Keine Probleme gibt es in der Regel in den Fällen des Ausgleichs fondsgebundener Anrechte, da hier keine verfassungswidrigen Transferverluste entstehen können, und im Fall des beiderseitigen Leistungsbezugs, da hier die Entstehung verfassungswidriger Transferverluste durch dreiseitige Vereinbarung der Ehegatten und des Quellversorgungsträgers bzw. nach Inkrafttreten von § 19 Abs. 2 Nr. 5 VersAusglG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Versorgungsausgleichrechts durch Option des Ausgleichsberechtigten vermieden werden kann (s. hierzu Bergmann, FamRB 2021, 256).

Lediglich in den Fällen des Ausgleichs kongruent rückgedeckter Anrechte sind im Fall höherer Rechnungszinsen bei länger zurückliegender Zusageerteilung häufiger etwas kompliziertere Berechnungen erforderlich, für die es eines Sachverständigengutachtens bedarf.

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Vom Kopf auf die Füße gestellt! (BGH v. 24.3.2021 – XII ZB 230/16 zu BVerfG v. 26.5.2020 – 1 BvL 5/18)

Es hat nicht einmal ein Jahr gedauert, bis der BGH Gelegenheit hatte, die Entscheidung des BVerfG vom 26.5.2020 umzusetzen (BVerfG v. 26.5.2020 – 1 BvL 5/18, FamRB 2020, 261). Es ist nicht überraschend, dass der BGH in der Frage, wie der grundrechtlich geschützte Halbteilungsgrundsatz im Versorgungsausgleich bei externer Teilung einer Versorgung durchzusetzen ist, der Entscheidung des BVerfG folgt: Eine grundrechtswidrige Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes liegt dann vor, wenn der Versorgungsertrag aus dem Ausgleichswert den Versorgungsertrag aus der Quellversorgung um mehr als 10 % unterschreitet. Ist dies der Fall, hat der Versorgungsträger der Quellversorgung entweder den Ausgleichswert auf ein hinreichendes Niveau zu erhöhen oder die interne Teilung vorzunehmen.

Im Versorgungsausgleich muss daher umgedacht werden. Galt bisher der Grundsatz, dass der Kapitalwert einer Versorgung insbesondere im Fall ihrer externen Teilung genauestens zu prüfen sei, gilt nun – praxisnäher – der Grundsatz, dass die Versorgungsleistung der Zielversorgung die Messlatte für Grundrechtskonformität ist.

Allerdings wird die Entscheidung die Debatte eröffnen, was denn unter dem Begriff derVersorgungsleistung“ zu verstehen ist.

Die reine Höhe der monatlichen Rentenzahlung kann es nicht sein. Eine betriebliche Altersversorgung, deren Ehezeitanteil eine Rente i.H.v. 100 € monatlich im Ehezeitende für einen 50-jährigen Mann beträgt, und die eine 1 %-ige Leistungsdynamik aufweist, bleibt in Ihren Leistungen meilenweit hinter einer Rente der DRV zurück, die ebenfalls im Ehezeitende 100 € Monatsrente aufweisen würde. Während die betriebliche Rente bei Renteneintritt im Alter 67 noch immer lediglich 100 € betrüge, würde sich die in der gesetzlichen Rentenversicherung anzunehmende Dynamik von 2 % zu einem Versorgungsergebnis bei Renteneintritt i.H.v. 140 € errechnen. Diese Rentendifferenz vergrößert sich bis zum Tod der berechtigten Person wegen der unterschiedlichen Dynamik von betrieblicher und gesetzlicher Rentenversicherung. Aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielte der Versicherte bei einer Rente im Ehezeitende von 100 € Altersrente von insgesamt mehr als 42.000 € bis zum Tod, der betrieblich Versicherte erhielte nicht einmal 30.000 €. Nimmt man Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung hinzu, differiert das Volumen der Versorgungserwartung um fast 50 %.

Leider ist die Berechnung der Leistung einer Versorgung auf der Basis der Summe der zukünftigen Rentenleistungen nicht ganz banal. Für alle, die es genau wissen wollen sei die dazu erforderliche mathematische Formel präsentiert:

Rentenvolumen = {[(1 + Leistungsdynamik in %)Leistungszeit – 1] / Leistungsdynamik in %} x Rente im Renteneintritt x 12

Ein solches „Ungetüm“ einer mathematischen Formel ist praktisch unzumutbar, weshalb im Programm Kapitalwertkontrolle 2021 dieser Rechenarbeit juristengerecht mit wenigen Eingaben transparent erledigt wird. Und bevor allgemeines Wehklagen über unsere obersten Gerichte ausbricht sei darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Barwerte von Versorgungen und ihre korrespondierenden Kapitalwerte nicht einfacher war. Der einzige Unterschied war der, dass in der Praxis diese Berechnung leichtsinniger Weise nie kontrolliert, sondern den Versorgungsträgern erleichtert jede Zahl abgenommen wurde.

Damit muss es nun nicht vorbei sein. Spätestens seit Januar 2018 ist die Deutsche Rentenversicherung für alle Fälle der externen Teilung die richtige Zielversorgung. Lediglich bei Rentnerscheidungen oder großen Altersunterschieden zwischen den Ehegatten oder bei einem Rechnungszins von mehr als 3 %, der zur Ermittlung der Kapitalwerte vom Quellversorgungsträger angewandt wurde, wäre eine genaue Prüfung des Versorgungsergebnisses für die ausgleichsberechtigte Person erforderlich.

Zum Glück hat der BGH in seiner Entscheidung in analoger Anwendung von § 220 Abs. 4 FamFG eine Auskunftsverpflichtung des Quellversorgungsträger über die Rentenerwartung der ausgleichsberechtigten Person im System der Quellversorgung etabliert. Das hilft aber bedauerlicherweise bei einem großen Altersunterschied der Ehegatten nicht wirklich weiter. Denn nicht einmal die nominelle Höhe der Summe aller Versorgungsleistungen definiert die Leistungsfähigkeit einer Versorgung, sondern die aus ihr resultierende Kaufkraft. Deshalb ist dieser Korrekturfaktor bei großem Altersunterschied der Ehegatten zusätzlich zu berücksichtigen. 100 € Rente im Ehezeitende haben bei Annahme einer 2 %-igen Geldentwertung pro Jahr zehn Jahre später lediglich noch eine Kaufkraft von 82 €. Damit wäre indessen die vom BVerfG gebilligte maximal 10 %-ige Differenz zwischen einem Versorgungsertrag aus Quell- und Zielversorgung bereits überschritten.

Für die Familienrechtler wird durch die beiden Entscheidungen von BVerfG und BGH nicht alles leichter, aber für alle Betroffenen ist es leichter verständlich geworden. Es ist nämlich haptisch begreifbar, wenn ich die Leistungen einer Versorgung in den zur Auszahlung gelangenden Versorgungsvolumen ausdrücke. Unter einer Rentenleistung bis zum Lebensende von 29.000 € kann ich mir konkret vorstellen, ca. 3.600 Maß Bier trinken zu können. Mit Entgelt- oder Versorgungspunkten, Steigerungszahlen oder Prozentpunkten einer Bemessungsgrundlage kann sich kein Betroffener einen konkreten Konsum vorstellen.

Familienrechtlich wird man nun meist lediglich noch kontrollieren müssen, mit welchem Rechnungszins der Ausgleichswert berechnet worden. Liegt er über 3 %, wird keine bestehende Zielversorgung ein adäquates Versorgungsniveau bieten können. Liegt er darunter, ist die Deutsche Rentenversicherung die richtige Zielversorgung. Diese einfache Gleichung trifft nur in den Rentnerfällen nicht zu.

In jedem Fall hilft aber sowohl bei der Berechnung und Kontrolle der Kapital- und damit der Ausgleichswerte als auch beim Vergleich der aus den verschiedenen Versorgungen resultierenden Versorgungsvolumen das Programm Kapitalwertkontrolle 2021 auf der Homepage des FamRB unter www.famrb.de/muster_formulare.html kostenlos nebst Erläuterungstext herunterladen können.

Ferndiagnose BVerfG zu § 17 VersAusglG

Die mündliche Verhandlung über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG beim BverfG hat am 10.3.2020 stattgefunden.[1] Die Frage bleibt, wie das Gericht entscheiden wird. Der Worte sind aber vielleicht noch nicht genug gewechselt, weil einige Argumente der Anhänger der derzeitigen Lösung auch durch Wiederholung nicht besser werden.

Fangen wir also beim Argument des BGH an, die sog. Transferverluste, also die bei der externen Teilung eintretenden Rentenverluste der ausgleichsberechtigten Person, widersprächen nicht dem Halbteilungsgrundsatz. Bei hohem Niveau des Rechnungszinses träten sie zwar tatsächlich auf, falle aber das Zinsniveau, könne die externe Teilung sogar vorteilhaft sein.[2] Dieses Argument wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BverfG wiederholt. Richtiger wird es deswegen nicht. Der im Jahr 2010 geschiedenen und in die externe Teilung gezwungenen Frau, die beim Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung oder die Versorgungsausgleichskasse 40 % oder teilweise auch 60 % der ihr zustehenden Versorgung verloren hat, nutzt es nichts, dass sei bei einer Scheidung im Jahr 2020 einen Gewinn von ca. 25 % bei externer Teilung eingefahren hätte. Der Verfassungsrang beanspruchende Halbteilungsgrundsatz gilt für die jeweilige Ehescheidung und nicht für den 20-jährigen Durchschnitt aller Scheidungen. Das Grundgesetz fordert keine Durchschnitts-, sondern Einzelfallgerechtigkeit.

Die Auseinandersetzung mit der Rettungsargumentation der Arbeitsgemeinschaft betrieblicher Altersversorgungen ist da schon komplizierter. Sie befürchtet, dass durch Aufnahme der ausgleichsberechtigten Personen in das System der betrieblichen Altersversorgung zusätzliche belastende Verwaltungskosten für die betriebliche Altersversorgung entstünden, die deren Rentabilität beeinträchtigen werde. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, überzeugt aber gleichwohl nicht. Aus vielerlei Erfahrung wissen wir, dass die Verwaltungskosten betrieblicher Versorgungsträger selten 10 € pro Monat übersteigen. Im klassischen Scheidungsalter einer 50-jährigen Frau entstünden dem Versorgungsträger damit Verwaltungskosten von ca. 3.200 € bis zum Versterben der Berechtigten.[3] Derzeit können Versorgungen bis zu einem Kapitalwert von 82.800 € extern geteilt werden. Die Verwaltungskosten entsprächen gerade einmal ca. 3,8 % des Ausgleichswerts. Wenn also die Verwaltungskosten der springende Punkt wären, läge nichts näher, als die ausgleichsberechtigte Person entscheiden zu lassen, ob zu Lasten der auszugleichenden Versorgung – und damit auch ihrer Versorgung – die entstehenden Verwaltungskosten berücksichtigt werden können oder ob stattdessen externe Teilung gewünscht wird. Ich bin sicher, dass die Betroffenen statt eines großen, manchmal 50 % übersteigenden Verlusts einen 3,8 %igen gewählt hätten.

Es bleibt auch nach der Verhandlung völlig unklar, warum nur Betriebe und Unterstützungskassen vor einem hohen Verwaltungsaufwand zu schützen sind, während die Versicherten der anderen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung mit den Verwaltungskosten belastet werden.

Auch wenn sich Bundesregierung und betriebliche Altersversorgungen in der Anhörung bemühten, die Wertgrenze der Beitragsbemessungsgrenze (derzeit 82.800 €) für die Externalisierung einer betrieblichen Versorgung zu erklären, bleibt die Grenzziehung willkürlich. Die Bundesregierung argumentierte, diese Wertgrenze sei der Versorgungsträgern bekannt, weswegen man daran angeknüpft hätte. Ich kenne noch eine ganze Reihe anderer den Versorgungsträgern bekannter Wertgrenzen. Deren unbekannteste war die „monatliche Bezugsgröße“ des § 18 Abs. 1 SGB IV. Mit dieser hatten die Versorgungsträger bis zum 1.9.2009 überhaupt nichts zu tun. Trotzdem hat der Gesetzgeber den Betrieben diese Bezugsgröße in § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ohne Zaudern zugemutet. Die jetzt etablierte Wertgrenze in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze privilegiert Managergattinnen und -gatten im Versorgungsausgleich. Wie man das rechtfertigen will, ist nicht nachvollziehbar.

Die betrieblichen Altersversorgungen verteidigten die Grenze mit dem Argument, dies sei die Grenze, bis zu der man durch Pflichtbeiträge einen Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung pro Jahr erwerben könne. Das erinnert an die TV-Werbung eines Matratzenherstellers, der der Mitteilung eines Matratzenliegers, seine qualitätsstrotzende Matratze habe ein „Vermögen gekostet“, entgegensetzt, die in Deutschland meistgekaufte Matratze koste nur 199 €. Das eine hat mit dem anderen nicht das geringste zu tun. Durch das VersAusglG ist die Grenze, bis zu der eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden kann aufgehoben worden. Warum soll diese Grenze dann herangezogen werden, um die interne Teilung zu begründen? Der Verfasser plant derzeit, aus dem Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine ausgleichsberechtigte Frau aus einem Ausgleichswert von 1,7 Millionen Euro zu begründen. Die DRV nimmt auch Ausgleichswerte in dieser Höhe auf.

Die Berichte über die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG stimmen zuversichtlich. Vielleicht hat der Gesetzgeber (heimlich) auf die heilende Kraft des Bundesverfassungsgerichts vertraut, es werde den Schönheitsfleck des VersAusglG, § 17, schon korrigieren. Schade nur, dass viele ausgleichsberechtigte Personen, deren Versorgungen durch die externe Teilung atomisiert wurden, von der Entscheidung nichts mehr haben werden. Zu hoffen bleibt, dass die ausgleichspflichtigen Personen zukünftig nicht die Hälfte ihrer ehezeitlich erworbenen betrieblichen Versorgung im Versorgungsausgleich verlieren und davon nur ein Bruchteil bei der ausgleichsberechtigten Person ankommt. Auch das ist nämlich eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes.

Es bleibt also spannend.

[1] Der Verfasser war selbst bei der Verhandlung nicht zugegen, sondern fernab im Urlaub. Er war Mitautor der Stellungnahme des DAV zum Verfahren vor dem BVerfG und ist Autor eines Beitrags in der Festschrift Brudermüller mit dem Titel „Ist § 17 VersAusglG verfassungswidrig?“, FS Brudermüller, S. 277. Die Ausführungen basieren auf Pressemeldungen und insbesondere dem Bericht von Werner Schwamb für hefam, dem hierfür ausdrücklich gedankt sei.

[2] BGH v. 9.3.2016 – XII ZB 540/14, FamRZ 2016, 781 = FamRB 2016, 175.

[3] Barwert der Verwaltungskosten mit 2 % abgezinst.

High noon in Karlsruhe zu § 17 VersAusglG (zu BVerfG – 1 BvL 5/18; vorangehend: Vorlagebeschluss des OLG Hamm – 10 UF 178/17)

Am 10.3.2020 findet die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG statt. Allen zur Erinnerung: Nach dieser Norm können betriebliche Versorgungen bis zu einem Ausgleichswert von 82.800 € (im Jahr 2020) extern ausgeglichen werden. Aus der betrieblichen Versorgung stünde einem 50-jährigen Mann daraus eine Rente von ca. 650 € monatlich zu. Bei Einzahlung des Ausgleichsbetrages in die Versorgungsausgleichskasse blieben knapp 300 € Garantierente und (Optimisten sterben nicht aus) ca. 375 € über (im Unisextarif der VersAusglK), wenn Gewinne erzielt werden. Ein Verlust von ca. 40 % der Versorgungsvolumens kann man nicht mehr als ‚Petitesse‘ begreifen, zumal die ausgleichspflichtige Person die Hälfte ihrer Versorgung, also 650 € verliert.

Heute könnte man den Verlust begrenzen und als Zielversorgung des Ausgleichs die gesetzliche Rentenversicherung wählen. Die brächte zwar zum Stichtag ebenfalls nur eine Rente von ca. 360 € monatlich, unterstellt man aber realistisch eine Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung von 2 % (derzeit ist die Dynamik weit größer), errechnet sich für den 50-järigen Ausgleichsberechtigten eine Rentenerwartung von 506 € im Alter von 67 und das, obwohl zusätzlich Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung abgesichert wären.

Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 das Dilemma der Halbteilungsverfehlung durch die vom Gesetzgeber zugelassene Teilung werthaltiger betrieblicher Versorgungen in § 17 VersAusglG erkannt. Gleichwohl hat er die Ergebnisse gebilligt, weil bei gegenläufiger Entwicklung der Zinssätze ein umgekehrter Effekt eintreten könne (BGH v. 22.6.2016 – XII ZB 664/14 Rz. 21, FamRZ 2016, 1654 = FamRB 2016, 380). Die damalige Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist kritisiert worden, weil der Halbteilungsgrundsatz für jede einzelne Ehe zu wahren ist und der im Jahr 2009 geschiedene Ehegatte nicht weniger über die Verfehlung der Halbteilung in seinem Fall empört sein wird, weil der zehn Jahre später geschiedene Ehegatte durch die externe Teilung profitieren kann.

Es ist daher begrüßenswert, dass das OLG Hamm eine verfassungsgerichtliche Entscheidung herbeiführt (Vorlagebeschluss des OLG Hamm v. 17.10.2018 – 10 UF 178/17, FamRZ 2019, 688). Ebenso begrüßenswert ist es, dass das BVerfG die mündliche Verhandlung langfristig und öffentlich angekündigt (Pressemitteilung des BVerfG v. 17.1.2020). Nun muss das BVerfG bei Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses immer mündlich verhandeln (§ 82 Abs. 3 BVerfGG), Vorfreude auf verfassungsgerichtlich durchgesetzten Gerechtigkeitsgewinn ist daher allein gestützt auf die Anberaumung eines mündlichen Verhandlungstermins nicht angezeigt. Die Hürde der Zulässigkeit hat allerdings der Vorlagebeschluss des OLG Hamm erfreulicherweise schon einmal übersprungen. Das lässt hoffen, sollen doch einige die Unzulässigkeit des Antrags gerügt haben.

Die Anwaltschaft sollte nun erst recht in Verfahren, in denen Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung extern geteilt werden sollen und eine Einzahlung des Ausgleichswerts in die gesetzliche Rentenversicherung nicht möglich ist (weil die ausgleichsberechtigte Person schon Altersrentner ist, § 187 SGB VI), Handlungsalternativen genau abwägen, ob das Versorgungsverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG ausgesetzt oder der externe Ausgleich akzeptiert wird.

  • Wird vom ausgleichsberechtigten Gatten noch keine Versorgung bezogen, ist die gesetzliche Rentenversicherung immer die richtige Zielversorgung, solange der Rechnungszins der Quellversorgung <=3 % beträgt. Diese erbringt in diesen Fällen eine höhere Altersversorgung als die zu teilende Betriebsrente, wenn man die der Betriebsrente meist fehlende Anwartschaftsdynamik berücksichtigt.
  • Bezieht die ausgleichsberechtigte Person eine Invaliditätsversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ist die externe Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung die richtige Option, weil die Invaliditätsversorgung um die aus den aus dem Ausgleichswert gebildeten Entgeltpunkte angehoben würde und aus der Versorgungsausgleichskasse und fast immer auch bei interner Teilung des Anrechts aus der betrieblichen Versorgung keine Invaliditätsrente gezahlt wird.
  • Bezieht der ausgleichsberechtigte Gatte bereits eine bindend bewilligte Vollrente wegen Alters, betrüge der Versorgungsverlust bei Ausgleich des Betrages in die Versorgungsausgleichskasse ca. 30 % gegenüber der internen Teilung des Anrechts. Es ist daher abzuwägen, ob das Zuwarten und Hoffen auf eine positive Entscheidung des BVerfG den Nachteil des Rentenverlusts aufwiegt. Eine Versorgungsbegründung in der gesetzlichen Rentenversicherung durch externe Teilung eines betrieblichen Anrechts ist in diesen Fällen nicht mehr möglich (§ 187 Abs. 4 SGB VI).

Karge Worte des Sparsamen – Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde zu § 17 VersAusglG nicht an (BVerfG v. 9.3.2017 – 1 BvR 963/16)

Ein Bild von Paul Klee ist betitelt: „Karge Worte des Sparsamen“. Es zeigt einen intelligenten Flaschenkopf mit hellwachen Augen und einem im Verhältnis dazu deutlich zu kleinen, verschlossenem Mund. Der Bildtitel erscheint als „Krg Wrt Sp.“ in Buchstaben im Bild.

Mit ebensolcher Kargheit hat das BVerfG am 9.3.2017 (1 BvR 963/16) eine eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen der nachteiligen Folgen der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts mit einem Ausgleichswert von knapp 50.000 € nicht angenommen. 33 Worte genügten den Verfassungsrichtern dazu.

In den familienrechtlichen Kommunikationsmedien wird eine Mischung von Trübsal, Enttäuschung und rücksichtsvollem Gerichtsbashing betrieben. Viele meinen, das Verfassungsgericht hätte sich doch wenigstens einige Worte der Begründung abringen können.

Zum Glück hat es das nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht ist an das BVerfGG gebunden und die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 13 Nr. 8a BVerfGG sind, dass ihr ‚grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt‘ oder eine Grundrechtsverletzung einen ‚besonders schweren Nachteil‘ beim Beschwerdeführer auslöst (§ 93a BVerfGG), falls eine Entscheidung zur Sache versagt wird. Diese Voraussetzungen hat der Beschwerdeführer darzulegen. Er muss also nicht nur darlegen, welches Grundrecht durch eine Gerichtsentscheidung verletzt worden ist, sondern auch die Dimension der Verletzung. Dabei reicht es nicht aus, die verfassungswidrige Ungerechtigkeit einer Norm zu beklagen (das wäre Aufgabe einer Normenkontrollklage). Vielmehr müssen die Grundrechtsverletzung und deren Auswirkungen auf den Beschwerdeführer dargelegt werden (§ 92 BVerfGG).

Das alles macht Verfassungsbeschwerden aufwändig. Die hier nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde erfüllte diese formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nach Ansicht des Gerichts nicht. Deshalb konnte und durfte das BVerfG die Beschwerde nicht zur Entscheidung annehmen.

Vielleicht sind die mit der externen Teilung zusammenhängenden Rechtsprobleme auch noch nicht ausreichend erörtert.

Im Versorgungsausgleich werden bei der internen Teilung ‚Renten‘ dinglich geteilt. Die Forderung eines angemessenen Teilungsergebnisses ist daher in diesen Fällen gerechtfertigt.

Bei der externen Teilung wandelt sich die ‚dingliche Teilung‘ gewissermaßen in einen ‚Wertausgleich‘.

  • Fehlt dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen tatsächlich der Spielraum, einen solchen Transfer zu ermöglichen, an den wir uns im Zugewinnausgleich, dem jede dingliche Teilhabe fremd ist, gewöhnt haben und dessen Verfassungswidrigkeit dort nicht bemängelt wird?
  • Könnten wir tatsächlich die betrieblichen Versorgungsträger zur Auskehrung höherer Ausgleichswerte zwingen, als diese für eine Versorgung bilanziert haben, ohne die nächste verfassungsrechtlich bedenkliche Baustelle zu eröffnen?
  • Wir wissen, dass die Kapitalmarktentwicklung dazu geführt hat, dass betriebliche Versorgungssysteme unterfinanziert sind und einen erheblichen finanziellen Nachschussbedarf haben. Können wir aber diesen Nachschussbedarf präemptiv in der Höhe des Ausgleichswerts abbilden, obwohl er erst nachehezeitlich entsteht, wenn nämlich der Mitarbeiter zum Rentenbezieher mutiert und sich dann herausstellt, dass die tatsächlich gebildeten Rückstellungen nicht ausreichend sind? Der dann erforderliche ‚Nachschuss‘ wird von den ‚aktiven Mitarbeitern‘ des Unternehmens nachehezeitlich erwirtschaftet. Da betriebliche Anrechte keine Abänderungsmöglichkeit kennen (§ 32 VersAusglG), kann die ausgleichsberechtigte Person an diesem nachehezeitlichen Nachschuss auch nicht beteiligt werden.

Solange die Diskussion das Ausgleichsergebnis fokussiert, werden die Familienrechtler die Sozialpolitiker und die Frauenrechtler aktivieren, wahrscheinlich aber nicht die Verfassungsrechtler.

Diese könnten sich aber dafür interessieren, ob die in § 17 VersAusglG vorgesehene Schwellgrenze für den Übergang zur internen Teilung nicht willkürlich hoch bemessen ist. Welches Argument rechtfertigt die interne Teilung einer Versorgung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und die externe Teilung einer Versorgung mit einem Kapitalwert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze? Nach der Rechtsprechung des BGH können die Betriebe die durch die Teilung entstehenden Kosten (einschließlich der künftigen Verwaltungskosten) auf die sich scheidenden Ehegatten umlegen (BGH v. 27.06.2012 – XII ZB 275/11, FamRZ 2012, 1546 = FamRB 2012, 307). Ein Kostenargument kann also die Differenzierung nicht rechtfertigen. Dass die ausgleichsberechtigten Ehegatten kleinerer Versorgungswerte der Versorgungshomologität eher abträglich seien als die größerer Versorgungswerte, dürfte Verfassungsrechtler wohl eher zu mildem Lächeln bringen. Das berechtigte Interesse am Ausschluss von Bagatellversorgungen aus den betrieblichen Systemen kann man durch eine moderate Anhebung der Bagatellgrenze bewerkstelligen. Wählte man z.B. für die betriebliche Altersversorgung als Grenzwert 50 % des Durchschnittsentgelts in der gesetzlichen Rentenversicherung als Grenzwert für die interne Teilung (das wären heute rd. 19.000 €), reduzierte man zwar nicht den prozentualen Transferverlust, aber die „besonders schweren Nachteile“ der ausgleichsberechtigten Personen (§ 93a Abs. 2 Nr. 2a BVerfGG).

Das BVerfG hat – aus formalen Gründen – die Beschwerde nicht angenommen. Damit ist die Verfassungsmäßigkeit von § 17 VersAusglG nicht festgestellt. Festzustellen ist aber, dass Verfassungsbeschwerden nicht leichtsinnig eingelegt und gut begründet werden sollten. Das BVerfG ist keine familienrechtliche Superrevisionsinstanz, sondern Verfassungsorgan.

Ich zweifele – wie oben dargestellt – nach wie vor daran, dass die durch § 17 VersAusglG gezogene Grenze für interne und externe Teilung unter Gleichheitsaspekten zu begründen ist (vgl. FS Brudermüller, S. 277). Ein entsprechender Fall muss aber sorgsam ausgesucht und ein Verfahren von vornherein mit der Grundrechtsproblematik „belastet“ werden. Und schließlich muss auch der „besonders schwere Nachteil“ dokumentiert werden. Ab wann ein solcher gegeben ist, ist schwer zu sagen. Aber dafür haben wir ja das Bundesverfassungsgericht. Bessere Richter haben wir nicht und eine bessere Institution zur Klärung solcher Fälle ist uns bislang auch noch nicht eingefallen.