Corona-Krise – Präsenzlose Online-Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften

Präsenzlose Online-Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften sollen bald in Deutschland möglich sein, sofern der „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil- Insolvenz- und Strafrecht“ tatsächlich verabschiedet wird. Gegenstand des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung sind eine Vielzahl an Reformen diverser Rechtsgebiete. Ziel der Novelle ist die flächendeckende Abmilderung der empfindlichen  Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die Behörden im März 2020 zur Eindämmung des massiven Anstiegs der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus angeordnet hatten. Diese Schutzmaßnahmen schränken auch die Versammlungsmöglichkeiten von Personen ein, wodurch erhebliche Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit von Unternehmen sämtlicher Rechtsformen bestehen, da keine Beschlüsse auf physischen Hauptversammlungen der jeweiligen Organe gefasst werden können. Damit trotz bestehender Beschränkungen Beschluss- und Handlungsfähigkeit von Unternehmen gewährleistet werden können, plant die Bundesregierung vorübergehend substantielle Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen der AG, KGaA und SE.

Konkret ermächtigt der Gesetzesentwurf Vorstände von Aktiengesellschaften, satzungsunabhängig präsenzlose Online-Hauptversammlungen durchzuführen; dabei muss der Vorstand die ordnungsgemäße online-Teilnahme aller Aktionäre, deren Wahlrecht sowie die Ton- und Bildübertragung sicherstellen. § 118 Abs. 1 bis 4 AktG sowie die Anfechtungsmöglichkeit wegen einer Verletzung dieser Normen werden insoweit eingeschränkt. Zudem soll die Einberufungsfrist von bisher 30 Tagen auf 21 Tage verkürzt werden. Der Vorstand soll berechtigt werden, Abschlagszahlungen nach § 59 Abs. 2 AktG auf den Bilanzgewinn ohne entsprechende Satzungsregelungen vorzunehmen. Schließlich soll die Achtmonatsfrist gem. § 175 Abs. 1 AktG auf maximal zwölf Monate verlängert werden, indem Hauptversammlungen auch innerhalb des Geschäftsjahres durchgeführt werden dürfen. In Bezug auf das GmbHG sollen Beschlüsse der Gesellschafter einer GmbH (abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG) in Textform oder durch schriftliche Stimmenabgabe auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Eine Prognose über die Geltungsdauer des Gesetzesentwurfs ist bisher nicht möglich, da sich diese an der Dauer der COVID-19-Krise orientieren soll.

Der insgesamt gelungene Gesetzesentwurf entspricht im Wesentlichen den Forderungen des Deutschen Aktieninstituts. Damit könnten alle relevanten Beschlüsse „online“ gefasst werden, insbesondere Beschlüsse über die Ausschüttung von Dividenden. Unzureichend erscheint die Anpassung in Bezug auf § 59 AktG. Der Verzicht auf das Erfordernis einer Regelung in der Satzung löst nicht die eigentlichen praktischen Probleme von Abschlagszahlungen nach § 59 AktG. Vielleicht waren die damit verbundenen dogmatischen Schwierigkeiten schlicht kurzfristig nicht zu lösen. Das Gesetz ist jedoch noch nicht in Kraft, mit dem Inkrafttreten ist aber in Kürze zu rechnen …

Kein § 179a AktG analog-Beschluss bei der GmbH mehr erforderlich

Einigen Beratern dürfte nach dem Urteil des BGH vom 8. Januar 2019 (II ZR 364/18) ein Stein vom Herzen fallen. § 179a AktG ist auf die GmbH nicht analog anwendbar. Die Gesellschafter einer GmbH sind aufgrund ihrer stärkeren Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung wesentlich geringer schutzbedürftig sind als die Aktionäre der AG. Eine „systemfremde Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers mit Außenwirkung“ (vgl. Rz. 14 des Urteils) sieht er als nicht gerechtfertigt an. Damit entfallen die Sorgen um die Wirksamkeit von Asset Deals, bei denen man den Beschluss unbewusst (§ 179a AktG war ja eher eine Dunkelnorm) oder bewusst (wegen der unbeliebten Beurkundungskosten) nicht gefasst hatte.