Worum geht es?
Was tun Sie als Mediator in folgendem Fall? Sie sind beauftragt, in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit, in der der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen und bislang unbezahlte Überstunden in Konflikt geraten ist, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Der Arbeitsvertrag enthält eine Klausel, nach der sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend zu machen sind und anderenfalls verfallen. Die Medianden sehen Sie an und fragen, ob diese Frist während der Durchführung der Mediation weiterläuft oder ob sie bis zum Abschluss des Verfahrens gehemmt ist. Zudem wollen sie von Ihnen wissen, für welchen Zeitraum denn eine Hemmung – sollte sie gegeben sein – andauert.
Anders als im Rahmen der Verjährung, die im Fall der Durchführung einer Mediation (wie auch bei sonstigen Verhandlungen) nach § 203 BGB unstreitig gehemmt ist, war bislang nicht höchstrichterlich entschieden, ob und wie sich die Durchführung vorgerichtlicher Verhandlungen auf vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen auswirkt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) leistet nun aber Hilfestellung bei der Beantwortung der eingangs genannten Fragen.
Was hat das BAG entschieden?
Der fünfte Senat des BAG hat sich in seinem Urteil vom 20. Juni 2018 (5 AZR 262/17) – erstmals mit der Frage befasst, ob außergerichtliche Vergleichsverhandlungen den Lauf einer arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist hemmen. Im Ergebnis stellt das BAG fest, dass § 203 Satz 1 BGB auf eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die zur Vermeidung des Verfalls eines Anspruchs seine gerichtliche Geltendmachung verlangt, entsprechend anwendbar ist mit der Folge, dass ihr Lauf für die Dauer von Vergleichsverhandlungen über den streitigen Anspruch gehemmt ist (BAG, 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17 – Rn 23). § 203 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, wurde dagegen explizit nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Stattdessen hat das BAG entschieden, dass dem Kläger nach Ende der Hemmung wegen vorgerichtlicher Vergleichsverhandlungen für die Einreichung der Klage nur die Differenz zwischen der Länge der Verfallfrist und der vor Aufnahme der Verhandlungen verstrichenen Zeit zur Verfügung steht.
Dem Urteil ist auch aus Mediationssicht besondere Bedeutung beizumessen, weil es keinen wertungsrelevanten Unterschied macht, ob die Parteien – wie im gerichtlichen Ausgangsfall – bilateral verhandeln oder eine einvernehmliche Regelung im Wege einer Mediation anstreben. Für die Grundfrage, ob vertragliche Ausschlussfristen unter Heranziehung gesetzlicher Vorgaben zur Verjährung gehemmt sind, kommt es nicht auf die spezifische Ausgestaltung der Verhandlungen an, sondern alleine darauf, dass Verhandlungen I.S.v. § 203 BGB geführt worden sind. Dies ist unstreitig auch bei der Mediation gegeben.
Was sind die Konsequenzen?
Klar ist nach dem Urteil des BAG, dass auch der Durchführung einer Mediation hemmende Wirkung in entsprechender Anwendung von § 203 S.1 BGB zukommt, wenn einem arbeitsrechtlichen Rechtsstreit eine einzelvertragliche Ausschlussfrist zugrunde liegt, die zur Vermeidung des Verfalls eines Anspruchs seine gerichtliche Geltendmachung verlangt.
Die Frage, ob und inwieweit außergerichtlichen Verhandlungen – unter Einschluss der Mediation – darüber hinausgehend hemmende Wirkung auf Ausschlussfristen beizumessen ist, etwa im Kontext von tariflichen Ausschlussfristen oder gar generell bei allen – auch gesetzlich angeordneten – Ausschlussfristen (wie z.B. der dreiwöchigen Klagefrist des Arbeitnehmers ab Zugang der schriftlichen Kündigung gem. § 4 KSchG) ist mit dem Urteil des BAG dagegen nicht entschieden. Mit der herrschenden Meinung ist für den Bereich der Mediation insoweit auch weiterhin davon auszugehen, dass jedenfalls gesetzliche Ausschlussfristen nicht gehemmt sind (vgl. Greger/Unberath/Steffek/Greger, MediationsG, § 1, Rn 192; Klowait/Gläßer, HK-MediationsG/Hagel, 2. Aufl. 2018, Teil 2, III, § 203 BGB, Rn 24).
Wie sieht es aber mit der Anwendbarkeit des BAG-Urteils auf vertragliche Ausschlussfristen außerhalb des Arbeitsrechts aus? Auch hierzu verhält sich das BAG nicht explizit. Allerdings spricht unter Zugrundelegung der Entscheidungsgründe des Urteils viel dafür, eine solche Übertragbarkeit zu bejahen. Auch bei einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen außerhalb des Arbeitsrechts kann in Anwendung der vom BAG entwickelten Grundsätze somit zukünftig davon ausgegangen werden, dass diese im Fall der Durchführung einer Mediation oder einer sonstigen Art der außergerichtlichen Verhandlung entsprechend § 203 S. 1 BGB gehemmt sind.