Ich beschäftige mich hier und da mit dem Wohnungseigentumsrecht – etwa seit 20 Jahren. Am Anfang wusste ich nichts – und fällte dennoch Beschlüsse (es galt das FGG). Es wird das eine oder andere „Produkt“ geben, für das ich mich schämen muss. Seitdem habe ich zwar ein wenig gelernt. Ich weiß aber wohl besser als viele andere, wie wenig ich weiß.
Manches, so dachte ich, sei freilich von dem, was ich so denke oder sage, unangreifbar. Etwa der Satz: alle wesentlichen Bauteile, die man an einem in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäude sehen kann – was also die äußere Gestaltung betrifft – stehen im gemeinschaftlichen Eigentum. Warum ich hier so sicher war? Nun, so steht es in § 5 Abs. 1 WEG. Und so ist es auch völlig unstreitig.
Muss ich jetzt umlernen? Jedenfalls in einem Anfang April 2017 – also rund 5 Monate nach seiner Verkündung – veröffentlichten Urteil meint der Bundesgerichtshof, ein „Dachvorbau“ (teilverglaste Holzseitenwände) stehe im Sondereigentum (BGH, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 49/16, Rz. 8). Zum Beleg zitiert der Sachrechtssenat unter anderem – Stefan Hügel und mich (Hügel/Elzer, WEG, 1. Auflage 2015, § 5 WEG Rz. 40 Stichwort Dachterrasse). Die Aussage steht da aber – natürlich – nicht. Denn wir äußern uns nur zur Frage, in wessen Eigentum der Raum steht und berichten über die von uns abgelehnte h.M., eine Dachterrasse sei Raum. Was für die wesentlichen Bestandteile eines im Sondereigentum stehenden Raum gilt, berichten wir a.a.O. Rz. 10 ff.. Dort ist dann auch Rz. 14 zu lesen, dass ein wesentlicher Gebäudebestandteil eben nicht sondereigentumsfähig ist, wenn seine Veränderung, Beseitigung oder das Einfügen der Bestandteile des Gebäudes die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert. Und so liegt es im Fall – streiten die Wohnungseigentümer doch gerade, ob der Dachvorbau den optischen Gesamteindruck des Gebäudes gegebenenfalls nachteilig verändert.
Da ich das alles auch weiterhin für richtig halte, bin ich zu einem Umlernen nur wenig geneigt. Ich selbst meine daher, der Bundesgerichtshof leitete aus der von ihm gefundenen Prämisse höchst interessante, freilich auch höchst falsche Schlüsse ab. Wenn es etwa heißt, auf [bestimmte] bauliche Maßnahmen am Sondereigentum seien § 22 Abs. 2 und 3 WEG entsprechend anzuwenden, halte ich das für sehr unglücklich. Wer da wohl über die Verwaltung des Sondereigentums abstimmt – der Erdgeschoßbewohner?
Und warum ist der Beschluss nicht nichtig ? Geht es nicht um die Verwaltung des Sondereigentums? Und wenn der Bundesgerichtshof, Rz. 21, vom Gesetzgeber berichtet, der nicht bedacht habe, dass das gleiche Problem bei baulichen Maßnahmen am Sondereigentum auftritt, deren Nachteil für andere Wohnungseigentümer in ihrer Ausstrahlung auf den optischen Gesamteindruck des Gebäudes bestehe, dann werde ich wohl auch künftig sagen, der Gesetzgeber habe die Frage gar nicht bedenken müssen.
Was bleibt, ist meine Hoffnung (spero), der Bundesgerichtshof korrigierte sich – so schnell es nur geht und während (dum) ich noch atme (spiro). Die Kraft und den Mut dazu hat der Bundesgerichtshof. Wenn es dann heißt, man habe ihn nur missverstanden, das Landgericht habe eben nichts anderes festgestellt, so soll mir das recht sein.
Ein Kommentar
In solchen Fällen überlege ich mir, wie ich in der Rolle des letztendlich unterliegenden Rechtsanwalts meinem Mandanten die Entscheidung erkläre.
Letzten Endes halt nur: „Karlsruhe locuta, causa finita.“ Empfehlen Sie mich bitte weiter.