Entrichtet oder nicht? Der Frontalangriff des BGH auf Rechtzeitigkeitsklauseln in Wohnungsmietverträgen

Bisher von der Fachöffentlichkeit nur sporadisch bemerkt, hat der BGH mit zwei Entscheidungen jeweils vom 5.10.2016 die allgemein gebräuchliche Rechtzeitigkeitsklausel, nach der es für die Fälligkeit der Miete auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters bis zum 3. Werktag des laufenden Monats ankommt, „kassiert“ und damit die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zur Fälligkeit einer Geldleistung in §§ 269, 270 BGB – nach Auffassung des BGH auch § 556b Abs. 1 BGB – für die Wohnungsmiete revitalisiert.

Die Entscheidungen haben Auswirkungen auf die zahlungsverzugsbedingte Kündigung, insbesondere auf die Kündigung des Mietverhältnisses wegen unpünktlicher Mietzahlungen. Danach zahlt der Mieter die Miete für den laufenden Monat im Überweisungsverkehr rechtzeitig – eine Kündigung ist also ausgeschlossen – wenn er bei ausreichend gedecktem eigenen Konto seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktags des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt. Auf den durch die Klausel

„Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an. Aus mehrfach verspäteter Mietzahlung kann der Mieter keine Rechte herleiten; vielmehr kann dies im Einzelfall ein Grund für eine Kündigung des Mietverhältnisses sein.“

vereinbarten Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters kommt es nach Auffassung des BGH nicht an. Denn die zitierte Rechtzeitigkeitsklausel sei nach der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie entgegen der gesetzlichen Regelung dem Mieter das Verzögerungsrisiko auch in Fällen auferlegt, in denen der Zahlungsdienstleister die Verzögerung verursacht hat. Beide Entscheidungen sind identisch begründet.

Gesetzliche Ausgangslage

556b Abs. 1 BGB definiert den Fälligkeitszeitpunkt für die Wohnraummiete. Danach ist die Miete nach der Mietrechtsreform 2001 abweichend von der alten Regelung in § 551 BGB a.F. zum Beginn, spätestens bis zum 3. Werktag des einzelnen Zeitabschnitts zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Ebenso wenig wie § 551 BGB a.F. regelt die Vorschrift, wo und wie der Mieter die Miete zu zahlen hat. Mangels vertraglicher Vereinbarung hierzu ist für diese Frage § 270 Abs. 1 BGB einschlägig.

Im Gewerberaummietrecht bestimmt sich die gesetzliche Fälligkeit der Miete ebenso nach § 556b Abs. 1 BGB. Denn § 579 Abs. 2 BGB nimmt als Verweisungsvorschrift auf § 556b Abs. 1 BGB Bezug.

Kritische Würdigung der neuen BGH-Urteile

In Ergebnis und Begründung überzeugen die Entscheidungen keinesfalls. Sie beruhen auf einem fehlerhaften Verständnis von § 556b Abs. 1 BGB. Denn der Gesetzgeber selbst wollte mit der mietrechtlichen Vorschrift des § 556b Abs. 1 BGB die bisherige Vertragspraxis im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 nachzeichnen und in das Gesetz übernehmen (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 52 zu Ziff. 1). Der Gesetzgeber präzisiert dieses Verständnis auch noch ausdrücklich durch seine unmittelbar folgenden Ausführungen, wörtlich:

Da die meisten Verträge außerdem vorsehen, dass es ausreicht, wenn der Mieter die Miete bis zum dritten Werktag des jeweiligen Zeitabschnitts entrichtet, wurde diese Frist entsprechend übernommen.

 Weiter heißt es in der Begründung zu § 579 Abs. 2 BGB ausdrücklich:

bei der Raummiete wird (…) in Absatz 2 auf die Vorschrift für Wohnraummietverhältnisse verwiesen (§ 556b Abs. 1 Entwurf). Das bedeutet, dass auch hier die Miete angepasst an die Vertragswirklichkeit künftig anders als bisher kraft Gesetzes vorschüssig zu zahlen ist. Es bleibt aber dabei, dass abweichende vertragliche Vereinbarungen zulässig sind“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 74).

 Und die Vertragspraxis stellte eben schon seit dem Erlass des BGB-Mietrechts im Jahre 1900 auf den Eingang der Miete beim Vermieter ab (vgl. zur inhaltlichen Entwicklung vertraglicher Zahlungsvereinbarungen im Wohn- und Gewerbemietrecht vertiefend: Horst, Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht – Diss. Bremen 2005, S. 22 ff, 34, 40).

Schon nach den Gesetzgebungsmaterialen ist § 556b Abs. 1 BGB so auszulegen, dass der Begriff des „Entrichtens“ auch den Zahlungseingang auf dem Konto des Vermieters mit umfasst. Dass das wiedergegebene wörtliche Zitat des Gesetzgebers vom BGH selbst gesehen und für seine Gegenansicht fruchtbar gemacht wird (Rz. 21 der Entscheidungsgründe), ist nun wirklich nicht mehr nachvollziehbar.

Weiter kommt es gesetzlich auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit an (§§ 535 Abs. 2, 362 BGB). Erfüllt ist eine Verbindlichkeit erst bei Bewirkung der Leistung, also bei Eingang der Zahlung auf dem Vermieterkonto (Grüneberg in Palandt, § 362 BGB Rz. 10 – 12 m.w.N. zur Rspr.).

Nur so ist der identisch zu § 556b Abs. 1 BGB in § 535 Abs. 2 BGB a. E. verwendete Begriff „entrichten“ auch aufzufassen. Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der Vermieter die Mietzahlung auch erhalten will (vgl. zu diesem Verständnis bestätigend: Eisenschmid in Schmidt-Futterer, § 535 BGB Rz. 634, 1. Satz:  „erfüllen“). Es gibt also durchaus Belege für die These, dass die vom BGH verworfene Klausel zumindest nicht von § 556b Abs. 1 BGB abweicht. Dann aber wäre die Rechtzeitigkeitsklausel schon unter diesem Aspekt einer AGB-Klauselkontrolle schon nicht zugänglich (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB).

Folgt man dem nicht, so bleibt zu untersuchen, ob und inwieweit die Rechtzeitigkeitsklausel in kundenfeindlichster Auslegung vom Gesetz abweicht. Zunächst ist § 556b Abs. 1 BGB vertraglich abdingbar (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 52 zu Ziff. 1, 74). Nach den Vorgaben einer AGB-Klauselkontrolle führt eine vertragliche Modifikation der gesetzlichen Rechtslage durch Allgemeine Geschäftsbedingungen aber nur dann zu einem Unwerturteil in Bezug auf eine geprüfte Klausel, wenn die Abweichung vom Gesetz so stark ist, dass sie den Mieter als Verwendungsgegner der Klausel unangemessen benachteiligt.

Der BGH rechtfertigt diesen Schluss vor allem mit dem Hinweis darauf, der Mieter müsse nach der Klausel in ungünstigster Auslegung (kundenfeindlichster Auslegung) auch das Verzögerungsrisiko eines beteiligten Geldinstitutes übernehmen.

Hier muss zunächst zwischen den Geldinstituten unterschieden werden, bei dem der beauftragende Mieter und der zahlungsempfangende Vermieter ihre Konten unterhalten. Die beauftragte eigene Bank dürfte zwar mit der bisher h.M. Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Begleichung seiner Mietschuld sein.

Dieser Aspekt kann aber im Ergebnis vernachlässigt bleiben. Denn jedenfalls ist die kontoführende Bank des Vermieters nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters im Verhältnis zum Vermieter. Nach dem Grundsatz kundenfeindlichster genügt das, denn der Klauselwortlaut lässt sich auch als aufgegebenes Verzögerungsrisiko für Verzögerungen bei der Vermieterbank verstehen.

Dem Gesetz kann eine Haftungszurechnung zu Lasten des Mieters für dieses Risko nicht entnommen werden, bei kundenfeindlichster Auslegung benachteiligt diue Klausel also tatsächlich den Miete; im Unterschied zur Wertung des BGH aber nicht unangemessen:

Zunächst kann der Vermieter selbst bei fehlendem eigenen Verschulden des Mieters gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB sogar fristlos wegen ständiger unpünktlicher Mietzahlungen kündigen. Wie der BGH selbst in seiner Entscheidung vom 29. 6. 2016 – VIII ZR 173/15, MDR 2016, S. 1080 bestätigt, kann allein die objektive Pflichtverletzung, die in der unpünktlichen Zahlung liegt, für eine Kündigung ausreichen. Das Verschulden ist dabei nicht Tatbestandsvoraussetzung, sondern lediglich Abwägungskriterium. Dann aber kann es auf die Frage der Zurechenbarkeit von Fremdverschulden der Zahlungsdienstleister letztlich nicht ankommen. Diesen Umstand lässt der BGH völlig beiseite.

Weiterhin beträgt der Unterschied in der Praxis der Klausel im Verhältnis zum Gesetz lediglich zwei Tage! Der BGH hat aber bereits an anderer Stelle entschieden, dass ein durch Formularklausel angeordneter Unterschied von nur wenigen Tagen im Zahlungsverhalten im Vergleich zum Gesetz den Mieter nicht unangemessen benachteiligt (BGH, Urt.v. 4.5.2011 – VIII ZR 191/10, NZM 2011, 579 = ZMR 2011, 708; dazu auch: Lützenkirchen in Lützenkirchen, Kommentar zum Mietrecht, § 556b BGB Rz. 58 und 11).

Die Vertreter der strengeren Ansicht, im Lichte der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie handle es sich bei Geldschulden nunmehr um eine modifizierte Bringschuld, gelangen zu einem zeitlich noch früheren Handlungsgebot für den Mieter. Sie berufen sich auf § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zahlungszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingehen müsse. Solle die Miete dem Vermieter am dritten Werktag zur Verfügung stehen, so müsse der Überweisungsauftrag grundsätzlich am letzten Tag des Vormonats erteilt werden. In diesem Falle müsse die Mieterbank den Auftrag am ersten Werktag ausführen und dafür Sorge tragen, dass die Miete im Verlauf des zweiten Werktags bei der Vermieterbank eingehe (§ 675t BGB). Der Vermieter könne dann zu Beginn des dritten Werktags über den Betrag verfügen (so ausdrücklich: Blank in Schmidt-Futterer, 543 BGB Rz. 94). Auch nach dieser Auffassung liegt schon keine Abweichung der Klausel vom gesetzlichen Leitbild vor.

Und schließlich: Im Gewerbemietrecht ist die vom BGH im Wohnungsmietrecht verworfene Rechtzeitigkeitsklausel mit der Maßgeblichkeit des Zahlungseingangs auf dem Konto des Vermieters bis zum dritten Werktag des laufenden Monats auch vom BGH seit jeher akzeptiert worden (BGH, Urt.v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, BGHZ 139, 123, 125). Der BGH bestätigt diese Wertung in den hier kommentierten Entscheidungen zum Wohnungsmietrecht.

Der Senat gibt sich dann zwar große Mühe, Unterschiede zur notwendigen Wertung innerhalb des Wohnungsmietrechts herauszuarbeiten lässt dabei aber unbeachtet, dass sich die Fälligkeit der Miete sowohl in der Wohnungsmiete als auch in der Gewerbemiete nach derselben Vorschrift, eben nach § 556b Abs. 1 BGB, bemisst. Im ersten Fall gilt die Vorschrift unmittelbar, im zweiten Fall kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung in § 579 Abs. 2 BGB. Der BGH gelangt also unter Anwendung desselben Gesetzesrechts zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen und setzt sich deshalb mit der neuen Entscheidung auch noch zu sich selbst in Widerspruch.

Praxisempfehlung und Fazit

Auch wenn den Entscheidungen vom 5.10.2016  wie gezeigt keinerlei Überzeugungskraft innewohnt, so formen sie die Vermieterpraxis doch aus. Deshalb ist folgendes zu empfehlen:

Aufgrund der allgemein gebräuchlichen – und jetzt verworfenen – Rechtzeitigkeitsklausel, nach der es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters bis zum dritten Werktag des laufenden Monats ankommt, kann gleichwohl wegen ständiger unpünktlicher Mietzahlungen gekündigt werden.

Man sollte aus dem Grunde des „sichersten Wegs“ nur nicht bereits wenige Tage nach vertraglicher Fälligkeit und offen bleibender Mietforderungen Abmahnungen und Kündigungen aussprechen, sich aber gleichwohl auch in der Wohnungsmiete auf die vom BGH geächtete Rechtzeitigkeitsklausel berufen. Wer den für Anwälte immer zu beschreitenden „sichersten Weg“ gehen will, sollte sich dazu auf die zweite Hälfte des laufenden Monats fokussieren. Denn dann kann kündigungsbegründender Zahlungsverzug einschließlich des notwendigen Verschuldens (§ 286 Abs. 4 BGB) des Mieters auch nach den Vorgaben des BGB vom Vermieter dargetan und – soweit ihm dies überhaupt obliegt – unter Beweis gestellt werden.

Selbst bei Verzögerungen durch den von ihm beauftragten Zahlungsdienstleister haftet der Mieter entweder für dessen Verschulden über § 278 S. 1 BGB oder bereits aus eigenem Verschulden. Denn er darf sich nicht darauf verlassen, alles unternommen zu haben, um die Zahlung an den Vermieter zu bewirken, sondern muss sich durch Prüfung seiner Kontoauszüge auch davon überzeugen, dass die Zahlung tatsächlich erfolgt ist. Ansonsten haftet er aus eigenem Verschulden, wie die staunende Schar der Mietrechtler aus der Rechtsprechung des BGH zu zahlungsverzugsbedingten Kündigungen bei Verzögerung durch das Jobcenter in Mietverhältnissen mit sozialhilferechtlichem Einschlag selbst erfahren durfte (BGH, Urt.v. 29. Juni 2016 – VIII ZR 173/15, zitiert nach juris-Datenbank, BGH, Urteile vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09, NJW 2009, S. 3781 Rz. 27 ff und vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14, BGHZ Bd. 204, S. 134 Rz. 20).

Schließlich muss der Mieter beweisen, wann und wie er erfüllt hat (Blank in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, § 543 BGB Rz. 142).

Wenn auch die Instanzrechtsprechung von dem wohl nicht haltbaren BGH-Judiz kaum abweichen dürfte, so bleibt die Hoffnung, dass der Senat selbst seine handwerklichen Fehler erkennt und seine Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeitsfrage bei sich bietender Gelegenheit noch einmal überdenkt.

1 Kommentar

  • Avatar hilbert sagt:

    Schade.

    Ein Stück Rechtssicherheit wird geopfert ohne Gewinn für die Gerechtigkeit.

    Die Fälligkeitsregel „am dritten Werktag“ sollte gerade dafür sorgen, dass kein Verzug eintreten kann, wenn die Miete am ersten Werktag („monatlich im Voraus“) überwiesen wird. Mit anderen Worten: Die vom Gesetz übernommene ursprüngliche formularvertragliche Regelung hatte die bankübliche Überweisungsdauer, die inzwischen kürzer geworden ist, schon berücksichtigt.

    Ergebnis ist jetzt, dass der Mieter nicht am ersten Werktag mit Karenz bis zum dritten Werktag überweisen muss, sondern erst am dritten Werktag mit der Folge, dass der Vermieter nicht mehr berechnen kann, wann Verzug eingetreten ist.

    Ob es Fälle gibt, in denen trotz Überweisung am ersten Werktag bei gedecktem Konto die Miete erst nach Ablauf des dritten Werktages gutgeschrieben wurde, ist wohl noch nicht untersucht. In derartig extremen Ausnahmefällen könnte auf den Einzelfall Rücksicht genommen werden. Es war nicht nötig, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

    Das ist schlechte Rechtsprechung.

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