WEG-Reform 2024 (2029)

Das Wohnungseigentumsgesetz wird Ende dieses Jahres erneut ein wenig geändert werden. Es gibt zwei Eingriffe. Der eine besteht darin, dass es eine weitere privilegierte bauliche Veränderung geben wird. Nämlich für die so genannten „Balkonkraftwerke“. Diese Änderung wird grundsätzlich von allen begrüßt, auch wenn mehr Mut für die erneuerbaren Energien nicht geschadet hätte. Schwamm drüber, zumal der Rechtsausschuss dogmatischen Bedenken verbal Rechnung trägt (siehe BR-Drs. 20/12146, 12 – Vorabfassung).

Der andere Eingriff erlaubt den Wohnungseigentümern, sich bloß virtuell zu versammeln. Es gibt also künftig drei Versammlungsformen – Präsenzversammlung, Hybrid-Versammlung und virtuelle Versammlung – bei denen die Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen wählen müssen, welche Versammlungsform ihnen angemessen ist.

Dieser zweite Eingriff sah sich starker Kritik ausgesetzt, wurde aber auch vehement verteidigt. Um den Schmerz, den einige fühlen werden, wenigstens etwas abzumildern, hat der Gesetzgeber in § 48 Absatz 6 Satz 1 WEG eine Übergangsvorschrift geschaffen. Fassen die Wohnungseigentümer vor dem 1. Januar 2028 einen Beschluss, sich virtuell versammeln zu wollen, ist danach bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlung durchzuführen. Damit wird die Reform bis Ende 2028 verschoben. Ein Feigenblatt. Die Behauptung, vorher werde das ganze Geschehen evaluiert, überzeugt kaum, wird aber genau zu verfolgen sein.

Damit aber nicht genug. Man hat den Wohnungseigentümern ferner die Möglichkeit gegeben, auf die notwendige Präsenzversammlung durch „einstimmigen Beschluss“ – also ein sehr geringes Maß – zu verzichten. Die eigentliche „Gemeinheit“ ist aber in § 48 Absatz 6 Satz 2 WEG versteckt. Dieser lautet: „Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse.“ Das heißt, wenn man sich über das Gesetz hinwegsetzt (= die Verpflichtung, eine Präsenzversammlung abzuhalten), bleibt das grundsätzlich folgenlos. Eine Einladung für den Rechtsmissbrauch? Und was soll bei Schein-Präsenzversammlungen gelten? Reicht es beispielsweise, wenn der Verwalter eine Präsenzversammlung mit einem TOP anberaumt „Bericht der Verwaltung“?

Indes: So sind Kompromisse. Man nennt das Demokratie. Mit dem Ergebnis dürften zwar die Befürworter der Reform besser leben können. Es bleibt aber auch für die anderen zu hoffen, dass nur die Wohnungseigentumsanlagen nach einer Abwägung (siehe auch BR-Drs. 20/12146, 11 – Vorabfassung) das virtuelle Schwert ziehen, die es gekonnt beherrschen. Ist es so, lässt sich nichts sagen. Den anderen ist zu wünschen, dass es dort Mehrheiten gibt, sich wenigstens hybrid zu versammeln und sich also die Möglichkeit zu lassen, die Verwaltung in einer Versammlungsstätte zu treffen. Denn das kann bereichernd sein, für alle. Kommt es so, ist die Welt nicht untergegangen.

Herzlichen Glückwunsch! 

Das WEMoG ist am 1. Dezember 2020 in Kraft getreten. Für eine Bilanz, ob es sich nach zwei Jahren bewährt hat, ist es viel zu früh. Man kann aber immerhin erste Bereiche nennen, die gewisse Klärungen erfahren haben bzw. Stellen aufzeigen, wo es im Gebälk noch „knackt“.

An dieser Stelle sollen vier Punkte genannt werden:

  • Erstens die Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem Prozess mit einem Wohnungseigentümer, wenn es keinen Verwalter gibt. Hier gibt es sowohl für die Passiv- (BGH v. 8.7.2022 – V ZR 202/21), als auch für die Aktivklage (BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180/21) mittlerweile Rechtsklarheit: Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, so wird sie bei einer gegen einzelne Wohnungseigentümer gerichteten Klage durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer allein. Umgekehrt – ein Wohnungseigentümer klagt – ist es nicht anders. Dieser Weg ist kein Alleinheilmittel und lässt Probleme offen (die kupierte Gesamtvertretung wird häufig nicht funktionieren!). Er ist aber wohl besser als die „Krücke“ eines Prozesspflegers.
  • Zweitens die Frage, wie ernst in einem Prozess die Trennung zwischen dem Können (§ 9b Absatz 1 Satz 1 WEG) und dem Dürfen (§ 27 WEG) des Verwalters zu nehmen ist, wenn der Verwalter einem Wohnungseigentümer gegenübertritt. Zunächst wirkte es so, als sei Karlsruhe nur das Können wichtig. Jetzt heißt es hingegen vorsichtiger (BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180/21 Rz. 15): „Ob – und ggf. unter welchen Voraussetzungen – evident bestehende Beschränkungen im Innenverhältnis der Vertretungsmacht im Prozess entgegenstehen können oder sogar ein Missbrauch der Vertretungsmacht anzunehmen sein kann, bedürfte allerdings noch abschließender Klärung“. Anders soll es aber beim Hausgeldinkasso und bei Klagen gemäß § 1004 Absatz 1 BGB wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums sein (BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180/21 Rz. 14).
  • Drittens der Fragenkreis, wann nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen eine Störung etwas unternehmen kann. Wir erinnern uns: Bis zum 30. November 2020 durfte jeder Wohnungseigentümer gegen sämtliche Störungen vorgehen. Auf die Frage, ob es um eine Störung des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums ging, kam es grundsätzlich nicht an. Seit dem 1. Dezember 2020 ist es hingegen von Gesetzes wegen an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, gegen Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums vorzugehen. Daher ist einerseits zu fragen, ob beispielsweise Lärm oder Gerüche überhaupt das gemeinschaftliche Eigentum beeinträchtigen. Und andererseits ist zu fragen, was gilt, wenn eine Störung auch das Sondereigentum betrifft. Hier gab es bereits bislang eine Vielzahl von BGH-Entscheidungen, die sich mühten, Klarheit zu schaffen (siehe nur BGH v. 28.1.2022 – V ZR 106/21; BGH v. 28.1.2022 – V ZR 86/21; BGH v. 11.6.2021 – V ZR 41/19; näher u.a. Elzer, MDR-R 2022, 149 ff.). Hier läuft es ggf. darauf hinaus, dass zu prüfen ist, ob das Sondereigentum unmittelbar und direkt gestört wird (vgl. BGH v. 28.1.2022 – V ZR 86/21 Rz. 12 und Rz. 15) oder nur mittelbar und indirekt.
  • Viertens der Bereich „Kompetenzschutz“. Hier geht es um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer etwas gegen ein rechtswidriges Tun eines Organs der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unternehmen kann. Kann er z.B. gegen einen Verwalter klagen, der in der Wohnungseigentumsanlage zu Unrecht Maßnahmen ergreift. Die Landgerichte in Frankfurt am Main und München haben die Frage verneint (LG Frankfurt a.M. v. 24.2.2022 – 2-13 T 85/21 und LG München I v. 16.2.2022 – 36 T 1514/22). Ich denke, in Ausnahmefällen muss die Antwort aber„Ja“ lauten. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann nicht darauf zurückgeworfen werden, nach § 9b Absatz 2 WEG zu handeln. Hier ist im Übrigen ungeklärt, ob der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats sich prozessual entgegenhalten müsste, er dürfe ja gar nicht handeln (ein Parallelproblem zur zweiten Frage).

Diese wenigen Bereiche zeigen, dass das WEMoG nicht alle Probleme, die wir hatten, weggewischt hat – und natürlich neue schuf. Es bleibt also keinesfalls langweilig!

 

banana republic?

Der Coronavirus „SARS-CoV-2“ scheint unser Rechtsempfinden aus der Bahn zu bringen. So tönt es beispielsweise aus Sachsen, es sei kein „guter Stil des Umgangs miteinander“, jetzt zu sagen, das „sei ein Gesetz und das gelte jetzt“. What? Und ein bayerischer Politiker, jetzt „Impfpflicht-Rebell“?, will das nämliche Bundesgesetz, das vor knapp drei Monaten beschlossen wurde, aussetzen. What? Und ein Virologe, also ein Gesetzesexperte,  findet das alles „pragmatisch“. Diesen dreien ist offensichtlich gemein, dass sie Gesetze Gesetze sein lassen wollen. Motto: mir san mir!

Umgekehrt „ideenreich“ handeln die, die Gesetze uneingeschränkt ernst nehmen, aber meinen, wer dem Gesetzesbefehl folge, verletze dann doch „Kernrechte“. Keine Narretei! So konnte man in Pressemitteilungen und kann in Aufsätzen lesen, wenn eine aktuelle Corona-Verordnung ungeimpften und nicht genesenen Wohnungseigentümern die Teilnahme an einer Versammlung untersage, stelle dies einen „unzulässigen Eingriff in deren Mitgliedschafts- und Teilhaberechte“ und damit in den „Kernbereich des Eigentums“ dar. Die Folge sei, dass sich Wohnungseigentümer nicht versammeln dürften, gefasste Beschlüsse nichtig seien und Versammlungen abzusagen seien. What? Da bleiben wir lieber auf dem Teppich und lesen zunächst zu anderen „WEG-Terranauten“. Dort wurde bereits über den Kernbereich räsoniert  und für die „Kernbereichslehre“, die gegen Beschlüsse, aber auch gegen Vereinbarungen greifen soll, gefordert, zu suchen, bei welchen Weichteilen und welchen Schalen Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle standhalten und wo das Unantastbare, also der wahre Kern beginnen soll.

Aber „Kernbereichslehre“ und Gesetze? Da wird man da nicht fündig werden! Die „Kernbereichslehre“ hat keine Funktion gegen Bundes- oder Landesgesetze. Wer Bundes- oder Landesgesetze befolgt, wird selbst die Rechte der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen nicht verletzen können. So hat es jetzt erstmals auch ein Amtsgericht ausgesprochen, nämlich das in der bayerischen Hauptstadt  (AG München v. 6.12.2021 – 1293 C 19127/21 EVWEG). Es heißt dort unter anderem, der Umstand, dass an einer Versammlung nur geimpfte oder genesene Wohnungseigentümer unter der zusätzlichen Voraussetzung eines negativen Testergebnisses hätten teilnehmen können, stelle keinen unzulässigen vorsätzlichen Ausschluss Ungeimpfter und/oder Infizierter dar, sondern sei Folge der Gesetzeslage und der eigenverantwortlich getroffenen Entscheidung derjenigen Wohnungseigentümer, die sich gegen eine Impfung entscheiden haben. Stimmt. Punkt.

Natürlich könnte man das Gesetz, nämlich die Coronaverordnung, auf seine Rechtmäßigkeit prüfen (das hat man im Münchener Amtsgericht nicht getan). Aber wird man fündig werden? These: never ever! Jedenfalls beim BVerfG findet man auf dessen Internetseiten, wer dort eigentlich vorstellig werden darf. Da können Wohnungseigentumsrechtler nur mit den Ohren schlackern. Beispiele? Gern: „Gerichtsfremden Personen ist im Wege der Einlasskontrolle beim Betreten des Bundesverfassungsgerichts der Zugang in das Gerichtsgebäude zu verwehren, wenn diese weder einen Impfnachweis, einen Genesenen-Nachweis, noch einen Testnachweis im Sinne des § 2 Nr. 3, Nr. 5, oder Nr. 7 der COVID-19 Schutzmaßnahmenverordnung vorzeigen können. Testnachweise in Form eines Antigen-Schnelltests dürfen maximal 24 Stunden alt, beim PCR-Test maximal 48 Stunden sein“. Basta! Oder „Der Einlass ist gerichtsfremden Personen auch zu verwehren, wenn sie erkennbare Anzeichen von Symptomen zeigen, welche einen Verdacht auf eine mögliche Infektion begründen (insbesondere Atemwegsbeschwerden oder Grippesymptome, Fieber, Schnupfen, Heiserkeit und Husten).“ Oh Ha! Schnupfen? Heiserkeit?

Anders stellt sich die Rechtslage allerdings dar, wenn die Wohnungseigentümer selbst sich Regeln geben. Hier meine beispielsweise ich, es sei nicht möglich, sich 2G (gar „+“ oder „++“) selbst zu verordnen. Soweit geht das Hausrecht nicht und das erlaubt auch § 19 Abs. 1 WEG nicht. Hier werden Rechte verletzt! Anders ist es aber wohl bei 3G, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Test stellt und man sich gemütlich vor der Teilnahme in Anwesenheit der Verwaltung prüfen kann. Wer das nicht will, bleibt halt fern und nimmt sich einen Vertreter.

Verwaltungsbeirat: Verkappte Anforderungen oder bleibt es beim alten Schnack?

Ist etwas „verkappt“, so ist es so geschickt getarnt, dass sein tatsächliches Wesen jedenfalls nicht sofort zu erkennen ist. So ist es möglicherweise mit den Anforderungen an die Verwaltungsbeiräte im neuen Wohnungseigentumsrecht!

Vor der Novelle hieß es insoweit, man könne keine besonderen Anforderungen an die Person des Verwaltungsbeirats und seine Qualitäten stellen. Diese Ansicht war auch sehr gut vertretbar, da die Verwaltungsbeiräte im Kern machtlos waren. Die rechtlichen „Highlights“ waren erstens das Recht des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder seines Vertreters, die Versammlung einzuberufen, wenn ein Verwalter fehlte oder dieser sich pflichtwidrig weigerte, seinerseits eine Versammlung einzuberufen. Und zweitens die Pflicht das Verwaltungsbeiratsvorsitzenden oder seines Vertreters, die Niederschrift über eine Versammlung zu unterschreiben. Die Pflicht / das Recht, die Jahresabrechnung, den Wirtschaftsplan und Angebote zu prüfen und mit einer Stellungnahme zu versehen, hatte hingegen jeder Wohnungseigentümer. Und die Möglichkeit, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen, hatte selbstverständlich auch jeder Wohnungseigentümer. Ob ein Verwaltungsbeirat „mächtig“ oder „ohnmächtig“ war, war damit keine Frage des geschriebenen Rechts, sondern mehr seiner Persönlichkeit und der Persönlichkeit des Verwalters.

Ganz anders ist es im neuen Recht! Denn die Verwaltungsbeiräte sind auf leisen Sohlen zu einem „Big Player“ geworden. Warum? Zum einen liegt das an dem kleinen Wort „überwacht“ in § 29 Absatz 2 Satz 1 WEG. Zwar haben andere – und auch ich – bewusst versucht, die Überwachung klein zu schreiben. Die herrschende Meinung hat das aber bislang nicht mitgemacht und lehnt sich letztlich an die Bestimmungen des Aktienrechts an (dort hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen). Zum anderen liegt die „Aufwertung“ des Verwaltungsbeirats an der Struktur des neuen Rechts. Denn die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ist jetzt eine Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Hieraus folgt, dass die Verwaltungsbeiräte dann, wenn sie ihnen auferlegte Pflichten und / oder Rechte ausüben, zum Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geworden sind. Besonders deutlich ist das bei § 9b Absatz 2 WEG, nach dem der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertritt. Nicht anders ist es aber, wenn der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Versammlung lädt oder den Verwalter für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer überwacht.

Macht man sich diese bedeutsamen Änderungen klar, muss man sich fragen, ob man an dem alten Bild festhalten kann, wonach „Jedermann“ zum Verwaltungsbeirat qualifiziert ist und es ausreicht, wenn er nur lesen und schreiben kann und die Grundrechenarten beherrscht.

Die Antwort lautet eher „Nein“. Denn unser bewährter „Jedermann“ wird häufig nicht qualifiziert sein, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angemessen gegenüber dem Verwalter zu vertreten, beispielsweise dem Verwalter den Streit im Rahmen einer Beschlussklage zu verkünden. Denn zur Klärung dieser Frage müssen viele Antworten auf schwierige Probleme gefunden werden. Ferner wird „Jedermann“ häufig auch nicht qualifiziert sein, um die Schadenersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter zu erkennen, zu organisieren und anschließend erfolgreich durchzusetzen. Für solche Tätigkeiten bedarf es vielmehr im Kern einer in besonderer Weise qualifizierten Person.

Wäre das aber so, hätte die WEG-Reform eine Vielzahl von Wohnungseigentümern von der Möglichkeit ausgeschlossen, Verwaltungsbeirat zu sein. Kann das gewollt gewesen sein?

 

Wohnungseigentümergesellschafter? Einspruch!

Zwischen dem 21. bis 23. Oktober 2020 fand in Fischen das 46. Fachgespräch zum WEG statt. Vor allem am ersten Tag wurde der Weg des Wohnungseigentumsrechts in das Gesellschaftsrecht befürwortet. Selbst der Idee, bestehende Vereinbarungen umzudeuten, nach denen der Verwalter Aufgaben für die Wohnungseigentümer erfüllen soll, zum Beispiel einer Veräußerung zustimmen, wurde von der Mehrheit nicht entgegengetreten. Solche Vereinbarungen müssten neu gelesen werden. Eigentlich stünde dort nicht Verwalter, sondern es stünde dort Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Kann dies der Wille der Vertragschließenden gewesen sein?).

Da tat es gut, dass am zweiten Tag daran erinnert wurde, eine Person nicht dann als einen Wohnungseigentümer anzusehen, wenn sie sich an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligt und ihr „Mitglied“ wird, sondern dann, wenn diese Person Miteigentum an einer Immobilie und Sondereigentum an einer Wohnung und/oder Räumen erwirbt. Es handelt sich beim Wohnungseigentumsrecht auch nach dem WEMoG keinesfalls um Gesellschaftsrecht, sondern weiterhin um Sachenrecht.

Es ist also nicht so, dass die Kommentierung zum WEG keinen Platz mehr im Sachenrecht hätte, wie es aber aus der Zuhörerschaft zu hören war (die weiter geäußerte Idee, ob es nicht richtig wäre, das Sondereigentum abzuschaffen und den Wohnungseigentümern bloße Nutzungsrechte zu geben, war freilich folgerichtig). Bereits im geltenden Recht ist es natürlich ohne weiteres möglich, dass eine GmbH oder eine GbR ein Haus erwirbt und ihren Gesellschaftern an den dortigen Räumlichkeiten Rechte zuweist. So ist es aber nicht, wenn wir Wohnungseigentumsrecht betrachten. Die Besonderheit des Wohnungseigentumsrechts war es immer – und muss es bleiben, wenn man es nicht einfach abschaffen und verfassungswidrig Eigentum vernichten will – dass der Wohnungseigentümer nicht bloßer Gesellschafter und Inhaber eines Nutzungs- und/oder Benutzungsrecht ist, sondern Eigentümer einer Immobilie.

Im Übrigen sei an dieser Stelle nur an Weniges erinnert, wonach auch das WEMoG eigentlich nicht falsch verstanden werden kann:

  • Die Wohnungseigentümer sind auch nach dem WEMoG Teilhaber einer Bruchteilseigentümergemeinschaft, für die das WEG nur Sonderregelungen schafft. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG verweist ausdrücklich auf das subsidiär anzuwendende BGB-Recht (§§ 741 ff.). Soweit daher Wohnungseigentümer als „intensivere Nachbarn“ beschrieben werden, hat dies mit der Rechtswirklichkeit noch nichts zu tun. Hoffentlich ist es auch künftig so.
  • Das gemeinschaftliche Eigentum steht nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu. Diese ist nur dazu berufen, ihr fremdes Eigentum als Dienstleisterin zu verwalten. Dies wird unter anderem deutlich durch § 9a Abs. 2 WEG, der der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer zur Ausübung zuordnet, aber daran festhält, dass es Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind.
  • § 11 WEG beschäftigt sich nicht mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern der Bruchteilseigentümergemeinschaft.
  • § 12 WEG schützt die Wohnungseigentümer als Eigentümer der Immobilie, keinen Verband.
  • § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist allerdings irreführend. Danach ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, sich an die Vereinbarungen und Beschlüsse zu halten. Indes: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist aus diesen Vereinbarungen weder berechtigt noch verpflichtet. Sie verwaltet insoweit ein ihr fremdes Rechtsregime und ist dessen Hüterin. Es ist eine Aufgabe wie die nach § 9a Abs. 2 WEG im offensichtlich fremden Rechtskreis. Es geht auch hier um das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander als Teilhaber der Bruchteilseigentümergemeinschaft und nicht um Gesellschaftsrecht.
  • Auch § 17 Abs. 1 WEG ist irreführend. Danach kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen. Die Gemeinschaft ist freilich dem Wohnungseigentümer nicht in Gemeinschaft nach § 741 ff. BGB verbunden. Wenn sie daher die Veräußerung verlangt, so tut sie dies daher als Dienstleisterin und Kämpferin für die Teilhaber der Bruchteilseigentümergemeinschaft (auch wenn – völlig unsystematisch – § 17 WEG jetzt auch Verstöße gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sanktionieren will: durch Ausschluss aus der Bruchteilseigentümergemeinschaft?). Es ist eine Aufgabe wie die nach § 9a Abs. 2 WEG im offensichtlich fremden Rechtskreis.
  • § 18 Abs. 1 WEG ändert an diesem Bild nichts, er verstärkt es sogar. Danach obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es handelt sich insoweit um die Aufgabe, die sich vorher der Verwalter und die Wohnungseigentümer teilten. Es ist die Aufgabe des Dienstleisters, die sich fremden Rechtskreis verwirklicht.
  • Nicht letzter, aber wichtiger Baustein in diesem Denken ist auch § 28 WEG. Denn danach müssen die Wohnungseigentümer jährlich neue Mittel aufbringen. Für den Gesellschafter eines Verbandes ist dies nicht undenkbar (etwa für Vereinsmitglieder). Grundsätzlich ist es aber anders. Danach ist grundsätzlich nach einer Einlage keine Verpflichtung mehr erkennbar, die Gesellschaft durch finanzielle Mittel zu stützen.
  • Entlarvend im Übrigen ist aber § 9a Abs. 3 WEG. Für das Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Gemeinschaftsvermögen) gelten danach § 18, § 19 Absatz 1 und § 27 WEG nur entsprechend. Vorrangig wird also das gemeinschaftliche Eigentum durch Beschlüsse der Wohnungseigentümer verwaltet. Und vorrangig findet die Geschäftsführung des Verwalters für das gemeinschaftliche Eigentum, das der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht zusteht, statt. Erst durch die Anordnung des § 9a Abs. 3 WEG wird unter anderem die Versammlung der Wohnungseigentümer auch zu einer Mitgliederversammlung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Fazit: Das Wohnungseigentumsrecht hat sich zweifellos 2005 auf den Weg in das Gesellschaftsrecht gemacht. Dieser Weg ist aber nur gerechtfertigt, wo es die Verwaltung für eine Immobilie erfordert. Keinesfalls darf man den Wohnungseigentümer zu einem bloßen Gesellschafter herunterdefinieren. Daher darf man das Gesellschaftsrecht nicht 1:1 in das Wohnungseigentumsrecht implementieren. Stets ist zu fragen, ob Entsprechungen für die Wohnungseigentümer als Immobilieneigentümer von Nutzen sind. Das mag zum Beispiel bei der Organisation der Versammlung, aber auch beim Abschluss von Verträgen der Fall sein. Für den Schutz der Immobilie vor allem nach § 1004 BGB war der Weg ins Gesellschaftsrecht eher unnötig. Jedenfalls aber ist der Störungsschutz ein Recht, welches die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Dienstleisterin erfüllt, nicht im eigenen Rechtskreis. Für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gilt natürlich nichts anderes.

Tsunami

Das BMJV hat am 13. Januar 2020 den Verbänden zur Anhörung einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEModG) versandt (siehe hier).

Dieser Entwurf ist unerwartet. Er ist maximal radikal. Er ist ein Tsunami. Er ist ­­brillant – echte Kunst. Wie heißt es nicht nur von den Sportfreunden Stiller, sondern auch in der Muppet Show von Kermit: „Applaus, Applaus“!

Soweit auf den ersten Blick erkennbar, werden unter der natürlich nicht zwingenden Prämisse, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vollständig über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu organisieren ist (die Vertretung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter entfällt dabei vollständig), sämtliche bekannten Friktionen des heutigen WEG widerspruchsfrei und höchst elegant gelöst. Die Änderungen des WEG 2007, angesichts des WEModG wie biederes Handwerk anmutend, werden dabei an vielen Stellen schlicht verbrannt. Zu Recht! Und auch dem Versuch, auf das Überkommende einfach aufzubauen, wird grundsätzlich widerstanden.

Das bisherige WEG wird, käme das WEModG, nahezu vollständig atomisiert – bestimmt zur Freude der deutschen Buchverlage. Fast alles wäre deshalb neu zu durchdenken (Beispiele: Wer schuldet Schadensersatz bei der Verzögerung/Nichtdurchführung von Erhaltungsmaßnahmen? Kann man die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ohne § 27 Abs. 1, Abs. 2 WEG immer noch als Verbraucherin ansehen? Kann man der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Wissen der Wohnungseigentümer zurechnen? Kann man noch Amateurverwalter als geeignet ansehen, auch wenn der Verwalter eigentlich nicht zwingend ist?).

Die bisherigen Bibliotheken sollten beim Inkrafttreten des WEModG zwar nicht verbrannt werden, wären aber nur noch teilweise brauchbar. Das fängt beim Sachenrecht an, geht über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, den Gebrauch, die Umlageschlüssel, die Verwaltung, die Versammlung, den Verwalter, das Wirtschaftswesen zum Verfahren. Nichts bleibt unangetastet. Alles würde anders – und offensichtlich besser. Und grundsätzlich nichts wird vergessen. Durch § 47 WEG-E auch nicht die bisherigen Gemeinschaftsordnungen, die von diesem WEG nicht träumen konnten. Diese Bewertung gilt dabei auch für den gegenüber dem im Arbeitsgruppenbericht Angedachten wenigstens gut erträglichen § 556 Abs. 3 BGB-E. Selbst das GKG bekommt einen vertretbaren neuen § 49.

Natürlich würden Probleme nicht ausbleiben. Es wird voraussichtlich beispielsweise bei der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 2 WEG-E) zu Knacknüssen kommen, wenn es für einen Wohnungseigentümer gilt, gegen den Verwalter vorzugehen. Denn der vorgesehene Weg läuft bei § 46 Nr. 8 GmbHG nach meiner Beobachtung nicht reibungslos und nicht immer rund. Gegebenenfalls kommt vor diesem Hintergrund auch die actio pro socio ins WEG-Denken (§ 18 Abs. 3 WEG-E wird da eher nicht helfen). Vor allem werden die Kommentare bei der Zentralvorschrift für die Geschäftsführung in § 27 Abs. 1 WEG „liefern“ müssen. Der Begriff „gewöhnlich“ ist bei näherem Hinschauen wunderbar gewählt, aber natürlich maximal intransparent. Das ist aber bei der erkennbaren Muttervorschrift, dem § 116 Abs. 1 HGB, freilich auch nicht anders. Solche neuen Schlachtfelder sind im Übrigen nie zu vermeiden.

Natürlich hätte und kann man wie der Häwelmann oder des Fischers Frau noch mehr wollen. Musste etwa § 28 WEG karg ausfallen? Solche Kleinarbeit, wäre sie nötig, kann aber getrost späteren Reformen und neuen Generationen überlassen werden. Hier nur ein einziger Wunsch: Für § 23 Abs. 3 WEG ein vernünftiges Quorum! Das erlaubte APP-Abstimmungen. Alle Stimmen sind einfach zu viel.

Fazit: Das WEModG führte das WEG ins 21. Jahrhundert. Den Zöpfen, die es abschneidet, sollte keiner nachtrauern. Dem Entwurf ist daher zu wünschen, dass er die Anhörungen und das parlamentarische Procede ohne wirkliche Blessuren übersteht. Er hat es mehr als verdient. Da im Übrigen alles aufeinander aufbaut, kann nur vor jedem Eingriff gewarnt werden. Beispielsweise die maximale Privatautonomie, die er gewährt, sollte niemand antasten (auch nicht Karlsruhe). Und beim „jetzt“ sollte es nicht bleiben.

Die vertretbare Alternative (mit der ich selbst immer geliebäugelt habe und die gegebenenfalls dogmatisch Präferenzen hat), wäre grundsätzlich der Weg zurück ins Jahr 2005 gewesen. Man hätte also das Sachenrecht stärken und das Gesellschaftsrecht zurückdrängen müssen. Das WEModG, das den Wohnungseigentümer als Eigentümer auch des gemeinschaftlichen Eigentums hingegen bewusst schwächt (vor allem bei der Abwehr von Störungen und bei der Möglichkeit, den Verwalter zur Einhaltung seiner Pflichten anzuhalten), entspricht aber wohl der Realität und den Wünschen der Wohnungseigentümer und denen der Verwalter.

Was noch dringend, am besten noch in 2020 zu tun bleibt, ist ein Sachkundenachweis oder ein anderes Instrument, das verhindert, dass ungeeignete Personen das Amt des Verwalters ausfüllen. Amateure und andere ungeeignete Personen wären Gift für eine Akzeptanz von § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG-E und § 27 Abs. 1 WEG-E. Die ungeheure Macht, die diesen Bestimmungen innewohnt, muss von einem Fachverwalter gezügelt und beherrscht werden. Den Riegel des § 27 Abs. 1 WEG-E (= gewöhnlich kann hier sein, was es dort nicht ist), muss man schieben können!

WEG-Reform: Die Vorschläge, Leitlinien und Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe

I. Überblick

Seit dem 27. August 2019, also seit vorgestern, liegt der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes vor. Den Abschlussbericht findet man hier. Er umfasst insgesamt 121 Seiten. Nicht nur dies zeugt davon, dass man sehr große Sorgfalt und Ernsthaftigkeit hat walten lassen, das WEG nach Schwachstellen zu durchleuchten, diese auszumachen und aufzuzeigen, wie es besser wäre.

Der Bericht gliedert sich in insgesamt 17 Teile. Diese Gliederung erschwert allerdings das Verständnis. Vorschläge zu bestimmten Themen finden sich jedenfalls nicht an einer Stelle. Am Ende der Teile finden sich in der Regel grundsätzlich Vorschläge, nämlich etwas zu ändern – oder es nicht zu ändern. Vor diesen stehen die Erwägungen, die man angestellt, die Ideen, die man gutgeheißen oder verworfen hat. Das ist sehr gut.

Nur die Vorschläge, also die Essenz des Berichts, sollen und können im Folgenden kurz angesprochen werden. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Idee, das Gesetz wirklich vollständig neu aufzusetzen, es also auch neu zu gliedern und es dabei „modern“ zu machen, ebenso abgelehnt wurde wie der Vorschlag, an einer Diskussion alle am Gesetz Interessierten in einem längeren Prozess zu beteiligen.

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, erklärte zum Bericht in einer Pressemitteilung, die Bundesregierung werde „bauliche Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität erleichtern“ und „Um die Handlungsfähigkeit von Eigentümerversammlungen zu verbessern, wollen wir die Anforderungen an ihre Beschlussfähigkeit senken und die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Teilnahme nutzen.“ Da der Bericht sehr viel mehr bietet, mag jeder für sich entscheiden, ob die Ankündigung des BMJV, auf Grundlage des Abschlussberichts werde bis Ende des Jahres ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, so zu lesen ist, dass man sich vor allem zwei Themen zuwenden wird. Der Bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, erklärte im Übrigen, „sinnvolle Sanierungen und die Erweiterung von Wohnraum“ sollten „künftig leichter möglich sein“. Und: „Das WEG-Recht darf auch die Trendwende bei der privaten Elektromobilität nicht behindern“. Etwas pikant ist insoweit, dass die Länder Bayern und Baden-Württemberg bereits vor wenigen Wochen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Wohnungseigentumsgesetzes zur Förderung der Elektromobilität (BR-Drs. 347/19) in den Bundesrat eingebracht hatten. Der dortige Vorschlag „dockt“ an das Bestehende an. Da der Abschlussbericht indes viele Ideen entwickelt, § 22 WEG zu ändern, wäre es, meinte man, die Änderungen sollen kommen, wohl besser gewesen, man hätte gewartet. Gegebenenfalls geht es aber eben auch nur um Symbolik.

II. Allgemeines

Der Bericht zeigt auf, dass man den Begriff des „werdenden Wohnungseigentümers“ regeln könnte, schlägt das aber nicht vor. Angesichts der parallel tagenden Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht (siehe dazu im Internet den Bericht), der dieses Ergebnis wichtig war, ein eher mageres Ergebnis.

Wenig überzeugend ist ferner der Vorschlag, auf besondere Regeln für Sondernutzungsrechte zu verzichten. Richtig ist es hingegen, in keiner Beziehung besondere Vorschriften für Mehrhausanlagen oder andere Wohnungseigentumsanlagen, etwa Doppel- oder Reihenhäuser, zu schaffen.

Aufgenommen wird die Idee, dass vereinbarungsändernde Beschlüsse der Eintragung im Grundbuch bedürfen sollen, um gegenüber Rechtsnachfolgern zu wirken. Das ist natürlich richtig, wenn auch über ein Jahrzehnt zu spät.

Der Vorschlag, die Informationsrechte der Wohnungseigentümer als Minderheitenrechte zu kodifizieren, ist unnötig. Probleme sind hier nicht bekannt. Die Möglichkeit der Veräußerungszustimmung nach § 12 WEG beizubehalten, ist ebenso richtig, wie letztlich unerwähnenswert. Der Vorschlag, dass schriftliche Beschlüsse in Textform gefasst werden können, ist hervorragend. Wir brauchen die Abstimmungs-App.

III. Sachenrecht

In 2018 war angeregt worden, die Vorschriften, wie Wohnungseigentum begründet wird (§§ 2 bis 4 und §§ 7 bis 9 WEG), zu überprüfen. Der Bericht erteilt dem eine Absage. Die Arbeitsgruppe sehe keine Alternative zu einer wertungsabhängigen Abgrenzung. Das ist aus Sicht der Wohnungseigentümer mehr als bedauerlich. Auch das so wichtige Zentralgrundbuch (siehe etwa v. Oefele/Schneider, DNotZ 2004, 741 und Schneider, ZMR 2005, 15), wird verworfen.

Der Vorschlag, die Sondereigentumsfähigkeit grundsätzlich auf Freiflächen zu erweitern, ist zu begrüßen. Auch zu begrüßen ist, dass nicht vergessen wird, für die Freiflächen die Raumeigenschaft zu fingieren. Nicht ganz deutlich ist, warum eine Fiktion für Gartenflächen oder Terrassen nicht für nötig erachtet wird. Denn es geht nicht darum, mit derartigen Freiflächen zu handeln. Hier wird § 6 WEG übersehen: Man kann mit Sondereigentum nicht handeln. Es geht um die Kosten, die Instandhaltungslast, das Eigentum an Pflanzen und Terrassenbelägen und Verkehrssicherung. Hier sollte man also nochmals ran.

Der Vorschlag, dass die Aufhebung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen verlangt oder beschlossen werden kann, ist strikt abzulehnen. Man setzt unnötig die Axt am Wohnungseigentum als werthaltiges Eigentum an. § 11 WEG darf nicht angegriffen werden. Hier muss es erstmals und laut meiner Ansicht nach heißen: Nein! Nein! Nein!

IV. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der Bericht schlägt vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Falle der Teilung nach § 8 WEG bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher als Ein-Mann-Gemeinschaft entstehen soll. Dem kann man zustimmen. Dann muss man allerdings regeln, was im frühen Zeitraum möglich ist (dazu Lieder, DNotZ 2018, 177). Die dazu gemachte Empfehlung, die Anfechtungsfrist für Ein-Mann-Beschlüsse zu hemmen, ist zu kurz gegriffen. Besser wäre freilich, von diesem Modell die Hände zu lassen. Eine Gemeinschaft kann es erst geben, wenn ihr mehrere Personen angehören. Es sollte daher so bleiben, wie es jetzt schon ist.

Der Vorschlag, die Vorschrift zur Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 10 Absatz 6 Satz 3 WEG) „redaktionell“ zu überarbeiten, ist so leider noch eine „Nullnummer“. Was soll denn wie geregelt werden? Und muss die Regelung nicht „stehen“, bevor man an die Verwalterrechte herangeht (dazu hier unter VIII.)?

Was einen aber „grausen“ lässt, ist der Vorschlag, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Trägerin der gesamten Verwaltung werden soll, die durch ihre Organe handelt (Versammlung der Wohnungseigentümer als Willensbildungsorgan; Verwalter als Vertretungsorgan). Er ist meiner Ansicht nach der falsche Weg zu einer Vergesellschaftung des WEG. Hier propft man dem Miteigentum eine unnötige, undogmatische und verfehlte Gesellschaftsform auf. Hier sollte es also heißen: Nein! Nein! Nein!

V. Verwaltung

Die Idee, in § 18 WEG zwar das schleppende Zahlungsverhalten, nicht aber den Zahlungsausfall zu sanktionieren, ist nicht zu folgen. Im Übrigen: Nichts!? Halt! Denn der Vorschlag, die Bildung anderer Rückstellungen als die Instandhaltungsrückstellung (warum spricht man von „Instandhaltungsrücklage“?) ausdrücklich zu gestatten, ist natürlich richtig, wenn auch eher Symbolpolitik.

VI. Baumaßnahmen

Für Baumaßnahmen finden sich Thesen als Leitlinien, an denen sich eine Reform des Rechts der baulichen Maßnahmen orientieren soll. Hier wird sehr viel geschrieben, aber letztlich noch nichts entschieden. Also erst ein Anfang. Es bleibt abzuwarten, was wirklich kommt – zumal es die erwähnte Bundesratsinitiative gibt. Nur so viel: Der kleine Teil „bauliche Veränderungen des Sondereigentums“ lässt einen angesichts von § 5 Abs. 1 WEG rätseln.

VII. Versammlung

Hier wird viel berichtet, was erwogen, aber dann doch verworfen wurde. Es wird aber neben der Textform für Einberufungsverlangen positiv vorgeschlagen, dass die Einberufungsfrist auf vier Wochen verlängert werden soll. Das dürfte kein Problem sein. Der Vorschlag, das Beschlussfähigkeitsquorum aufzuheben, ist hingegen ein „Hammer“. Man möchte sagen: „Ade Verbraucherrechte“? Also auch hier eher „Nein“, wenn auch manche Gemeinschaftsordnungen hier schon die Latte tief hängen (sollte man das nicht verbieten?). Ferner wird vorgeschlagen, eine Beschlusskompetenz zu schaffen, um die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen. Das ist zweifellos eine große technische Herausforderung und schwer praktisch umzusetzen, aber der vom StS Billen bereits im Herbst 2018 angekündigte Schritt. Er ist grundsätzlich richtig. Ein „Anlehnen“ an § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG – wie vorgeschlagen – reicht keinesfalls!

VIII. Verwalter

Dem Vorschlag, dass der Verwalter in eigener Verantwortung über Maßnahmen entscheiden können soll, bei denen die Einberufung einer Versammlung „nicht erforderlich oder nicht geboten“ erscheint, und dem Vorschlag, dass der Verwalter grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht haben soll, sollte eher nicht gefolgt werden. Er ist zum einen der Weg zur Vergesellschaftung des WEG und zur Entmachtung der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer sind aber keine Gesellschafter. Wollen sie das, können sie eine Wohnungseigentumsanlage als GmbH gründen oder ihre Entmachtung vereinbaren. Zum anderen wäre der Weg nur gangbar, wenn wir qualifizierte Verwalter hätten und das gesetzlich gesichert wäre. Wenn es im Bericht heißt, die Forderung nach Einführung eines Sachkundenachweises sowie die Erweiterung des nach § 34c der Gewerbeordnung und nach § 15 MaBV verlangten Versicherungsschutzes auf Sachschäden zu unterstützen, reicht das nicht. Der Weg muss wenigstens ein paralleler sein. Der Vorschlag, dass Wohnungseigentümer die Befugnisse des Verwalters durch Mehrheitsbeschluss erweitern und beschränken können, ist im Übrigen bereits Gesetz (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG); oder soll an § 27 Abs. 4 WEG gedreht werden? Richtig ist hingegen, dass der Verwalter Hausgeldforderungen in eigener Verantwortung auch gerichtlich geltend machen können soll. Aber auch hier ist zu sehen, dass erhebliche Kompetenzen auf den Verwalter übertragen werden. Auch diese Übertragung geht nur, wenn die Person des Verwalters qualifiziert ist und bleibt. Die Idee zu regeln, was für Rechtsgeschäfte, die der Verwalter aufgrund eines später für unwirksam erklärten Beschlusses vorgenommen hat, gesetzlich geregelt werden soll, ist richtig.

IX. Abrechnung

Der Gedanke, dass der Gegenstand des Beschlusses über die Abrechnung die Abrechnungsspitze ist, ist nach richtiger Ansicht nichts Neues. Der Vorschlag, dass diese Idee kodifiziert wird, kann aber kaum schaden und ist sehr nützlich. Der Vorschlag, dass die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen und die Darstellung der Instandhaltungsrückstellung Bestandteile der Abrechnung sein sollen, ergibt sich zwanglos bereits jetzt aus § 28 Abs. 1 WEG. Dieses zu regeln ist aber auch nicht schädlich. Anders ist es mit der Darstellung des Vermögens. Will man das, wie vorgeschlagen, muss man auch sagen, was darzustellen ist. Vorschlag: alles!

X. Verwaltungsbeirat

Der Vorschlag, dass die Anzahl der Verwaltungsbeiräte sowie die Person des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters durch Beschluss bestimmt werden sollen, ist nicht kühn, nicht nötig, aber kein Irrweg. Ebenso liegt es beim Vorschlag, die Amtszeit des Verwaltungsbeirats auf vier Jahre mit der Möglichkeit der Wiederbestellung festzulegen. Die Idee, dass 31a BGB entsprechend gelten soll, ist zu begrüßen.

XI. Verfahrensrecht

Der Gedanke, § 49 Abs. 2 WEG zu streichen, ist nochmals zu prüfen. Der Sache nach änderte sich nichts (die Haftung kommt aus § 280 BGB), es wird nur alles zäher und länger. Oder? Auch der Vorschlag, § 48 Abs. 3 WEG zu streichen, ist eher fraglich. Zu „Beschlusskassationsklagen“ (?) finden sich „Leitlinien“. Eine Stellungnahme muss daher wieder einem Vorschlag vorbehalten bleiben. Die Empfehlung, dass die Zuständigkeit nach § 43 WEG auch für Streitigkeiten aus dem sachenrechtlichen Grundverhältnis begründet werden soll, ist bereits jetzt in Kommentierungen als geltendes Recht zu lesen, etwa im Bärmann bei Roth.

XII. Mietrecht

Die Eingebung, ein gesetzliches Duldungsrecht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einzuführen, das sich an die mietrechtlichen Duldungsnormen anlehnt, mag richtig sein. Der Vorschlag, § 556 Abs. 1 BGB zu ändern, ist hingegen zu bekämpfen und aus sehr vielen Gründen ein Weg in die falsche Richtung. Die dem Wohnungseigentümer erteilte Abrechnung ist als Betriebskostenabrechnung völlig ungeeignet, ein Sonderrecht daher völlig entbehrlich und eine Verkürzung der Mieterrechte. Meine Bitte: Hände weg von §§ 556, 556a BGB!

XIII. Fazit

Es haben sich Fachleute zum WEG ausgetauscht. Dies zeigen gerade die vielen Punkte, die erörtert werden mit dem Schluss, eben nichts zu ändern. Es ist also ein sehr guter Aufschlag gemacht. Einige Vorschläge (Hände weg von § 11 WEG! Keine „GWEG“! Keinen Verwalter als Übervater! Keine Beschneidung von Mieterrechten!) sollten meiner Ansicht nach eher nicht weiterverfolgt werden. Die Zurückhaltung bei § 22 WEG und den §§ 43 ff. WEG ist verständlich, aber bedauerlich. Vieles vom Rest mag kommen, wird das Leben der Wohnungseigentümer aber kaum positiv oder negativ beeinflussen. Dazu hätte es eines modernen, neuen Gesetzes bedurft. Das aber war nicht das Ziel. Bedauerlich ist, dass schon Ende des Jahres der Gesetzentwurf kommen soll. Will man den wirklich guten Bericht nicht erst einmal wirken lassen und einen Diskurs abwarten?

Die guten Hirten

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz können die Wohnungseigentümer dort über einen Gegenstand einen Beschluss fassen, wo ihnen das Gesetz die dafür notwendige Beschlusskompetenz einräumt. Solche Beschlusskompetenzen sind zwar über das gesamte Gesetz verstreut. Der Autonomie der Wohnungseigentümer, ihre eigenen Geschicke zu bestimmen, sind aber auch deutliche Grenzen gesetzt.

Dem Gesetzgeber war diese Enge bewusst. Aus diesem Grunde räumt das Gesetz den Wohnungseigentümern die Möglichkeit ein, zu vereinbaren, dass es weitere Beschlusskompetenzen geben soll. Dies folgt zum einen aus der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG. Und zum anderen werden diese Vereinbarungen ausdrücklich in § 23 Abs. 1 WEG genannt. Denn diese Regelung geht von „Angelegenheiten“ aus, die nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer durch Beschluss entschieden werden können.

Vereinbarungen, die den Wohnungseigentümern über die gesetzlichen Beschlusskompetenzen hinaus privatautonom bestimmte Beschlusskompetenz geben, nennt man üblicherweise „Öffnungsklausel“. Mit einer solchen Vereinbarung nehmen die Wohnungseigentümer wissend und wollend in Kauf, dass eine Entscheidung, für die das Gesetz annimmt, sie müsse wegen ihrer Bedeutung und Wichtigkeit von allen Wohnungseigentümern gemeinsam getroffen werden, etwa, ob man das Sondereigentum zum Wohnen oder nicht Wohnen gebrauchen und nutzen kann, ob es am gemeinschaftlichen Eigentum ein Sondernutzungsrecht geben soll oder wer das gemeinschaftliche Eigentum erhalten muss, nur von einer Mehrheit getroffen wird. Eine Öffnungsklausel ist mithin im Einzelfall gefährlich und kann ohne weiteres dazu führen, dass die Rechte einzelner Wohnungseigentümer gegenüber dem Interesse der Mehrheit der Wohnungseigentümer zurücktreten müssen. Dass aber ist ihr Ziel und Zweck. Und es ist von Gesetzes wegen so gewollt. Diese Möglichkeit ist durch den Bundestag demokratisch legitimiert und vom Willen des Volkes getragen.

Ungeachtet dessen hat der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich allgemeiner Öffnungsklauseln gleich in mehreren Entscheidungen beschnitten. Das letzte dieser Judikate ist BGH, Urteil vom 12. April 2019 – V ZR 112/18 (die weiteren sind dort nachlesbar). Es ging darum, ob Wohnungseigentümer, gestützt auf eine allgemeine Öffnungsklausel, also einer solchen Öffnungsklausel, die den Wohnungseigentümern für sämtliche denkbaren Angelegenheiten, die man eigentlich vereinbaren müsste, eine Beschlusskompetenz gibt, bestimmen können, dass kurzzeitige Vermietungen eines Wohnungseigentums untersagt werden. Der Karlsruher Sachenrechtssenat verneint diese Frage. Um die „Einhaltung fundamentaler inhaltlicher Schranken“ zum Schutz der Minderheit sicherzustellen, gäbe es Eingriffe, die der Zustimmung jedes Wohnungseigentümers bedürften. Dies ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung einer allgemeinen Öffnungsklausel (Anmerkung des Verfassers: kann man bloße Binnenverträge, mit denen Menschen ihre eigenen Geschicke privatautonom und nur für ihren Kreis bestimmen, wirklich verfassungskonform auslegen?). Die Ansicht, die Wohnungseigentümer hätten mit der Vereinbarung einer allgemeinen Öffnungsklausel vorab in jegliche Änderung der Gemeinschaftsordnung eingewilligt, sei falsch. Eine allgemeine Öffnungsklausel sei zwar als solche nicht zu beanstanden. Aus ihr könne aber nicht auf eine Zustimmung der Wohnungseigentümer zu allen künftig denkbaren Regelungen geschlossen werden. Denn die Gewährung rechtlicher Gestaltungsmacht trage ihre „Beschränkung auf das gebotene Maß als immanente Schranke“ in sich.

Es ist zu fragen, ob diese Überlegungen die Dinge womöglich verkehren und ins falsche Licht rücken. Denn grundsätzlich ist es ja so, dass jeder Wohnungseigentümer bei den Gegenständen, die man vereinbaren muss, zustimmen muss. Vereinbart man aber eine Öffnungsklausel, will man gerade, dass es nicht auf die Zustimmung aller Wohnungseigentümer ankommen soll. Wünscht man, dass nur bestimmte Regelungen auf Grundlage einer Öffnungsklausel bestimmt werden können, bestimmt man eine spezielle Öffnungsklausel (ihr Sinn und Zweck ist es, nur bestimmte Gegenstände dem Beschluss zu öffnen). Bestimmt man aber eine allgemeine Öffnungsklausel, sollen gerade alle denkbaren Gegenstände beschlussoffen sein. Wer hier ausgelegt, es sei nicht so, hat keinen festen Boden unter den Füßen.

Mit seiner Denkweise bestimmt der Bundesgerichtshof daher wohl das Ende allgemeiner Öffnungsklauseln, beraubt sie aber jedenfalls im Wesentlichen ihres Anwendungsbereichs – und macht auch speziellen Öffnungsklauseln womöglich den Garaus. Zwar behauptet der V. Zivilsenat nicht, es gebe keine Regelungen, die man noch auf eine allgemeine Öffnungsklausel stützen könnte. Der Weg versperrt ist künftig aber solchen Regelungen, die man nicht als „geboten“ ansieht. Was „geboten“ ist, müssen im Zweifel aber für die Wohnungseigentümerschafe Richter gleichsam als deren gute Hirten bestimmen (man muss kein großer Augur sein, um anzunehmen, dass diese auch meinen werden, künftig könnten auch keine Sondernutzungsrechte mehr auf Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel bestimmt werden).

Wer diesen Weg begrüßt, muss wissen, dass in ihm eine ungezierte Einschränkung der Privatautonomie der Wohnungseigentümer liegt. Wenn es in der Presse gern heißt, der Bundesgerichtshof habe die Rechte des Bürgers gestärkt, muss man diese Aussage jedenfalls in diesem Fall bezweifeln. Die Entwicklung sollte man daher kritisch hinterfragen und begleiten. Ferner ist zu überlegen, ob in der anstehenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nicht gegengesteuert werden sollte. Sieht man es in Berlin anders, könnte man hingegen schauen, ob man Öffnungsklauseln verbietet und dort, wo man es als angemessen ansieht, die gesetzlichen Beschlusskompetenzen – wenigstens behutsam – erweitert.

Die hier geäußerten Bedenken gelten im Übrigen nicht nur dem Wohnungseigentumsrecht, sondern auch dem Gesellschaftsrecht. Denn auch dort werden Satzungen überprüft und auch dort meint man, der Richter wisse letztlich besser als die Vertragschließenden, was für diese gut ist. Es gibt eben überall gute Hirten.

Schadenersatzansprüche: Gemeinschaftsbezogen oder was?

Das Wohnungseigentumsgesetz behandelt in seinem § 10 Abs. 6 Satz 3 die Frage, was bei Rechten gilt, die die Wohnungseigentümer als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums haben, und bei Pflichten, die auf allen Wohnungseigentümern als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums ruhen.

Man könnte insoweit in Anlehnung an § 1011 BGB vertreten, jeder einzelne Wohnungseigentümer sei bei Rechten berechtigt, sie geltend zu machen (siehe auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 1992 – V ZR 118/91, unter II 1 a). Und ferner könnte man die Ansicht vertreten, ein Gläubiger sei bei Pflichten berechtigt, jeden Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Diesen Weg geht das Wohnungseigentumsgesetz aber nicht. Stattdessen unterscheidet es zwischen gemeinschaftsbezogenen Rechten und Pflichten und solchen Rechten und Pflichten, die (bloß) gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Diese Unterscheidung macht es notwendig, geht es um das gemeinschaftliche Eigentum und auf dieses bezogene Rechte und Pflichten, zu fragen, ob ein Recht oder eine Pflicht gemeinschaftsbezogen ist.

Der Gesetzgeber hielt diese Unterscheidung für leicht leistbar, da der Begriff in Rechtsprechung, Lehre und Praxis der Verwaltung bekannt sei und von seinem Wortlaut her die Zuordnung der Angelegenheiten, um die es gehe, deutlich mache (BT- Drucksache 16/887, 61 linke Spalte). Gemeinschaftsbezogen seien die Angelegenheiten, für die zum einen gemäß § 21 Abs. 1 WEG (Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung) bisher (= vor Änderung der Sichtweise, es gäbe eine rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) eine ausschließliche Verwaltungszuständigkeit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer angenommen worden sei und bei deren Geltendmachung sich die Gemeinschaft und ein Wohnungseigentümer „wie Dritte“ gegenüber stünden. Gemeinschaftsbezogen sei insbesondere der Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums (BT- Drucksache 16/887, 61 rechte Spalte).

In der Praxis hat sich ungeachtet der Einschätzung des Gesetzgebers die Frage, welches Recht gemeinschaftsbezogen ist, freilich zu einem besonderen Problemfall in der Anwendung des WEG entwickelt. Beinahe zu jedem Recht in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist unklar, ob es gemeinschaftsbezogen ist. Für Schadenersatzansprüche galt bislang allerdings als wohl geklärt, dass diese, so wie es der Gesetzgeber auch gewollt hat, gemeinschaftsbezogen sind (siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 10 Rz. 243). Und dies gilt nicht nur, wenn ein Wohnungseigentümer oder ein Dritter das gemeinschaftliche Eigentum beschädigt hat, sondern auch dann, wenn es sich um „Wiederherstellungsansprüche“ handelt (BGH, Urteil vom 7.2.2014 – V ZR 25/13, Rz. 17). Solche Ansprüche können zwar in eine Konkurrenz zu dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB treten. Aber schon weil die Wahl zwischen Naturalrestitution und Geldersatz gemeinschaftlich getroffen werden müsse, seien Schadenersatzansprüche insgesamt als gemeinschaftsbezogene Rechte anzusehen (BGH, Urteil vom 7.2.2014 – V ZR 25/13, Rz. 17).

Die Bestimmung der Grenze zwischen Beseitigung/Unterlassung und Schadenersatz/ Wiederherstellungsanspruch war und ist freilich problematisch (siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 22 Rz. 114a). Ich selbst meinte, dass der Störer im Wohnungseigentumsrecht im Rahmen des Beseitigungsanspruchs entfernen muss, was er selbst unzulässig angebracht oder entfernt hat. Gehe es indessen um durch die unzulässige bauliche Veränderung verursachte Schäden, ginge es um Schadenersatz. Ähnlich liege es, wenn der Störer über die Beseitigung hinaus den alten Zustand wiederherstellen soll, denn darin liegt keine Beseitigung mehr, sondern ein aliud.

Der Bundesgerichtshof kümmert sich um diesen gegebenenfalls lächerlichen Versuch, seiner Rechtsprechung gerecht zu werden, nicht. Stattdessen gibt er jetzt – leider mit einer statt an das Gesetz an einen Aufsatz angelehnten Diktion – lieber seine Rechtsprechung sang und klanglos einfach auf (BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 328/17, Rz. 8). Ich übersetze insoweit wie folgt:

Schadenersatzansprüche, die auf die Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums gestützt werden würden, seien nicht gemeinschaftsbezogen, wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stünden. Das gelte auch, soweit der Beseitigungsanspruch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasse.

Gegen eine Gemeinschaftsbezogenheit spreche entscheidend, dass „andernfalls die an sich erwünschte Möglichkeit der Rechtsverfolgung des einzelnen Wohnungseigentümers erheblich beeinträchtigt wäre“. Bauliche Veränderungen oder ein rechtswidriger Gebrauch (?) des gemeinschaftlichen Eigentums würden häufig nicht alle Wohnungseigentümer gleichermaßen betreffen. Deshalb sei „es nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert“, von vornherein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der Durchsetzung solcher Ansprüche und dem damit verbundenen Kostenrisiko zu belasten. Vielmehr sei es interessengerecht, dass einzelne Wohnungseigentümer die ihnen zustehenden Ansprüche solange durchsetzen könnten, wie eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung nicht beschlossen worden sei (BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 328/17, Rz. 14).

Diese Sätze mögen richtig oder falsch sein. Sie erleichtern die Arbeit mit der Bestimmung des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG nicht. Vielmehr besteht jetzt noch mehr als bislang Unsicherheit darin, die Frage zu beantworten, welches Recht – mit den Worten des Bundesgerichtshofes – so gelagert ist, dass „schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen und also ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist“. Denn diese Frage wurde bislang und auch zu Recht bei Schadenersatzansprüchen dahingehend beantwortet (und so war wie dargestellt vom historischen Gesetzgeber auch gewollt), dass das Interesse der Wohnungseigentümer an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers, diesen zu verlangen, überlagert (sehr überzeugend: BGH, Urteil vom 11. Dezember 1992 – V ZR 118/91, unter II 1 b). Wenn es jetzt aber anders sein soll, was gilt für die vielen anderen Rechte, die als gemeinschaftsbezogen angesehen werden? Ist es auch dort nicht immer so, dass es wünschenswert wäre, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erst dann ins Spiel kommt, wenn eine Mehrheit der Wohnungseigentümer ihren „Einsatz“ wünscht und für richtig hält?

Diese Folgerung – starke Unsicherheit in der Rechtsanwendung – führt zwanglos zu einer dringenden Forderung und Bitte an die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Wohnungseigentumsgesetz, die sich bekanntlich zurzeit darum bemüht, Vorschläge für eine Reform des WEG zu erarbeiten (zur Arbeitsgruppe siehe nur Elzer, MDR 2018, Heft 21 R5): Man möge sich bitte daran machen, den Nutzer (vor allem, aber nicht nur: Wohnungseigentümer, Verwalter, Rechtsanwälte und Richter) deutlich vor Augen zu führen, welche Rechte, aber auch welche Pflichten als gemeinschaftsbezogen anzusehen sind – wenn es denn dieses Begriffs überhaupt bedarf – und was daraus folgt. Kann etwa ein Gläubiger bei einer gemeinschaftsbezogen Pflicht weiterhin den einzelnen Wohnungseigentümern Anspruch nehmen oder aber ist diese durch das Verständnis der Gemeinschaftsbezogenheit geschützt?

Kehrt·wen·de (Substantiv, feminin [die])

Nach Google ist eine Kehrtwende ein extremer [unerwarteter] Richtungs-, Kurswechsel. Man erwartet ihn von Politkern oder gegebenenfalls vom Ehepartner – aber von einem Gericht?

Und doch. Es gibt auch bei den Gerichten außergewöhnliche und unerwartete (indes erhoffte) Richtungswechsel. Einen solchen besonders bedeutsamen und in seiner praktischen und dogmatischen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzenden Kurswechsel bietet etwa das Urteil des V. Zivilsenats des BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17. In der Entscheidung geht es um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem Wohnungseigentümer Schadenersatz schuldet, wenn der Verwalter einen Beschluss nicht, nicht ordnungsmäßig oder nur teilweise durchführt.

Die erste Antwort auf diese hoch praktische Frage fand sich bei BGH v. 13.7.2012 – V ZR 94/11 – Rz. 19. Es heißt dort (leicht übersetzt in eine Begrifflichkeit):

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber aus dem mitgliedschaftlichen Treueverhältnis verpflichtet, den Verwalter zur unverzüglichen Umsetzung der Beschlüsse der Wohnungseigentümer anzuhalten. Dieses Treueverhältnis hat der Senat im Verhältnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu dem einzelnen Wohnungseigentümer anerkannt und daraus dessen Verpflichtung abgeleitet, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Schadensersatz zu leisten, wenn er seiner Verpflichtung zur Mitwirkung an der ordnungsmäßigen Verwaltung nicht nachkommt. Kehrseite dieser Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers ist die Verpflichtung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die gefassten Beschlüsse umzusetzen. Die Umsetzung obliegt nach § 27 I WEG dem Verwalter, der der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Erfüllung und ggf. auf Schadensersatz haftet. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist jedenfalls dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, diesen Anspruch gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn die gefassten Beschlüsse – wie hier – den Zweck haben, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.

Diese Sätze ängstigten so, dass jedenfalls ich mich zu einem Aufsatz mit dem zugegeben provokanten, aber plakativen Titel „Zauberlehrling reloaded oder: Globalplayer am WEG-Horizont?, NZM 2012, 718“ entschied. Dieser Aufsatz fand Zustimmung und naturgemäß fand er auch Ablehnung.

Der BGH schrieb indes im Urteil vom 25.9.2015 – V ZR 246/14 – Rz. 15 und Rz. 25 wie folgt (leicht übersetzt in eine einzige Begrifflichkeit):

Für Defizite bei der Umsetzung der gefassten Beschlüsse haftet allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Eine Haftung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat der Senat allerdings in seinem Urteil vom 13.7.2012 für solche Schäden bejaht, die durch die unterbliebene Umsetzung eines bereits gefassten „Sanierungsbeschlusses“ entstehen. Ob angesichts der dagegen erhobenen Kritik an der hierfür gegebenen Begründung festgehalten werden kann oder ob der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vielmehr das Handeln des Verwalters als dem für die Umsetzung von Beschlüssen zuständigen Organ in analoger Anwendung von § 31 BGB zuzurechnen wäre bedarf keiner Entscheidung.

Und bei BGH v. 10.2.2017 – V ZR 166/16 – Rz. 14 hieß es dann wie folgt (wieder leicht übersetzt in eine Begrifflichkeit):

Erleidet ein Wohnungseigentümer aufgrund einer Versorgungssperre einen Schaden und beruht dies auf der schuldhaft unterbliebenen oder verspäteten Durchsetzung der beschlossenen Wohngeldansprüche, kann ihm allerdings ein Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehen.

Danach stand eigentlich doch wohl fest: Neben dem Verwalter, der natürlich seine Pflichten verletzt, wenn er Beschlüsse nicht durchführt, haftet einem Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Und jetzt vom BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17:

Die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer trifft den Verwalter und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; daher begründen Pflichtverletzungen des Verwalters, die sich auf die Durchführung von Beschlüssen beziehen, keine Schadenersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Es ist also doch so, wie es immer sein sollte und nach meiner Ansicht stets war. Was sagt man da demütig: Man sagt Bravo!, Chapeau!, man gratuliert dem großen Mut, einen einmal beschrittenen Weg verlassen zu haben (das fällt jedem schwer, nicht zuletzt Kommentatoren), und schweigt, was gegebenenfalls auch bei BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17 – nicht ganz „sauber“ argumentiert ist. Und genau das soll auch hier im Folgenden geschehen (= Schweigen).

P.S. Goldrichtig ist auch der zweite Leitsatz BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, der wie folgt lautet: Ein Wohnungseigentümer kann von dem Verwalter verlangen, dass er seine gesetzliche Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen erfüllt; dieser Anspruch kann gegebenenfalls im Klageweg durchgesetzt werden. Auch hier heißt es respektvoll: Bravo!, alles richtig gemacht!, und: weiter so!