Great Expectations!

Große Erwartungen (Originaltitel: Great Expectations) ist ein Roman von Charles Dickens, künftig, leicht modifiziert, nämlich als „berechtigte Erwartungen„, aber auch eine Kategorie im Wohnungseigentumsrecht. Denn bei BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16 – Rz. 15, ist Folgendes zu lesen:

Wird … in erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen, entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet werden […]. Selbst wenn die übrigen Wohnungseigentümer die im Hinblick auf Veränderungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung erteilt haben, kann ihnen aus dem Gebrauch des Gemeinschaftseigentums ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG erwachsen, sofern bei der Bauausführung die derzeitigen Anforderungen an den Schallschutz unterschritten werden und dies nicht ausdrücklich gestattet worden ist. Aber nur grundlegende Um- oder Ausbauten wie etwa ein Dachgeschossausbau begründen eine Pflicht zur Beachtung der aktuellen technischen Anforderungen an den Schallschutz [..].

Ich übersetze eine der Aussagen für den flüchtigen Leser anhand eines kleinen Fallbeispiels und seiner Lösung:

Fall: Wohnungseigentümer Schallschützer stellt den anderen Wohnungseigentümern seinen Wunsch vor, das Dachgeschoss auszubauen. Er erklärt den anderen Wohnungseigentümern, den vorhandenen Aufbau des Bodens zwischen dem Obergeschoss und dem bisherigen Dachboden nicht verbessern zu wollen. Jedenfalls legt er den anderen Wohnungseigentümern seine Bauplanung vor, aus der sich solches nicht ergibt (um der Bestimmtheit des Beschlusses nach § 22 Abs. 1 WEG zu genügen, ist die Vorlage der Planung zwingend und ist die Planung als Anlage des Beschlusses zur Niederschrift und in die Beschluss-Sammlung zu nehmen). Die anderen Wohnungseigentümer stimmen der Planung nach § 22 Abs. 1 WEG zu. Ausdrückliches zum Schallschutz findet sich im Beschluss nicht. Der Beschluss erwächst in Bestandskraft. Wohnungseigentümer Hellhörig, dessen Wohnung unter der Wohnung von Wohnungseigentümer Schallschützer, liegt, verlangt nach 3 Monaten, dass Wohnungseigentümer Schallschützer den Bodenaufbau verändert und verlangt einen Aufbau des Bodens, der die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet.

Lösung: Wohnungseigentümer Hellhörig hat Recht! Denn die Zustimmung der Wohnungseigentümer ändert nichts daran, dass sie von Wohnungseigentümer Schallschützer verlangen können (wie lange: 3 Jahre – und nach welcher Norm?), entgegen seiner Planungen den Bodenaufbau zu verändern und dabei die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte zu verbessern. Denn die anderen Wohnungseigentümer hatten die berechtigte Erwartung, Wohnungseigentümer Schallschützer würde ungeachtet seiner anders lautenden Planung, die ihnen auch bekannt war oder jedenfalls bekannt sein musste, die derzeitigen Anforderungen an den Schallschutz erfüllen. Ob allerdings für die Dachhaut, die Isolierung, die Stränge usw. etwas anderes gilt, die Wohnungseigentümer Hellhörig auch verbessert sehen will, ist unklar. Gibt es hier auch „berechtigte Erwartungen“?

Diese Sichtweise der Dinge sollte nochmals, zeitnah und gründlich überprüft werden (und soll sie wenigstens für alle Dachausbauten der letzten 30 Jahre gelten?). Jedenfalls ich selbst meine, ich könnte grundsätzlich nicht erwarten, dass mein Gegenüber mir etwas gibt, von dem er mir vorher gesagt hat, er gebe es mir nicht. Ich meine vielmehr, wenn ich etwas haben will, müsste ich das formulieren. Insoweit habe ich durch § 22 Abs. 1 WEG auch ein starkes Druckmittel: Bekomme ich nicht, was ich will, z.B. einen besseren Schallschutz als bislang, verweigere ich meine Zustimmung – denn dafür, nämlich meine Rechte zu wahren, ist die Zustimmung (auch) da. Ich selbst meine ferner, bei dieser Frage ginge es auch um keine Petitesse. Ich meine vielmehr, wir sollten zögern, Verträge („Spiel- und Tummelfeld“ hier u.a.:  die Bestimmungen der §§ 134, 138, 242, 305 ff. BGB, „Kernbereiche“, „Rechtsmissbräuche“, „Verwirkungen“ usw.), aber auch Gesetze „Stück für Stück“ abzutragen und an ihre Stelle – je nach Zeitgeschmack! – unsere Gefühle, unsere (berechtigten und unberechtigten) Erwartungen (wer sagt mir, welche Erwartungen [un]berechtigt sind?) und das, was wir selbst als „Treu und Glauben“ ansehen, zu setzen. Machen wir es aber doch, muss klar gesagt werden, warum das Recht nicht anders gedeutet werden kann – berechtigte Erwartungen sind da als Argument gegebenenfalls etwas „dünn“ – und woraus Pflichten folgen, welche Norm also im Fall Wohnungseigentümer Schallschützer zwänge, auf eigene Kosten das gemeinschaftliche Eigentum zu verbessern.

Im Übrigen: Die berechtigten Erwartungen sollen als BGH-Hauptaussage wohl vor allem für den, der keine Zustimmung hatte, in „erheblichen Umfang“ in die Gebäudesubstanz einzugreifen, zur Folge haben, dass er das gemeinschaftliche Eigentum in Bezug auf den Schallschutz gemäß aktuellen technischen Vorgaben auf eigene Kosten verbessern muss. Dieser Erwartung zuzustimmen, fällt bestimmt vielen leichter. Indes: Als Rechtsfolge einer unberechtigten baulichen Veränderung (gegebenenfalls sogar einer berechtigten, aber nachteiligen Gebrauchsänderung in Bezug auf das Sondereigentum?) soll man nicht nur Unterlassung, Wiederherstellung und Schadenersatz, sondern eben auch eine Verbesserung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen können? Ist das kein Angriff auf bisherige rechtliche Strukturen und ein Friedensbruch mit §§ 249 ff. BGB? Und nochmals: was wäre die Anspruchsgrundlage?

Der Leser von  Charles Dickens kennt gegebenenfalls Pips Ende – der Hauptfigur in Great Expectations: Seine Erwartungen enden im Wesentlichen mit dem Tode seines Gönners Magwitch. Allerdings versöhnt er sich mit Joe – und selbst mit Estella. Man kann daher nicht ausschließen, dass auch die berechtigen Erwartungen wieder enden und sich frische Lösungen mit WEG und allgemeiner Dogmatik besser harmonieren.

 

Wi̱·der·spruch Substantiv [der] – oder?

Bei BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – Rz. 8 heißt es wie folgt:

Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Wohnungseigentümer die Beitragsvorschüsse zu leisten, die während der Dauer seiner Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft aufgrund von wirksam beschlossenen Wirtschaftsplänen oder Sonderumlagen fällig werden (so genannte ‚Fälligkeitstheorie‘)“.

Wollte man den Stachel löcken, so könnte man etwa fragen, was „Beitragsvorschüsse“, was „Eigentümergemeinschaft“ und was „Mitgliedschaft“ meint. Denn Wohnungseigentümer zahlen keine Vorschüsse, sie zahlen das Hausgeld. Zahlungen auf das Hausgeld sind aber kein Vorschuss auf eine spätere Schuld. Denn alles andere verkennte das Verhältnis von Wirtschaftsplan und Abrechnung (dazu siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 28 Rz. 54 und Rz. 157). Ferner: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG hat zwar nach h.M., der zu folgen ist, Mitglieder, heißt aber anders (in § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG: „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“, in § 10 Abs. 6 Satz 4 WEG „Wohnungseigentümergemeinschaft“). Und die Gemeinschaft nach Bruchteilen nach §§ 741 ff. BGB am gemeinschaftlichen Eigentum mag man zwar „Eigentümergemeinschaft“ nennen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 WEG spricht allerdings von „Gemeinschaft“, § 741 BGB von „Gemeinschaft nach Bruchteilen“). Diese aber hat Teilhaber, keine Mitglieder.

Aber nicht um dieses soll es in diesem Blog (eine Wortkreuzung aus Web und Log für Logbuch oder Tagebuch – sagt Wikipedia) gehen, sondern um die „Fälligkeitstheorie“. BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – Rz. 8 – hält nämlich daran fest, dass der das Hausgeld schuldet, der bei Fälligkeit des Hausgelds Eigentümer des entsprechenden Wohnungseigentums ist. Nach BGH-Ansicht bestimmt also die Fälligkeit einer Schuld den Schuldner, nicht die Entstehung der Schuldpflicht. Aber wie passt das mit BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – zusammen? Dort geht es um die Frage, welcher Verwalter bei einem Verwalterwechsel das abgelaufene Kalenderjahr abrechnen muss. In Rz. 12 und die Rz. 13 heißt es insoweit wie folgt:

Für die Frage, wer die Erstellung der Jahresabrechnung schuldet, kann es nur auf das Entstehen der Abrechnungspflicht nach § 28 Abs. 3 WEG ankommen. Die Fälligkeit sagt nämlich nichts darüber aus, wer die Leistung schuldet. Durch sie wird lediglich der Zeitpunkt bestimmt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann (…). Von dem Eintritt der Fälligkeit kann die Person des Schuldners daher nicht abhängen. Das Kriterium der Fälligkeit ist für die Beantwortung der Frage, wer die Jahresabrechnung erstellen muss, auch praktisch unbrauchbar. Die Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Fälligkeit ist regelmäßig mit Unsicherheiten behaftet.“

Es kommt nach BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – für die Bestimmung des Schuldners also auf die Entstehung einer Pflicht an (hier besteht noch Unklarheit: Ende Wirtschaftsjahr oder Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs?), nicht aber auf die Fälligkeit der Abrechnung, wann also die allgemeine Pflicht, abzurechnen, konkret zu erfüllen ist (Daumenregel: spätestens 1/2 Jahr nach Beginn des neuen Wirtschaftsjahres).

In diesen beiden Sichtweisen liegt ein dogmatischer Widerspruch? Ich meine, so sei es! Ich meine ferner, nur ein Weg sei richtig: Entweder die Anknüpfung an die Entstehung einer Schuld oder die Anknüpfung an ihre Fälligkeit. Und ich meine, der Königsweg sei in beiden Fällen die Anknüpfung an die Entstehung einer Schuld (dazu Elzer, Abrechnung und Wechsel in der Verfügungsmacht – auf die Entstehung kommt es an!, ZWE 2018, 153 ff.). BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – wäre damit Beifall zu zollen (großer! denn es wird dort sehr präzise formuliert – viel präziser als auch etwa ich es bei der Abrechnung bislang getan habe). BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – wäre hingegen (auch aus diesem Grunde) leider ein Irrweg und wäre künftig zu überprüfen, traute man sich, einer „Fälligkeitstheorie“ eine Absage zu erteilen.

Vielleicht sind die Pflicht, eine Abrechnung zu erstellen, und die Pflicht, Hausgeld zu zahlen, dogmatisch betrachtet voneinander strikt zu unterscheiden? Aber was wäre der Grund? Wer weiß. Wir müssen leider warten, ob Karlsruhe den hier behaupteten Widerspruch enträtseln und verklaren kann, warum es einmal auf die Entstehung der Pflicht (Schuldner der Abrechnung) und einmal auf ihre Fälligkeit (Schuldner des Hausgeldes) ankommen soll. Vielleicht gibt es ja keinen Widerspruch. Es bleibt jedenfalls spannend.

WEG-Terranauten

Das englische Wort „Core“ steht im Deutschen unter anderem für „Kern“. Im US-amerikanischen Science-Fiction-Film „The Core“ aus dem Jahre 2003 reisen so genannte Terranauten zum Erdkern. Ihr Ziel ist es, diesen wieder zum Rotieren zu bringen. Der Erdkern soll aus einem flüssigen äußeren Kern bestehen – um den fahren die Terranauten herum – und einem festen inneren Kern. Das Unternehmen endet gut. Ob auch die Reise des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes zu dem von ihm angenommenen „Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte“ eines Wohnungseigentümers letztlich gut enden und allgemeines Wohlgefallen ausbrechen lassen wird, muss man noch abwarten – auch wenn man das als Zuschauer natürlich innig wünscht (der II. Zivilsenat hat den Begriff Kernbereich fallen gelassen, nicht aber die Idee). In den letzten Tagen wurden insoweit wieder zwei neue Folgen der Reise der – nennen wir sie absolut respektvoll, aber wegen des Kernbildes mal flapsig – „WEG-Terranauten“ veröffentlicht.

In der einen Folge (= BGH, Urteil vom 10. 11. 2017 – V ZR 184/16) – im ersten Zugriff: „Das Grauen der Mehrhausanlage“ – geht es um die Frage, was Wohnungseigentümer vereinbaren können und was nicht. Hier lesen wir bei den WEG-Terranauten unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 10. 12. 2010 – V ZR 60/10, Rz. 8, Vereinbarungen seien unwirksam, wenn sie die „personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer“ aushöhlen oder wenn sie in den „Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte“ eingriffen (BGH, Urteil vom 10. November 2017 – V ZR 184/16, Rz. 24). Dem mag man mit einem ersten Impuls sofort zustimmen. Wer will schon ausgehöhlt und im Kern betroffen sein? Bitte Nein! Leider, leider garantiert das WEG eigentlich Privatautonomie (man lese § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG „Die Wohnungseigentümer können von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist.“). Warum der Privatautonomie Grenzen zu setzen sind und wann, wird beim „Das Grauen der Mehrhausanlage“ leider nicht deutlich.

Anders als bei den Terranauten des Films „The Core“ sehen wir nicht, wo wohl der innere und äußere Kern sind, was flüssig und was fest, was nur Hülle und Weichteil und was noch vereinbar ist und was nicht. Hingegen erfahren wir bei den WEG-Terranauten, dass in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer eingegriffen werden würde, räumte eine Vereinbarung einer „Untergemeinschaft“ (ich übersetze das mal: die Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum in einem Gebäude einer Mehrhausanlage liegt) die Beschlusskompetenz ein, über Maßnahmen zu entscheiden, die das Grundstück, oder mehrere „nicht sämtlich zu der Untergemeinschaft gehörende“ Gebäude oder gemeinschaftliche Anlagen beträfe (BGH, Urteil vom 10. November 2017 – V ZR 184/16, Rz. 25). Der Beleg für diese forsche Behauptung – die begrifflich rumpelt, da ein Gebäude keiner Untergemeinschaft gehören kann und die angesichts des § 317 BGB mutig ist (gilt der nicht?) – soll sich bei „Senat, Urteil vom 20. Juli 2012 – V ZR 231/11, Rz. 11“ finden. Dort heißt es wie folgt: „Richtig ist jedoch, dass den Mitgliedern einer Untergemeinschaft nicht die Kompetenz zusteht, auch über die Kostenpositionen zu entscheiden, die das Grundstück, mehrere Gebäude oder gemeinschaftliche Anlagen betreffen“ (OLG Köln, Beschluss vom 11. März 2005 – 16 Wx 24/05). Liest man dann im Kölner Judikat nach – man ahnt es – findet sich nichts, ging es dort doch nur um die Auslegung einer konkreten Vereinbarung und um keine allgemeine Erkenntnis. Kein Eingriff in den „Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer“ soll nach den WEG-Terranauten hingegen dann erkennbar sein, wenn eine Vereinbarung einer „Untergemeinschaft Beschlüsse ermöglicht, die im Außenverhältnis zu einer Verpflichtung der Gesamtgemeinschaft und zu einer quotalen Haftung der an den jeweiligen Beschlüssen nicht beteiligten Eigentümer führen“. Auf deutsch: Eine Vereinbarung kann bestimmen, dass z.B. 4 von 20 Wohnungseigentümern einen Beschluss fassen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Vertrag schließt, und alle 20 Wohnungseigentümer deshalb einem Gläubiger der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (= die „Gesamtgemeinschaft“ im Sinne der WEG-Terranauten) für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haften. Zur Begründung wird Rz. 27 nicht nur, aber auch angegeben, der Wohnungseigentümer, der nach § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG unglücklicherweise in Anspruch genommen werde, könne ja bei den „Mitgliedern der jeweiligen Untergemeinschaft Regress nehmen“. Bei diesem Argument zuckt man freilich: Welcher Weg kommt hier den Reisenden auf ihrem Weg in den WEG-Kern in den Blick? Der nach außen haftende Wohnungseigentümer hat doch eine Verbindlichkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfüllt. Daher sollte er wohl dort Aufwendungsersatz suchen können? Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könnte dann gegebenenfalls in der Abrechnung versuchen, diese Zahlung nur bestimmten Wohnungseigentümern aufzuerlegen. Oder gibt es eine Gesamtschuld? Hat das Zucken ein Ende, kann man dann noch kurz vorher (Rz. 26) lesen, dass eine Vereinbarung, die nur einigen Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz einräumt, über eine Erhaltungsmaßnahme in Bezug auf ein Gebäude einer Mehrhausanlage zu beschließen (im Original heißt es zwar auch „Sanierungsmaßnahme“, wie an dieser Stelle aber schon gebloggt, kennt das WEG diesen Begriff nicht), nicht zulässig sei (verboten? unwirksam? Kernbereichsverstoß?), wenn nicht zugleich vereinbart sei, dass die durch diese Maßnahmen verursachten Kosten im Innenverhältnis allein von den „Mitgliedern der jeweiligen Untergemeinschaft“ zu tragen sind (= keine Umlagevereinbarung besteht, die die Beschlusskompetenz zur Erhaltungsmaßnahme entsprechend flankiert und die Kosten nur bestimmten Wohnungseigentümern auferlegt, nämlich denen, die im Namen aller Wohnungseigentümer einen Beschluss fassen dürfen).

Erstes Zwischenfazit: Eine Vereinbarung kann unwirksam sein, wenn sie in einen Kernbereich eingreift. Wann es so ist, was also der Maßstab ist, ist dunkel. Warum man insoweit nicht dem Gesetz unterworfen ist, das den Wohnungseigentümern Privatautonomie verspricht, erfährt man nicht. Es kann nach Ansicht des WEG-Senats – das hat mit der Suche nach einem Kern nichts zu tun, so dass hier begrifflich anders zu arbeiten ist – eine „Gesamtgemeinschaft“ geben, und „Untergemeinschaften“, und die haben dann auch noch „Mitglieder“. Na dann.

In der anderen Folge der WEG-Terranauten (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 305/16) – reißerisch: „aggressiver Angriff auf Ansprüche oder kurz a.A.a.A.“ – geht es um die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer. Wir sollten wissen oder wenigstens spüren: das ist was ganz anderes. Während ich nämlich grundsätzlich vereinbaren kann, was ich will, kann ich nur beschließen, wo mir das Gesetz oder eine Vereinbarung eine Beschlusskompetenz geben. Die Privatautonomie ist also von vornherein eng. Zum a.A.a.A. ist insoweit zu lesen, (auch) § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG betreffe den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer, der einer „Vergemeinschaftung von vornherein“ entzogen sei (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 305/16, Rz. 11). Was § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG mit den „Mitgliedschaftsrechten“ zu tun hat, erfahren wir im Folgenden dann aber leider nicht.

Zweites Zwischenfazit: Nicht nur eine Vereinbarung, auch ein Beschluss kann unwirksam sein, wenn er versucht, in den Kernbereich einzugreifen. Wann es so ist, was also der Kern-Maßstab ist, bleibt leider auch hier unerklärt. Hinzu kommt: Da wir mit der Beschlusskompetenz das zu sattelnde Pferd eigentlich kennen, reichte gegebenenfalls ein Hinweis auf die fehlende Beschlusskompetenz. Und die Argumentation, dass eine Beschlusskompetenz fehlt, den Anspruch eines Wohnungseigentümers zu vernichten, dürfte gegebenenfalls gar nicht schwerfallen (siehe etwa Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 23 Rz. 8 „Anspruchsbegründung und -vernichtung“).

Fazit: Was lernen wir aus den beiden letzten Kern-Reisen unserer Terranauten? Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes, der es nicht leicht hat, der nicht zu beneiden ist und der nicht verspottet, allenfalls höchst demütig ermahnt sein soll, hält an seiner Ansicht fest, ein Beschluss, aber auch eine Vereinbarung könnten nach einer Inhaltsprüfung unwirksam sein. Das ist absolut vertretbar (zur vom Bundesgerichtshof nicht erwähnten Kritik siehe etwa Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 10 Rz. 118 bzw. § 23 Rn. 80 ff.).

Teilt man den Karlsruher Ansatz, muss man dann aber versuchen, abstrakt zu beschreiben, bei welcher Oberfläche, bei welchen Weichteilen und welchen Schalen Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle standhalten und wo das Unantastbare, also der wahre Kern beginnen soll. Es gilt also eine Definition zu finden, unter die man subsumieren kann. Richtern darf kein Freifahrtschein gegeben werden, ihren jeweiligen Bauchgefühlen Ausdruck zu verleihen. Für diese Definition leisten die jüngsten Reisen der WEG-Terranauten leider wenig und wir müssen auf weitere warten. In der Heilbronner Stimme soll laut Wikipedia (Stichwort: The Core – Der innere Kern) am 3. April 2003 zu „The Core“ im Übrigen Folgendes zu lesen gewesen sein: „Wenn sich der Kinobesucher auf diese fantastische Reise einlässt, wird er sich keine Millisekunde daran stören, den Naturwissenschaften eine lange Nase zu drehen“. Übersetzt sich der geneigte Leser diese Stellungnahme in Bezug auf den „Kernbereich des Wohnungseigentums“, könnte er am Ende fast versöhnt sein.

For a man’s house is his castle!

Viele Wohnungseigentümer mögen in Anlehnung an Sir Edward Coke (1552-1634) denken, es müsse einem Hausherrn wohl gestattet sein, sich gegen Diebe, Räuber und Angreifer zur Wehr zu setzen und zusammen mit Freunden und Nachbarn seinen Besitz mit Waffengewalt zu verteidigen, for a man’s house is his castle („denn eines Mannes Haus ist seine Burg“). Und weil das so ist, will man auch nicht von Geräuschen, die Nachbarn verursachen, belästigt werden. Dies gilt auch dann, wenn es um Geräusche geht, die von Kindern ausgehen. Zwar wird man bereit sein, in Maßen Heulen, Schreien, Weinen hinzunehmen und weiß auch, dass sich Kinder frei bewegen müssen. Wo aber ist die Grenze des objektiv Erträglichen erreicht?

Eine Antwort hierauf gibt jetzt der Bundgerichtshof in einer mietrechtlichen Entscheidung (BGH, Beschl. v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16 = MietRB 2017, 346 = MDR 2017, 1175) – die im Wohnungseigentumsrecht freilich „1:1“ anwendbar ist. Seine zentrale Antwort geht dahin, dass Geräuschemissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, grundsätzlich hinzunehmen seien.

Auf der anderen Seite habe jedoch die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen. Diese seien jeweils im Einzelfall zu bestimmen unter Berücksichtigung namentlich von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen, des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie der Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen.

Alles dieses ist richtig und wahr – und hilft im Einzelfall doch nicht viel weiter. Besser sind daher Hausordnungen. Solche sollten Vermieter mit Mietern und Wohnungseigentümer untereinander vereinbaren. Hausordnungsregelungen sollten dabei angemessen Raum für Lärm – und Raum für Ruhe geben. Liegt es so, wird diese Leitlinie es allen einfacher machen, zu sehen, was zumutbar ist – und was nicht. Denn die vom Bundgerichtshof für richtig erachtete Abwägung können Mieter und Wohnungseigentümer in der Regel nicht leisten. Entsprechendes gilt auch für Richter.

Die Göttin der Gerechtigkeit

Justitia ist – glaubt man an eine Götterwelt – die Göttin der Gerechtigkeit. Seit vielen Jahrhunderten wird sie meist mit einer Augenbinde dargestellt. Die Augenbinde ist heutzutage kein Spott mehr, sondern neben der Waage das Symbol für die Unparteilichkeit, also das richten ohne Ansehen der Person.

Schaut man auf die eine oder andere Entscheidung, könnte man – wie zum Beginn der Darstellungen der Justitia mit einer Augenbinde – meinen, die Augenbinde stehe im Einzelfall auch für die Fähigkeit, nicht alles zu sehen. Ein Beispiel. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2017 ­– V ZB 52/15 – Rz. 15 unterrichtet unter Bezugnahme im Wesentlichen auf Palandt davon, durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer könne ein Vertrag zwischen der Gemeinschaft und einem Ersatzzustellungsvertreter zustande kommen. Beim Beschluss des Gerichts nach § 45 Abs. 3 WEG sei es nicht anders.

In § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG heißt es indes ebenso wie in § 45 Abs. 3 WEG „Bestellung“. Dies deutet womöglich darauf hin, die Wohnungseigentümer – und ebenso das Gericht – bestellten durch einen Beschluss eine Person. Denn von einem Vertrag steht da nichts. Und das zu Recht. Denn natürlich kann der Ersatzzustellungsvertreter einen Vertrag schließen. Das ist sogar sinnvoll. Der Vertrag (die Anstellung) ist aber von der Bestellung zu unterscheiden. Wie beim Verwalter. Und wie beim Verwaltungsbeirat. Auch nach dem von Bundesgerichtshof zitierten Palandt ist daher zu unterscheiden. In der aktuellen Auflage heißt es in dem eigentümlichen „Palandt-Deutsch“ bei § 45 WEG Rz. 6 wie folgt:

„Davon [Anm. des Verfassers: von der Bestellung] zu unterscheiden ist der Vertretervertrag (BGB 662 [zB bei WEigtümer] od 675 [zB bei RA]) zw der GdWE u dem Bestellten. Über Angebot an Bestellten einschl VertrInhalt (zB Vergütg, Form der Unterrichtg, AufwendgsErsHöhe) bzw Annahme dessen Angebots wird ebenfalls mit Mehrh beschlossen (entspr § 26 Rn 12 ff); idR wird er dch den Austausch von Bestellgs- u AnnahmeErkl stillschw geschlossen. Vergütg (BGB 611, 612) u AufwendgsErs (zu dessen Höhe vgl LG Mü ZMR 10, 803) einschl Vorschuss (BGB 669, 670) werden von der GdWE geschuldet u getragen“.

So – in der Regel allerdings lesbarer – steht es in jedem aktuellen Kommentar bei § 45 WEG (auf Nachweise verzichte ich an dieser Stelle mit Freuden). Ferner findet sich auch in jedem aktuellen Kommentar, aber auch in Habilitationsschriften und Aufsätzen, etwas zur Frage, ob Wohnungseigentümer durch Beschluss namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem Dritten ein Angebot machen können oder ob der Beschluss nur ein Weg ist, einen Willen zu bilden, der dann aber noch durch Abgabe eines Angebots auszuführen ist (siehe dazu nur § 27 Abs. 1 WEG).

Zwar mag man selbst der Auffassung sein, (auch) durch Beschluss könne ein Angebot ausgesprochen werden. Vielleicht hat man dabei sogar gute, gar die besseren Argumente auf seiner Seite. Diese sollte man dann aber auch nennen. Tut man es nicht, bleibt leichter Argwohn, man wolle das andere einfach nicht sehen. Die Bedenken sind im konkreten Fall wahrscheinlich nicht begründet – man war sich wohl seiner Ansicht am Ende einer Entscheidung einfach sehr sicher und sah bei den abrundenden Hinweisen keinen genügenden Anlass, den Blick schweifen zu lassen. Das hätte man aber tun können – und wohl auch tun sollen. Denn so könnte der Ungerechte meinen, Justitia trüge auch zur Unzeit eine Augenbinde.

Im Übrigen: In vielen Gerichten findet man die Augenbinde – aber nicht immer. Warum auch nicht? Denn hat Justitia ihr Urteil gefällt, kann sie doch den Menschen ins Gesicht sehen und sollte es tun. Verlässt man das Gericht, etwa das Oberlandesgericht in Berlin, kann es daher schon sein, dass Justitia einen streng beäugt. Im Übrigen soll in Preußen seiner Majestät Minister der öffentlichen Arbeiten mit Schreiben vom 18. Januar 1907 sogar bestimmt haben, bei „künftigen Gerichtsbauten die Justitia ohne Augenbinde auszuführen“ (http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/symbol-im-modernen-rechtstaat-justitia-reif-fuer-die-besenkammer/). Na dann.

Viva la Revolución?

Nach Wikipedia ist eine Revolution ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Der Wandel kann friedlich oder gewaltsam vor sich gehen. Eine Revolution von oben – auch nach Wikipedia – beschreibt grundlegende Reformen vonseiten der Herrschenden. Solche Revolutionen – Revolutionen von oben – finden sich im Wohnungseigentumsrecht häufig. Bedeutsame Beispiele sind etwa die BGH-Entscheidungen vom 20.09.2000 – V ZB 58/99 zur Frage, ob es eine Beschlusskompetenz gibt, ein Sondernutzugsrecht zu gewähren, vom 23.08.2001 – V ZB 10/01 zu konstitutiven Bedeutung der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses, vom 25.09. 2003 – V ZB 21/03 zur Reichweite des § 16 Abs. 2 WEG oder vom 02.06.2005 – V ZB 32/05 zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Alles keine Ruhmesblätter. Wir haben sie aber überlebt und – zum Teil – festgestellt, dass es gar nicht so schlimm war.

Möglicherweise haben wir es jetzt wieder mit so einer grundlegenden Reform vonseiten der WEG-Herrschenden zu tun. In einer „Nebenbeibemerkung“ könnte nämlich zu lesen sein, in der Zustimmung zu einer baulichen Veränderung könne zugleich die Gewährung eines Sondernutzungsrechts liegen (BGH, Urteil vom 13.01.2017 – V ZR 96/16, Rz. 30 ff. und Leitsatz 2). Wäre es so, wäre das freilich ein hier zu würdigender „Paukenschlag“. Denn stets müssten nun die Wohnungseigentümer und müsste der Verwalter als Versammlungsleiter prüfen, ob in der baulichen Veränderung – für eine Modernisierung kann nichts anderes gelten – zugleich ein Sondernutzungsrecht liegt. So liegt es zwar nicht beim Einbau eines Personenaufzugs (hier irrt der BGH), da dessen Errichtung tatsächlich noch nichts dazu sagt, wer den Personenaufzug später (allein) gebrauchen darf. So liegt es der Sache nach aber etwa bei der Anbringung von Schildern, da die Fläche, an denen sie befestigt werden, eben nur von dem „bauwilligen“ Wohnungseigentümer (respektive seinem Schild) gebraucht wird.

Kann dieses Denken indes richtig sein? Kann es wahr sein, dass eine BGH-Rechtsprechung dazu führt, dass das, was von Gesetzes wegen beschlossen werden kann, dennoch nichtig sein kann? Ich selbst meine – man merkt das natürlich –, es könne nicht richtig sein. Ich wehre mich dagegen, das Gesetz gleichsam zu kastrieren. Ich meine, wer bauen darf, darf dabei dann eben auch die Bauteile oder Flächen allein gebrauchen, an denen er baut. Alles anderes ist für mich selbst eher sinnfrei. Es kann doch nicht sein, dass sich eine – durchaus fragwürdige – Rechtsprechung baulichen Veränderungen in den Wege stellen können kann. Ich hoffe daher – auch hier –, Karlsruhe bliebe eher konservativ und führte aus, hat es dazu mal wieder Gelegenheit, man verstehe es falsch und verdrehe das Gedachte/Gemeinte/Gewollte. Denn Karlsruhe habe eigentlich – wenn überhaupt – nur etwas zur Beschlussersetzung sagen wollen, nicht aber zu baulichen Veränderungen. Eine solche kann zwar seiner Ansicht sehr wohl auf eine Vereinbarung zielen, das ist aber ein anderer Irrtum, dem auch ein anderes Mal nachzugehen ist.

Dum spiro, spero!

Ich beschäftige mich hier und da mit dem Wohnungseigentumsrecht – etwa seit 20 Jahren. Am Anfang wusste ich nichts – und fällte dennoch Beschlüsse (es galt das FGG). Es wird das eine oder andere „Produkt“ geben, für das ich mich schämen muss. Seitdem habe ich zwar ein wenig gelernt. Ich weiß aber wohl besser als viele andere, wie wenig ich weiß.

Manches, so dachte ich, sei freilich von dem, was ich so denke oder sage, unangreifbar. Etwa der Satz: alle wesentlichen Bauteile, die man an einem in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäude sehen kann – was also die äußere Gestaltung betrifft – stehen im gemeinschaftlichen Eigentum. Warum ich hier so sicher war? Nun, so steht es in § 5 Abs. 1 WEG. Und so ist es auch völlig unstreitig.

Muss ich jetzt umlernen? Jedenfalls in einem Anfang April 2017 – also rund 5 Monate nach seiner Verkündung – veröffentlichten Urteil meint der Bundesgerichtshof, ein „Dachvorbau“ (teilverglaste Holzseitenwände) stehe im Sondereigentum (BGH, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 49/16, Rz. 8). Zum Beleg zitiert der Sachrechtssenat unter anderem – Stefan Hügel und mich (Hügel/Elzer, WEG, 1. Auflage 2015, § 5 WEG Rz. 40 Stichwort Dachterrasse). Die Aussage steht da aber – natürlich – nicht. Denn wir äußern uns nur zur Frage, in wessen Eigentum der Raum steht und berichten über die von uns abgelehnte h.M., eine Dachterrasse sei Raum. Was für die wesentlichen Bestandteile eines im Sondereigentum stehenden Raum gilt, berichten wir a.a.O. Rz. 10 ff.. Dort ist dann auch Rz. 14 zu lesen, dass ein wesentlicher Gebäudebestandteil eben nicht sondereigentumsfähig ist, wenn seine Veränderung, Beseitigung oder das Einfügen der Bestandteile des Gebäudes die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert. Und so liegt es im Fall – streiten die Wohnungseigentümer doch gerade, ob der Dachvorbau den optischen Gesamteindruck des Gebäudes gegebenenfalls nachteilig verändert.

Da ich das alles auch weiterhin für richtig halte, bin ich zu einem Umlernen nur wenig geneigt. Ich selbst meine daher, der Bundesgerichtshof leitete aus der von ihm gefundenen Prämisse höchst interessante, freilich auch höchst falsche Schlüsse ab. Wenn es etwa heißt, auf [bestimmte] bauliche Maßnahmen am Sondereigentum seien § 22 Abs. 2 und 3 WEG entsprechend anzuwenden, halte ich das für sehr unglücklich. Wer da wohl über die Verwaltung des Sondereigentums abstimmt – der Erdgeschoßbewohner?

Und warum ist der Beschluss nicht nichtig ? Geht es nicht um die Verwaltung des Sondereigentums? Und wenn der Bundesgerichtshof, Rz. 21, vom Gesetzgeber berichtet, der nicht bedacht habe, dass das gleiche Problem bei baulichen Maßnahmen am Sondereigentum auftritt,  deren  Nachteil  für  andere Wohnungseigentümer  in  ihrer  Ausstrahlung  auf den  optischen  Gesamteindruck  des  Gebäudes  bestehe, dann werde ich wohl auch künftig sagen, der Gesetzgeber habe die Frage gar nicht bedenken müssen.

Was bleibt, ist meine Hoffnung (spero), der Bundesgerichtshof korrigierte sich – so schnell es nur geht und während (dum) ich noch atme (spiro). Die Kraft und den Mut dazu hat der Bundesgerichtshof. Wenn es dann heißt, man habe ihn nur missverstanden, das Landgericht habe eben nichts anderes festgestellt, so soll mir das recht sein.

 

 

Hic sunt dracones

Die Juristen Savigny und Thibaut stritten vor ziemlich genau 200 Jahren über Sinn und Unsinn einer Kodifikation des Privatrechts. Savigny, der ironischer Weise später in Preußen Minister für Revision der Gesetzgebung wurde, meinte, es sei zunächst ein gründliches Studium der Rechtsquellen notwendig. Wer will sich dem entgegenstemmen. Hat man etwa die Freude gehabt, einer Arbeitsgruppe des BMJV auch nur gastweise anzugehören, kann man nur darauf pochen, dass die, die da basteln, den Stoff, an dem sie rummokeln, besser kennen sollten.

Ungeachtet dessen ist eine WEG-Reform angekündigt worden. Die Bundesregierung hat in einer Kabinettssitzung am 9.  November 2016 Änderungsbedarf am WEG eingeräumt und diese für die nächste Legislaturperiode – wer auch immer dann im Amt ist – auch in Aussicht gestellt. Hintergrund ist ein Antrag des Bundesrates (BR-Drucksache 340/16) zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität in Wohnungseigentümergemeinschaften. Dieser ist freilich handwerklich eher ärgerlich und kann so nicht umgesetzt werden.

Richtig ist indes, dass es – wie nicht zuletzt die Entscheidung BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16 zum Wunsch eines Wohnungseigentümers, einen Aufzug auf eigene Kosten zu bauen, zeigt – durchaus Punkte gäbe, die man im WEG ändern könnte. Ein Punkt wäre etwa die bislang völlig misslungene Kodifikation des Verbandes Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein anderer wären Vorgaben für die nach § 28 Abs. 3 WEG zu erstellende Abrechnung nebst Muster oder die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums vom Bauträger. Diese und viele andere diskutierte Änderungen sollten aber erst in Angriff genommen werden, wenn die Fragen ausreichend abgewogen, die Probleme verstanden und die möglichen Lösungen bekannt sind. Dass der Gesetzgeber das leisten kann, ist freilich unsicher. Dass es der BGH leistet, wird man aber auch nicht ernsthaft erwarten dürfen.

Schön wäre daher eine Art „WEG-Lehrstuhl“. Ebenso wie mit einer Lehrbefugnis für Mietrecht wird man damit zwar nicht unbedingt rechnen dürfen. Es wäre aber sinnvoll, ein Recht, dass Millionen von Deutsche berührt, nicht mehr länger links liegen zu lassen. Was es braucht, ist daher gegebenenfalls ein Stifter. Vielleicht erbarmt sich ja irgendwann mal ein Verlag.

Hausverwaltung oder was?

Ich habe an dieser Stelle schon zuvor gewitzelt und damit gewarnt, Begriffe ernst zu nehmen. Ein Begriff, den ich noch nicht genannt habe, ist der der Hausverwaltung. Klingt der Ihnen vernünftig? Ja, da gebe ich Ihnen recht. Er klingt nett.  Aber: im Wohnungseigentumsrecht? Wer verwaltet das gemeinschaftliche Eigentum?

Machen wir es wie früher in der Sesamstraße. Welcher Begriff ist richtig: Hausverwaltung, Verwaltung, Verwalter-GmbH, Hausverwalter, Verwalter. Es ist – lesen Sie nach in diversen §§ des WEG – natürlich der Begriff des Verwalters. Klar.

Verwalter kann nach allgemeiner Ansicht zwar auch eine Gesellschaft sein – was nicht klar ist, ist doch das Amt nach vielen höchstpersönlich wahrzunehmen. Das ändert aber nichts daran, dass Organ des Verbandes Wohnungseigentümergemeinschaft und Vertreter der Wohnungseigentümer nicht die Verwalter-GmbH oder die Hausverwaltung ist, sondern der Verwalter.

Und das ist wichtig. Denn die Pflichten und Rechte für das gemeinschaftliche Eigentum haben eben nicht die vielen Mitarbeiter eines Unternehmens, sondern hat der Verwalter. Und eben darum sollten wir uns des Begriffes auch bedienen.

Und daher sollte jeder BGH, Urteil vom 29.01.2016, V ZR 97/15, lesen und etwas die Stirn runzeln. Ich selbst zähle dort 19 mal den Begriff Hausverwalter bzw. Hausverwaltung. Wie schade – und kein Anlass zur Nachahmung.

 

Vom Aufstellen und verändern

Manche Fälle lassen mich ruhig schlafen. Andere nicht. Zu den Fällen, die mich eher unruhig werden lassen, gehören die, wenn Wohnungseigentümer etwas auf dem gemeinschaftlichen Eigentum abstellen. Das können Tische, Bänke, Kübel, Liegen, aber auch ein Sandkasten, ein Kinderschwimmbecken, eine mobile Terrasse oder ein Trampolin sein.

Land auf Land ab meint man, es handele sich beim Auf-/Drauf-/Hinstellen, Hinlegen, Ablegen um eine bauliche Veränderung (§ 22 Abs. 1 WEG). Und das ist falsch. Natürlich ist es vorstellbar, dass das, was da jetzt neu ist, stört. Dann aber wird vom gemeinschaftlichen Eigentum ein nachteiliger Gebrauch gemacht (§ 14 Nr. 1 WEG). Und den muss man, klagt einer, unterlassen (§ 15 Abs. 3 WEG).

Anders ist es hingegen, wenn das, um das es geht, fest im Boden verankert, vor allem einbetoniert wird. Denn dann wird in der Tat in die „Substanz“ des gemeinschaftlichen Eigentums eingegriffen und diese verändert. Und dann kann man fragen, ob es eine bauliche Veränderung ist – oder eine Modernisierung.

Wer das nicht glaubt, glaubt auch, dass man baut, wenn man ein Auto oder einen Container abstellt oder wenn man Licht auf eine Fassade wirft. Aber wer sollte das schon glauben? Tja, gegebenenfalls die „herrschende Meinung“. Aber auch die kann ja mal falsch gewickelt sein.