For a man’s house is his castle!

Viele Wohnungseigentümer mögen in Anlehnung an Sir Edward Coke (1552-1634) denken, es müsse einem Hausherrn wohl gestattet sein, sich gegen Diebe, Räuber und Angreifer zur Wehr zu setzen und zusammen mit Freunden und Nachbarn seinen Besitz mit Waffengewalt zu verteidigen, for a man’s house is his castle („denn eines Mannes Haus ist seine Burg“). Und weil das so ist, will man auch nicht von Geräuschen, die Nachbarn verursachen, belästigt werden. Dies gilt auch dann, wenn es um Geräusche geht, die von Kindern ausgehen. Zwar wird man bereit sein, in Maßen Heulen, Schreien, Weinen hinzunehmen und weiß auch, dass sich Kinder frei bewegen müssen. Wo aber ist die Grenze des objektiv Erträglichen erreicht?

Eine Antwort hierauf gibt jetzt der Bundgerichtshof in einer mietrechtlichen Entscheidung (BGH, Beschl. v. 22.8.2017 – VIII ZR 226/16 = MietRB 2017, 346 = MDR 2017, 1175) – die im Wohnungseigentumsrecht freilich „1:1“ anwendbar ist. Seine zentrale Antwort geht dahin, dass Geräuschemissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, grundsätzlich hinzunehmen seien.

Auf der anderen Seite habe jedoch die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen. Diese seien jeweils im Einzelfall zu bestimmen unter Berücksichtigung namentlich von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen, des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie der Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen.

Alles dieses ist richtig und wahr – und hilft im Einzelfall doch nicht viel weiter. Besser sind daher Hausordnungen. Solche sollten Vermieter mit Mietern und Wohnungseigentümer untereinander vereinbaren. Hausordnungsregelungen sollten dabei angemessen Raum für Lärm – und Raum für Ruhe geben. Liegt es so, wird diese Leitlinie es allen einfacher machen, zu sehen, was zumutbar ist – und was nicht. Denn die vom Bundgerichtshof für richtig erachtete Abwägung können Mieter und Wohnungseigentümer in der Regel nicht leisten. Entsprechendes gilt auch für Richter.

Entrichtet oder nicht? Der Frontalangriff des BGH auf Rechtzeitigkeitsklauseln in Wohnungsmietverträgen

Bisher von der Fachöffentlichkeit nur sporadisch bemerkt, hat der BGH mit zwei Entscheidungen jeweils vom 5.10.2016 die allgemein gebräuchliche Rechtzeitigkeitsklausel, nach der es für die Fälligkeit der Miete auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters bis zum 3. Werktag des laufenden Monats ankommt, „kassiert“ und damit die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zur Fälligkeit einer Geldleistung in §§ 269, 270 BGB – nach Auffassung des BGH auch § 556b Abs. 1 BGB – für die Wohnungsmiete revitalisiert.

Die Entscheidungen haben Auswirkungen auf die zahlungsverzugsbedingte Kündigung, insbesondere auf die Kündigung des Mietverhältnisses wegen unpünktlicher Mietzahlungen. Danach zahlt der Mieter die Miete für den laufenden Monat im Überweisungsverkehr rechtzeitig – eine Kündigung ist also ausgeschlossen – wenn er bei ausreichend gedecktem eigenen Konto seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktags des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt. Auf den durch die Klausel

„Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an. Aus mehrfach verspäteter Mietzahlung kann der Mieter keine Rechte herleiten; vielmehr kann dies im Einzelfall ein Grund für eine Kündigung des Mietverhältnisses sein.“

vereinbarten Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters kommt es nach Auffassung des BGH nicht an. Denn die zitierte Rechtzeitigkeitsklausel sei nach der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie entgegen der gesetzlichen Regelung dem Mieter das Verzögerungsrisiko auch in Fällen auferlegt, in denen der Zahlungsdienstleister die Verzögerung verursacht hat. Beide Entscheidungen sind identisch begründet.

Gesetzliche Ausgangslage

556b Abs. 1 BGB definiert den Fälligkeitszeitpunkt für die Wohnraummiete. Danach ist die Miete nach der Mietrechtsreform 2001 abweichend von der alten Regelung in § 551 BGB a.F. zum Beginn, spätestens bis zum 3. Werktag des einzelnen Zeitabschnitts zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Ebenso wenig wie § 551 BGB a.F. regelt die Vorschrift, wo und wie der Mieter die Miete zu zahlen hat. Mangels vertraglicher Vereinbarung hierzu ist für diese Frage § 270 Abs. 1 BGB einschlägig.

Im Gewerberaummietrecht bestimmt sich die gesetzliche Fälligkeit der Miete ebenso nach § 556b Abs. 1 BGB. Denn § 579 Abs. 2 BGB nimmt als Verweisungsvorschrift auf § 556b Abs. 1 BGB Bezug.

Kritische Würdigung der neuen BGH-Urteile

In Ergebnis und Begründung überzeugen die Entscheidungen keinesfalls. Sie beruhen auf einem fehlerhaften Verständnis von § 556b Abs. 1 BGB. Denn der Gesetzgeber selbst wollte mit der mietrechtlichen Vorschrift des § 556b Abs. 1 BGB die bisherige Vertragspraxis im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 nachzeichnen und in das Gesetz übernehmen (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 52 zu Ziff. 1). Der Gesetzgeber präzisiert dieses Verständnis auch noch ausdrücklich durch seine unmittelbar folgenden Ausführungen, wörtlich:

Da die meisten Verträge außerdem vorsehen, dass es ausreicht, wenn der Mieter die Miete bis zum dritten Werktag des jeweiligen Zeitabschnitts entrichtet, wurde diese Frist entsprechend übernommen.

 Weiter heißt es in der Begründung zu § 579 Abs. 2 BGB ausdrücklich:

bei der Raummiete wird (…) in Absatz 2 auf die Vorschrift für Wohnraummietverhältnisse verwiesen (§ 556b Abs. 1 Entwurf). Das bedeutet, dass auch hier die Miete angepasst an die Vertragswirklichkeit künftig anders als bisher kraft Gesetzes vorschüssig zu zahlen ist. Es bleibt aber dabei, dass abweichende vertragliche Vereinbarungen zulässig sind“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 74).

 Und die Vertragspraxis stellte eben schon seit dem Erlass des BGB-Mietrechts im Jahre 1900 auf den Eingang der Miete beim Vermieter ab (vgl. zur inhaltlichen Entwicklung vertraglicher Zahlungsvereinbarungen im Wohn- und Gewerbemietrecht vertiefend: Horst, Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht – Diss. Bremen 2005, S. 22 ff, 34, 40).

Schon nach den Gesetzgebungsmaterialen ist § 556b Abs. 1 BGB so auszulegen, dass der Begriff des „Entrichtens“ auch den Zahlungseingang auf dem Konto des Vermieters mit umfasst. Dass das wiedergegebene wörtliche Zitat des Gesetzgebers vom BGH selbst gesehen und für seine Gegenansicht fruchtbar gemacht wird (Rz. 21 der Entscheidungsgründe), ist nun wirklich nicht mehr nachvollziehbar.

Weiter kommt es gesetzlich auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit an (§§ 535 Abs. 2, 362 BGB). Erfüllt ist eine Verbindlichkeit erst bei Bewirkung der Leistung, also bei Eingang der Zahlung auf dem Vermieterkonto (Grüneberg in Palandt, § 362 BGB Rz. 10 – 12 m.w.N. zur Rspr.).

Nur so ist der identisch zu § 556b Abs. 1 BGB in § 535 Abs. 2 BGB a. E. verwendete Begriff „entrichten“ auch aufzufassen. Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der Vermieter die Mietzahlung auch erhalten will (vgl. zu diesem Verständnis bestätigend: Eisenschmid in Schmidt-Futterer, § 535 BGB Rz. 634, 1. Satz:  „erfüllen“). Es gibt also durchaus Belege für die These, dass die vom BGH verworfene Klausel zumindest nicht von § 556b Abs. 1 BGB abweicht. Dann aber wäre die Rechtzeitigkeitsklausel schon unter diesem Aspekt einer AGB-Klauselkontrolle schon nicht zugänglich (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB).

Folgt man dem nicht, so bleibt zu untersuchen, ob und inwieweit die Rechtzeitigkeitsklausel in kundenfeindlichster Auslegung vom Gesetz abweicht. Zunächst ist § 556b Abs. 1 BGB vertraglich abdingbar (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 52 zu Ziff. 1, 74). Nach den Vorgaben einer AGB-Klauselkontrolle führt eine vertragliche Modifikation der gesetzlichen Rechtslage durch Allgemeine Geschäftsbedingungen aber nur dann zu einem Unwerturteil in Bezug auf eine geprüfte Klausel, wenn die Abweichung vom Gesetz so stark ist, dass sie den Mieter als Verwendungsgegner der Klausel unangemessen benachteiligt.

Der BGH rechtfertigt diesen Schluss vor allem mit dem Hinweis darauf, der Mieter müsse nach der Klausel in ungünstigster Auslegung (kundenfeindlichster Auslegung) auch das Verzögerungsrisiko eines beteiligten Geldinstitutes übernehmen.

Hier muss zunächst zwischen den Geldinstituten unterschieden werden, bei dem der beauftragende Mieter und der zahlungsempfangende Vermieter ihre Konten unterhalten. Die beauftragte eigene Bank dürfte zwar mit der bisher h.M. Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Begleichung seiner Mietschuld sein.

Dieser Aspekt kann aber im Ergebnis vernachlässigt bleiben. Denn jedenfalls ist die kontoführende Bank des Vermieters nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters im Verhältnis zum Vermieter. Nach dem Grundsatz kundenfeindlichster genügt das, denn der Klauselwortlaut lässt sich auch als aufgegebenes Verzögerungsrisiko für Verzögerungen bei der Vermieterbank verstehen.

Dem Gesetz kann eine Haftungszurechnung zu Lasten des Mieters für dieses Risko nicht entnommen werden, bei kundenfeindlichster Auslegung benachteiligt diue Klausel also tatsächlich den Miete; im Unterschied zur Wertung des BGH aber nicht unangemessen:

Zunächst kann der Vermieter selbst bei fehlendem eigenen Verschulden des Mieters gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB sogar fristlos wegen ständiger unpünktlicher Mietzahlungen kündigen. Wie der BGH selbst in seiner Entscheidung vom 29. 6. 2016 – VIII ZR 173/15, MDR 2016, S. 1080 bestätigt, kann allein die objektive Pflichtverletzung, die in der unpünktlichen Zahlung liegt, für eine Kündigung ausreichen. Das Verschulden ist dabei nicht Tatbestandsvoraussetzung, sondern lediglich Abwägungskriterium. Dann aber kann es auf die Frage der Zurechenbarkeit von Fremdverschulden der Zahlungsdienstleister letztlich nicht ankommen. Diesen Umstand lässt der BGH völlig beiseite.

Weiterhin beträgt der Unterschied in der Praxis der Klausel im Verhältnis zum Gesetz lediglich zwei Tage! Der BGH hat aber bereits an anderer Stelle entschieden, dass ein durch Formularklausel angeordneter Unterschied von nur wenigen Tagen im Zahlungsverhalten im Vergleich zum Gesetz den Mieter nicht unangemessen benachteiligt (BGH, Urt.v. 4.5.2011 – VIII ZR 191/10, NZM 2011, 579 = ZMR 2011, 708; dazu auch: Lützenkirchen in Lützenkirchen, Kommentar zum Mietrecht, § 556b BGB Rz. 58 und 11).

Die Vertreter der strengeren Ansicht, im Lichte der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie handle es sich bei Geldschulden nunmehr um eine modifizierte Bringschuld, gelangen zu einem zeitlich noch früheren Handlungsgebot für den Mieter. Sie berufen sich auf § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zahlungszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingehen müsse. Solle die Miete dem Vermieter am dritten Werktag zur Verfügung stehen, so müsse der Überweisungsauftrag grundsätzlich am letzten Tag des Vormonats erteilt werden. In diesem Falle müsse die Mieterbank den Auftrag am ersten Werktag ausführen und dafür Sorge tragen, dass die Miete im Verlauf des zweiten Werktags bei der Vermieterbank eingehe (§ 675t BGB). Der Vermieter könne dann zu Beginn des dritten Werktags über den Betrag verfügen (so ausdrücklich: Blank in Schmidt-Futterer, 543 BGB Rz. 94). Auch nach dieser Auffassung liegt schon keine Abweichung der Klausel vom gesetzlichen Leitbild vor.

Und schließlich: Im Gewerbemietrecht ist die vom BGH im Wohnungsmietrecht verworfene Rechtzeitigkeitsklausel mit der Maßgeblichkeit des Zahlungseingangs auf dem Konto des Vermieters bis zum dritten Werktag des laufenden Monats auch vom BGH seit jeher akzeptiert worden (BGH, Urt.v. 24.6.1998 – XII ZR 195/96, BGHZ 139, 123, 125). Der BGH bestätigt diese Wertung in den hier kommentierten Entscheidungen zum Wohnungsmietrecht.

Der Senat gibt sich dann zwar große Mühe, Unterschiede zur notwendigen Wertung innerhalb des Wohnungsmietrechts herauszuarbeiten lässt dabei aber unbeachtet, dass sich die Fälligkeit der Miete sowohl in der Wohnungsmiete als auch in der Gewerbemiete nach derselben Vorschrift, eben nach § 556b Abs. 1 BGB, bemisst. Im ersten Fall gilt die Vorschrift unmittelbar, im zweiten Fall kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung in § 579 Abs. 2 BGB. Der BGH gelangt also unter Anwendung desselben Gesetzesrechts zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen und setzt sich deshalb mit der neuen Entscheidung auch noch zu sich selbst in Widerspruch.

Praxisempfehlung und Fazit

Auch wenn den Entscheidungen vom 5.10.2016  wie gezeigt keinerlei Überzeugungskraft innewohnt, so formen sie die Vermieterpraxis doch aus. Deshalb ist folgendes zu empfehlen:

Aufgrund der allgemein gebräuchlichen – und jetzt verworfenen – Rechtzeitigkeitsklausel, nach der es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters bis zum dritten Werktag des laufenden Monats ankommt, kann gleichwohl wegen ständiger unpünktlicher Mietzahlungen gekündigt werden.

Man sollte aus dem Grunde des „sichersten Wegs“ nur nicht bereits wenige Tage nach vertraglicher Fälligkeit und offen bleibender Mietforderungen Abmahnungen und Kündigungen aussprechen, sich aber gleichwohl auch in der Wohnungsmiete auf die vom BGH geächtete Rechtzeitigkeitsklausel berufen. Wer den für Anwälte immer zu beschreitenden „sichersten Weg“ gehen will, sollte sich dazu auf die zweite Hälfte des laufenden Monats fokussieren. Denn dann kann kündigungsbegründender Zahlungsverzug einschließlich des notwendigen Verschuldens (§ 286 Abs. 4 BGB) des Mieters auch nach den Vorgaben des BGB vom Vermieter dargetan und – soweit ihm dies überhaupt obliegt – unter Beweis gestellt werden.

Selbst bei Verzögerungen durch den von ihm beauftragten Zahlungsdienstleister haftet der Mieter entweder für dessen Verschulden über § 278 S. 1 BGB oder bereits aus eigenem Verschulden. Denn er darf sich nicht darauf verlassen, alles unternommen zu haben, um die Zahlung an den Vermieter zu bewirken, sondern muss sich durch Prüfung seiner Kontoauszüge auch davon überzeugen, dass die Zahlung tatsächlich erfolgt ist. Ansonsten haftet er aus eigenem Verschulden, wie die staunende Schar der Mietrechtler aus der Rechtsprechung des BGH zu zahlungsverzugsbedingten Kündigungen bei Verzögerung durch das Jobcenter in Mietverhältnissen mit sozialhilferechtlichem Einschlag selbst erfahren durfte (BGH, Urt.v. 29. Juni 2016 – VIII ZR 173/15, zitiert nach juris-Datenbank, BGH, Urteile vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09, NJW 2009, S. 3781 Rz. 27 ff und vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14, BGHZ Bd. 204, S. 134 Rz. 20).

Schließlich muss der Mieter beweisen, wann und wie er erfüllt hat (Blank in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, § 543 BGB Rz. 142).

Wenn auch die Instanzrechtsprechung von dem wohl nicht haltbaren BGH-Judiz kaum abweichen dürfte, so bleibt die Hoffnung, dass der Senat selbst seine handwerklichen Fehler erkennt und seine Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeitsfrage bei sich bietender Gelegenheit noch einmal überdenkt.

Schönheitsreparaturen: Das Ende aller Abwälzung?

Die 67. Kammer des LG Berlin hat am 9.3.2017 ein ziemlich aufsehenerregendes Urteil gesprochen (67 S 7/17). Leitsatz:

Vom Vermieter gestellte Formularklauseln, in denen die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen uneingeschränkt auf den Wohnraummieter abgewälzt wird, sind – gemäß §§  536 Abs. 4 BGB, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB – auch dann unwirksam, wenn die Mietsache dem Mieter zu Vertragsbeginn renoviert überlassen wurde.

Nein, kein Schreibfehler. Nicht unrenoviert (das hatte der BGH bekanntlich am 18.3.2015 entschieden), sondern renoviert. Kurz gefasst, argumentiert das Urteil so:

Die Klausel laute zwar, dass der Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen tragen sollte. Als Kostentragungsklausel sei sie ohnehin unwirksam. Aber auch als Vornahmeklausel sei sie das. Denn nach der einschlägigen kundenfeindlichsten Auslegung schließt sie Gewährleistungsrechte des Mieters aus, sofern und soweit er seinen Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten nicht nachkommt.

Das gelte nach BGH (Urt. v. 6.5.1992) für die Abwälzung von Kleinreparaturen und müsse daher erst recht für die teureren Schönheitsreparaturen gelten.

Eine Entgeltabrede, die die Entgeltthese des BGH stützen würde, fand die Kammer im Mietvertrag nicht. Die kundenfeindlichste Auslegung der Klausel ist zumindest im Fall eines langjährigen Mietverhältnisses die Regel. Sie weicht von § 536 Abs. 1 bis 3 BGB ab, woraus ihre Unwirksamkeit nach § 536 Abs. 4 folgt. Dass der Gesetzgeber möglicherweise die Abwälzung der Renovierungslast auf den Mieter in engen Grenzen für zulässig hält, ändert am Ergebnis nichts, da er keinerlei Kodifizierung vorgenommen hat. Im Übrigen liege eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor, unabhängig davon, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert überlassen werde, denn die auferlegten Schönheitsreparaturen seien weder tatsächlich noch wirtschaftlich begrenzt, und es fehle an einer Kompensationsleistung des Vermieters.

Auf dem gerade zu Ende gegangenen Deutschen Mietgerichtstag 2017 hat RA Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen dem Urteil ausdrücklich zugestimmt. Wird die vom LG zugelassene Revision eingelegt, wird der 8. Senat in gewisse argumentative Schwierigkeiten kommen.

 

http://www.mietrb.de/47948.htm

 

Wenn der Hund kratzt, wird’s teuer – Gericht empfiehlt Hundesocken

Nach Auszug des Mieters wurden teilweise bis zu 10 cm lange Kratzer im Parkettboden festgestellt. Verursacher war der vom Mieter gehaltene Labrador. Zwar war individualvertraglich dessen Haltung gestattet. Aber der Mietvertrag enthielt auch noch den Passus, dass „der Mieter für alle durch die Tierhaltung entstandenen Schäden haftet.“

Kratzer kein vertragsgemäßer Gebrauch

Wegen der Kosten für die Wiederherrichtung des Parketts von ca. 4.800 Euro traf man sich letztlich vor dem Landgericht Koblenz. Dieses erklärte mit Urt. v. 6.5.2014 den Mieter für verantwortlich (6 S 45/14, ZMR2015, 555) . Eine Haftungsfreistellung nach § 538 BGB wegen Verschlechterung der Mietsache durch vertragsgemäßen Gebrauch lehnte das LG ab. Denn den Mieter treffe die Pflicht, alles zu unterlassen, was zu einem Schaden der Mietsache führen könne. Darüber hinaus sei zwecks Schadensvermeidung sogar ein positives Tun des Mieters verlangt. Nach dem ersten Krallenkratzer hätte er nämlich das Parkett mit Teppichboden abdecken können. Alternativ wäre auch gewesen, dem Labrador „im Handel erhältlichen Hundesocken“ anzulegen.

Es geht auch anders

Das vorstehende Urteil aus Koblenz ist aber kein Evangelium. So hat etwa das OLG Düsseldorf (16.10.2003 – 10 U 46/03, WuM 2003, 621) betont, dass jedenfalls im Eingangsbereich Kratzer und Schmarren im Parkett als vertragsgemäße Abnutzung zu behandeln seien, für welche der Mieter nicht hafte. Ähnlich auch das AG Siegburg (16.1.2001 – 4 C 53/01, NJW-RR 2001, 1390): Sollte mal in der Schuhsole ein Steinchen von der Straße hängenbleiben, dann hafte der Mieter nicht für solcherart verursachte Parkett-Kratzer.

Schließlich fallen auch im Treppenhaus vereinzelte Kratzer, die von einem Hund stammen, unter den vertragsgemäßen Gebrauch, meinte das AG Hannover (28.4. 2016 – 541 C 3858/15, Mietrecht kompakt 2016, 164).

Praxistipp für die künftige Vermietung

Der Fehler lag bei beiden, Mieter und Vermieter. Sie haben nämlich die Frage der Krallenkratzer bei Vertragsabschluss nicht behandelt. Wäre dieses Thema angesprochen worden, hätte im Rahmen einer Hundehaftpflichtversicherung die ausdrückliche Einbeziehung von Parkettschäden nahegelegen. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass eine Privathaftpflicht­- bzw. Tierhalterhaftpflichtversicherung auch Parkettschäden abdeckt (LG Hannover, 15.08.1997 – 8 S 334/96, juris).

 

Einsicht in Betriebskostenbelege: Ja oder nein?

Ein Urteil des AG Lennestadt (3. 8. 2016, – 3 C 107/16, DWW 2017, 22) wirft die Frage auf, in wie weit der Mieter einen Anspruch auf Übersendung von Photokopien hat.

Mieter ließ zwei Termine verstreichen
Im konkreten Fall hatte der Vermieter zwei werktägliche Termine zur Einsichtnahme angeboten, welche der Mieter aber nicht wahrnahm. Das AG Lennestadt verneinte deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnis den Anspruch auf Übersendung von Kopien. Das Pikante an diesem Fall: Dem Mieter wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Wohnung der Vermieterin im selben Haus aufzusuchen.  Und dort hätte er sogar die Belege photographieren dürfen.
Und sogar, wenn vertraglich eine Übersendung von Kopien ausdrücklich vereinbart ist, kann es treuwidrig sein, sich darauf zu berufen, belehrte das Kammergericht einen Gewerbemieter (KG, 12.3.2012 – 12 U 72/11, Grundeigentum 2012, 689). Nämlich dann, wenn „die Büroräume der Hausverwaltung sich … im selben Hauskomplex … befinden“ wie die Mieträume.

Kein Einzelfall
Die Verweigerung der persönlichen Einsicht in die Betriebskostenbelege ist kein Einzelfall. Denn auch das AG Schwerin hatte unter dem 25.11.2016 (13 C 327/15, Grundeigentum 2017, 234) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass dem Mieter kein Zurückbehaltungsrecht an der Nachzahlung wegen fehlender Belegeinsicht zustehe, da er vier angebotene Termine zur Belegeinsicht nicht wahrgenommen habe.

Mieter schadet sich selbst
Ein Mieter, der sein Einsichtsrecht ignoriert, ist überdies nach Ablauf der Einwendungsfrist auch im Prozess mit konkreten Einwendungen ausgeschlossen. Denn in der dem Gesetz zugrunde liegenden Bundestags-Drucksache (14/4553, S. 87, zu b) heißt es: „Nach Ablauf dieser Frist gilt die Abrechnung, soweit keine Einwendungen erhoben wurden, als richtig.“

Störung des Betriebsablaufs
Gegen eine persönliche Einsichtnahme durch den Mieter können aber auch praktische Gründe sprechen. Bei umfangreichen Unterlagen muss dem Mieter auch mehr als 2 ½ Stunden Zeit zur Einsichtnahme gegeben werden (Lützenkirchen, Mietrecht, § 556 BGB, Rz. 786 sowie weiterführend Rz. 789 ff.). So dürfte es tunlich sein, dass die ganze Zeit über der Vermieter oder einer seiner Angestellten im Raum ist. Kurzum, eine persönliche Einsichtnahme kann den Betriebsabläufe erheblich stören.  Und dem Privatvermieter wird es auch nicht immer recht sein, dass sukzessive mehrere Mieter tagelang seine Wohnung frequentieren.

Lösungsvorschlag
Deshalb bietet es sich an, nach eigener Einschätzung dem Mieter schon mit der Abrechnung Kopien zu solchen Positionen beizufügen, die sich gegenüber dem Vorjahr wesentlich geändert haben. Damit hält sich der Kopieraufwand in Grenzen. Und da schon sehr viele Haushalte über einen Computer verfügen, wäre zu überlegen, zusammen mit der Abrechnung eine heutzutage sehr preisgünstige CD-ROM mitzuversenden.

Kosten
Sämtliche nachweislichen Kosten der Einsichtnahme bzw. Vorlage trägt gem. § 811 Abs.2 BGB der Mieter, auch seine eigenen, etwa Fahrtkosten (streitig). Die Kosten eine Kopie wären im allgemeinen mit je 0,25 Euro anzusetzen.

Warmwasserzählereinbau: Bau- oder Folgekosten bei anschließender Neuverfliesung?

Das AG Köln (v. 12.04.2016 – 219 C 352/15, ZMR 2016, 786) musste folgenden Fall lösen: Der Mieter wollte die Kosten für Warmwasser nach § 12 HeizkostenV um 15% kürzen, weil dieses nicht verbrauchsabhängig abgerechnet worden sei. Der Vermieter berief sich jedoch auf § 11 Abs. 1 Nr. 1 b HeizkostenV. Hiernach entfällt das Kürzungsrecht, wenn innerhalb von zehn Jahren die Anbringungskosten für die Zähler durch die Energieeinsparung nicht erwirtschaftet werden. Denn konkret sei die im ganzen Hause in zehn Jahren zu erwartende Einsparung von rund 13.800 Euro deutlich geringer sei als die für den Zählereinbau aufgewandten rund 24.000 Euro.

Das AG hielt den Betrag von 24.000 Euro für zu hoch, weil der Vermieter die Kosten einer Neuverfliesung dazugerechnet habe. Das ginge gar nicht, denn diese Kosten hingen nicht unmittelbar mit dem Anbringen der Warmwasserzähler zusammen, da es Folgekosten seien. Zudem erhalte der Vermieter einen Ausgleich, weil „die Neuverfliesung der Badezimmer den Wert der Wohnungen“ steigere.

Zweierlei fällt auf: Zum einen stellte die (Neu)Verfliesung nur den früheren Zustand wieder her, ist also – anders als eine (Erst )Verfliesung – keine Wertverbesserung. Vor allem ist aber zu bedenken, dass der BGH zu den Tapezierkosten nach Wasserzählereinbau ganz anders entschieden hat: „Zu den Kosten baulicher Modernisierungsarbeiten zählen auch Aufwendungen zur Wiederherstellung einer durch die Bauarbeiten beschädigten Dekoration (BGH, 30.03.2011 – VIII ZR 173/10, MDR 2011, 591 = MietRB 2011, 170). Was für Tapezierung gilt, kann für Fliesen nicht anders sein.  Denn „Der Vermieter schuldet … die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Alle Kosten, die hierfür aufzuwenden sind, sind Baukosten;“ (so: Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 11/2011, Anm. 2).

Schließlich entspricht es auch lebensnaher Betrachtung, das Aufstemmen von Fliesen, den Einbau des Warmwasserzählers und das Einsetzen neuer Fliesen als eine einheitliche Maßnahme anzusehen.

Kosten für Rauchmelder – Einmal Hü, einmal Hott

In etlichen Bundesländern sind im Baubestand Rauchmelder schon Pflicht, zum Teil laufen die Übergangsfristen für die Nachrüstung Ende 2016 aus (so § 49 Abs. 7 BauO-NRW).
Werden die Rauchmelder vom Vermieter gekauft und installiert, kann er eine Mieterhöhung nach § 559 BGB vornehmen (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Wohnraum- und Geschäftsraummiete, 4. Aufl. 2014, Anm. III.A. Rn. 2669, Seite 1056; Schumacher, NZM 2005, 641). Da die Mieterhöhung nur recht gering ausfällt, lohnt sich der bürokratische Aufwand kaum, so dass in der Praxis auf eine Mieterhöhung nur betr. die Rauchmelder verzichtet wird.
Stattdessen wird z.B. in Mietverträgen vereinbart, dass der Mieter neben den Wartungskosten auch die Kosten einer Anmietung (Leasing) der Rauchmelder trage.

Ist eine solche Klausel wirksam?
Ein klares Nein verkündete das LG Hagen (04.03.2016 – 1 S 198/15, DWW 2016, 175): Zwar seien Kosten für die Wartung umlegbare „sonstige Betriebskosten“ gem. § 2, Nr. 17 BetrKV.
Die Anmietkosten der Rauchmelder seien letztlich Anschaffungskosten und daher nicht umlegbar.
Auf ein eindeutiges Ja stößt man indes bei der Recherche in der Datenbank Juris (AG Pinneberg, 24.05.2016 – 81 C 141/14). Der Amtsrichter: Als sonstige Betriebskosten i.S.d. Sinne des § 2 BetrKV seien die Anmietkosten für Rauchwarnmelder umlegbar. Gleiches gelte auch für die Servicekosten, da die Wartung regelmäßig erfolgen müsse.

Wie ließe sich der Widerspruch auflösen?
Man könnte dem AG Pinneberg folgend die Umlage der Leasingkosten als sonstige Betriebskosten vereinbaren; sie wären aber zu deckeln. Und zwar auf einen Betrag der sich rechnerisch aus den 11% des § 559 BGB ergäbe.
Damit wäre beiden Seiten gedient: Der Mieter würde nicht mehr belastet als bei einer Mieterhöhung. Der Vermieter trüge dann zwar den nicht umlegbaren Differenzbetrag. Er wäre aber im Gegenzug davon befreit, eine umständliche Mikro-Mieterhöhung vorzunehmen.
Und obendrein würde ein Prozess vermieden.

Neue Wohnwertmerkmale durch Kunst am Bau?

Das LG Berlin hat Anfang des Jahres ein neues Wohnwertmerkmal erfunden (LG Berlin v. 15.1.2016 – 65 S 145/15, juris). Zu den üblichen Merkmalen des § 558 Abs. 2 BGB (wie etwa Art, Größe, Ausstattung und Beschaffenheit) sind nun Kunstwerke hinzugekommen:

Im Streit um die Eingruppierung in den Mietspiegel hatte der Vorderrichter den Innenhof besichtigt. Da dort zwei beleuchtbare Statuen aufgestellt waren, bejahte er ein „aufwändig gestaltetes Umfeld“. Dem schloss sich das LG an.

Verfestigt sich diese Rechtsprechung, so kommt künftig bei der Wohnwertbemesseng das Vorhandensein von Kunstwerken, insbesondere Statuen hinzu.

Allerdings im Innenhof müssen sie schon stehen, denn bei einer Entfernung von 120 Metern zum Haus entfällt die wohnwertsteigernde Wirkung von Statuen, selbst wenn sie aus Bronze sind (LG Berlin v. 27.11.2007 – 63 S 144/07, juris).

Abgesehen davon, dass Streit um die Farbe der Beleuchtung entstehen kann (Rot, Grün oder Blau, Gelb, ggfls. auch Mischtöne), treten weitere Rechtprobleme auf. Manche Mieter fühlen sich nämlich – und das ist nicht ungewöhnlich – durch eine Statue gestört. Denn noch 2003 hatte ein Mieter behauptet, er erleide durch eine im Treppenhaus stehende Madonna einen „besonderen Schock“ (AG Münster v. 22.7.2003 – 3 C 2122/03, NZM 2004, 299).

Wenn sich nun in ein paar Jahren die h.M. herausbilden sollte, dass Statuen, zumal beleuchtbare, stets eine Wohnwerterhöhung bewirken, dann wird über kurz oder lang die Frage ans Licht treten, ob das Aufstellen von Statuen eine Wohnwertverbesserung i.S.d. § 555b darstellt, also eine Mieterhöhungsmöglichkeit nach § 559 BGB bewirkt.

Und vielleicht wird später sogar für Privathäuser Kunst am Bau zur Pflicht, ähnlich wie es der Bundestag am 25. Januar 1950 beschlossen hatte (Bundestagsprotokoll vom 25. Januar 1950; Seite 943).