Nachbarliches Gespür für Schnee? Kann Ärger schaffen!

Diese Erfahrung machte ein Münchener Hauseigentümer. Und das kam so:
Kläger und Beklagter sind Eigentümer zweier Grundstücke, getrennt werden sie durch einen Maschendrahtzaun.
Per Anwaltsschreiben erhielt der spätere Beklagte eine Abmahnung. Es wurde moniert, dass der Beklagte regelmäßig Schnee auf sein, des Klägers Grundstück schaufele.
Das geschehe absichtlich und sogar vor den klägerischen Augen. Schon seit 2011 gehe das so. Des weiteren habe der Bekl. Ende 2014 seine Garagenvorflächen von Schnee befreit und diesen Schnee per Schaufel auf des Klägers Grundstück verbracht. Im Februar 2015 schließlich – so sei zu beobachten gewesen – habe der Bekl. „hämisch eine Schaufel voll Schnee über den Zaun geschippt.“ Vergleichbares sei auch im Winter 2015/2016 sowie 2016/2017 geschehen.
Der Kläger verlangt Unterlassung. An seinem Rasen entstünden wegen verzögerter Begrünung im Frühjahr Schäden. Und den nach Abschmelzen des Schnees verbleibenden Streusplitt müsse er, der Kläger, von seinem Grundstück entfernen. Der Kläger zog alsdann vor das Münchener Amtsgericht, blieb aber mit seiner Unterlassungsklage  erfolglos. Denn es wurde nicht – wie man vermuten möchte – kubikmeterweise Schnee über den Zaun gekippt. Die Beweisaufnahme ergab nämlich nur, dass der Beklagte „dreimal im Zeitraum von Winter 2013/2014 bis Winter 2016/2017 eine oder zwei Schaufeln Schnee auf das Nachbargrundstück geschippt“ habe.
Das waren also maximal sechs Schaufeln Schnee. Dies war aber für das Gericht kein Grund, der Unterlassungsklage stattzugeben. Nun, darin könne zwar ein Provokation liegen. Aber diese Schneemenge habe „keinerlei spürbare Auswirkungen auf die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Klägers.“ Letztlich seien es nur einige Liter Wasser.
Und nun zeigt sich die Lebenspraxis des Richters: Dieses Wasser in Schneeform bleibe ohnehin nur bis zum nächsten Tauwetter liegen. Als Spitzlicht setzte das AG noch eins drauf: Das Grundstück des Klägers sei ja ebenfalls witterungsbedingt von Schnee bedeckt gewesen.
Urteil des Amtsgerichts München, Urt.v. 20.07.17 – 213 C 7060/17 (rechtskräftig); AG München Pressemitteilung 73 aus 2017, vom 22.09.2017.

Gefällehecke 1

Mit Urt. v. 2. 6 2017 – V ZR 230/16 hat der fünfte Zivilsenat des BGH einmal mehr verdeutlichen können, was so alles den Weg bis nach Karlsruhe schafft.

Es ging um eine sehr, sehr hohe Thuja-Hecke. Ohne jeden Zweifel war sie ein Mehrfaches höher als die zwei Meter, die Art. 47 BayAGBGB einer grenznahen bayerischen Hecke zugesteht.

Der Beklagte hielt den damit eigentlich gegebenen Rückschnittsanspruch für verjährt (nach Art. 52 BayAGBGB wäre Verjährung fünf Jahren seit Enstehen und Kenntnisnahme eingetreten). Deshalb war entscheidend, wann genau die Hecke die magische Zwei-Meter-Marke überschritten hatte.

Neben den üblichen vegetabilen Unwägbarkeiten, von denen jeder Landwirt ein Lied singen kann, hatte die zu entscheidende Konstellation eine Besonderheit: Die Hecke stand nämlich nicht auf ebener Fläche, sondern an der Unterkante einer Geländestufe von ca. einem Meter Höhe, die zwischen den beachbarten Grundstücken verlief und deren Oberkante zur klägerischen Seite wies.

Anders gesagt: Der Kläger hätte von der Hecke sowieso erst ab einer vom Boden gemessenen Höhe von ca. einem Meter erstmalig irgend etwas sehen können. Die Zeit, die die Hecke für das Wachstum um diesen Extrameter gebraucht haben musste, zog der Senat bei der Bestimmung der Verjährungsfrist ab und kam zum folgerichtigen Ergebnis, der Rückschnittsanspruch sei nicht verjährt:

Die zulässige Höhe der Pflanzen ist grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der diese aus dem Boden austreten. Das gilt aber nicht, wenn die Pflanzen auf einem Grundstück stehen, das tiefer als das Nachbargrundstück liegt. In diesem Fall ist eine Beeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks erst möglich, wenn die Pflanzen dessen Höhenniveau erreichen. Die zulässige Pflanzenwuchshöhe ist deshalb nicht von der Austrittstelle der Pflanzen, sondern von dem Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks aus zu bestimmen.

So erhellend das Urteil auch ist, bleiben doch noch wichtige Fragen offen:

Wie sähe es zum Beispiel bei einem langsam wachsenden Maschendrahtzaun aus? Und wie ist das Messverfahren, wenn es nicht um Stufen, sondern um schräge Lagen geht? Ist von der Außenkante der Hecke zu messen? Oder von der Innenkante? Oder in der Mitte?

Immerhin gibt das Urteil einige Sicherheit, jedenfalls für den Fall der entschiedenen, aus Klägersicht steilstufig abfallenden Geländeformation. Mit den Brisanzen der umgekehrten Lage musste sich der Senat nicht auseinandersetzen und führt dazu nur lakonisch aus:

Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, also bei einer Grenzbepflanzung des höher gelegenen Nachbargrundstücks.

Es bleibt also abzuwarten, welche weiteren Erkenntnisse uns Gefällehecke 2, Gefällehecke 3 usw. noch bringen werden.