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Steuerrecht-Blog

Keine Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs gem. § 19 Abs. 1 ErbStG nach „additivem Teilmengentarif“

Raymond Halaczinsky  Raymond Halaczinsky
Rechtsanwalt, Bonn

Wie ist die Erbschaft-/Schenkungsteuer zu berechnen, nach einem Vollmengentarif oder – wie der Kläger anstrebt – nach einem Teilmengentarif? Ist entsprechend des BFH-Urteils zur Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG (BFH v. 19.1.2017 – VI R 75/14, BStBl. II 2017, 684 = EStB 2017, 144 m. Komm. Weiss) mittels einer Art Teilmengenberechnung der gesetzlich festgelegte Prozentsatz nicht auf den erbschaftsteuerlichen Wert, sondern nur auf die Spalte zu beziehen, in der sich die jeweilige Prozentzahl befindet?

Das FG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 18.7.2018 entschieden, dass die Erbschaft-/Schenkungsteuer nach dem Vollmengentarif zu berechnen ist. Für eine Steuerberechnung nach dem additiven Teilmengentarif gibt es im ErbStG keine gesetzliche Grundlage. Das ergangene Urteil des BFH (BFH v. 19.1.2017 – VI R 75/14, BStBl. II 2017, 684 = EStB 2017, 144) zur Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG kann nicht analog hat auf die Berechnung des Steuersatzes nach § 19 Abs. 1 ErbStG angewandt werden.

Zur Berechnung der Erbschaft-/Schenkungsteuer wird die Steuer gem. der in § 19 Abs. 1 ErbStG abgedruckten Tabelle nach unterschiedlichen Prozentpunkten erhoben, die sich zum einen an der Steuerklasse, zum anderen aber auch am Wert des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG orientieren. Damit enthält die Steuertabelle einen sog. Vollmengenstaffeltarif, der den gesamten steuerpflichtigen Erwerb in vollem Umfang mit dem seiner Wertstufe als Obergrenze entsprechenden Steuersatz erfasst (Stein in v. Oertzen/Loose, ErbStG, § 19 Rz. 6 ff.; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 19 Rz. 7).

Bei einem nur geringfügigen Überschreiten der jeweiligen Obergrenze und der damit einhergehenden Erhöhung des Steuersatzes kann für den gesamten steuerpflichtigen Erwerb eine höhere Steuer entstehen, z.B. in StKl. II um 5 % bei Überschreiten der Wertgrenze von 600 000 € oder in StKl. III um 20 % bei Überschreiten der Wertgrenze von 13 000 000 €. Um abrupte Sprünge der Steuerbelastung im unmittelbaren Umfeld der jeweiligen oberen Betragsgrenzen des § 19 Abs. 1 ErbStG, sprich bei 75.000 €, 300.000 €, 600.000 €, 6.000.000 €, 13.000.000 € und 26.000.000 €, abzumildern, ist in § 19 Abs. 3 ErbStG ein Härteausgleich vorgesehen. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Härteausgleichsregelung in vielen Fällen wegen der breiten Spanne der Wertstufen nicht greift. Zu den maßgebenden Grenzwerten für die Anwendung des Härteausgleichs s. Tabelle in H E 19 ErbStH. Das FA ermittelt von Amts wegen, ob eine niedrigere Steuer gem. § 19 Abs. 3 ErbStG festzusetzen ist; Steuerbescheide sind ggf. hierauf zu überprüfen.

In der Praxis können Tarifsprünge bei Schenkungen durch wertmäßige Bestimmung der Zuwendung vermieden werden; auch durch Verteilung von Zuwendungen auf mehrere Bedachte kann auf die Steuersätze/Überschreiten von Steuersatzstufen Einfluss genommen werden.

FG Baden-Württemberg v. 18.7.2018 – 7 K 1351/18, rkr.

 

Mehr zum Autor: MR a.D. Raymond Halaczinsky ist in Bonn als Rechtsanwalt tätig. Er gehört zum festen Autorenteam des ErbschaftSteuer-Beraters (ErbStB) und publiziert als Autor, Mitautor und Herausgeber; u. a. ist er Mitherausgeber des Daragan/Halaczinsky/Riedel, Praxiskommentar zum ErbStG und BewG.

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