Begriff der wirtschaftlichen Einheit – Maßgeblichkeit der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise

Am 20.9.2016 gingen insg. zehn Eigentumswohnungen (ETW) durch Schenkung auf die Steuerpflichtige (Stpfl.) über. Die Wohnungen befinden sich in zwei aneinan­dergebauten Wohnanlagen (Haus A und B) mit jeweils sechs Wohneinheiten. Zwei Wohnungen im Haus B wurden bereits nach Fertigstellung im Jahr 1995/1996 an Dritte verkauft. Die Stpfl. ist somit Eigentümerin sämtlicher ETW des Hauses A und von vier ETW des Hauses B. Für jede der Wohnungen ist ein eigenes Wohnungsgrundbuchblatt angelegt.

Das FA bewertete die im Besprechungsfall streitgegenständliche einzelne ETW als selbständiges Objekt und zog hierfür den Immobilienpreiskalkulator der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Niedersachsen heran. Neben dem Geltungsjahr und der Lage des Grundstücks legte es hierbei die Objektart (ETW), das Baujahr 1995 und die Wohnfläche (91 qm) zugrunde. Den sich hieraus ergebenden Wert i.H.v. 125.000 € stellte das FA auf den Stichtag 20.9.2016 als Grundbesitzwert für das Objekt fest.

Im Einspruchsverfahren legte die Stpfl. das Immobilien-Wertgutachten eines Bausachverständigen vor, wonach es sich bei dem Wertermittlungsobjekt um ein Mehrfamilienhaus handele und der Verkehrswert 880.000 € betrage. Hiergegen wendete das FA ein, ein Verkehrswertgutachten für die Grundstücksart Wohnungs- und Teileigentum sei nicht erbracht worden.

Nach Aufforderung durch das FA teilte der zuständige Gutachterausschuss im März 2019 als Durchschnittswert der Vergleichspreise für das streitige Objekt einen Wert von 133.036 € mit. Nach entspr. Hinweis erhöhte das FA den Grundstückswert für die streitige ETW auf 133.036 €.

Mit ihrer Klage machte die Stpfl. geltend, der Begriff Wohnungseigentum werde durch das FA falsch ausgelegt. Eine Teilungserklärung, wodurch Wohnungseigentum entstehe, ziele immer auf eine einzelne Wohnung ab. Die Stpfl. habe im vorliegenden Fall jedoch nichts anderes als Mietwohngrundstücke übertragen bekommen. Maßgebend könne also nur der Gesamtwert dieses Immobilienvermögens am Stichtag 20.9.2016 sein. Aus der Sicht der Beschenkten handele es sich um ein einziges Mietobjekt mit zehn Wohneinheiten. Ohne das Vorliegen einer Teilungserklärung würde der Immobilienwert unstreitig sowohl nach dem BewG als auch nach der ImmWertV nach dem Ertragswertverfahren in seiner Gesamtheit bewertet und entspr. besteuert werden.

Unabhängig davon könne hier der durch das FA angesetzte, aus Vergleichspreisen des Gutachterausschusses abgeleitete Grundbesitzwert nicht sachgerecht sein. Im vorliegenden Fall seien zehn Wohnungen in einem einzigen Vorgang übertragen worden. Ein gedanklicher Käufer würde kaum den Preis für zehn einzelne ETW zahlen. Im Übrigen habe der Gutachterausschuss bei seiner Wertfindung keinen Abgleich mit den tatsächlichen Eigenschaften des Wertermittlungsobjekts vorgenommen. Es sei keine Besichtigung erfolgt und es habe auch kein Abgleich der wertbeeinflussenden oder besonderen objektspezifischen Merkmale stattgefunden.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Das FA hat zu Recht einen Grundstückswert für die einzelne ETW i.H.v. 133.036 € festgestellt und, dass das vorliegende Objekt als Wohnungseigentum nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG im Vergleichswertverfahren zu bewerten ist. Eine Bewertung als Mehrfamilienhaus im Ertragswertverfahren nach § 184 BewG scheidet entgegen der Auffassung der Stpfl. aus. Nach der einschlägigen BFH-Rspr. bildet grundsätzlich jedes Wohnungseigentum eine wirtschaftliche Einheit, die mit Eintragung in das Grundbuch entsteht (BFH v. 24.7.1991 – II R 132/88, BFHE 165, 294 = BStBl. II 1993, 87; s.a. Mannek in Stenger/Loose, BewG, § 93 Rz. 6.2).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit der insg. auf die Stpfl. übertragenen zehn Wohnungen nicht erfüllt, da für jede der übertragenen ETW jeweils ein gesonderter Miteigentumsanteil vorliegt und keine räumliche Verbindung zwischen den Wohnungen besteht (BFH v. 1.8.1990 – II R 46/88, BFHE 161, 172 = BStBl. II 1990, 1016).

Grundlage des Vergleichswertverfahrens sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG). Der Gesetzgeber hat die Ermittlung von Vergleichspreisen und –faktoren ausdrücklich den Gutachterausschüssen aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz zukommt. Eine fachliche Prüfung durch – mit geringerer Sachkunde ausgestattete – Gerichte würde dem widersprechen.

Mit diesem Rechtsgedanken hat der BFH (vgl. BFH v. 11.5.2005 – II R 21/02, BFHE 210, 48 = BStBl. II 2005, 686; BFH v. 26.4.2006 – II R 58/04, BStBl. II 2006, 793 = ErbStB 2006, 248 [Halaczinsky] und BFH v. 16.12.2009 – II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085) auch entschieden, dass die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und den FA mitgeteilten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind (vgl. Nds. FG v. 7.12.2017 – 1 K 219/15, EFG 2018, 619 = ErbStB 2018, 138 [Grootens]). Die gerichtliche Überprüfung von Mitteilungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte ist auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt (Nds. FG v. 17.9.2015 – 1 K 147/12, EFG 2016, 185 = ErbStB 2016, 76 [Günther]; FG Köln v. 11.4.2019 – 4 V 405/19, EFG 2019, 1261 = ErbStB 2019, 258 [Günther]; Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 183 Rz. 6; Vorbeck, DStR 2020, 322).

Vorliegend ist die Mitteilung des Gutachterausschusses nicht offensichtlich unrichtig. Das in der Mitteilung gem. § 183 Abs. 1 BewG bezeichnete Bewertungsobjekt (die streitgegenständliche ETW) stimmt mit dem im Antragsschreiben des FA an den Gutachterausschuss genannten Objekt überein. Die Mitteilung ist auch zu dem vom FA angefragten Bewertungszeitpunkt (20.9.2016) ergangen.

Der Einwand der Stpfl., die vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise ließen keine Rückschlüsse auf wertbeeinflussende Umstände zu, die sich aus der Lage und dem Zustand der Wohnung ergeben, vermag keine offensichtliche Unrichtigkeit zu begründen.

Der Stpfl. ist der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts nicht gelungen (§ 198 BewG). Das von ihr eingereichte Sachverständigengutachten ist für das „Objekt […] als Mehrfamilienhaus“ erstellt worden. Die streitgegenständliche ETW ist jedoch als eine selbständige wirtschaftliche Einheit anzusehen, eine Zusammenfassung der mehreren auf die Stpfl. übertragenen Wohnungen zu einer wirtschaftlichen Einheit scheidet aus.

Da die tatsächlichen Verhältnisse von Wohnungseigentum und das Marktgeschehen andere sind als die für ein Mehrfamilienhaus ist das eingereichte Gutachten nicht geeignet, einen geringeren Wert nachzuweisen. Auch eine Anpassung des Gutachtens zwecks Wertfindung ist nicht möglich. Insofern müsste das FG einen weiteren Sachverständigen bestellen, was jedoch wegen der Maßgeblichkeit der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichswerte ausgeschlossen ist.

Gegen die vorläufig nicht rechtskräftige Besprechungsentscheidung ist unter dem Az. II R 17/22 das Revisionsverfahren anhängig. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. Halten Sie vergleichbare Steuerfestsetzungen verfahrensrechtlich offen.

Nds. FG v. 24.3.2022 – 1 K 267/19 (Rev. II R 17/22), ErbStB 2022, 297

Kein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG aufgrund Erbverzichts

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) beerbte seinen Großvater (Erblasser) gem. testamentarischer Verfügung zu 1/4. Weitere Erben neben dem Stpfl. waren seine Schwester sowie sein Onkel nebst dessen beiden Töchtern. Der Vater des Stpfl. hatte mit dem Erblasser unter Ausschluss des § 2349 BGB einen Erbverzichtsvertrag geschlossen. Aufgrund der durch diesen Vertrag ausgelösten Vorversterbensfiktion begehrte der Stpfl. mit der Erbschaftsteuererklärung, als Kind eines vorverstorbenen Kindes gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 ErbStG in die Erbschaftsteuerklasse I Nr. 2 mit einem Freibetrag von 400.000 € eingeordnet zu werden.

Dagegen behandelte das FA den Stpfl. als Kindeskind der Steuerklasse I Nr. 3 des § 15 Abs. 1 ErbStG, da sein Vater tatsächlich nicht vorverstorben war.

Das Niedersächsische FG hat die Klage abgewiesen.

Gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB können Verwandte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Er hat auch kein Pflichtteilsrecht.

Die zivilrechtlich in § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Gesetzgeber normierte Vorversterbensfiktion schlägt nicht auf eine entspr. Anwendung im ErbSt-Recht durch. Gegen die Gleichsetzung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmales „verstorbener Kinder“ in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit „als verstorben geltenden Kindern“ aufgrund der Vorversterbensfiktion des§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB spricht v.a. der Umstand, dass der nach § 2346 BGB Verzichtende nur auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet und somit weiterhin aufgrund gewillkürter Erbfolge zum Erben berufen werden kann. Für diesen Fall würde dann ebenso wie für den Fall von Schenkungen der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gelten. Damit ist denkbar, dass der Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG doppelt in Anspruch genommen werden könnte, falls er auch der nachfolgenden Generation wegen der Vorversterbensfiktion gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB zugestanden werden würde. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber eine solche Doppelbegünstigung beabsichtigt hat.

16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist auch nicht i.S. einer Berücksichtigung des begehrten Freibetrags auszulegen. Nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steht der Freibetrag i.H.v. 400.000 € Kindern vorverstorbener Kinder zu. Der Wortlaut beinhaltet nicht den Zusatz, dass auch Kinder als vorverstorben geltender Kinder zu berücksichtigen seien. Er beschränkt sich damit nur auf tatsächlich vorverstorbene Kinder eines Erblassers.

Gegen eine anderweitige Auslegung des Wortlautes von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sprechen Sinn und Zweck der Regelung. Mit der gesetzlichen Regelung des Freibetrages i.H.v. 400.000 € hat der Gesetzgeber eine Vorgabe des BVerfG (BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671, BVerfGE 93, 165) umgesetzt. Der Gesetzgeber war nämlich von Verfassung wegen gehalten, für einen Erhalt des Familienvermögens zu sorgen. Diesem Umstand begegnete der Gesetzgeber mit der Einführung des hier in Rede stehenden Freibetrages durch das JStG 1997 (BGBl. I 1996, 2049) i.H.v. zunächst 400.000 DM (später umgerechnet in Euro) und ab 1.1.2009 erhöht auf aktuell 400.000 €. Diesen Betrag qualifizierte der Gesetzgeber als wesentlichen Teil etwaigen Familienvermögens und stellte ihn durch die Einführung dieses Freibetrages im Fall der Übertragung auf die nächste Generation erbschaftsteuerrechtlich frei. Weder ist dem Beschluss des BVerfG noch einer Äußerung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine solche Freistellung auch für den Fall erbrechtlicher Gestaltungen beabsichtigt ist. In einem solchen Fall bestünde nämlich die Gefahr einer Überbegünstigung von Erben (vgl. oben).

Die vom Stpfl. begehrte Auslegung von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ergibt sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Die behauptete Verletzung des Art. 3 GG ist nicht gegeben. Es fehlt bereits an einer Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. Der Kläger vergleicht in seiner Argumentation den Fall der Ausübung eines Gestaltungsrechts – eines Erbverzichts nach § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB – mit dem erbrechtlichen Regelfall tatsächlichen Vorversterbens und damit ungleiche Sachverhalte miteinander. Der Erwerb von Kindern tatsächlich vorverstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG führt immer zur Anwendung eines Freibetrags i.H.v. 400.000 €. In Fällen der lediglich aus einem Gestaltungsrecht resultierenden Vorversterbensfiktion gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dies generell nicht der Fall. Dies ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Stpfl. vorträgt, der Familienstamm nach seinem Onkel werde mit geringerer Erbschaftsteuer belastet als jener nach seinem Vater, so ist hierfür ursächlich, dass in dem einen Fall drei Erben, in dem anderen nur zwei Erben vorhanden sind. Die Erbschaft­steuer in Deutschland ist als Erbanfallsteuer konzipiert, die an den Erwerb des jeweiligen Erben anknüpft und nicht den Nachlass als solchen besteuert. Dies führt dazu, dass in Familienstämmen mit einer höheren Zahl von Erben auch insg. höhere Freibeträge gewährt werden.

Gegen die vorläufig nicht rechtskräftige Besprechungsentscheidung ist unter dem Az. II R 13/22 das Revisionsverfahren anhängig. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten.

Halten Sie vergleichbare Steuerfestsetzungen verfahrensrechtlich offen.

Niedersächsisches FG v. 28.2.2022 – 3 K 176/21 (Rev. II R 13/22), ErbStB 2022, 194

Bedarfsbewertung: Wirtschaftliche Einheiten beim Erbbaugrundstück

Der BFH hat entschieden, dass – so wie bei jedem Wohnungs- und Teilerbbaurecht – der entspr. Anteil des Erbbaugrundstücks nach den Anschauungen des Verkehrs i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG ebenfalls je eine wirtschaftliche Einheit für sich darstellt.

Zum Sachverhalt: Der Steuerpflichtige ist Begünstigter einer Schenkung. Er erhielt im Jahr 2014 von seinen Eltern deren Miteigentumsanteile an einem Grundstück (notarielle Beurkundung: 6.11.2014). Auf dem mit Wohn- und Geschäftshäusern sowie einer Tiefgarage bebauten Grundstück lastet seit 1973 ein Erbbaurecht, das noch bis 2071 besteht. Mit jedem Anteil am Erbbaurecht sind Wohnungserbbaurechte bzw. Teilerbbaurechte verbunden, die 1974 auf verschiedene Dritte übertragen worden sind. Streitig ist, ob für Zwecke der Schenkungsteuer jeweils der Wert der einzelnen Eigentumswohnungen festzustellen ist (so das FA) oder ob insg. nur zwei Feststellungsbescheide zu erlassen sind, und zwar einer für die Schenkung der Mutter und einer für die Schenkung des Vaters (so der Steuerpflichtige).

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, der Steuerpflichtige habe weder Erbbaurechte noch Eigentumswohnungen erworben, sondern Eigentum an einem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück. Erbbaugrundstück und Erbbaurecht seien zu unterscheiden.

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Erwerbsgegenstand: Wird – wie im Besprechungsfall – Grundvermögen (§ 18 Nr. 2, § 176 Abs. 1 BewG) unentgeltlich zugewendet, so ist für die nach § 12 Abs. 3 ErbStG erforderliche Wertermittlung der Zuwendung der Erwerbsgegenstand zu bestimmen. Dies erfolgt nach erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Grundsätzen in Anknüpfung an das Zivilrecht.

Bewertet werden die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG), und zwar jede wirtschaftliche Einheit für sich (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der Miteigentumsanteil an einem Grundstück bildet grundsätzlich eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG. Er kann aber auch in mehrere wirtschaftliche (Unter-)Einheiten zerfallen (BFH v. 18.8.2004 – II R 22/04, BStBl. II 205, 19 = ErbStB 2004, 367 [Kussmann]). Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden.

Ein Erbbauberechtigter kann sein Erbbaurecht aufteilen, indem er jedem der mitberechtigten Bruchteilsgemeinschafter das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem aufgrund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude einräumt (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht, § 30 WEG i.V.m. § 8 WEG). Bei erbbaubelasteten Grundstücken sind die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht (§ 193 BewG) und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 194 BewG) gem. § 192 Satz 1 BewG gesondert zu ermitteln. Erbbaurecht und Erbbaugrundstück bilden danach stets selbständige wirtschaftliche Einheiten.

Jedoch spielt das Wohnungs- oder Teilerbbaurecht bei der Bewertung des Erbbaugrundstücks eine entscheidende Rolle: Ohne Berücksichtigung des Erbbaurechts kann keine Bewertung des Erbbaugrundstücks erfolgen, weil für die Bewertung nach der finanzmathematischen Methode sowohl der Erbbauzins als auch insb. die Restlaufzeit des Erbbaurechts benötigt wird (§ 194 Abs. 2 bis 4 BewG). Ist das auf einem Erbbaugrundstück lastende Erbbaurecht in mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte aufgeteilt worden, können zwar die Erbbauzinsen addiert werden. Bei unterschiedlichen Restlaufzeiten, wie sie ohne weiteres möglich sind, versagen indes die gesetzlichen Bewertungsregeln. Der Gesetzgeber geht in § 194 BewG vielmehr davon aus, dass ein Erbbaugrundstück und ein Erbbaurecht einander gegenüberstehen. Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall mehrere, viele oder alle Erbbaurechte dieselbe Restlaufzeit aufweisen. In diesen Fällen werden deshalb die einzelnen Einheiten „mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück“ bewertet, auf die sich der Miteigentumsanteil bezieht.

Verfahrensrecht: Das Feststellungs-FA hat so viele Feststellungsbescheide zu erlassen, wie wirtschaftliche Einheiten „mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück“ vorhanden sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bedachte zivil- und schenkungsteuerrechtlich einen Miteigentumsanteil an einem Erbbaugrundstück erwirbt. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob der den einzelnen Wohnungs- und Teilerbbaurechten entspr. Anteil an dem Erbbaugrundstück einzeln veräußerbar ist oder das Erbbaugrundstück nur als Ganzes veräußert werden kann.

Liegenschaftszinssätze: Gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 BewG wird der Abzinsungsfaktor für den Bodenwert in Abhängigkeit vom Zinssatz nach § 193 Abs. 4 BewG und der Restlaufzeit des jeweiligen Wohnungs- bzw. Teil-Erbbaurechts ermittelt. Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich durch Anwendung des Liegenschaftszinssatzes, der von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB ermittelt wurde, auf den Bodenwert nach § 179 BewG (§ 193 Abs. 4 Satz 1 BewG). Haben die Gutachterausschüsse keine geeigneten Liegenschaftszinssätze ermittelt bzw. mitgeteilt, gelten die in § 193 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BewG vorgegebenen Zinssätze.

Im Besprechungsfall hat das FA den Grundstücksmarktbericht 2014 des örtlichen Gutachterausschusses herangezogen. Die dort veröffentlichen Liegenschaftszinssätze sind jedoch für das Jahr 2013 ermittelt worden. Das FG wird im zweiten Rechtsgang feststellen, ob für den Bewertungsstichtag (6.11.2014) durch den örtlichen Gutachterausschuss ermittelte, geeignete Liegenschaftszinssätze vorliegen.

Die Besprechungsentscheidung ist eindeutig. Der Grundbesitzwert von Erbbaugrundstücken ist in so vielen wirtschaftlichen Einheiten festzustellen, wie Wohnungs- oder Teilerbbaurechte bestellt sind.

Prüfen Sie regelmäßig, ob die vom Feststellungs-FA angewendeten Liegenschaftszinssätze den Bewertungsstichtag erfassen. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Gutachterausschuss oder den Zeitpunkt der Veröffentlichung der für einen bestimmten Zeitraum ermittelten Zinssätze kommt es nicht an.

BFH v. 26.8.2020 – II R 43/18, ErbStB 2021, 34

Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Ausreichende Ertragsfähigkeit des übergebenen Vermögens

Im Fall des FG Niedersachsen (v. 27.9.2017 – 3 K 318/15) war im zweiten Rechtszug der Abzug von Altenteilsleistungen als Sonderausgaben streitig. Der vom Steuerpflichtigen übernommene landwirtschaftliche Betrieb hatte im Jahr der Vermögensübergabe (2006) und in den beiden Vorjahren auch bei Hinzurechnung der Abschreibungen und des Nutzungswerts der Wohnung des Vermögensübergebers durchgehend Verluste erwirtschaftet, so dass die Vermutung widerlegt war, die Beteiligten könnten im Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde auf Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Nachdem in den beiden auf die Hofübergabe folgenden Jahren keine wesentliche Besserung der Ertragslage erfolgte, gab der Steuerpflichtig im WJ 2009/2010 die bis dahin betriebene Schweinmast auf und verpachtete die Ackerflächen.

Das FG-Urteil im ersten Rechtszug wurde vom BFH aufgehoben und das FG zu weiteren Sachverhaltsermittlungen dahingehend verpflichtet, ob die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Vermögensübergabe davon ausgehen konnten, der Ertrag des übergebenen Vermögens werde – trotz der Verluste im Jahr der Vermögensübergabe und den Vorjahren – ausreichen, die vereinbarten Versorgungsleistungen (Bar- und Sachleistungen) zu decken (BFH v. 8.7.2015 – X R 47/14, ErbStB 2016, 46).

Das FG hat der Klage auch im zweiten Rechtszug stattgegeben. Zwar konnte der Steuerpflichtige die Erwirtschaftung ausreichender Nettoerträge in einer die vereinbarten Versorgungsleistungen deckenden Höhe aus dem übernommenen Vermögen nicht auf die Annahme stützen, dass sich die Ertragssituation des Betriebs durch in der Zukunft steigende Absatzpreise für Mastschweine oder durch wegfallende Lohnaufwendungen verbessern werde.

Die Erwartung dauerhaft ausreichender Vermögenserträge ergab sich aber aus der Möglichkeit, die Ertragsfähigkeit des Hofs durch die Aufgabe der Schweinemast und die Verpachtung der Ackerflächen zu verbessern und den Zinsaufwand durch eine Verbesserung der Refinanzierungsstruktur zu verringern.

Der Umstand, dass sich der Steuerpflichtige erst zu einer Verpachtung entschlossen hat, nachdem seine Erwartung auf einen Anstieg der Schweinepreise enttäuscht worden war, steht nicht in Widerspruch zu der Annahme, dass er diese Möglichkeit bereits im Zeitpunkt der Betriebsübernahme erkannt und bei der Beurteilung der Ertragsfähigkeit des übernommenen Betriebs in Betracht gezogen hat.

In dieser Beurteilung liegt kein Widerspruch zum zurückverweisenden BFH-Urteil (BFH v. 8.7.2015 – X R 47/14, ErbStB 2016, 46). Denn zu den Umständen, von denen laut BFH im Einzelfall abhängt, ob die vorhandene Substanz im Einzelfall einen Schluss auf die Ertragsfähigkeit des Betriebs zulassen könne, gehört auch die Höhe der aus der Verpachtung der betrieblichen Flächen erzielbaren Pachterlöse.

Konsequenz: Die Besprechungsentscheidung hat auch Auswirkungen auf Veranlagungszeiträume ab 2015 (s. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG ). Wegen der gegen sie eingelegten Revision ist sie allerdings vorläufig nicht rechtskräftig. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. Berufen Sie sich in vergleichbaren Fällen auf die Besprechungsentscheidung und beantragen Sie das Ruhen des Verfahrens sowie Aussetzung der Vollziehung.

FG Niedersachsen v. 27.9.2017 – 3 K 318/15, Rev. eingelegt, Az. d. BFH: X R 40/17, ErbStB 2018, 196