Betriebsvermögen und mittelbare Schenkung

Im Streitfall (BFH v. 8.5.2019 – II R 18/16) hatte der Kläger in 2006 einen Reiterhof ersteigert. Seine Mutter schenkte ihm zum Erwerb dieses Betriebs einen Geldbetrag von 205.000 €. Das FA setzte die Schenkungsteuer daraufhin auf 0 € fest, wobei es davon ausging, dass der Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt sei. Vier Jahre später schenkte die Mutter ihrem Sohn ein Grundstück. Für diesen Erwerb setzte das FA Schenkungsteuer fest und berücksichtigte die Vorschenkung aus 2006 in voller Höhe – also ohne die Privilegierung nach § 13a ErbStG – als steuerpflichtigen Erwerb.

Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz (FG Hessen v. 22.03.2016 – 1 K 2014/14, EFG 2016, 1277; ErbStB 2016, 304 (Kirschstein) bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der BFH stellt zunächst die Wirkungsweise des § 14 ErbStG dar. Danach trifft die Vorschrift nur eine besondere Anordnung über die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums festzusetzen ist. Die einzelnen Erwerbe innerhalb des Zeitraums bleiben in ihrer Besteuerung selbständig. Lediglich zum Zwecke der Steuerberechnung werden dem letzten Erwerb die einzubeziehenden Vorerwerbe mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzugerechnet. Deshalb können bzw. müssen wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) Fehler in der Steuerberechnung eines Vorerwerbs i.R.d. Ermittlung der Steuer eines späteren Erwerbs korrigiert werden. Die tatsächlich gezahlte (höhere) Steuer kann erst i.R.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Rolle spielen. Der Vorerwerb war somit in die Berechnung der Steuer für den Nacherwerb in zutreffender Höhe, also ohne Berücksichtigung der Betriebsvermögensvergünstigung, einzubeziehen.

Hinsichtlich der Höhe der Einbeziehung lehnt der BFH eine Vergünstigung der Geldschenkung nach § 13a ErbStG als mittelbare Betriebsvermögensschenkung ab. Er führt ausdrücklich aus (Rz. 16 d. Gründe), dass die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs nicht begünstigt ist. Er stützt seine Auffassung insbesondere auf die Ausführungen des BVerfG zum Erbschaftsteuerbeschluss v. 22.6.1995 (BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671, unter C. I. 2. b), bb)), wonach besondere steuerliche Begünstigungen einer ausdrücklichen Rechtfertigung benötigen. Die Steuervergünstigung von Betriebsvermögen hat ihre Rechtfertigung darin, dass ein Betrieb „weitergeführt“, „aufrechterhalten“ und „fortgeführt“ wird. Daraus folgt, dass Zweck der Begünstigungsvorschrift ist, einen bestehenden Betrieb des Erblassers oder Schenkers und dessen Arbeitsplätze zu erhalten und nicht allgemein die Gründung oder den Erwerb von Betrieben durch den Erwerber mit finanziellen Mitteln des Schenkers zu begünstigen.

Die Entscheidung liegt auf der Linie der Finanzverwaltung. Diese lehnt eine begünstigte mittelbare Schenkung zum Erwerb von Produktivvermögen eines Dritten ebenfalls ab (A 13b.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011 bzw. RE 13b.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR-E 2019). Anders sieht es die Finanzverwaltung, wenn der Beschenkte einen Geldbetrag erhält, um sich am Produktivvermögen des Schenkers zu beteiligen (A 13b.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011 bzw. RE 13b.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR-E 2019). Vor dem Hintergrund des Besprechungsurteils erscheint es fraglich, ob diese für den Steuerpflichtigen günstige Verwaltungsauffassung noch zu halten ist. In jedem Fall sollte in der Beratungspraxis die unmittelbare Übertragung von Produktivvermögen einer mittelbaren Schenkung auch zum Erwerb vom Schenker vorgezogen werden.

Das Urteil ist auch verfahrensrechtlich interessant. Der BFH verneint zu Recht eine Bindungswirkung i.S.d. § 171 Abs. 10 AO des für den Vorerwerb ergangenen Bescheids für den späteren Erwerb, denn die Bindung muss durch das Gesetz ausdrücklich angeordnet sein (vgl. i.E. Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 90 m.w.N.). Daran fehlt es i.R.d. Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe nach § 14 ErbStG.

BFH v. 8.5.2019 – II R 18/16, ErbStB 2019, 250

Wirksamkeit einer Poolvereinbarung

Der BFH hat in seiner Entscheidung v. 20.2.2019 zu den Voraussetzungen an die Form von Poolvereinbarungen Stellung genommen:

Der Kläger (Kl.) erbte von seinem Vater ein Einzelunternehmen mit einem steuerlichen Wert von etwa 1,8 Mio. €. Wesentliches Vermögen dieses Unternehmens war eine 12 %ige Beteiligung an der Y-GmbH mit einem steuerlichen Wert von etwa 1,65 Mio. €, also rd. 91 % des gesamten Werts des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens. An der Y-GmbH waren neben dem Vater (12 %) auch der Kl. mit 74 % und die Z-KG mit 14 % beteiligt, an der der Kl. wiederum zu 100 % beteiligt war.

Der Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH sah vor, dass die Abtretung von Geschäftssanteilen vorbehaltlich der Einwilligung aller Gesellschafter zur Abtretung an einen oder mehrere Dritte nur an Gesellschafter und deren Abkömmlinge zulässig war. Außerdem hatte der Erblasser lt. Gesellschaftsvertrag ein höchstpersönliches und nicht auf die Erben übergehendes Stimmrecht in zehnfacher Höhe.

Das FA und das FG (FG Münster v. 9.6.2016 – 3 K 3171/14 Erb, EFG 2016, 1530 = ErbStB 2016, 331 [Halaczinsky]) beurteilten die 12 %ige Beteiligung an der Y-GmbH als Verwaltungsvermögen. Dadurch wurde die Betriebsvermögensvergünstigung nach § 13a ErbStG für das Einzelunternehmen versagt, weil dessen Verwaltungsvermögenquote somit mehr als 50 % betrug.

Dagegen ging der Kl. vor den BFH und trug vor, dass eine wirksame Poolvereinbarung vorgelegen habe, die zu einer Zusammenrechnung der Anteile und somit zu einem Übersteigen der Beteiligungsquote auf mehr als 25 % führte. Dadurch wäre die GmbH-Beteiligung keine Verwaltungsvermögen und der Erwerb des Einzelunternehmens nach § 13a ErbStG begünstigt.

Der BFH hat der Revision stattgegeben und an das FG zurückverwiesen.

Der BFH stellt zunächst klar, dass dem Gesetzgeber bei Abfassung des hier einschlägigen § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 2009 ein redaktioneller Fehler unterlaufen ist, indem das letzte Wort dieser Vorschrift „ausüben“ statt „auszuüben“ lautet. Diesen Fehler macht er zum einen daran fest, dass in § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG 2009, in dem ebenfalls auf die Poolvereinbarung abgestellt wird, das letzte Wort auch „auszuüben“ heißt. Zum anderen daran, dass der Gesetzgeber den Wortlaut durch das Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rspr. des BVerfG in § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 ErbStG geändert und an die Vorschrift des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit dem einheitlichen Wortlaut „auszuüben“ angepasst hat.

Aus dem Wortlaut „auszuüben“ schließt der BFH, dass eine Poolvereinbarung nur dann wirksam ist, wenn zwischen den Gesellschaftern eine rechtliche Verpflichtung i.S. eines klagbaren Anspruchs (§ 194 Abs. 1 BGB) besteht. Dafür reicht ein faktischer Zwang, eine moralische Verpflichtung oder eine langjährige Übung nicht aus. Ebenfalls nicht ausreichend ist das zehnfache Stimmrecht des Erblassers, mit dem er sich in Gesellschaftsentscheidungen zwar stets durchsetzen konnte. Durch dieses Stimmrecht haben sich die weiteren Gesellschafter aber nicht konkludent zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung verpflichtet, sondern nur zugelassen, dass ihr eigenes Stimmrecht entwertet wurde.

Der BFH stellt klar, dass – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in R E 13b.6 Abs. 6 EStR 2011 – für Poolvereinbarungen keine gesetzliche Form vorgeschrieben ist, so dass Stimmrechtsbindungsverträge auch formlos abgeschlossen werden können. Das folgt aus dem Grundsatz der Formfreiheit von Verträgen. Ob eine solche rechtlich bindende Verpflichtung zwischen den Parteien vorlag, hatte das FG nicht abschließend geklärt, sondern alleine auf den Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH abgestellt, in dem eine derartige Vereinbarung nicht enthalten war. Im zweiten Rechtsgang muss nun das FG klären, ob es eine mündliche oder zumindest konkludente Poolvereinbarung zwischen dem Vater und dem Kl. gegeben hatte.

Erfreulich ist, dass der BFH auch mündliche und konkludente Poolvereinbarungen anerkennt. Allerdings stellt der BFH in seiner Entscheidung klar, dass die Beweislast für das Zustandekommen einer bindenden Verpflichtung bei demjenigen liegt, der sich darauf beruft, also beim Kl. Außerdem hat der BFH darauf hingewiesen, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Poolvereinbarung im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegen müssen, im vorliegenden Fall also bei Tod des Erblassers.

Auch wenn der BFH mündliche oder sogar konkludente Stimmrechtsbindungsvereinbarungen zulässt, sollten Sie unbedingt rechtzeitig Beweisvorsorge treffen. Selbstverständlich könnten Sie den Nachweis der Vereinbarung auch durch Zeugen erbringen, was bei Erwerben unter Lebenden oder im Erbfall bei weiteren Mitgesellschaftern regelmäßig gelingen dürfte. Wenn allerdings – wie im Entscheidungsfall – einer der beiden Parteien verstorben ist, bleibt nur zu hoffen, dass sich der Abschluss der Vereinbarung etwa aus Gesellschafterprotokollen ergibt oder eine Dritte Person z.B. ein Fremdgeschäftsführer oder Berater bei Abschluss der Vereinbarung anwesend war und sich an diese noch erinnern kann bzw. eine Gesprächsnotiz angelegt hat.

BFH v. 20.2.2019 – II R 25/16, ErbStB 2019, 221

 

Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erfasst nur eine Wohnung

Das FG Köln hat mit Urteil vom 30.1.2019 entschieden, dass bei der Auslegung des Begriffs „eine Wohnung“ i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG restriktiv von einem streng nummerischen Verständnis des Rechtsbegriffs auszugehen ist. Von der Steuerbefreiung ist nach dem klaren und ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur eine einzelne Wohnung erfasst.

Zum Sachverhalt: Der Kläger (Kl.) war Alleinerbe seiner im Jahr 2015 verstorbenen Mutter. Im Nachlass befand sich u.a. ein Mehrfamilienhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 490 qm, wovon die Erblasserin bis zu ihrem Tod zwei Wohnungen für sich und ihren Sohn, den Kl., innehatte. Die Wohnung im EG war 115 qm groß und räumlich nicht mit der Wohnung im OG (125 qm) verbunden. Beide Wohnungen waren nur über das gemeinschaftliche Treppenhaus erreichbar, welches auch von den übrigen Mietern des Hauses genutzt wurde. Beide Wohnungen wurden von der Erblasserin und dem Kl. gemeinsam genutzt. In der oberen Wohnung befanden sich die Schlafzimmer der Familienmitglieder (auch des Kl.), ein Badezimmer, die Küche und ein Wohnzimmer. In der Wohnung im EG befanden sich zwei Arbeitszimmer, ein Wohnzimmer, ein Badezimmer und eine Küche. Wenn Gäste zu Besuch kamen, wurden diese ausschließlich in der EG-Wohnung empfangen. Seit Oktober 2010 hielt sich die Erblasserin überwiegend in der Wohnung im OG auf. Nach dem Tod seiner Mutter hielt der Kl. an der räumlichen Aufteilung und Nutzungsweise der beiden Wohnungen unverändert fest.

Das FA setzte gegen den Kl. Erbschaftsteuer fest und berücksichtigte dabei eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nur hinsichtlich der Wohnung im OG i.H.v. 103.066 € (Grundstückswert 404.015 € x 125 qm / 490 qm).

Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei und den Kl. nicht in seinen Rechten verletze. Das FA habe zu Recht die Steuerbefreiung für die zweite Wohnung des Kl. im EG des Mehrfamilienhauses versagt.

Bei der Auslegung des Begriffs „eine Wohnung“ i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sei restriktiv von einem streng nummerischen Verständnis des Rechtsbegriffs auszugehen. Wohnung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG meine die Zusammenfassung mehrerer Räume, die von anderen Wohnungen baulich getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und Räumlichkeiten umfassen. Dies treffe sowohl auf die obere Wohnung als auch auf die Wohnung im EG zu, so dass zwei Wohnungen vorlägen. Der Wortlaut von § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG spreche jedoch klar und ausdrücklich nur von einer Steuerfreistellung für „eine Wohnung“, die der Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Auch die Schranke der Steuerbefreiung, dass die „Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter“ nicht übersteigen dürfe, zeige eine klare nummerische Bestimmung.

Soweit in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift überhaupt eine Auslegung der Norm möglich sei, werde das gefundene Ergebnis auch von der Entstehungsgeschichte sowie dem Zweck der Norm gedeckt. Die Steuerbefreiungstatbestände des § 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c ErbStG sollen dazu dienen, den gemeinsamen familiären Lebensraum zu schützen und das Familiengebrauchsvermögen krisenfest zumachen. Daraus folge zwingend, dass nur dasjenige Familienvermögen freizustellen sei, welches den unmittelbaren Mittelpunkt des privaten und familiären Lebens, also den Kernbereich, bilde. Dieser eng begrenzte Kernbereich beziehe sich aber auf die Nutzung einer einzigen Wohnung. Nichts anderes ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Die Beschränkung der Befreiung auf eine Quadratmeterzahl bei Kindern anstelle eines Betrags solle regional bestehende Unterschiede der Grundstückswerte beseitigen. An der grundsätzlich zahlenmäßigen Begrenzung des Familienheims bestehend aus einem Haus oder einer Wohnung ändere dies aber nichts.

Das Urteil ist rechtskräftig, so dass der BFH zu der Rechtsfrage leider nicht Stellung nehmen wird. Die durch das FG vorgenommene Auslegung ist nicht unumstritten. Die Formulierung in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG „soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat“ kann auch so verstanden werden, dass es sich dabei nur um einen unbestimmten Artikel handelt und auch mehrere Wohnungen in einem Haus begünstigt sein können (in diesem Sinne auch Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG, 5. Aufl. 2017, § 13 ErbStG Rz. 38). Voraussetzung ist aber, dass – wie im Streitfall – beide Wohnungen zusammen genutzt werden und sich dort insg. der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet.

Davon zu unterscheiden sind die Fälle einer Zweit- oder Nebenwohnung. Hier liegen zwar ebenfalls zwei selbstgenutzte Wohnungen vor, jedoch befindet sich nur in der Hauptwohnung der Mittelpunkt des familiären Lebens. Für Zweit- oder Nebenwohnungen kann daher keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c ErbStG in Anspruch genommen werden (vgl. BFH v. 18.7.2013 – II R 35/11, ErbStB 2013, 368 [Kirschstein]).

Hinweis: Die Steuerbefreiung für das Familienheim ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Dabei zeichnet sich von Seiten der Finanzverwaltung und der FG-Rspr. zunehmend eine eher restriktive Haltung ab (zu den aktuellen Entwicklungen unter Berücksichtigung des Entwurfs der neuen Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 s. Knittel, ErbStB 2019, 74 ff.).

FG Köln v. 30.1.2019 – 7 K 1000/17 (rkr.), ErbStB 2019, 192

 

Vermögen einer unselbständigen Stiftung liechtensteinischen Rechts als Nachlassvermögen des Stifters

Der BFH hat mit Urteil vom 5.12.2018 entscheiden, dass das einer unselbständigen Stiftung liechtensteinischen Rechts übertragene, jedoch weiter dem Stifter zuzurechnende Vermögen beim Tode des Stifters zum Erbanfall gehört, wenn die Herrschaftsbefugnisse des Stifters vererblich sind (BFH v. 5.12.2018 – II R 9/15).

Der Kläger ist aufgrund eines Testaments aus dem Jahr 2005 Alleinerbe der im Jahr 2009 verstorbenen Erblasserin (E). Diese hatte 1999 Vermögen auf eine neu gegründete Stiftung übertragen, die als unbefristete Stiftung i.S.d. Art. 552 ff. des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein, errichtet wurde. Der Zweck der Stiftung war laut Statut die Ausrichtung von Beiträgen zugunsten Angehöriger bestimmter Familien. Der von E bestellte Stiftungsrat konnte in Beistatuten Begünstigte bestimmen und einstimmig die Statuten ändern. Aus einer Bestätigung der Mitglieder des Stiftungsrats ergab sich, dass der Stiftungsrat i.R.d. Mandatsausübung in vollem Umfang an die Weisungen der E gebunden und nicht zu einer selbständigen Ausübung des Mandats berechtigt war. Die Stifterin konnte außerdem jederzeit die Statuten ändern sowie die Stiftung ohne Angabe von Gründen widerrufen. Mit Beistatut vom 16.6.2009 bestimmte der Stiftungsrat die E zur Erstbegünstigten. Nach ihrem Tod waren Beträge für den Kurator und den Tierschutz vorgesehen, Begünstigter des restlichen Vermögens war der Kläger. Das Beistatut war zu Lebzeiten der E widerruflich und nach ihrem Tod unwiderruflich.

Die aus der Stiftung von 1999 bis 2008 erzielten Erträge hatte E bei ihren Einkommensteuererklärungen nicht angegeben. Dies holte der Kl. nach dem Tod von E nach. Er gab Anfang 2010 außerdem eine Erbschaftsteuererklärung ab, worin er auf das Stiftungsvermögen hinwies und die Auffassung vertrat, dass eine von der Stifterin beherrschte abhängige Stiftung vorläge, deren Vermögen der Stifterin zuzurechnen sei. Seine auf den Stiftungsstatuten beruhende Begünstigung führe jedoch nicht zu einem steuerpflichtigen Vorgang gem. § 1 ErbStG.

Das FA hielt das Vermögen der Stiftung dagegen für einen Teil des Nachlasses und setzte Erbschaftsteuer gegen den Kläger fest. Das FG wies die Klage ab. Mit der Revision begehrt der Kläger, dass die Erbschaftsteuer ohne Einbeziehung des in der Stiftung eingelegten Vermögens i.H.v. rund 1,2 Mio. € festgesetzt wird.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das dem Kläger zustehende (restliche) Stiftungsvermögen der Erbschaftsteuer unterliege. Die vom Kläger erworbene Forderung der E gegen die Stiftung auf Auskehrung deren Vermögens sei Teil seines steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen.

Grundsätzlich sei das Vermögen einer intransparenten, wirksam gegründeten und rechtlich selbständigen Stiftung dem Stifter nicht mehr zuzurechnen. Anders sei es jedoch, wenn nach den getroffenen Vereinbarungen die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter ggü. tatsächlich und frei zu verfügen. Es stehe zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass E sich an dem in die Stiftung eingebrachten Vermögen Herrschaftsbefugnisse so vorbehalten hatte, dass ihr das Vermögen nach den Kriterien des BFH-Urteils v. 28.6.2007 (BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = ErbStB 2007, 293 m. Komm. Halaczinsky) zu ihren Lebzeiten weiterhin zuzurechnen war.

Kein Ausschluss der Vererblichkeit: Nach dem Tod des Stifters komme eine Vererbung des Stiftungsmögens nur in Betracht, wenn die Herrschaftsbefugnisse des Stifters ebenfalls vererbt werden können und deshalb auf den Erben übergingen. Andernfalls würden die Herrschaftsbefugnisse mit dem Tod des Stifters ersatzlos erlöschen und damit die Zurechnung des Stiftungsmögens beim Stifter bzw. dessen Erben entfallen. Die Vererblichkeit der Herrschaftsbefugnisse von E sei nicht aufgrund der Stiftungsstatuten ausgeschlossen. Eine Einschränkung der Rechte der Stifterin sei im Statut der Stiftung auch für den Fall des Ablebens nicht vorgesehen. Ebenso sei nicht bestimmt worden, dass diese Rechte nicht vererblich seien und beim Ableben der Stifterin erlöschen. Auch die Regelung, dass die Stifterin die Statuten und Beistatuten jederzeit abändern könne, beinhalte keine personenbezogene Beschränkung dieses Rechts ausschließlich auf die Stifterin.

Ein Ausschluss der Vererblichkeit ergebe sich auch nicht nach liechtensteinischem Recht. Nach Art. 552 § 30 Abs. 1 PGR können zwar Rechte zum Widerruf der Stiftung oder Änderung der Stiftungserklärung nicht vererbt werden, jedoch gelte diese Vorschrift nicht für Stiftungen, die – wie die Stiftung im Streitfall – vor dem 1.4.2009 errichtet wurden. Auch aus dem für Altstiftungen möglicherweise weiterhin anzuwendenden Art. 559 PGR ergebe sich kein Ausschluss der Vererblichkeit der Rechte der Stifterin.

Bereits im Jahr 2007 hatte der BFH entschieden, dass bei einer Stiftung keine Bereicherung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG eintritt, wenn sich der Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Stiftungsvermögen vorbehält (BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, ErbStB 2007, 293 m. Komm. Halaczinsky). Ungeklärt war bisher jedoch die Frage, ob im Zeitpunkt des Todes des Stifters das (formal) auf die Stiftung übertragende Vermögen in den Nachlass des Stifters fällt oder ob in diesem Moment das Trennungsprinzip wieder zum Tragen kommt, weil die Rechte des Stifters nicht auf den oder die Erben übergehen. Insoweit hat der BFH nun klargestellt, dass die Zurechnung des Stiftungsvermögens beim Stifter bzw. dessen Erben entfällt, wenn die Herrschaftsbefugnisse des Stifters nicht vererblich sind.

Da die Vererblichkeit im Streitfall jedoch nicht ausgeschlossen war, waren die Herrschaftsbefugnisse der E auf den Kläger übergegangen und der Anspruch auf Auskehrung des Stiftungsvermögens gehörte zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb von Todes wegen. Da das Stiftungsvermögen aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge dem Kläger zuzurechnen war, kam es nach Ansicht des BFH nicht darauf an, ob die Stiftung zum Zwecke der Steuerhinterziehung und damit missbräuchlich gegründet wurde (anders noch die Vorinstanz, vgl. FG Münster v. 11.12.2014 – 3 K 764/12 Erb, ErbStB 2015, 161 m. Komm. Halaczinsky).

Hinweis: Nach Auffassung des BFH kommt es entscheidend auf die Vererblichkeit der dem Stifter vorbehaltenen Herrschaftsbefugnisse an, die sich nach liechtensteinischem Recht bestimmt. Ein Ausschluss der Vererblichkeit kann sich nicht nur aus dem Stiftungsstatut ergeben, sondern auch aus Art. 552 § 30 Abs. 1 Satz 2 PGR. Diese Vorschrift, wonach Rechte zum Widerruf der Stiftung oder zur Änderung der Stiftungserklärung nicht abgetreten oder vererbt werden können, findet allerdings keine Anwendung auf Stiftungen, die – wie die Stiftung im Streitfall – vor dem 1.4.2009 errichtet wurden.

BFH v. 5.12.2018 – II R 9/15

Keine Steuerpause ab dem 1.7.2016 bei der Erbschaftsteuer

Erbschaftsteuerpause?: In dem Verfahren war zwischen den Beteiligten streitig, ob für Erbfälle ab dem 1.7.2016 (nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des BVerfG v. 17.12.2014 (BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50; s. ErbStB 2015, 40 [M. Söffing/Thonemann-Micker]) bis zur Verkündung des „Gesetzes zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ v. 4.11.2016 (BGBI. I 2016, 2464, ErbStAnpG 2016) im Bundesgesetzblatt (am 9.11.2016) eine sog. Erbschaftsteuerpause eingetreten ist.

Nachlass ohne Betriebsvermögen: Die Klägerin (Kl.) ist Alleinerbin nach ihrer im August 2016 verstorbenen Tante. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Guthaben der Erblasserin bei einer Bank i.H.v. 167.046 € und der Auszahlung aus einer Lebensversicherung i.H.v. 1.168 €. Unter Berücksichtigung einer Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2016 und eines Freibetrags gem. § 16 Abs. 1 ErbStG 2016 i.H.v. setzte das FA hierfür mit Bescheid vom 1.6.2017 Erbschaftsteuer i.H.v. 6.300 € fest.

Klammernorm § 19 ErbStG?: Die Kl. legte gegen den Erbschaftsteuerbescheid fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Aufhebung des Bescheids. Sie vertrat die Auffassung, dass für Erbfälle, die nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 bis zur Verkündung des ErbstAnpG 2016 eingetreten seien, kein ErbStG bestanden habe, auf dessen Grundlage Erbschaftsteuer hätte festgesetzt werden können. Das BVerfG habe (BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50) § 13a, § 13b und § 19 Abs. 1 ErbStG 2009 wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG für verfassungswidrig erklärt und gleichzeitig die begrenzte Anwendbarkeit des verfassungswidrigen Gesetzes angeordnet. Da die Feststellung der Verfassungswidrigkeit auch für die Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG 2009 gelte, sei nach dem ausdrücklichen Hinweis des BVerfG auch die Erhebung der Erbschaftsteuer für den Übergang von Privatvermögen nicht ohne Verstoß gegen Art. 3 GG möglich.

Das FG Köln hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das FA habe für den Erbfall vom August 2016 zutreffend Erbschaftsteuer festgesetzt. Das ErbStG 2016 stelle eine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer für den im August 2016 eingetretenen Erbfall dar. Dies ergebe sich aus der rückwirkenden Inkraftsetzung des ErbStAnpG 2016 mit Wirkung zum 1.7.2016 (Art. 3 des Gesetzes) und der speziellen Anwendungsregelung in § 37 Abs. 12 ErbStG 2016, wonach die Neuregelungen zur Besteuerung von Betriebsvermögen für alle Erwerbe gelten, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht.

Keine verfassungsrechtlichen Zweifel: Der Senat sei weder im Hinblick auf die gesetzlich angeordnete Rückwirkung noch im Hinblick auf die inhaltlichen Änderungen in Bezug auf die Besteuerung von Betriebsvermögen von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugt. Hinweis: Daher war das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und keine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

So finde das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gelte nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der Rspr. des BVerfG anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handele es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 m.w.N.).

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen sei gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten. Vertrauensschutz komme insb. dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste, oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden. Der Vertrauensschutz müsse ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern, wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (vgl. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des FG Köln mit Verkündung des ErbStAnpG 2016 am 9.11.2016 – rückwirkend – eine umfassende Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen ab dem 1.7.2016 geschaffen, die den Anforderungen der Rspr. des BVerfG an eine verfassungsgemäße Besteuerung von Betriebs- bzw. Unternehmensvermögen genügt. Durch die Anordnung der Rückwirkung auf Erbfälle und Schenkungen ab dem 1.7.2016 habe der Gesetzgeber insb. auch dafür Sorge getragen, dass, unabhängig von der Auslegung der Fortgeltungsanordnung in der Entscheidung des BVerfG v. 14.12.2014, nach dem 30.6.2016 keine Erbschaftsteuerpause eingetreten ist.

Die Regelung in Art. 3 ErbStAnpG 2016 und die Regelung des § 37 Abs. 12 Satz 1 ErbStG 2016 verstießen zudem nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Zwar handele es sich hierbei um Regelungen, denen in formaler Hinsicht echte Rückwirkung zukommt. Diese Rückwirkung sei aber zulässig. Dies gelte ausdrücklich auch für das Betriebsvermögen, soweit die Erwerber ggü. der bisherigen Rechtslage schlechtergestellt werden (a.A. wohl Crezelius, ZEV 2016, 541, 542; Wachter, GmbHR 2017, 1, 6 f.). Wenn auch die Möglichkeit einer steuerfreien Übertragung auch für Großvermögen erhalten bleibt, kann das Gericht zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu der Überzeugung gelangen, dass der Gesetzgeber mit dem ErbStAnpG 2016 die Vorgaben des BVerfG verfehlt hat und das neue ErbStG aufgrund der Verschonungsregelungen zum Betriebsvermögen weiterhin gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Auch wenn es im Streitfall ausschließlich um den Übergang von Privatvermögen geht, konnte die Zulässigkeit der echten Rückwirkung im Hinblick auf die neugestalteten Verschonungsvorschriften für Betriebsvermögen nicht unbeantwortet bleiben. Zwar bejaht das FG Köln die Klammerwirkung des § 19 ErbStG und somit wären grundsätzlich sämtliche Erwerbe von einer Steuerpause betroffen. Da das FG Köln die echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung aber für zulässig erachtet, hat die Einstufung des § 19 ErbStG als Klammernorm in dieser Frage der Rückwirkung rechtlich keine Konsequenz.

Keine inhaltlichen Änderungen mehr bei den Vorschriften zur rückwirkenden Anwendung nach dem 30.6.2016: Beim ErbStAnpG 2016 kam es zwar zur Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat. Als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens wurden auch die Verschonungsregelungen als solche noch einmal geändert. Unberührt hiervon blieben aber die Regelungen zur rückwirkenden Anwendung ab dem 1.7.2016. Insoweit wurde niemals Änderungsbedarf gesehen. Die Regelungen über die Anwendbarkeit der Neuregelungen spätestens für Erwerbe ab 1.7.2016 waren vielmehr im gesamten Gesetzgebungsverfahren von Anfang an unstreitig (vgl. Hardt, EFG 2017, 1963).

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Ausdrücklich offengelassen hat das FG die Frage, ob die erbschaftsteuerliche Behandlung des Unternehmensvermögens nach neuem Recht aufgrund der höchst komplexen Regelungen unkalkulierbar und deshalb wegen Normenunbestimmtheit und -unklarheit verfassungswidrig sei (z.B. Seer/Michalowski, GmbHR 2017, 609). Diese Frage vermochte der Senat zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls mit der Sicherheit zu bejahen, die es für eine Vorlage an das BVerfG bedürfte.

FG Köln v. 8.11.2018 – 7 K 3022/17, Rev. eingelegt, Az. d. BFH: II R 1/19

Mehr zum Thema: Guerra/Mühlhaus, Ist die geplante Rückwirkung des neuen Erbschaftsteuergesetzes auf den 1.7.2016 verfassungswidrig?, ErbStB 2016, 230; M. Söffing/Thonemann-Micker, Das BVerfG zur Erbschaftsteuer: Same Procedure as Every Time, ErbStB 2015, 40.

 

Erbauseinandersetzung bei zivilrechtlicher Nachlassspaltung

Der BFH hat entschieden, dass wenn bei einer zivilrechtlichen Nachlassspaltung unter Einbeziehung aller personengleichen Erbengemeinschaften alle Nachlassgegenstände in einem einheitlichen Vorgang unter allen Beteiligten vollständig verteilt werden, auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen ist. Damit hat der BFH der Revision des FA stattgegeben, die Sache aber zur erneuten Entscheidung an da FA zurückverwiesen. das FG hat noch festzustellen, wie sich die Miterben im Zuge der Auflösung der beiden Erbengemeinschaften auseinandergesetzt haben.

Zum Sachverhalt: Der Kläger ist zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern (A, B und C) Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater V. Zum Nachlass gehörten drei Grundstücke (X, Y und Z) und ein auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Mehrfamilienhausgrundstück (Grundstück W). Erben des V sind laut Erbschein die Mutter des Klägers zu 1/2 und der Kläger und seine drei Schwestern zu je 1/8. Hinsichtlich des Grundstücks W wurde der Erblasser von der Mutter des Klägers zu 1/4 und von dem Kläger und seinen drei Schwestern zu je 3/16 beerbt. Die Mutter des Klägers hatte an den vier Grundstücken das Nießbrauchsrecht. Sie nahm für die Modernisierung des Gebäudes auf dem Grundstück W vier Darlehen und machte die Modernisierungskosten bei ihren Vermietungseinkünften als Werbungskosten geltend. Mit Vertrag vom 6. 10. 2008 setzte sich die Erbengemeinschaft auseinander. Der Kläger erhielt u.a. das Grundstück W zu Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm er zwei der vier Darlehensverträge seiner Mutter sofort und verpflichtete sich, seine Mutter von den Darlehenszahlungen der beiden anderen Darlehensverträge freizustellen und zur Übernahme dieser Verträge zu einem späteren Zeitpunkt. Der Kläger erhielt außerdem das lastenfreie Grundstück X als Alleineigentümer gegen eine Abfindungszahlung von 20.000 € an seine Schwester C. Die Kosten der Auseinandersetzungsvereinbarung und ihrer Durchführung trug der Kläger. Er machte im Streitjahr 2012 die AfA für das bebaute Grundstück W als Werbungskosten geltend, was das FA ablehnte, da die zivilrechtlich eingetretene Nachlassspaltung ertragsteuerlich unerheblich sei. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage überwiegend statt und gewährte die AfA zum größten Teil.

Keine Anschaffung bei Erbauseinandersetzung durch Realteilung: Nach § 7 Abs. 4 EStG bemisst sich die AfA nach den Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB, also den Aufwendungen zum Erwerb und Inbetriebsetzung eines Vermögensgegenstandes zuzüglich den Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben Anschaffungskosten sein, z.B. wenn er die Erbanteile anderer Miterben erwirbt. Verteilen die Miterben dagegen das Gemeinschaftsvermögen zur Beendigung der Gemeinschaft unter sich, liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft. Bei einer derartigen Realteilung des Nachlasses hat der übernehmende Miterbe entsprechend § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV die von der Erbengemeinschaft anzusetzenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten fortzusetzen. Unerheblich ist die Zusammensetzung des entsprechend seiner Erbquote zugeteilten Nachlassvermögens. Die wertmäßige Angleichung kann auch durch Übernahme der Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft durch einen Erben erfolgen. Auch soweit dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, führt dies noch nicht zu Anschaffungskosten. Anschaffungskosten liegen nur vor, wenn der Wert des Erlangten den Wert seines Erbanteils übersteigt und der so begünstigte Erbe deshalb an einen oder mehrere Miterben Ausgleichszahlungen leisten muss.

Die Feststellung, ob es sich bei der Erbauseinandersetzung insgesamt um eine steuerneutrale Realteilung oder teilweise um Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge handelt und in Bezug auf welche Nachlassgegenstände dies der Fall ist, ist vom FG zu treffen. Im Streitfall kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben. Zwar ist im Streitfall zivilrechtlich eine Nachlassspaltung eingetreten, da sich hinsichtlich des Grundstücks W die Erbfolge noch das ZGB-DDR maßgebend ist, so dass insoweit eine andere Erbfolge ergibt als für die anderen drei in den „alten“ Bundesländern belegen Grundstücke. Neben der Erbengemeinschaft, zu welcher die drei Grundstücke X, Y und Z gehörten, bestand damit eine personengleiche weitere Erbengemeinschaft, die das Gesamteigentum an dem Grundstück W innehatte.

Die Nachlassspaltung ist jedoch nicht ohne Weiteres auch der ertragsteuerlichen Beurteilung der Erbauseinandersetzung zugrunde zu legen. Eine solche Bindung an das Zivilrecht besteht nicht, da die Miterben diese Nachlassspaltung bei ihrer Auseinandersetzung nicht beachten müssen.

Das Urteil hat Bedeutung für die Fälle, in denen sich der Nachlass aus Vermögensteilen zusammensetzt, für die zivilrechtlich jeweils unterschiedlich Erbfolgen gelten, weil sie z.B. in verschiedenen Ländern belegen sind. Werden beide Vermögensteile einheitlich ohne Beachtung der zivilrechtlichen Spaltung unter den Miterben verteilt, ohne dass ein Miterbe Ausgleichszahlungen zu leisten hat, liegt insgesamt eine steuerneutrale Aufteilung vor, so dass keine Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgänge gegeben sind. Folgen die Miterben dagegen der zivilrechtlichen Spaltung der Nachlassmasse, ist jede gesondert darauf zu untersuchen, ob die Auseinandersetzung mit oder ohne Ausgleichszahlung erfolgt.

BFH v. 10.10.2018 – IX R 1/17

Antrag auf Vollverschonung: Wirkungen eines Vorläufigkeitsvermerks im Schenkungsteuerbescheid

Das FG Münster hat mit seinem Urteil vom 13.9.2018 (3 K 1285/18) entschieden, dass ein im Hinblick auf die zu erwartende Neuregelung des ErbStG erlassener Vorläufigkeitsvermerk im Schenkungsteuerbescheid nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. umfasst.

Zum Sachverhalt: Der Kläger (Kl.) erhielt von seinem Vater V zum 10.10.2012 unentgeltlich Gesellschaftsanteile an mehreren KGs. Die Quote des Verwaltungsvermögens liegt jeweils unterhalb der zulässigen Grenzen, so dass ein Verschonungsabschlag von 100 % möglich war. In der „Anlage Steuerentlastung für Unternehmensvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG)“ wurde die Frage zu einer vollständigen Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. weder mit „ja“ beantwortet noch ein Antrag auf vollständige Steuerbefreiung beigefügt, so dass im Schenkungsteuerbescheid nur jeweils ein Verschonungsabschlag von 85 % angesetzt wurde. Der Bescheid enthielt einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG. Nach Feststellung der Bedarfswerte der Gesellschafsanteile änderte das FA den Bescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO und formulierte den Vorläufigkeitsvermerk wie folgt:
„Die Festsetzung der Schenkungsteuer ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 AO im Hinblick auf die durch das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang vorläufig. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen.“
Mit Einspruch beantragte der Kl. den vollen Verschonungsabschlag, da durch den Vorläufigkeitsvermerk dieser Antrag noch gestellt werden könne. Dem gab das FA nur teilweise i.R.d. Fehlerkompensation gem. § 177 AO statt und wies den Einspruch i.Ü. zurück.

Grundsätze zum Verschonungsabschlag: Gemäß §§ 13a Abs. 1, § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ErbStG (2012) wird u.a. für Mitunternehmeranteile ein Verschonungsabschlag von 85 % gewährt. Nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. (jetzt ähnlich § 13a Abs. 10 ErbStG) kann der Erwerber unwiderruflich eine Vollverschonung, also die 100 %-ige Freistellung des erworbenen Mitunternehmeranteils wählen, wenn das erworbene Betriebsvermögen u.a. max. zu 10 % aus sog. Verwaltungsvermögen besteht. Das Gesetz regelt nicht, bis wann der Antrag auf Vollverschonung zu stellen ist und ob die Steuerfestsetzung bei einem Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. 3 AO geändert werden kann. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, dass die Erklärung bis zur (formellen) Bestandskraft der Steuerfestsetzung abzugeben ist.

Unterschiedliche Auffassungen: Die Finanzverwaltung führt in den ErbStR 2012 aus, der Erwerber müsse den Antrag grds. bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft des Steuerbescheides stellen kann (vgl. R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2), ohne zu sagen, wann ein Bescheid materiell bestandskräftig wird. Die OFD Karlsruhe (OFD Karlsruhe v. 7.8.2014 – S381.2a/50 – St 341, S033.8/48 – St 311) eröffnet dem Erwerber bei einem Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO die Möglichkeit, auch noch nach Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung die Vollverschonung zu beantragen, während der FinMin. NW (FinMin. NW v. 24.7.2015 und 25.8.2015 – S 3812a – 105 – V A 6) aus einem solchen Vorläufigkeitsvermerk keine Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 AO ableitet. Auch in der Literatur werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Voraussetzungen für Änderung nach § 165 Abs. 2 AO sind nicht erfüllt: Gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO kann das FA die Festsetzung i.R.d. Umfangs der Vorläufigkeit aufheben oder ändern. Nach Beseitigung der Ungewissheit ist der Vorläufigkeitsvermerk aufzuheben, § 165 Abs. 2 Satz 2 AO. Änderungen nach § 165 Abs. 2 AO sind nach Art und Umfang nur in dem durch die Vorläufigkeit wirksam gesteckten Rahmen zulässig, der ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist. Ist ungewiss, ob eine Norm verfassungsgemäß ist, bewirkt der hierauf abhebende Vorläufigkeitsvermerk, dass alle sachlich zusammenhängenden („kohärenten“), zu dem Regelungskomplex gehörenden Rechtsfolgen offengehalten werden sollen. Hier ergibt sich aus dem Vorläufigkeitsvermerk hinreichend klar, dass der Bescheid nur für den Fall offengehalten werden sollte, dass sich die geltende Rechtslage aufgrund einer Entscheidung des BVerfG ändert. Die Vorläufigkeitserklärung ist nicht dahin zu verstehen, dass das ErbStG als verfassungswidrig angesehen wird. Nur bei Gesetzesänderung aufgrund einer BVerfG-Entscheidung ist die Steuerfestsetzung entspr. von Amts wegen zu ändern.
Demnach war die Bestandskraft nicht auch für einen Antrag auf Vollverschonung durchbrochen, da dieser Antrag gerade nicht auf der gesetzlichen Neuregelung, sondern auf dem geltenden Recht basierte. Die (unzutreffende) Auffassung der OFD Karlsruhe hätte zur Folge, dass sämtliche Steuerfestsetzungen mit diesem Vorläufigkeitsvermerk insgesamt – also auch hinsichtlich etwaiger Rechtsfehler in anderen Bereichen des ErbStG offengehalten würden. Hierfür ist kein sachlicher Grund ersichtlich.

Keine anderen Änderungsnormen: Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nicht möglich, da die Feststellung von Wertansätzen, hier das Nichtüberschreiten der 10 %-Grenze, kein steuerlich rückwirkendes Ereignis ist, zumal der der Feststellung zugrunde liegende tatsächliche Lebensvorgang bereits bei dieser Feststellung eingetreten war. Eine Änderung der Antrags- oder Wahlrechtsausübung ist nur dann möglich, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt. § 351 Abs. 1 AO begrenzt die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der Änderung und stellt damit klar, dass es i.Ü. bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt.

Die Revision wurde nicht zugelassen, aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das FG Münster hat übrigens mit zwei weiteren Entscheidungen in vergleichbaren Fällen die Klagen ebenfalls mit jeweils gleicher Begründung als unbegründet abgewiesen (FG Münster v. 13.9.2018 – 3 K 1727/17, NZB, Az. d. BFH: II B 101/18 und FG Münster v. 13.9.2018 – 3 K 3699/16 Erb, NZB, Az. d. BFH: II B 99/18). Es ist wohl nicht zu erwarten, dass der BFH den NZB stattgibt, da die Entscheidung der allgemeinen Rspr. zum Zeitpunkt der Ausübung von Wahlrechten entspricht.

Konsequenzen: Die Möglichkeit der Änderung eines endgültigen, bestandskräftigen Bescheids auf Grund eines Vorläufigkeitsvermerks hängt von dessen Umfang ab. Bezieht sich die Vorläufigkeit nur auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, hat dies keine Auswirkungen auf den Grundsatz, dass Wahlrechte und Anträge bis zur Bestandskraft des Bescheids zu stellen sind, wenn nach Beseitigung der Ungewissheit durch entspr. Gesetzesänderung sich die Rechtslage hinsichtlich der Wahl- und Optionsrechte nicht geändert hat.
Der Steuerpflichtige hat wegen der Unwiderruflichkeit ein Interesse, den Antrag auf (volle) Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG erst zu stellen, wenn die Verwaltungsvermögensquote endgültig durch einen Feststellungsbescheid festgestellt wird, was eine gewisse Zeit dauern kann. Beträgt nämlich die Vermögensverwaltungsquote bei mehren Wirtschaftseinheiten zum Teil mehr als 20 %, entfällt bei einem Antrag auf die Optionsverschonung auch insgesamt die Regelverschonung. Die Steuerfestsetzung darf daher materiell-rechtlich nicht bestandskräftig werden. Es muss also Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden, bis über die Verwaltungsvermögensquote endgültig entschieden ist. Erst dann kann endgültig entschieden werden, ob der volle Abschlag beantragt wird, da dann die Steuerfestsetzung in vollem Umfang noch nicht bestandskräftig ist und ausgeübte Optionsrechte geändert werden können.

FG Münster v. 13.9.2018 – 3 K 1285/18, NZB eingelegt, Az. d. BFH: II B 102/18, ErbStB 2019, 35 m. Komm. Uhl-Ludäscher

Keine Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs gem. § 19 Abs. 1 ErbStG nach „additivem Teilmengentarif“

Wie ist die Erbschaft-/Schenkungsteuer zu berechnen, nach einem Vollmengentarif oder – wie der Kläger anstrebt – nach einem Teilmengentarif? Ist entsprechend des BFH-Urteils zur Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG (BFH v. 19.1.2017 – VI R 75/14, BStBl. II 2017, 684 = EStB 2017, 144 m. Komm. Weiss) mittels einer Art Teilmengenberechnung der gesetzlich festgelegte Prozentsatz nicht auf den erbschaftsteuerlichen Wert, sondern nur auf die Spalte zu beziehen, in der sich die jeweilige Prozentzahl befindet?

Das FG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 18.7.2018 entschieden, dass die Erbschaft-/Schenkungsteuer nach dem Vollmengentarif zu berechnen ist. Für eine Steuerberechnung nach dem additiven Teilmengentarif gibt es im ErbStG keine gesetzliche Grundlage. Das ergangene Urteil des BFH (BFH v. 19.1.2017 – VI R 75/14, BStBl. II 2017, 684 = EStB 2017, 144) zur Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG kann nicht analog hat auf die Berechnung des Steuersatzes nach § 19 Abs. 1 ErbStG angewandt werden.

Zur Berechnung der Erbschaft-/Schenkungsteuer wird die Steuer gem. der in § 19 Abs. 1 ErbStG abgedruckten Tabelle nach unterschiedlichen Prozentpunkten erhoben, die sich zum einen an der Steuerklasse, zum anderen aber auch am Wert des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG orientieren. Damit enthält die Steuertabelle einen sog. Vollmengenstaffeltarif, der den gesamten steuerpflichtigen Erwerb in vollem Umfang mit dem seiner Wertstufe als Obergrenze entsprechenden Steuersatz erfasst (Stein in v. Oertzen/Loose, ErbStG, § 19 Rz. 6 ff.; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 19 Rz. 7).

Bei einem nur geringfügigen Überschreiten der jeweiligen Obergrenze und der damit einhergehenden Erhöhung des Steuersatzes kann für den gesamten steuerpflichtigen Erwerb eine höhere Steuer entstehen, z.B. in StKl. II um 5 % bei Überschreiten der Wertgrenze von 600 000 € oder in StKl. III um 20 % bei Überschreiten der Wertgrenze von 13 000 000 €. Um abrupte Sprünge der Steuerbelastung im unmittelbaren Umfeld der jeweiligen oberen Betragsgrenzen des § 19 Abs. 1 ErbStG, sprich bei 75.000 €, 300.000 €, 600.000 €, 6.000.000 €, 13.000.000 € und 26.000.000 €, abzumildern, ist in § 19 Abs. 3 ErbStG ein Härteausgleich vorgesehen. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Härteausgleichsregelung in vielen Fällen wegen der breiten Spanne der Wertstufen nicht greift. Zu den maßgebenden Grenzwerten für die Anwendung des Härteausgleichs s. Tabelle in H E 19 ErbStH. Das FA ermittelt von Amts wegen, ob eine niedrigere Steuer gem. § 19 Abs. 3 ErbStG festzusetzen ist; Steuerbescheide sind ggf. hierauf zu überprüfen.

In der Praxis können Tarifsprünge bei Schenkungen durch wertmäßige Bestimmung der Zuwendung vermieden werden; auch durch Verteilung von Zuwendungen auf mehrere Bedachte kann auf die Steuersätze/Überschreiten von Steuersatzstufen Einfluss genommen werden.

FG Baden-Württemberg v. 18.7.2018 – 7 K 1351/18, rkr.

 

Begünstigung gem. § 35b Satz 1 EStG: Zusammentreffen von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben

Wie ist die Steuerermäßigung nach § 35b EStG bei der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Fall von teils geschenkten und teils geerbten GmbH-Anteilen zu berechnen?

Im Streitafll war der Kläger (Kl.) der Ansicht, dass bei der Ermittlung der Steuerermäßigung der gesamte gem. § 14 ErbStG zusammengerechnete Wert des steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen als „begünstigte Einkünfte i.S.d. § 35b Satz 1 EStG“ zugrunde zu legen sei (also der Wert einschl. der Vorschenkungen). Außerdem war streitig, in welcher Höhe der persönliche (Erbschaftsteuer-)Freibetrag bei der Berechnung der Steuerermäßigung zu berücksichtigen ist.

Die Vorinstanz (FG Düsseldorf v. 31.5.2017 – 2 K 489/16 E, EFG 2017, 1450 = ErbStB 2017, 331 m. Komm. Halaczinsky) entschied, nach § 35b EStG können nur die Vermögensteile begünstigt werden, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG sei vorrangig bis zur Höhe des Vorerwerbs von diesem abzuziehen.

Der BFH entschied, dass der Ermäßigungsprozentsatz des § 35b Satz 2 EStG beim Zusammentreffen von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben durch Gegenüberstellung nur der anteiligen, auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallenden Erbschaftsteuer und des Betrags, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird, zu ermitteln ist.

Damit ist höchstrichterlich geklärt, wie im Sonderfall des Zusammentreffens von einem Erwerb von Todes wegen mit Vorschenkungen zu Lebzeiten des Erblassers die Ermäßigung nach § 35b EStG zu berechnen ist.

Die BFH-Entscheidung betrifft den Sonderfall, in dem der Erblasser schon zu Lebzeiten Schenkungen gemacht, den „Rest“ vererbt hat und die Erwerbe zur Ermittlung der Erbschaftsteuerbelastung zusammengerechnet werden. Zur Berechnung der Steuerermäßigung gem. § 35b EStG müssen zunächst zwei Maßgrößen ermittelt werden: Zum einen die anteilig auf die nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte entfallende Einkommensteuer und zum anderen der Ermäßigungsprozentsatz gem. § 35b Satz 2 EStG. Der Betrag nach § 35b Satz 1 EStG multipliziert mit dem Ermäßigungsprozentsatz ergibt den Betrag der Steuerermäßigung.

Zu den begünstigten „Einkünften“ nach § 35b Satz 1 EStG gehören nur solche, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben und die z.B. nach einer steuerpflichtigen Veräußerung zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen werden. Einzubeziehen sind also nur solche Vermögensteile, die auch tatsächlich der Erbschaftsteuer unterlegen haben (also z.B. nicht sachlich oder persönlich befreit waren/sind). Im Fall des Zusammentreffene von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben ist der persönliche Freibetrag gem. § 16 ErbStG im Verhältnis der Einkünfte (gemeint ist der Erwerb durch den Erbanfall) zueinander aufzuteilen und anteilig bei den jeweiligen Einkünften abzuziehen. Im Streitfall entfielen 40,99 % des (erbschaftsteuerlichen) Gesamterwerbs (= 269.530 €) auf den Erwerb von Todes wegen; davon abzuziehen war der persönliche Freibetrag mit 40,99 % (= 400.000 € x 0,4099 = 163.960 €). Das ergab einen nach § 35b Satz 1 EStG zu begünstigenden (erbschaftsteuerlichen) Erwerb von 105.570 €.

Der Ermäßigungsprozentsatz ist durch Gegenüberstellung der anteilig auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallende Erbschaftsteuer und dem Betrag, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird, zu ermitteln. Gemäß § 35b Satz 2 EStG ist dem begünstigten Erwerb der anteilige Freibetrag wieder hinzurechnen. Im Streitfall betrug die anteilige Erbschaftsteuer bezogen auf den Erwerb von Todes wegen 11.615 €. Die begünstigte Einkünfte von 105.570 € betrugen nach Hinzurechnung des anteiligen persönlichen Freibetrags von 163.960 € = 269.530 €. Der Ermäßigungsprozentsatz betrug demnach aufgerundet 4,31 % (= 11.615 € / 269.530 €). Dieser ist sodann auf die Einkommensteuer anzuwenden, die infolge des Verkaufs der schon mit der Erbschaftsteuer belasteten, erzielten Einkünfte angefallen ist. Im Streitfall waren das von der gesamten Einkommensteuer auf den Veräußerungserlös anteilig 41.955 €. Im Streitfall ergab sich eine Steuerentlastung von lediglich 1.808 € (bei einer Einkommensteuer von insg. 382.826 €). Der Kl. hatte einen Ermäßigungsbetrag von 11.262 € eingeklagt.

Allgemein gilt, dass § 35b EStG keinen vollen Ausgleich der Erbschaftsteuerbelastung ermöglicht. Ziel der Regelung ist vielmehr, denjenigen Betrag von der Einkommensteuer abzuziehen, um den die Erbschaftsteuerbelastung niedriger gewesen wäre, wenn dort die latente Einkommensteuerbelastung hätte abgezogen werden können (so Kulosa in Schmidt, EStG, § 35b Rz. 21). Wenn auch insg. die Steuerentlastung eher gering ist, sollte dennoch i.R.d. Einkommensteuerveranlagung die Steuerermäßigung (formloser) beantragt werden; ein Antrag ist zwingend erforderlich (es genügt ein entspr. Eintrag im ESt-Erklärungsformular). Die Berechnung erfolgt von Amts wegen und müsste nach Bescheiderteilung überprüft werden.

BFH v. 13.3.2018 – IX R 23/17

Vom Schenker an eine GmbH verpachteter Grundbesitz als Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b ErbStG

Grundstücke als Verwaltungsvermögen? Im vorliegenden Urteilsfall war streitig, ob das beklagte FA zu Recht die den Klägern i. R. einer Schenkung zugewandten Grundstücke als Verwaltungsvermögen beurteilt hat, das von der in § 13b ErbStG in der für Erwerbe im Jahr 2012 geltenden Fassung geregelten Begünstigung ausgenommen ist. Der Onkel A der Kläger hatte i.R. einer Betriebsverpachtung im Ganzen Grundstücke an die GmbH der Kläger verpachtet, an der er selber mit einem Zwergenanteil beteiligt war.

Verwaltungsvermögen aufgrund Nutzungsüberlassung?: Im Rahmen der Feststellungen des Bedarfswertes für den Gewerbebetrieb erklärten die Kläger die Grundstücke nicht als Verwaltungsvermögen. In späteren Erörterungen vertraten die Kläger gegenüber dem FA die Auffassung, dass es sich bei dem Verpachtungsunternehmen um eine faktische Mitunternehmerschaft gehandelt habe, an der die Kläger ohne Miteigentumsanteile an den Grundstücken beteiligt gewesen seien. Darüber hinaus greife die Rückausnahme für Betriebsverpachtungen im Ganzen, da die Kläger als Erben eingesetzt worden wären.

Das FA widersprach dieser Auffassung in seiner Einspruchsentscheidung und verwies darauf, dass die Grundstücke an die GmbH und nicht an die Erben verpachtet worden seien und daher die Rückausnahme des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 lit. b nicht greife. Zudem könne nicht von einer Mitunternehmerschaft ausgegangen werden.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet: Das FA hat nach Ansicht des FG Baden-Württemberg (Urteil v. 15.5.2018 – 11 K 3401/16) im Feststellungsbescheid zu Recht auch die für die streitbefangenen Grundstücke festgestellten Grundbesitzwerte in die Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG einbezogen. A hatte die streitbefangenen Grundstücke an die GmbH verpachtet. Die GmbH ist nach Auffassung des FG unter den vorliegend gegebenen Umständen Dritte i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. Dem stünde nicht entgegen, dass an ihrem Stammkapital sowohl die Kläger als auch – mit einem Zwerganteil von weniger als 1 % – A beteiligt waren. Denn diese Beteiligungen am Stammkapital der GmbH lassen deren zivil- und steuerrechtliche Eigenständigkeit unberührt. Die GmbH ist eine juristische Person mit eigener, von derjenigen ihrer Gesellschafter unabhängiger Rechtspersönlichkeit. Da sie mithin weder mit dem Schenker noch mit den Zuwendungsempfängern (den Klägern) identisch oder auch nur teilidentisch und ihre Einschaltung in das Pachtverhältnis auch nicht nur zum Schein erfolgt ist, muss sie vorbehaltlich der Einschränkung, den der Begriff des „Dritten“ im vorliegenden Kontext durch § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG erfahren hat, zunächst einmal als Dritte angesehen werden (vgl. auch Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147).

Kein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswillen: Insbesondere konnte A nicht sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb – allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern – einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen, wie es die erste Alternative der genannten Vorschrift voraussetzt.

Wirtschaftliche Verknüpfung begründet keinen einheitlichen Beschäftigungswillen: Ist – wie vorliegend – A als Schenker einerseits Alleineigentümer der von einer GmbH genutzten Grundstücke und andererseits an dieser GmbH nur mit einem Zwerganteil von knapp 1 % beteiligt, dann kann die Durchsetzbarkeit eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens auch nicht allein daraus abgeleitet werden, dass Verpachtungsbetrieb und Betriebs-GmbH aufeinander angewiesen gewesen sind.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil nach seiner Auffassung eine höchstrichterliche Entscheidung zu Voraussetzungen und Grenzen der Steuerverschonungsregelungen in § 13b ErbStG gerade auch vor dem Hintergrund ihrer verfassungsrechtlichen Dimension im Interesse der Allgemeinheit liegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Revision ist unter dem Az. II R 22/18 beim BFH anhängig.