Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat zwischenzeitlich die Stellungnahmen der beteiligten Fachkreise – insgesamt 26 an der Zahl – zum Mitte März vorgelegten Referentenentwurf zur zweiten Novelle der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) auf seiner Website veröffentlicht.
Das ist neu am Referentenentwurf
Zur Erinnerung: Der Entwurf basiert im Wesentlichen auf den Inhalten des Diskussionspapiers, welches das BMJ am 15. November 2021 vorgestellt hatte, s. ZKM-Report 1/2022 und 2/2023. Eine der wichtigsten Änderungen betreffen die bislang dem theoretischen Ausbildungslehrgang nachgelagerten vier supervidierten Praxisfälle. Diese sollen zeitlich vorgezogen und in die Ausbildung integriert werden. Die Bescheinigung darf entsprechend nur erteilt werden, wenn spätestens drei Jahre nach Beendigung des Lehrgangs fünf supervidierte Mediationen oder Co-Mediationen nachgewiesen werden. Außerdem soll der Ausbildungsumfang von 120 auf insgesamt 130 Zeitstunden erhöht werden. Als weitere Lerninhalte werden die Digitalkompetenz und die Kompetenz zur Durchführung von Online-Mediationen in den Ausbildungskatalog aufgenommen. Maximal 40 Prozent der Ausbildungsinhalte dürfen über Online-Veranstaltungen vermittelt werden. Im Diskussionspapier hatte das BMJ noch von 20 Prozent gesprochen. Zudem sollen die Ausbildungsabsolventen ein Wahlrecht zwischen Einzel- und Gruppensupervision erhalten.
Ganz überwiegend bringen die beteiligten Verbände und Wissenschaftler ihre Sympathie für das offene Diskursverfahren und das Bemühen des Verordnungsgebers um Qualitätssicherung in der Mediation zum Ausdruck. Auch inhaltlich scheint ein breiter Konsens im Hinblick auf einige Regelungspunkte zu bestehen. Dazu gehören:
- die Integration der bisher nachgelagerten Fallsupervisionen in die Ausbildung und die damit verbundene Stärkung des Praxisanteils der Zertifizierung,
- die Anhebung der Ausbildungsstunden nebst Erweiterung der Lehrinhalte (Online-Mediation und Digitalkompetenz) sowie
- die Gleichstellung von Einzel- und Gruppensupervision.
Kritik am Grundkonzept der Zertifizierung
Erwartungsgemäß kontrovers sind die Meinungen indes im Hinblick auf das der Verordnung zugrunde liegende Zertifizierungskonzept. Kritisiert wird, dass die beabsichtigte Einbeziehung der Ausbildungsinstitute in den Zertifizierungsprozess die Schwächen des bekanntermaßen bereits im Mediationsgesetz angelegten Konzepts der Selbstzertifizierung nicht behebt. Namentlich die Deutsche Stiftung Mediation und Professor Reinhard Greger stellen das Festhalten an der verfehlten gesetzlichen Regelung grundsätzlich in Frage und machen sich für eine gesetzliche Neuregelung im Sinne einer „echten“ Zertifizierung stark, bevor sich das verfehlte Konzept weiter verfestige. Kritik kommt auch von den großen Mediationsverbänden, die ihre Forderungen nach höheren Qualitätsstandards bekräftigen, die Lösung der Selbstzertifizierungs-Problematik demgegenüber aber in einer vom Staat beliehenen Stelle sehen. Für die Übernahme dieser Funktion gibt es zwei Bewerber aus den Reihen der Verbände: die Qualitätsverbund Mediation gGmbH, unterstützt durch die beteiligten Verbände, sowie den Bundesverband Mediation e.V.
Es gibt allerdings durchaus auch eine Vielzahl von Stimmen, die die zurückhaltende Regelung des Referentenentwurfs ausdrücklich gutheißen. Der Ausschuss für außergerichtliche Streitbeilegung der Bundesrechtsanwaltskammer begrüßt das minimalinvasive Nachjustieren des BMJ als „niedrigschwellig und gleichwohl effizient“ und spricht sich nachdrücklich gegen eine Akkreditierung von Ausbildungsinstituten oder eine Verkammerung der Berufsgruppe aus. Die dauerhafte Infragestellung des gesetzlich gewählten Zertifizierungsverfahrens führe am Ende nicht zu mehr Vertrauen, sondern zu Verunsicherungen und schade damit der allseits gewünschten Etablierung, so die BRAK. Ähnlich argumentiert der Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft, der zu bedenken gibt, dass mit einer stärkeren Regulierung nicht automatisch die Anzahl an Mediationen zunähme.
Große Spannweite beim Online-Anteil der Ausbildung
Sehr weit auseinander gehen die Meinungen auch bei der Frage des zulässigen Online-Anteils im Rahmen der Mediationsausbildung. Im Begleitschreiben zum Referentenentwurf hatte das BMJ erklärt, dass der im Entwurf zum Ansatz gebrachte 40 %ige Online-Anteil noch nicht fix sei. Gleichzeitig bat das Ministerium um Stellungnahme zu einem Fragenkatalog speziell in diesem Kontext. Die Bandbreite der Meinungen erstreckt sich von „Regelung des Online-Anteils ist ohne Einschränkung verzichtbar“ über „in Kombination mit einer Abschlussprüfung ist eine Regelung verzichtbar“ bis hin zu „so wenig wie möglich“. Das kontroverse Meinungsbild war zu erwarten gewesen, bieten doch einige Ausbildungsinstitute bereits heute Ausbildungen im reinen Online- oder Hybrid-Format an.
Die Fürsprecher eines uneingeschränkten Online-Formats, Consensus GmbH und FernUniversität Hagen, argumentieren, dass es an wissenschaftlich fundierten Belegen fehle, die eine Einschränkung der didaktischen und pädagogischen Konzepte ausbildender Stellen rechtfertigten. Die deutliche Mehrheit der Experten spricht sich demgegenüber für eine gesetzliche Festlegung des zulässigen Online-Anteils aus, wobei die prozentualen Regelungsvorschläge sich zwischen maximal 10 % bis zu 50 % bewegen. Zur Begründung wird angeführt, dass es bei der Mediationsausbildung in besonderem Maß um die Erlangung interpersoneller Kompetenz ginge, die sich nachhaltiger beim gemeinsamen Lernen, Erleben und Reflektieren in Präsenzsituationen vermitteln lassen, statt vieler Heidelberger Institut für Mediation, Bundesrechtsanwaltskammer. Auch wird auf marktpolitische Risiken durch wirtschaftliche Verdrängungsdynamiken hingewiesen, z.B. Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familienmediation, Deutsche Stiftung Mediation.
Als sehr grobes Fazit lässt sich festhalten, dass das aus den Stellungnahmen gewonnene Meinungsbild jedenfalls nicht für einen weiteren Ausbau des Online-Anteils im Rahmen der Ausbildung spricht.
Im Übrigen bleibt abzuwarten, wie das BMJ jetzt weiter verfährt. Die beabsichtigte Nachjustierung der ZMediatAusbV ist ein Fortschritt gegenüber dem Ist-Zustand. Aber hilft das, der Mediation in der flächendeckenden Ausbreitung auf die Sprünge zu helfen? Sicher nicht. Der jüngste Bericht zu den Ursachen rückläufiger Klagen vor deutschen Gerichten ist gerade für Mediatorinnen und Mediatoren ernüchternd. Denn sie können von den Schwächen der Zivilgerichte nicht profitieren. Das aber liegt kaum an den zu laxen Zertifizierungsregeln.
Neben den obengenannten Themenkomplexen enthalten die Stellungnahme eine Reihe von weiteren Optimierungsvorschlägen, die es sich näher anzuschauen lohnt. Wer das tun will, findet alle Stellungnahmen auf den Internetseiten des BMJ (Kurzlink https://ottosc.hm/aBSEN).
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