Schlichtungsanträge von Fluggästen haben sich im vergangenen Jahr geradezu boomartig vermehrt. Dies gilt sowohl für die privatrechtlich organisierte Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp), der sich rund 40 Luftfahrtunternehmen freiwillig angeschlossen haben, als auch für das obligatorische Verfahren bei der behördlichen Schlichtungsstelle des Bundesamts für Justiz (BfJ).
Von den rund 40.000 Schlichtungsanträgen, die 2023 bei der söp eingegangen sind, entfielen 84 Prozent auf den Flugverkehr. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Neuanträge um rund 31 Prozent gestiegen. Mit dem erhöhten Geschäftsanfall ist die söp ihrem Tätigkeitsbericht zufolge aber gut fertig geworden. Insbesondere sei dies auf die neue, verstärkt auf frühzeitige Einigungen ausgerichtete Verfahrensordnung zurückzuführen. Die dort gebotenen Möglichkeiten würden von vielen Unternehmen pragmatisch und kulant genutzt, sodass in 54 Prozent aller Fälle frühzeitige Einigungen erreicht werden konnten. Insgesamt beläuft sich der Anteil der Verfahren, bei denen die Beteiligten einer Konfliktlösung zustimmen, auf 89 Prozent. Der Zeitraum zwischen Antragseingang und endgültigem Abschluss des Verfahrens betrug 2023 durchschnittlich 129 Tage.
Bei der behördlichen Schlichtungsstelle des BfJ sind 5.024 Anträge eingegangen, was einem Plus von 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 92 Prozent gegenüber dem „Vor-Corona-Jahr“ 2019 entspricht. Die Schlichtungsstelle führt dies auf die vermehrte Reisetätigkeit, aber auch auf die zunehmende Bekanntheit der Luftverkehrsschlichtung zurück.
Im Jahr 2023 unterbreitete die behördliche Schlichtungsstelle insgesamt in 2.118 Verfahren Schlichtungsvorschläge, wobei diese in 1.429 Fällen nur auf Grundlage des Fluggastvortrags ergingen, weil seitens des Luftfahrtunternehmens keine Stellungnahme erfolgt ist. 153 Schlichtungsvorschläge wurden sowohl von den Luftfahrtunternehmen als auch von den Fluggästen angenommen, 1.119 ausschließlich durch die Fluggäste und 30 ausschließlich durch das Luftfahrtunternehmen. Da zahlreiche Einigungen dadurch zustande kamen, dass das Luftfahrtunternehmen die Forderung des Passagiers nach Zuleitung der Beschwerde sogleich anerkannt oder der Fluggast einen von der Airline unterbreiteten Lösungsvorschlag angenommen hat, können insgesamt 32 Prozent der abgeschlossenen Verfahren als mit Einigung beendet verbucht werden.
Da die behördliche Schlichtungsstelle des BfJ nur für solche Airlines zuständig ist, die sich nicht der freiwilligen Schlichtung bei der söp angeschlossen haben, gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Unternehmen deutlich schwieriger. Viele Unternehmen reagieren dem Bericht zufolge auf die Anträge nicht, sodass ein Schlichtungsvorschlag nach Lage der Akten ergeht – mit geringer Aussicht auf Akzeptanz. Die Korrespondenz mit den Airlines gestalte sich mitunter schwierig. Von den 130 betroffenen Unternehmen hatten bis auf drei ihren Sitz im – größtenteils außereuropäischen – Ausland. Weitere Erschwernisse folgten aus der schlechten Wirtschaftslage vieler Unternehmen bis hin zur Insolvenz. Die Verfahren dauern – vom Eingang des Antrags bis zum Schlichtungsvorschlag – im Durchschnitt 219 Tage.
Ausführlich geht der Tätigkeitsbericht des Bundesamts auf die Kostensituation ein. Die Verfahrensgebühr von 330 Euro ist, unabhängig vom Streitwert und von der rechtlichen Beurteilung, stets vom Unternehmen zu tragen. Wenn das Unternehmen die Forderung des Reisenden sogleich anerkennt, ermäßigt sie sich auf 75 Euro. Insbesondere anwaltlich vertretene Unternehmen richteten ihr Verhalten danach aus.
Bei der söp wird die Schlichtungsarbeit durch den Trägerverein sowie durch monatlich den Mitgliedern in Rechnung gestellte Fallpauschalen für die abgeschlossenen Fälle finanziert.
Tätigkeitsbericht 2023 der söp: https://ottosc.hm/hSWLK
Jahresbericht 2023 des BfJ: https://ottosc.hm/GYwXY
Foto: Roman Korotkov/shutterstock.com
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