Eigentlich steht der Wind günstig: Bei einer Forsa-Umfrage gaben 80 Prozent der Befragten zu Protokoll, dass sie den Landausbau der Windenergie unbedingt möchten. Drohen die riesigen Windräder allerdings vor die eigenen Pforten zu kommen, dann droht oft Streit und Vermittlung tut not. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sprach mit den Mediatorinnen Emanuela Boretzki und Wiebke Heider vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) über ihre Aufgaben.
Warum muss das Kind überhaupt in den Brunnen fallen? Laut Wiebke Heider seien am Anfang, wenn eine Mitwirkung an der Regionalplanung gut möglich wäre, die Planungen noch sehr vage. Der Planungskorridor sei breit, oft würden mehrere Gemeinden einbezogen, man wisse noch nicht, wo die Anlagen genau stehen werden. „Anfangs interessiert so ein Projekt die Leute deshalb nicht. Es gilt das St.-Floriansprinzip, man hat die Hoffnung, es möge den anderen treffen. Erst, wenn keine Mitwirkung mehr möglich ist, werden die konkreten Grundstücke bekannt, auf denen gebaut wird. Und erst wenn die Planung ihr eigenes Grundstück betrifft, werden die Leute hellhörig und gehen auf die Barrikaden. Und das polarisiert dann die Gemeinden“, hat Heider beobachtet.
Die Befürworter stünden oft für den Klimaschutz – möchten, dass diesbezüglich auch etwas vor der eigenen Tür passiere, hat Emanuela Boretzki beobachtet. Für andere Beteiligte sei das Geldthema ein großes. Wenn Strom zu bekommen sei – Stichwort: „dezentrale Versorgung“, vielleicht auch günstiger –, gingen viele mit. Für die Gegner ausschlaggebend: das Landschaftsbild, der Natur- und Vogelschutz. „Windkraftanlagen müssen erschlossen sein, sie müssen von den Hauptstraßen auch für die Feuerwehr erreichbar sein. Das führt über Wege, die zum Teil auch Privatpersonen gehören. Die können eine Anlage auch über das Wegerecht verhindern“, weiß Boretzki.
Und wie läuft eine Windkraft-Mediation ab? „Wir gehen erst zu jeder einzelnen Konfliktpartei. Und wenn es 35 Parteien sind, gehen wir zu jeder einzelnen und hören sie an. Die fordern wir auch erst mal auf, richtig Dampf abzulassen. Wir sagen: ,Wir sind eure Blitzableiter.´ Das tut denen richtig gut“, sagt Heider. Danach sehe man schnell, dass die Gruppen gar nicht so homogen sind. Da findet sich in der Bürgerinitiative für den Rotmilan beispielsweise auch der Grundbesitzer, der sich ärgert, dass sein Grundstück außerhalb der Vorrangfläche liegt, dass die anderen mitverdienen und er nicht. Heider weiter: „Man lernt sich so kennen, wir erweitern unser Wissen, verstehen den Menschen, wir gewinnen Vertrauen. Und durch unsere Neugier, unsere Fragen, werden die Leute nachdenklich, wo sie wirklich stehen. Oft ist es ja so: Der ist dagegen – also bin ich auch dagegen.“
In der nächsten Phase werden die Gruppen in vier bis fünf Sitzungen zusammengeführt. „Die erste dient dem Beschnuppern, ab der zweiten geht es dann durch unsere Themenliste aus den Vorgesprächen. In den Sitzungen sitzt dann auch nicht die ganze Bürgerinitiative, sondern zwei Vertreter. Alle Parteien sind gleichberechtigt und in gleicher Anzahl an einem runden Tisch“, beschreibt Emanuela Boretzki das Prozedere. Sie wertet es bereits als erfolgreichen Abschluss der Mediation, wenn danach wieder miteinander statt übereinander geredet wird.
Manchmal, so Wibke Heider, werde auch schon an Ort und Stelle von allen eine Mediationsvereinbarung unterschrieben. „Aber eine Mediation ist immer eine Intervention ins Soziale, die auch Langzeitfolgen hat. Einmal hat eine Mediation, die ich als gescheitert bezeichnet hatte, zwei Jahre später doch zu einem Ergebnis geführt. Weil nach einer Mediation in den Köpfen so viel passiert.“
Quelle www.rnd.de v. 16.5.2022
Der Beitrag kann nicht kommentiert werden.