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FamRB-Blog

Verzicht auf Trennungsunterhalt immer unwirksam – Verbleiben nach der neueren Rechtsprechung des BGH überhaupt noch Gestaltungsmöglichkeiten?

Dr. Susanne Sachs  Dr. Susanne Sachs
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Erbrecht, Mediatorin

Sehr häufig wird von Eheleuten, die in Trennung leben, der Wunsch an die beratenden Rechtsanwälte herangetragen, sämtliche Trennungs- und Scheidungsfolgen abschließend endgültig zu regeln, da ein großes Bedürfnis nach Planungssicherheit für die Zukunft besteht. Fast immer sind die Eheleute in diesen Fällen auch bereit, etwaige finanzielle Nachteile, die sich aus einer solchen endgültigen und abschließenden Regelung ergeben könnten, zu Gunsten des Rechtsfriedens hinzunehmen. Entsprechend entsetzt reagieren die Mandanten in diesen Fällen meist auf den Hinweis, dass ein Verzicht auf den Trennungsunterhalt (den zwischen Trennung und Rechtskraft der Scheidung zu zahlenden Unterhalt) für die Zukunft schlicht nicht möglich ist. Selbst durch notariell beurkundeten Vertrag kann allenfalls auf den nachehelichen Unterhalt (den nach Rechtskraft der Scheidung zu zahlenden Unterhalt) verzichtet werden. Der Verzicht auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft ist hingegen gesetzlich vollständig ausgeschlossen (§ 1614 Abs. 1 BGB). Angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten, eine Scheidung auch nach Abschluss einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung über Monate, wenn nicht gar Jahre, zu verzögern und der häufig ganz erheblichen Höhe der im Raum stehenden Unterhaltsansprüche, ergibt sich durch diese Rechtslage eine für die Einigungsbereiten meist schwer erträgliche Unsicherheit. Daher bemühen sich Rechtsanwälte und auch Notare immer wieder, Möglichkeiten zu finden, das gesetzliche Verbot des Verzichts auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft – dem Wunsch ihrer Mandanten entsprechend – zu umgehen oder zumindest so gut wie möglich aufzuweichen.

I. Bisherige Umgehungsversuche

  1. „pacta de non petendo“

Bis zur Entscheidung des BGH v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 = FamRB 2014, 162 war es beispielsweise nicht unüblich, dass in den Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zwar nicht auf den Unterhaltsanspruch als solchen verzichtet wurde, sondern stattdessen vereinbart wurde, dass der Unterhaltsanspruch zwar Bestand haben sollte, die Vertragsparteien diesen aber nicht geltend machen würden (sog. pacta de non petendo). Mit diesem doch recht augenfälligen Versuch, die gesetzliche Regelung zu umgehen, hat der BGH mit dem genannten Beschluss aufgeräumt und ganz klar erklärt, dass auch eine solche Vereinbarung unwirksam ist, weil sie letztlich die gleichen Folgen zeitigt wie ein ausdrücklicher Verzicht auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft.

  1. Festlegung einer Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt

Seither wird in Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen häufig versucht, wenigstens eine Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt festzulegen. Auch die Festlegung einer Höchstgrenze ist allerdings nach dem Beschluss des BGH v. 30.9.2015 – XII ZB 1/15, FamRZ 2015, 2131 = FamRB 2015, 447 grundsätzlich als Verstoß gegen das gesetzliche Verbot eines Verzichts auf den Trennungsunterhalt anzusehen. Einen gewissen Spielraum lässt der BGH den Anwälten und Mandanten immerhin, indem er Regelungen, die einen um nur bis zu 20 % niedrigeren als den geschuldeten Trennungsunterhaltsbetrag als Höchstgrenze festlegen, noch als „Ausgestaltung“ des Trennungsunterhaltsanspruchs akzeptiert und hierin somit keinen unzulässigen Verzicht sieht.

II. Risiken einer unwirksamen Regelung zum Trennungsunterhalt in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung

Auch wenn der BGH in seiner neueren Rechtsprechung den Eheleuten hier einen gewissen Gestaltungsspielraum einräumt, ist es äußerst risikoreich, eine Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt in eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung aufzunehmen.

Einer der Risikofaktoren liegt darin, dass es den beratenden Anwälten in diesen Fällen häufig unmöglich ist, auch nur annähernd festzustellen, wie hoch der geschuldete Trennungsunterhalt tatsächlich wäre. Gerade einigungsbereite Eheleute haben häufig (verständlicherweise) keinerlei Bedürfnis, sich wochen- und monatelang mit ihren Einkommens- und Darlehensunterlagen oder gar teuren Sachverständigengutachten bzgl. Wohnwerten o.ä. auseinanderzusetzen.

Selbst wenn eine annähernd zutreffende Schätzung gelingt, kann eine ursprünglich noch wirksame Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt, die nur 20 % unter dem gesetzlich geschuldeten liegt, im Lauf der Zeit unwirksam werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich etwa durch eine Einkommenserhöhung des Unterhaltsschuldners oder durch einen Einkommenseinbruch des Unterhaltsberechtigten der Trennungsunterhaltsanspruch nachträglich erhöht.

Noch schlimmer wird es dann, wenn versäumt wurde festzuhalten, dass die übrige Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung auch dann weiter gelten soll, wenn die Regelung zum Trennungsunterhalt unwirksam sein sollte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist nämlich ohne eine solche ausdrückliche Regelung grundsätzlich davon auszugehen, dass die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel sich auf den gesamten Vertrag erstreckt (§ 139 BGB). Mit dem Wegfall der Regelung zum Trennungsunterhalt sind ggf. dann also auch etwaige Verzichtserklärungen bzgl. nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich hinfällig.

III. Zusammenfassung

Ein Verzicht auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft ist immer unwirksam. Das gilt auch für vertragliche Gestaltungen, die zwar keinen ausdrücklichen Verzicht auf den Anspruch beinhalten, aber sich im Ergebnis genauso auswirken. Auch ein teilweiser Verzicht auf den Trennungsunterhalt in Form einer Höchstbetragsklausel ist unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der vereinbarte Betrag dem tatsächlich geschuldeten Betrag entsprach, sich der Unterhaltsanspruch jedoch durch Änderung der Einkommensverhältnisse im Nachhinein erhöht. Nur dann, wenn die Höchstbetragsregelung noch als „Ausgestaltung“ des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs betrachtet werden kann, hält eine solche Regelung stand. Dies ist nur dann der Fall, wenn der vereinbarte Unterhalt nicht mehr als 20 % unter dem gesetzlich geschuldeten liegt. Ist eine Vertragsklausel in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung unwirksam, so gilt dies im Zweifel für den gesamten Vertrag.

IV. Gestaltungshinweise

  1. Wenn Eheleute und ihre Anwälte den geringfügigen Gestaltungsspielraum von 20 % nutzen wollen, den der BGH ihnen bzgl. des Trennungsunterhalts lässt, muss ausnahmslos ausdrücklich klargestellt werden, dass der restliche Vertrag auch dann weiter gelten soll, wenn diese Klausel unwirksam sein sollte, da andernfalls immer die Gefahr besteht, dass das gesamte Vertragsgebäude zusammen bricht.
  2. Unwirksam dürfte m.E. auch eine Regelung sein, mit der der Unterhaltsberechtigte dynamisch auf jeweils 20 % des Trennungsunterhaltsanspruchs verzichtet, denn einen bewussten Verzicht dürfte der BGH auch dann nicht mehr aus „Ausgestaltung“ anerkennen, wenn dieser sich nur auf 20 % des tatsächlich geschuldeten Unterhalts beläuft.

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