Neues zum Auskunftsanspruch

Behörden haben bei der Erfüllung von Auskunftsansprüchen stets schwierige Güterabwägungen vorzunehmen. Das betrifft die Frage, ob und inwieweit der Auskunftserteilung widerstreitende berechtigte Interessen entgegenstehen wie etwa öffentliche oder private Belange Dritter, laufende Straf-, Ermittlungs- oder Verwaltungsverfahren oder das Steuergeheimnis. Zu letzterem hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich (Urteil vom 29.8.2019, 15 A 651/14) eine erwartbare Entscheidung gefällt. Auskunftsansprüchen über Angelegenheiten der Steuerfahndung steht in aller Regel die Bestimmung des § 30 Abs. 1 und 2 AO entgegen. So haben die Medien nach dieser Entscheidung keinen Anspruch auf Auskünfte über die Dauer eines Einsatzes der Steuerfahndung, die Person des Einsatzleiters, die gesicherten Beweise und etwaige Festnahmen verdächtiger Personen. Das BVerwG teilt insoweit die schon von den Vorinstanzen geteilte Befürchtung der Finanzverwaltung, aus der Beantwortung derartiger Fragen könnten die Medien unter Umständen Rückschlüsse auf die steuerlichen Verhältnisse der beteiligten Personen ziehen.

Überraschender ist die Tatsache, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in einer weiteren aktuellen Entscheidung (Urteil vom 18.9.2019, 6 A 7.18) mit der Frage zu befassen hatte, ob Behörden hinsichtlich der auskunftsberechtigten Medien differenzieren und einem Teil der Medien in weiterem Umfang Auskünfte erteilen dürfen als einem anderen. Dem steht auf den ersten Blick das Gebot staatlicher Neutralität beim Umgang mit den Medien entgegen. Andererseits steht außer Frage, dass Behörden und Behördenvertreter berechtigt sind, vertrauliche Hintergrundgespräche mit Journalisten zu führen und dazu Vertreter einzelner Redaktionen einzuladen, andere aber nicht; wie sie auch einzelnen Medien Interviews geben dürfen, ohne verpflichtet zu sein, auch anderen für Interviews zur Verfügung zu stehen. Im konkreten Fall verlangte ein vom BND zu von ihm regelmäßig veranstalteten Hintergrundgesprächen nicht zugelassener Journalist Auskunft u. a. über die Anzahl in einem bestimmten Zeitraum geführter Gespräche, deren Teilnehmer, Themen, Zeiten und Orte. Der BND lehnte die Erteilung dieser Auskünfte mit der Begründung ab, durch sie würden Arbeitsfelder und -weisen des BND offenbar, an deren Geheimhaltung ein überwiegendes öffentliches Sicherheitsinteresse bestehe; außerdem werde das Recht der teilnehmenden Journalisten auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Das BVerwG ist dem mit Recht entgegengetreten und hat den BND zur Erteilung der meisten der begehrten Auskünfte verurteilt. Die zu den Hintergrundgesprächen zugelassenen Journalisten agierten in diesem Rahmen in Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Medien; dies gelte aber auch für den nicht zugelassenen Journalisten, der die Auskünfte begehrte. Und schutzwürdige Sicherheitsinteressen des Staats könnten allenfalls dann verletzt werden, wenn der BND zur Auskunft über die in den Pressekonferenzen offenbarten Informationen verurteilt würde; dass Hintergrundgespräche geführt werden sei in der Öffentlichkeit ebenso bekannt wie das Themenspektrum, mit dem der BND sich aufgrund seines gesetzlichen Auftrags befassen müsse. Beide hier referierten Entscheidungen sind zu begrüßen. Das BVerwG setzt mit ihnen eine Linie fort, die mit der Anerkennung des jahrzehntelang umstrittenen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Medien gegen den Bund und seine verschiedenen Behörden in den Jahren 2013 und 2015 (BVerwG AfP 2013, 355; 2015, 362) begonnen hat und die es danach u. a. mit der Anerkennung einer prinzipiellen Auskunftspflicht etwa des Bundestags und eben des BND weiterentwickelt hat. Gerade in Zeiten, in denen die Medien etwa in, um nur wenige zu nennen, den USA, der Türkei, Ungarn oder Polen unter massiven Druck seitens der Regierungen geraten und in denen auch im Inland politische Bestrebungen insbesondere des rechten Spektrums unübersehbar sind, die Medienfreiheiten einzuschränken, ist es zu begrüßen, dass das Gericht mit diesen Entscheidungen die Position der Medien bei der Geltendmachung ihrer für die Erfüllung ihrer Informationsaufgaben essentiellen Auskunftsansprüche erneut stärkt.

 

Mit dem mangels einer anspruchsbegründenden gesetzlichen Bestimmung unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 GG abgeleiteten Auskunftsanspruch der Medien gegen den Bund und seine Untergliederungen befasst sich die 6. Auflage unseres „Presserecht“ in Rz. 1.10 ff.; zu den einzelnen auskunftspflichtigen Bundesbehörden vgl. ebendort Rz. 4. 19 f., zum Neutralitätsgebot Rz. 4.40 ff.

 

 

 

 

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