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FamRB-Blog

Keine Verwirkung des Anspruchs auf rückständigen Unterhalt durch bloßen Zeitablauf (BGH v. 31.1.2018 – XII ZB 133/17)

Dr. Susanne Sachs  Dr. Susanne Sachs
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Erbrecht, Mediatorin

Seit dem Urteil des BGH v. 13.01.1988 – IVb ZR 7/87 hat sich in der familiengerichtlichen Praxis weitgehend die Auffassung durchgesetzt, dass Unterhalt maximal für ein Jahr rückwirkend verlangt werden kann, wenn der Unterhaltsgläubiger seinen Unterhaltsanspruch länger als ein Jahr nicht verfolgt hat. Bzgl. der Ansprüche aus einem länger als ein Jahr zurückliegenden Zeitraum wurde regelmäßig Verwirkung angenommen.  

Tatsächlich hat der BGH diese Auffassung aber nie geäußert. In dem genannten Urteil heißt es zwar:               

„Auf der anderen Seite spricht vieles dafür, bei der Frage der Verwirkung von Trennungsunterhalt an das „Zeitmoment“ keine zu hohen Anforderungen zu stellen. (…) Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, ist eher als von Gläubigern anderer Forderungen zu erwarten, dass er sich um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Tut er das nicht, erweckt sein Verhalten in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig, zumal seine wirtschaftlichen Verhältnisse dem Unterhaltsschuldner meist nicht genau bekannt sind (…). Wie der vorliegende Fall zeigt, können Unterhaltsrückstände zudem zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen, die die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten für den laufenden Unterhalt beeinträchtigen kann. Auch sind im Unterhaltsprozess die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. (…). Nach Auffassung des Senats sind aber die bereits angeführten Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen, so gewichtig, dass das „Zeitmoment“ für die Verwirkung von Trennungsunterhalt auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die – wie hier – etwas mehr als ein Jahr zurück liegen.“ 

Wie sich diesem Zitat selbst bereits entnehmen lässt, beziehen sich diese Ausführungen ausschließlich auf das „Zeitmoment“ der Verwirkung. Das „Umstandsmoment“, also die Frage, ob der Schuldner sich nach dem Verhalten des Gläubigers darauf einrichten durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass der Unterhalt nicht mehr geltend gemacht werden wird,  ist auch nach diesem Urteil des BGH noch gesondert zu prüfen. Die Prüfung des Umstandsmoments ist allerdings in der anwaltlichen und amtsgerichtlichen – teilweise auch in der oberlandesgerichtlichen – Praxis in Vergessenheit geraten bzw. wurde bereits dann als begründet angesehen, wenn der Unterhaltsanspruch länger als ein Jahr lang nicht verfolgt wurde (siehe etwa OLG Brandenburg v. 12.1.2011 – 9 WF 383/07; KG Berlin v. 28.6.2017 – 13 UF 75/16, sogar für titulierten Unterhalt). Das mag daran liegen, dass einige der oben zitierten Ausführungen des BGH zum „Zeitmoment“ besser unter den Prüfungspunkt „Umstandsmoment“ gepasst hätten, insbesondere die Passage zu dem Eindruck, den das Stillhalten des Unterhaltsschuldners über einen längeren Zeitraum beim Unterhaltsgläubiger hinterlässt. 

Mit Beschluss vom 31.1.2018 hat der BGH nun deutlich mit dieser Praxis aufgeräumt. Bereits im Leitsatz stellt er  klar, dass „das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung“ das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen kann (BGH v. 31.1.2018 – XII ZB 133/17,  FamRZ 2018, 589 = FamRB 2018, 134; fortgeführt BGH v. 7.2.2018 – XII ZB 338/17, FamRZ 2018, 681 zum Kindesunterhalt).  

Hinweis für die Praxis: Spätestens nach diesem Beschluss des BGH muss jeder anwaltliche Berater sich auch in Fällen, in denen ein Unterhaltsanspruch länger als ein Jahr nicht verfolgt wurde, die Frage stellen, ob rückständiger Unterhalt nicht dennoch auch für einen länger zurück liegenden Zeitraum verlangt werden kann. Unabhängig davon müssen natürlich die Voraussetzungen des § 1613 BGB erfüllt sein, um einen Anspruch auf rückständigen Unterhalt überhaupt geltend machen zu können. Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts ist auf § 1585b Abs. 3 BGB zu achten, der ausdrücklich vorschreibt, dass für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung nur verlangt werden kann, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat.

 

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