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FamRB-Blog

Achtung bei Abtrennung des Versorgungsausgleichs in Versorgungsbezugsfällen

Jörn Hauß  Jörn Hauß
Fachanwalt für Familienrecht

Der Fall: M(63) bezieht als dienstunfähiger Beamter eine Versorgung i.H.v. 3.500 €. F(61) hat einen ehezeitlichen Ausgleichsanspruch i.H.v. 1.200 €. Aus ihrem Anrecht in der DRV hätte M einen Ausgleichsanspruch i.H.v. 500 €.
M ist anwaltlich nicht vertreten. Das Gericht trennt im Einverständnis der Beteiligten den Versorgungsausgleich aus dem Verbund ab. Vier Jahre später beantragt F die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Der Versorgungsträger verlangt von M 48 x 1.200 € = 57.600 € Versorgungsüberzahlung. M stellt daraufhin den Antrag auf Aussetzung der Versorgungskürzung nach § 35 VersAusglG und verlangt die Reduktion der Forderung auf 48 x (1.200 – 500) = 33.600 €.

Der bereits eine Versorgung beziehende vorzeitig pensionierte ausgleichsberechtigte verbeamtete Ehegatte fürchtet die Versorgungskürzung durch den Versorgungsausgleich und empört sich insbesondere darüber, dass er aus der ihm zustehenden Versorgung des anderen Ehegatten – mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen – keine Versorgung beziehen kann. Sowohl Laien, als auch anwaltlich vertretene Beteiligte verfallen daher auf den Gedanken, den Versorgungsausgleich aus dem Verbund abzutrennen und erst darüber entscheiden zu lassen, wenn der andere Ehegatte aus der ihm zustehenden Versorgung Leistungen beziehen kann.

Folge dieses Verhaltens ist, dass die ausgleichspflichtige Person die Versorgung zunächst ungekürzt erhält.

Zweierlei ist dabei jedoch zu beachten:

  1. Wird der Versorgungsausgleich später – bezogen auf das Ehezeitende – durchgeführt, steht dem Versorgungsträger der Beamtenversorgung wegen der dann feststehenden Versorgungsüberzahlungen ein Rückforderungsanspruch gegen den Beamten nach § 52 BeamtVG zu. Die Norm verweist auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften des BGB und lässt die Entreicherungseinrede nicht zu, da die Zuvielzahlung dem Versorgungsbezieher bekannt ist (sonst wäre ja nicht die Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens aus dem Verbund beantragt worden).
    Bereicherungsrechtliche Ansprüche unterliegen aber der 3-jährigen Verjährung (§ 197 BGB), die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Da der Anspruch erst mit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich entsteht, besteht der bereicherungsrechtliche Anspruch des Versorgungsträgers ggf. über viele Jahre rückwirkend.
    Dem „überzahlten“ Versorgungsbeziehers bleibt dann nur die „mitleidsdogmatisch“ erklärbare Billigkeitseinrede (§ 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG) und die Hoffnung auf Einsicht und Zustimmung „der obersten Dienstbehörde“ zum vollständigen oder teilweisen Absehen auf Geltendmachung der Rückforderung.
  1. Vergessen wird leider oft, dass der eine Versorgung beziehende Beamte nach § 35 VersAusglG die Aussetzung seiner Versorgungskürzung in der Höhe beantragen kann und muss, soweit er aus der zu seinen Gunsten auszugleichenden Versorgung keine Leistungen beziehen kann. Dieser Antrag sollte in Versorgungsbezugsfällen zur Vermeidung nicht revisibler Nachteile stets bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens gestellt werden, da er nicht zurückwirkt (OVG Saarlouis v. 16.3.2022 – 1 A 34/21 FamRB 2022, 217 [Hauß]).

Beraterhinweis § 35 VersAusglG ermöglicht die Aussetzung von Versorgungskürzungen nur bei den öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen nach § 32 VersAusglG. Im Regelfall will ein verbeamteter Versorgungsbezieher durch Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in den Genuss der ungekürzten Versorgung kommen. Das ist nachvollzieh-, aber meist nicht realisierbar, weil irgendwann der andere Ehegatte in Versorgungsbezug geht und dann auf Entscheidung des Versorgungsausgleichs dringen wird.

Dem Interesse des Versorgungsbeziehers kann man dadurch Rechnung tragen, dass eine Verrechnungsvereinbarung auf Renten- oder Kapitalwertbasis zwischen der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rente des anderen Ehegatten geschlossen wird. Im langjährigen Vergleich ist die Dynamik beider Versorgungssysteme nahezu identisch,[1] weshalb eine Verrechnung meist unproblematisch ist.

Kommt es zu keiner saldierenden Vereinbarung, ist der Antrag nach § 35 VersAusglG auf Aussetzung der Versorgungskürzung zu stellen. Das sollte bereits im Scheidungsverfahren geschehen und die Mandantschaft dringend darauf hingewiesen werden. Anderenfalls drohen haftungsrechtliche Konsequenzen für die anwaltliche Vertretung.

Die Verschleppung der Versorgungsausgleichsentscheidung und ihre Abtrennung aus dem Verbund birgt die Gefahr, Unterhaltsansprüche des Versorgungsbeziehers gegen den anderen Ehegatten nach der durch den Versorgungsausgleich bedingten Versorgungskürzung zu verlieren. Während nämlich die Rückforderung der Versorgungsüberzahlung rückwirkend auf das Ehezeitende vom Versorgungsträger geltend gemacht wird, können Unterhaltsansprüche für den Überzahlungszeitraum nicht erhoben werden, wenn in dieser Zeit ein unterhaltsrechtlicher Bedarf – wegen der Überzahlung – nicht gegeben war.

[1] Mit leichten Vorteilen z.G. der gesetzlichen RV, weil diese – jedenfall bei einem Rentenbeginn vor 2040 – geringer besteuert wird (§ 22 EStG) und einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Krankenversicherungsbeitrags (derzeit 7,3 %) auch für die Privatversicherung der Beamten zahlt (§ 315 SGB VI).

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