Ehe für alle – Was ändert sich?

Am 30.6.2017 hat der Bundestag den bereits im Jahr 2015 durch den Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verabschiedet (BT-Drucks. 18/6665). Am 7.7.2017, in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, hat der Bundesrat dem zugestimmt. Damit kann das Gesetz am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft treten.

Rein rechtlich betrachtet wird sich durch dieses politisch hochumstrittene Gesetz nicht allzu viel ändern, da die eingetragene Lebenspartnerschaft in ihren Rechtsfolgen der Ehe ohnehin bereits weitgehend entsprach. Neu ist insbesondere die nun auch für Paare gleichen Geschlechts bestehende Möglichkeit, gemeinsam ein Kind zu adoptieren und die begriffliche Gleichstellung. Auch die bisherigen Gesetzestexte werden zunächst nur geringfügig verändert. So wird § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB, der bisher lautete: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.“ wie folgt neu gefasst: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Zudem wird § 1309 BGB, der das Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer regelt, folgender Abs. 3 angefügt: „Absatz 1 gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.“ Dies bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland auch dann heiraten können, wenn das Recht ihres Heimatstaates eigentlich anwendbar wäre, dieser Staat aber die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht kennt.

Im Lebenspartnerschaftsgesetz wird zunächst nur eine Vorschrift eingefügt, die es Paaren, die bereits in einer Lebenspartnerschaft verbunden sind, erlaubt, diese Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Hierzu bedarf es lediglich einer Erklärung gegenüber dem zuständigen Standesbeamten bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten. Für die Rechte und Pflichten der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners bleibt auch nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend. Dies bedeutet faktisch, dass die Ehe als rückwirkend am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geschlossen gilt. Neue Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Die aktuell in den konservativen politischen Parteien diskutierte Verfassungsbeschwerde gegen die „Ehe für alle“ dürfte kaum Erfolg haben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz (BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, FamRZ 2002, 1169) deutlich gemacht, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Ehe (zwischen Mann und Frau) nicht das Gebot enthält, die Ehe zwischen Mann und Frau besserzustellen als andere Lebensformen. Wenn es aber verfassungsrechtlich unbedenklich ist, die Verbindung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen der Ehe zwischen Mann und Frau rechtlich gleichzustellen, so dürfte das Bundesverfassungsgericht in dem Umstand, dass diese Verbindung nun nicht mehr nur rechtlich, sondern auch namentlich gleichgestellt ist, kaum einen Verfassungsverstoß erblicken.

Keine Anfechtung einer Erbschaftsannahme wegen Überschuldung des Nachlasses bei „spekulativer“ Annahme (zu OLG Düsseldorf v. 17.10.2016 – I-3 Wx 155/15)

Die Entscheidung, ob man eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen soll, ist nicht immer einfach zu treffen. Insbesondere wenn die Erben nur oberflächlichen Kontakt zum Erblasser hatten oder der Erblasser sie schlicht nicht über seine Finanzen informiert hat, kaufen sie mit der Annahme der Erbschaft „die Katze im Sack“. Das Gesetz erleichtert die Entscheidung für die Erben kaum. Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft ist mit sechs Wochen ab Kenntnis von dem Tod des Erblassers bzw. seiner letztwilligen Verfügung extrem kurz. Wird die Erbschaft nicht innerhalb dieser Frist ausgeschlagen, gilt sie als angenommen. Innerhalb dieser kurzen Zeit ist es aber meist nicht möglich, sich ein vollständiges Bild von dem Nachlass zu machen. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass die Banken und Versicherungen den Erben die Auskunft verweigern, wenn sie keinen Erbschein vorlegen können oder nicht zufälligerweise über eine Vollmacht des Erblassers verfügen. Einen Erbschein können die Erben wiederum erst nach Annahme der Erbschaft erhalten. Durchaus nicht selten stellen die Erben daher erst nach der Annahme der Erbschaft fest, dass der Nachlass überschuldet ist, und wollen die Erbschaft wieder loswerden, zumal sie als Erben grundsätzlich auch mit ihrem persönlichen Vermögen für die Nachlassschulden haften. Eine einmal angenommene Erbschaft wieder loszuwerden ist allerdings nicht ganz einfach.

Das Gesetz stellt den Erben zwar die Möglichkeit der Anfechtung der Annahme einer Erbschaft zur Verfügung, wenn sie irrtümlich davon ausgegangen sind, dass der Nachlass nicht überschuldet ist. Ein solcher Irrtum liegt allerdings bereits dann nicht vor, wenn die Erbschaft „spekulativ“ in der Hoffnung angenommen wurde, sie sei nicht überschuldet (OLG Düsseldorf v. 17.10.2016 – I-3 Wx 155/15). Eine Anfechtung wegen Überschuldung des Nachlasses ist also nur dann möglich, wenn die Erben bei der Annahme der Erbschaft davon überzeugt waren, dass der Nachlass nicht überschuldet ist, nicht aber schon dann, wenn die Erben keine Informationen über den Nachlass hatten.

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 17.10.2016 nun die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Überschuldung sogar in einem Fall für ausgeschlossen gehalten, in dem die Erben – jedenfalls angeblich – davon überzeugt gewesen waren, der Nachlass sei schuldenfrei. Zu dieser Überzeugung waren sie dadurch gelangt, dass die Erblasserin ihnen gegenüber zu Lebzeiten mehrfach geäußert hatte, es bestünden keine Verbindlichkeiten mehr, sie müssten sich also wegen der zukünftigen Erbschaft keine Sorgen machen. Das OLG wies die Beschwerde der Erben mit der Begründung zurück, dass diese Aussagen der Mutter ungeeignet gewesen seien, die Überzeugung zu begründen, der Nachlass sei nicht überschuldet. Allenfalls hätte diese Aussage diesbezüglich eine vage Hoffnung begründen können, zumal den Erben die Unzuverlässigkeit der Erblasserin in finanziellen Fragen bekannt gewesen sei. Eine bloße Hoffnung sei aber eben kein rechtserheblicher Irrtum, der zur Anfechtung berechtigt.

Diese Entscheidung ist zwar unsauber begründet, dürfte jedoch im Ergebnis richtig sein. Das OLG vermischt in seiner Argumentation die materiellen Voraussetzungen eines rechtserheblichen Irrtums und Fragen der Feststellungslast. Wären die Erben tatsächlich davon überzeugt gewesen, dass der Nachlass nicht überschuldet ist, und hätte sich dies später als falsch herausgestellt, hätte ein rechtserheblicher Irrtum vorgelegen und nicht eine bloße Hoffnung der Erben. Wirtschaftliches/vernünftiges Denken des Irrenden ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines rechtserheblichen Irrtums. Allerdings müssen die Erben im Zweifel beweisen, dass sie tatsächlich zur verfehlten Überzeugung gelangt sind, dass der Nachlass nicht überschuldet ist. Ein Zweifel daran besteht immer dann, wenn ein objektiver Dritter an Stelle der Erben nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Nachlass schuldenfrei ist, sondern sich allenfalls Hoffnungen in diese Richtung gemacht hätte. In dem von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall, wäre ein objektiver Dritter auf der Grundlage der Aussagen der Erblasserin nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Nachlass schuldenfrei ist, weil ihre Unzuverlässigkeit in finanziellen Dingen bekannt war. Den Beweis, dass sie – unvernünftigerweise – dennoch davon überzeugt waren, dass der Nachlass schuldenfrei ist, konnten die Erben nicht führen. Die Beschwerde war daher richtigerweise zurückzuweisen.

Zusammenfassung:

  • Die Annahme einer Erbschaft kann angefochten werden, wenn die Erben bei der Annahme irrtümlich davon überzeugt sind, dass der Nachlass schuldenfrei (oder zumindest nicht überschuldet) ist.
  • Die Annahme einer Erbschaft kann nicht angefochten werden, wenn die Erben keine konkreten Vorstellungen von dem Nachlass haben, sondern nur hoffen, dass dieser nicht überschuldet ist.
  • Im Zweifel müssen die Erben beweisen, dass sie tatsächlich zu einer verfehlten Überzeugung gelangt sind und sich nicht nur Hoffnungen gemacht haben. Dieser Beweis ist kaum zu führen, wenn ein objektiver Dritter an Stelle der Erben nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Nachlass schuldenfrei ist.

Hinweis für die Praxis:

Auch wenn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung einer Erbschaftsannahme sehr hoch sind und eine solche sogar von vornherein ausgeschlossen ist, wenn die Erben bei der Annahme keinerlei Vorstellung von der Zusammensetzung des Nachlasses haben, ist den Erben in solchen Fällen nicht ohne Weiteres zu raten, die Erbschaft vorsorglich auszuschlagen. Selbst wenn sich nach der Annahme herausstellt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann eine Haftung der Erben mit ihrem persönlichen Vermögen vermieden werden, indem die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt wird. Ein solcher Antrag hat auch keine negativen Konsequenzen für die Kreditwürdigkeit der Erben. Vorsicht bei der Annahme einer Erbschaft ist allerdings dann geboten, wenn Immobilienvermögen vorhanden ist, denn für die laufenden Kosten der Immobilien, die nach dem Tod des Erblassers entstehen, haften die Erben auch im Fall eines Nachlassinsolvenzverfahrens persönlich, wenn diese nicht aus dem Nachlass beglichen werden können.

 

Ausübung des Kapitalwahlrechts einer Altersversorgung bei Gütertrennung

In Eheverträgen wird häufig der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Teilung des während der Ehe erworbenen Vermögens) ausgeschlossen, während der Versorgungsausgleich (Teilung der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften) unangetastet bleibt. In diesen Fällen ist die  erste Frage eines Anwalts an den Mandanten, ob er über Altersvorsorgeanwartschaften mit Kapitalwahlrecht verfügt. Der Anspruch auf Auszahlung eines Kapitalbetrags unterliegt – anders als der Anspruch auf eine Rente – ausschließlich dem Zugewinnausgleich und nicht dem Versorgungsausgleich. Es ist also in diesen Fällen ein Leichtes, diesen Vermögenswert durch bloße Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Ausgleich an den anderen Ehegatten vollständig zu entziehen. 

Bei dem anderen Ehegatten kommt diese Vorgehensweise verständlicherweise meist nicht gut an. Das gilt umso mehr, wenn der benachteiligte Ehegatte dadurch nicht nur seinen Ausgleichsanspruch verliert, sondern darüber hinaus auch noch selbst im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtig wird. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der benachteiligte Ehegatte in diesen Fällen auch tatsächlich erfolgreich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Lasten in Höhe des Ausgleichswerts wehren, den der andere dem Versorgungsausgleich durch Ausübung des Kapitalwahlrechts entzogen hat, indem er sich auf § 27 VersAusglG (grobe Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs) beruft (zuletzt BGH v. 21.9.2016 – XII ZB 264/13, FamRZ 2017,  26 = FamRB 2017, 9).

 Nicht erfolgreich wehren kann sich gegen diese Vorgehensweise hingegen bisher ein Ehegatte, der selbst während der Ehe keine oder nur geringfügige Altersvorsorgeanwartschaften erworben hat, etwa weil er oder sie nicht gearbeitet, sondern Kinder betreut hat. Diesem Ehegatten nützt es nichts, sich auf § 27 VersAusglG zu berufen, da ein Versorgungsausgleich zu seinen Lasten mangels eigener Versorgungsanwartschaften ohnehin nicht in Betracht kommt. Die Vertragsfreiheit der Beteiligten auch insoweit zu beschränken, als der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bzgl. des Ausgleichsbetrags wegen Treuwidrigkeit aufgehoben oder gar die Ausübung des Kapitalwahlrechts als sittenwidrig und damit nichtig betrachtet wird, hat sich der Bundesgerichtshofs bisher noch nicht getraut. Das mag ja auch grundsätzlich richtig sein, vergleicht man aber diesen mit dem zuerst geschilderten Fall, kann man sich Eindrucks einer gewissen Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle nicht erwehren.

Unerwartete Rechtsfolgen einer Ehe – Wohnungszuweisung wegen Übernachtungsbesuchen der neuen Partnerin

Es ist offenbar unüblich, sich bei Eingehung einer Ehe über die Rechtsfolgen einer etwaigen späteren Trennung und Scheidung Gedanken zu machen. Letztlich hätte das allerdings auch wenig Sinn, denn das gesamte Familienrecht wimmelt nur so vor unbestimmten Rechtsbegriffen, die den Ausgang etwaiger gerichtlicher Streitigkeiten ohnehin so gut wie unvorhersehbar machen. Mandanten ist das nur schwer zu vermitteln. Gefragt nach der voraussichtlichen Dauer des nachehelichen Unterhaltsanspruchs des Ehepartners, zitiere ich häufig das Gesetz: „Der nacheheliche Unterhalt ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch … unbillig wäre.“. Ach so … Nach der Lektüre des Gesetzes weiß man nicht mehr als vorher. Als Rechtsanwalt bleibt einem nur noch zu versuchen, auf der Grundlage einer Vielzahl von Einzelentscheidungen nach und nach gewisse Wahrscheinlichkeiten auszumachen. Wie wenig man Einzelfallentscheidungen vorhersagen kann, die durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe vom Gesetzgeber erzwungen werden, zeigt beispielsweise ein Beschluss des OLG Hamm v. 28.12.2015 – II-2 UF 186/15, FamRZ 2016, 1082:

In diesem Fall wurde die Eigentumswohnung des Ehemannes seiner Ehefrau zur alleinigen Nutzung zugewiesen, obwohl die Wohnung im Alleineigentum des Ehemannes stand. Der Ehemann durfte also seine eigene Wohnung nicht mehr betreten, geschweige denn, seine Ehefrau der Wohnung verweisen. Immerhin erfolgte die Ehewohnungszuweisung nur befristet bis zum Ablauf des Trennungsjahres. Das Gesetz sieht in § 1361b Abs. 1 BGB für die Trennungszeit vor, dass die Ehewohnung einem der beiden Ehegatten zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden kann, wenn das weitere Zusammenleben mit dem anderen für den Antragsteller eine „unbillige Härte“ bedeuten würde. Wann eine solche „unbillige Härte“ anzunehmen ist, lässt sich dem Gesetz allerdings nicht entnehmen. Immerhin ist vorgeschrieben, dass bei der Entscheidung etwaiges Alleineigentum an der Ehewohnung „besonders zu berücksichtigen“ ist. Das OLG Hamm nahm in dem am 28.12.2015 entschiedenen Fall eine „unbillige Härte“ für die Ehefrau an, weil der Ehemann seiner neuen Lebensgefährtin mehrfach gestattet hatte, bei ihm zu übernachten, und sie ihn zudem sehr häufig tagsüber zu Hause besuchte. Das Alleineigentum des Ehemannes an der Wohnung wurde in der Weise „besonders berücksichtigt“, dass die Ehewohnungszuweisung nicht für die gesamte Trennungszeit, sondern nur für das Trennungsjahr ausgesprochen wurde. Die Tatsache, dass die Ehefrau statt einer Ehewohnungszuweisung auch mit Erfolg hätte beantragen könne, ihrem Ehemann und seiner Lebensgefährtin dies zu untersagen, wird in der Entscheidung des OLG Hamm nicht erwähnt.

Fazit: Das Trennungs- und Scheidungsfolgenrecht hält für Mandanten wie für Rechtsanwälte viele Überraschungen bereit. Aus der im Familienrecht leider besonders häufigen Verwendung unbestimmter Rechtsbegriff im Gesetzestext, wie etwa desjenigen der „unbilligen Härte“, ergibt sich eine schwer erträgliche Rechtsunsicherheit. Klarere Regelungen durch den Gesetzgeber wären wünschenswert, auch wenn die Ergebnisse dieser Regelungen in der Praxis im Einzelfall „unbillig“ sein mögen. Sollte dies tatsächlich einmal der Fall sein, kann ausnahmsweise immer noch von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden, wie dies auf jedem Rechtsgebiet der Fall ist. Wenn nebulöse Formulierungen wie „unbillige Härte“, „unzumutbar“ u.Ä. zum Regelfall im Gesetzestext werden, wie es im Familienrecht der Fall ist, hat der Gesetzgeber versagt. Klare Regelungen sollen hier anscheinend aus politischen Gründen vermieden werden, damit auf diesem hochsensiblen und emotionalen Gebiet am Ende die Juristen, nicht aber die eigentlich zuständigen Parlamentarier schuld sind. In der Praxis führt das bei den Betroffenen zu sehr viel vermeidbarem Leid.

Kein eigenständiges Aufenthaltsrecht für gut integrierte Flüchtlingskinder

Flüchtlingskindern wird unabhängig davon, wie gut sie sich in Schule und Gesellschaft integriert haben, kein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuerkannt. Stattdessen hängt das Schicksal dieser Kinder so lange von dem aufenthaltsrechtlichen Status ihrer Eltern ab, bis sie „Jugendliche“ im Sinne des Gesetzes sind, also bis sie das 14. Lebensjahr erreicht haben. Diese Regelung hat die groteske Konsequenz, dass ein Flüchtlingskind, das in Deutschland geboren wurde und aufgewachsen ist, grundsätzlich abgeschoben werden kann, weil seine Eltern die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, etwa, weil sie – aus welchen Gründen auch immer – von Sozialleistungen abhängig sind und/oder noch nicht ausreichend gut Deutsch sprechen. Dies gilt auch dann, wenn das Kind selbst die deutsche Sprache perfekt beherrscht, in der Schule erfolgreich und sozial hervorragend eingebunden ist, es also die besten Aussichten hat, in Deutschland auch beruflich erfolgreich zu sein. Die Rechtswidrigkeit dieser Regelung hat der Kollege Rechtsanwalt von Auer, Frankfurt am Main schon sehr pointiert bereits im Jahr 2013 in seinem Rechtstipp wie folgt dargestellt:

Zu Recht wird auch kritisiert, dass die Altersgrenzen- Antragstellung nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres – zu eng gefasst sind. Hier kann sich etwa die offenkundige Diskrepanz ergeben, dass ein Jugendlicher, der erst mit 9 Jahren eingereist ist, bereits nach sechsjährigem geduldeten Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a) Abs. 1 AufenthG erhalten kann, nicht aber ein im Bundesgebiet geborener 14-Jähriger. Dies läuft ersichtlich sowohl dem Grundsatz der faktischen Integration, der für die Regelung des § 25 a) AufenthG maßgeblich ist, als auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider (vgl. Stellungnahmen der Sachverständigen Dr. Parinas Parhisi und Reinhard Marx in der öffentlichen Anhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Protokoll Nr. 17/34, S. 49, 50). Weiter wird darauf verwiesen, dass § 25 a) AufenthG auch auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK zur Verwurzelung gut integrierter Menschen und deren Entwurzelung bezüglich des Herkunftslandes (sog. „faktische Inländer“) zurückzuführen ist, die eine solche starre Altersgrenze nicht kennt (Göbel-Zimmermann in der öffentlichen Anhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Protokoll Nr. 17/34, S. 49). Auch die – nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5093, S. 15) vorgenommene – Anlehnung des § 25 a) AufenthG an § 37 AufenthG – der unter weiteren Voraussetzungen ein Recht auf Wiederkehr im Falle einer achtjährigen Voraufenthaltsdauer im Bundesgebiet eröffnet – ist in Bezug auf die von dort übernommene Altersgrenze nicht sachgerecht: Die Altersgrenze in § 37 AufenthG ist dem Umstand geschuldet, dass die bereits einmal während des Voraufenthalts in Deutschland begründete Integration und Bindung an die hiesigen Verhältnisse nicht durch Zeitablauf während des Auslandsaufenthalts verloren geht. Eine solche Befürchtung eines Integrationsverlusts kann aber bezüglich Jugendlicher/Heranwachsender, die ihr Leben lang oder einen Großteil ihres Lebens ununterbrochen im Bundesgebiet verbracht haben, nicht bestehen (vgl. Stellungnahme des Ausschusses Ausländer- u. Asylrecht des DAV zum Entwurf eines „Zwangsverheiratungsbekämpfungsgesetzes“, S. 12).“

Rechtlich betrachtet ist damit das Wesentliche bereits gesagt. Zur Veranschaulichung der dramatischen menschlichen Konsequenzen dieses fehlenden eigenständigen Aufenthaltsrechts für Kinder, möchte ich hier ergänzend ein konkretes Beispiel aus der Praxis schildern: Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern flieht vor den Taliban aus Afghanistan nach Deutschland. Sie ist Analphabetin und hat nie gelernt, wie man eigenständig lernt, weil sie in ihrer Heimat nie eine Schule besuchen durfte. Ihre Kinder waren zum Zeitpunkt der Flucht erst ein und drei Jahre alt. Sie kennen Afghanistan nicht. Die Flucht war für alle Beteiligten traumatisch und zog sich über fünf Jahre und verschiedene Länder hin. Die Kinder sind bei ihrer Ankunft in Deutschland sechs und acht Jahre alt. Heute, zwei Jahre später, sind die Kinder trotz ihrer Vergangenheit schon nicht mehr von ihren deutschen Klassenkameraden zu unterscheiden. Der kleine Junge hat die erste Klasse übersprungen und absolviert derzeit erfolgreich die dritte Klasse. Die kleine Tochter ist eine der besten Schülerinnen in ihrer (zweiten) Klasse. Beide treiben erfolgreich und begeistert Sport, nehmen an Lesewettbewerben und Schulaufführungen teil, haben viele (deutsche) Freunde, mit denen sie ihre Freizeit und Kindergeburtstage verbringen, und schmieden Pläne für die Zukunft. Der Junge will Polizist, Geheimagent oder Wissenschaftler werden, das Mädchen Designerin, Schwimmlehrerin oder Kindergärtnerin. Die Mutter kann zwar inzwischen perfekt Lesen und Schreiben, müht sich hingegen immer noch mit dem Deutschkurs ab. Die gesamte Familie ist daher nach wie vor von Sozialleistungen abhängig. In 16 Monaten läuft der Aufenthaltstitel der Mutter aus. Es ist kaum zu erwarten, dass sie bis dahin ihre Familie allein unterhalten kann, was aber für eine Verlängerung des Aufenthaltstitels jedenfalls dann von ihr erwartet werden wird, wenn Afghanistan als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft werden sollte. Sie wird also vermutlich abgeschoben werden. Und mit ihr – mangels eigenständigen Aufenthaltsrechts – auch ihre Kinder. Der Junge wird zu diesem Zeitpunkt bereits die höhere Schule besuchen, die Tochter wird kurz vor dem Abschluss der dritten Klasse stehen. Beide werden sich vermutlich spätestens zu diesem Zeitpunkt als Deutsche empfinden, da sie nie eine andere Heimat gekannt haben. In Afghanistan hat der Junge damit zu rechnen, von den Taliban rekrutiert, einer brutalen Gehirnwäsche unterzogen und dabei permanent vergewaltigt und geschlagen zu werden; was dem Mädchen blüht, kann sich jeder selbst ausmalen.

Das politische Kalkül, das hinter dem Fehlen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für Kinder steckt, liegt auf der Hand: Man möchte verhindern, dass die Eltern dieser Kinder, die – etwa aufgrund mangelnder Schulbildung – nicht in der Lage sind, sich selbst und ihre Kinder zu unterhalten und also dem Sozialstaat „auf der Tasche liegen“, mittelbar über die Kinder ein langjähriges Aufenthaltsrecht erhalten. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist aber nicht nur rechtswidrig und menschenfeindlich, sondern – in Zeiten angeblichen Nachwuchsmangels – auch äußerst kurzsichtig, wenn man bedenkt, dass sich gerade die Kinder, die in sehr jungen Jahren nach Deutschland kommen, am leichtesten und am besten integrieren und damit auch in unserer Gesellschaft konstruktiv mitwirken können.

„Nehmen Sie das Kind einfach mit, wenn er bei der Arbeit ist“ – Ist dieser anwaltliche Ratschlag strafbar?

Wenn nach einer Trennung ein Elternteil die bisher gemeinsame Wohnung verlassen möchte, ist die erste Frage, die er an den Anwalt richtet, meist, ob er die gemeinsamen Kinder an den neuen Wohnort mitnehmen darf und ob er den anderen Elternteil vorher fragen muss.

1. Typischer anwaltlicher Ratschlag in der Praxis

In der Praxis lautet der anwaltliche Ratschlag erfahrungsgemäß sehr häufig, man solle das Kind einfach an den neuen Wohnort mitnehmen, wenn der andere Elternteil gerade nicht zu Hause ist. Dieser Ratschlag wird insbesondere dann erteilt, wenn der Elternteil, der ausziehen will, die Kinder bis dahin überwiegend betreut hat. Davon, den anderen Elternteil über dieses Vorhaben zu informieren, wird meist abgeraten, damit dieser sich nicht durch eine einstweilige Anordnung rechtzeitig zur Wehr setzen kann, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Ist der Auszug mit dem Kind oder den Kindern erst einmal vollzogen, dauert es häufig Wochen, bis endlich eine Gerichtsentscheidung bzgl. der Herausgabe des Kindes bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts getroffen ist. Da die Entscheidung nicht nach dem Schuldprinzip, sondern ausschließlich in Orientierung am Wohl des Kindes gefällt wird, kann der übergangene Elternteil den Umzug seines Kindes, das sich möglicherweise schon am neuen Wohnort eingewöhnt hat, oft nicht mehr rückgängig machen.

2. Strafbarkeit dieses Ratschlags

Meines Erachtens ist ein solcher überraschender, heimlicher Umzug mit dem gemeinsamen Kind ohne Einverständnis des anderen Elternteils strafbar gemäß § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB, womit sich auch ein Anwalt, der einen solchen Ratschlag erteilt, wegen Anstiftung strafbar macht:

Der objektive Tatbestand der Vorschrift setzt voraus, dass einem Elternteil ein Kind mit Gewalt, Drohung oder List entzogen wird. Der Tatbestand der Entziehung ist bei gemeinsamer Sorge jedenfalls dann erfüllt, wenn ein Elternteil das Sorgerecht unter Ausschluss des anderen auf Dauer für sich in Anspruch nimmt. Dies ist in dem oben geschilderten Fall jedenfalls bzgl. des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Fall. Gewalt und Drohung liegen hier ersichtlich nicht vor, meines Erachtens ist hier aber das Tatbestandsmerkmal der „List“ regelmäßig zu bejahen. „List“ ist ein Verhalten, das darauf abzielt, unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Zwecke der Mittel die Ziele des Täters durchzusetzen. Dies ist nach herrschender Meinung bereits dann anzunehmen, wenn der Täter die Unkenntnis des anderen von seinem Vorhaben ausnutzt (siehe nur Wieck-Noodt in MünchKomm/StGB, § 234 Rz. 38). Wenn ein sorgeberechtigter Elternteil hinter dem Rücken des anderen einen Umzug plant, um dann überraschend auszuziehen, ist aber meines Erachtens genau dies der Fall.

Der subjektive Tatbestand ist bei entsprechender Planung ohne weiteres erfüllt. Auch von einem rechtfertigenden mutmaßlichen Einverständnis des anderen kann hier nicht ausgegangen werden, da der Elternteil, der das Kind überraschend und heimlich mitnimmt, ja gerade davon ausgeht, dass der andere Elternteil nicht einverstanden sein wird, da sonst diese Vorgehensweise nicht erforderlich wäre.

3. Praxishinweis

Wie über jede juristische Frage kann man sicherlich über die Strafbarkeit eines unangekündigten Umzugs mit einem gemeinsamen Kind streiten. Fest steht aber jedenfalls, dass kein Anwalt sich dazu hinreißen lassen sollte, einen entsprechenden Ratschlag zu erteilen, da hier die Annahme einer strafbaren Anstiftung zur Kindesentziehung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt.

Kann ein geschäftsunfähiger Demenzkranker sich scheiden lassen?

Rund 10 % aller Menschen über 65 in Deutschland sind aktuell an Demenz erkrankt. Aufgrund des zunehmenden Lebensalters der Bevölkerung wird dieser Prozentsatz vermutlich noch ganz erheblich ansteigen, da mit zunehmenden Alter auch die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung steigt. Bei den über 85-Jährigen liegt der Anteil bereits bei knapp 1/3 der Bevölkerung. Fachanwälte für Familien- und Erbrecht sind daher immer häufiger mit Rechtsfragen bzw. Rechtsstreitigkeiten konfrontiert, die mit der aus der Erkrankung folgenden tatsächlichen und rechtlichen Hilflosigkeit der Betroffenen ergeben.

Der Kollege Rechtsanwalt Dr. Mathias Schäfer aus Limburg hat wohl aus diesem Grund bereits den hochinteressanten Aufsatz „Der Demenzkranke im Famlienrecht“ in der NZFam 2014, 676 ff., publiziert, mit dem er verschiedenste typische rechtliche Fragen, die sich an die Demenzerkrankung knüpfen, wie etwa ein mögliches Recht zum Umgang mit dem Betroffenen, anspricht. Hier soll nur der Frage nachgegangen werden, ob und ggf. unter welchen Umständen, ein geschäftsunfähiger Demenzkranker sich scheiden lassen kann.

1. Verfahrensrecht

Verfahrensrechtlich ist die Scheidung eines geschäftsunfähigen Demenzkranken zunächst einmal unproblematisch. Der Scheidungsantrag eines Geschäftsunfähigen ist in § 125 Abs. 2 FamFG ausdrücklich geregelt: Mit Genehmigung des Betreuungsgerichts kann der Scheidungsantrag von dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen gestellt werden.

2. Scheidungsvoraussetzungen

Weniger klar ist allerdings, unter welchen Umständen man in diesen Fällen von einem Scheitern der Ehe i.S.d. § 1565 Abs. 1 BGB ausgehen kann, das bekanntlich Scheidungsvoraussetzung ist. Üblicherweise wird das Scheitern einer Ehe im Rechtssinne dann angenommen, wenn mindestens einer der beiden Ehegatten die eheliche Gemeinschaft endgültig nicht mehr herstellen will. Es kommt also ganz maßgeblich auf den Willen der Beteiligten bzgl. der Fortsetzung ihrer ehelichen Gemeinschaft an. Ein Geschäftsunfähiger ist aber nicht mehr in der Lage, die Bedeutung einer Trennung und Scheidung intellektuell zu erfassen, die für und gegen eine Trennung und Scheidung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen und entsprechend seiner Einsicht zu handeln. Ein „freier Wille“ bzgl. der Frage, ob er die Ehe fortsetzen will, liegt bei Geschäftsunfähigen also nicht mehr vor (die Definition des „freien Willens“ wurde hier an die Definition des BGH zu § 1896 Abs. 1a BGB angelehnt).

a) Natürlicher Wille des Betroffenen bzgl. der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft

Allerdings hat auch ein Geschäftsfähiger häufig noch lange einen sog. natürlichen Willen in dem Sinne, dass er gefühlsmäßig noch Zu- bzw. Abneigung zu seinem Ehepartner empfinden kann.

Solange ein geschäftsunfähiger Demenzkranker auf diese natürliche Weise noch Zuneigung zu seinem Ehepartner empfindet, kann seine Ehe nach der Rechtsprechung des BGH mangels Scheitern derselben nicht geschieden werden, es sei denn, dass der andere Ehegatte die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft ablehnt (BGH v. 25.1.1989 – IVb ZR 34/88, FamRZ 1989, 479; v. 7.11.2001 – XII ZR 247/00, FamRZ 2002, 316 = FamRB 2002, 97). Umgekehrt soll konsequenter Weise auch die natürliche Abneigung eines geschäftsunfähigen Demenzkranken gegen seinen Ehegatten ausreichen, um von einem Scheitern der Ehe auszugehen, auch wenn der andere Ehegatte die Scheidung ablehnt (OLG Hamm v. 16.8.2013 – II-3 UF 43/13, FamRZ 2013, 1889 mit Verweis auf die eben zitierten Entscheidungen des BGH).

B) Fehlen jeglichen Willens des Betroffenen bzgl. der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft

Es fragt sich also nur noch, ob und ggf. unter welchen Umständen die Ehe eines geschäftsunfähigen Demenzkranken geschieden werden kann, wenn er nicht mehr in der Lage ist, irgendeine Art von Willen zu entwickeln. Rechtsanwalt Dr. Schäfer (a.a.O.) meint, in diesen Fällen könne die Ehe nur geschieden werden, wenn der andere Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr fortführen wolle. Dies widerspricht jedoch meines Erachtens der Rechtsprechung des BGH, auf die er sich beruft, denn dort (BGH v. 25.1.1989 – IVb ZR 34/88, FamRZ 1989, 479) heißt es wörtlich:

„Wenn er nicht mehr das Bewußtsein besitzt, in einer Ehe zu leben, jedes Verständnis für die Ehe verloren hat und damit kein eheliches Empfinden mehr aufweist, so hat er einen äußersten Grad von Eheferne erreicht. Ein solcher Zustand jenseits des Zerrüttungsempfindens kann, zumal es auf den Grund für das Scheitern der Ehe nicht mehr ankommt, nicht geringer bewertet werden als der bewußte Verlust der ehelichen Gesinnung. Die Ehe eines geistig so schwer Geschädigten ist daher auf seinen Antrag scheidbar.“

Auch ein geschäftsunfähiger Demenzkranker, der nicht mehr in der Lage ist, einen natürlichen Willen im Hinblick auf den Fortbestand seiner Ehe zu entwickeln, kann also meines Erachtens auf seinen Antrag geschieden werden. Allerdings setzt dies natürlich gemäß § 125 Abs. 2 FamFG voraus, dass sowohl der Betreuer des Betroffenen als auch das Betreuungsgericht der Ansicht sind, dass die Scheidung im Interesse des Betroffenen liegt. Da persönliche Interessen des Demenzkranken hier (mangels noch vorhandenen natürlichen Willens) kaum noch eine Rolle spielen, müsste die Scheidung jedenfalls im wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen liegen. Vorstellbar wäre etwa eine Scheidung mit dem Ziel, eine Unterhaltsverpflichtung zu beenden oder einen Zugewinnausgleichanspruch durchzusetzen, um aus dem gesparten bzw. gewonnen Geld die Pflegekosten zu decken. Die Genehmigung des Betreuungsgerichts mit dem Ziel zu beantragen, den Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen bzw. einen Erbvertrag oder eine gemeinschaftliches Testament aus dem Weg zu räumen, dürfte hingegen wenig Aussicht auf Erfolg haben, da es hier ausschließlich um die Interessen der Angehörigen, nicht aber die des Betroffenen selbst geht.

3. Praxistipp

Ähnlich wie bei Umgangs- und Sorgerechtsverfahren, bei denen um Kinder gestritten wird, hat man auch in Verfahren, in denen demente Menschen im Mittelpunkt stehen, meiner Erfahrung nach die besten Erfolgsaussichten, wenn man sich immer die Interessen des Betroffenen aus dessen Sicht vor Augen hält und aus dieser Warte heraus argumentiert. Jedenfalls in Betreuungsverfahren geht es nicht nur menschlich, sondern auch rein rechtlich betrachtet ausschließlich um die Interessen der Betroffenen und nicht um diejenigen ihrer Angehörigen.

Verzicht auf Trennungsunterhalt immer unwirksam – Verbleiben nach der neueren Rechtsprechung des BGH überhaupt noch Gestaltungsmöglichkeiten?

Sehr häufig wird von Eheleuten, die in Trennung leben, der Wunsch an die beratenden Rechtsanwälte herangetragen, sämtliche Trennungs- und Scheidungsfolgen abschließend endgültig zu regeln, da ein großes Bedürfnis nach Planungssicherheit für die Zukunft besteht. Fast immer sind die Eheleute in diesen Fällen auch bereit, etwaige finanzielle Nachteile, die sich aus einer solchen endgültigen und abschließenden Regelung ergeben könnten, zu Gunsten des Rechtsfriedens hinzunehmen. Entsprechend entsetzt reagieren die Mandanten in diesen Fällen meist auf den Hinweis, dass ein Verzicht auf den Trennungsunterhalt (den zwischen Trennung und Rechtskraft der Scheidung zu zahlenden Unterhalt) für die Zukunft schlicht nicht möglich ist. Selbst durch notariell beurkundeten Vertrag kann allenfalls auf den nachehelichen Unterhalt (den nach Rechtskraft der Scheidung zu zahlenden Unterhalt) verzichtet werden. Der Verzicht auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft ist hingegen gesetzlich vollständig ausgeschlossen (§ 1614 Abs. 1 BGB). Angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten, eine Scheidung auch nach Abschluss einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung über Monate, wenn nicht gar Jahre, zu verzögern und der häufig ganz erheblichen Höhe der im Raum stehenden Unterhaltsansprüche, ergibt sich durch diese Rechtslage eine für die Einigungsbereiten meist schwer erträgliche Unsicherheit. Daher bemühen sich Rechtsanwälte und auch Notare immer wieder, Möglichkeiten zu finden, das gesetzliche Verbot des Verzichts auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft – dem Wunsch ihrer Mandanten entsprechend – zu umgehen oder zumindest so gut wie möglich aufzuweichen.

I. Bisherige Umgehungsversuche

  1. „pacta de non petendo“

Bis zur Entscheidung des BGH v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 = FamRB 2014, 162 war es beispielsweise nicht unüblich, dass in den Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zwar nicht auf den Unterhaltsanspruch als solchen verzichtet wurde, sondern stattdessen vereinbart wurde, dass der Unterhaltsanspruch zwar Bestand haben sollte, die Vertragsparteien diesen aber nicht geltend machen würden (sog. pacta de non petendo). Mit diesem doch recht augenfälligen Versuch, die gesetzliche Regelung zu umgehen, hat der BGH mit dem genannten Beschluss aufgeräumt und ganz klar erklärt, dass auch eine solche Vereinbarung unwirksam ist, weil sie letztlich die gleichen Folgen zeitigt wie ein ausdrücklicher Verzicht auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft.

  1. Festlegung einer Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt

Seither wird in Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen häufig versucht, wenigstens eine Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt festzulegen. Auch die Festlegung einer Höchstgrenze ist allerdings nach dem Beschluss des BGH v. 30.9.2015 – XII ZB 1/15, FamRZ 2015, 2131 = FamRB 2015, 447 grundsätzlich als Verstoß gegen das gesetzliche Verbot eines Verzichts auf den Trennungsunterhalt anzusehen. Einen gewissen Spielraum lässt der BGH den Anwälten und Mandanten immerhin, indem er Regelungen, die einen um nur bis zu 20 % niedrigeren als den geschuldeten Trennungsunterhaltsbetrag als Höchstgrenze festlegen, noch als „Ausgestaltung“ des Trennungsunterhaltsanspruchs akzeptiert und hierin somit keinen unzulässigen Verzicht sieht.

II. Risiken einer unwirksamen Regelung zum Trennungsunterhalt in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung

Auch wenn der BGH in seiner neueren Rechtsprechung den Eheleuten hier einen gewissen Gestaltungsspielraum einräumt, ist es äußerst risikoreich, eine Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt in eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung aufzunehmen.

Einer der Risikofaktoren liegt darin, dass es den beratenden Anwälten in diesen Fällen häufig unmöglich ist, auch nur annähernd festzustellen, wie hoch der geschuldete Trennungsunterhalt tatsächlich wäre. Gerade einigungsbereite Eheleute haben häufig (verständlicherweise) keinerlei Bedürfnis, sich wochen- und monatelang mit ihren Einkommens- und Darlehensunterlagen oder gar teuren Sachverständigengutachten bzgl. Wohnwerten o.ä. auseinanderzusetzen.

Selbst wenn eine annähernd zutreffende Schätzung gelingt, kann eine ursprünglich noch wirksame Höchstgrenze für den Trennungsunterhalt, die nur 20 % unter dem gesetzlich geschuldeten liegt, im Lauf der Zeit unwirksam werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich etwa durch eine Einkommenserhöhung des Unterhaltsschuldners oder durch einen Einkommenseinbruch des Unterhaltsberechtigten der Trennungsunterhaltsanspruch nachträglich erhöht.

Noch schlimmer wird es dann, wenn versäumt wurde festzuhalten, dass die übrige Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung auch dann weiter gelten soll, wenn die Regelung zum Trennungsunterhalt unwirksam sein sollte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist nämlich ohne eine solche ausdrückliche Regelung grundsätzlich davon auszugehen, dass die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel sich auf den gesamten Vertrag erstreckt (§ 139 BGB). Mit dem Wegfall der Regelung zum Trennungsunterhalt sind ggf. dann also auch etwaige Verzichtserklärungen bzgl. nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich hinfällig.

III. Zusammenfassung

Ein Verzicht auf den Trennungsunterhalt für die Zukunft ist immer unwirksam. Das gilt auch für vertragliche Gestaltungen, die zwar keinen ausdrücklichen Verzicht auf den Anspruch beinhalten, aber sich im Ergebnis genauso auswirken. Auch ein teilweiser Verzicht auf den Trennungsunterhalt in Form einer Höchstbetragsklausel ist unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der vereinbarte Betrag dem tatsächlich geschuldeten Betrag entsprach, sich der Unterhaltsanspruch jedoch durch Änderung der Einkommensverhältnisse im Nachhinein erhöht. Nur dann, wenn die Höchstbetragsregelung noch als „Ausgestaltung“ des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs betrachtet werden kann, hält eine solche Regelung stand. Dies ist nur dann der Fall, wenn der vereinbarte Unterhalt nicht mehr als 20 % unter dem gesetzlich geschuldeten liegt. Ist eine Vertragsklausel in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung unwirksam, so gilt dies im Zweifel für den gesamten Vertrag.

IV. Gestaltungshinweise

  1. Wenn Eheleute und ihre Anwälte den geringfügigen Gestaltungsspielraum von 20 % nutzen wollen, den der BGH ihnen bzgl. des Trennungsunterhalts lässt, muss ausnahmslos ausdrücklich klargestellt werden, dass der restliche Vertrag auch dann weiter gelten soll, wenn diese Klausel unwirksam sein sollte, da andernfalls immer die Gefahr besteht, dass das gesamte Vertragsgebäude zusammen bricht.
  2. Unwirksam dürfte m.E. auch eine Regelung sein, mit der der Unterhaltsberechtigte dynamisch auf jeweils 20 % des Trennungsunterhaltsanspruchs verzichtet, denn einen bewussten Verzicht dürfte der BGH auch dann nicht mehr aus „Ausgestaltung“ anerkennen, wenn dieser sich nur auf 20 % des tatsächlich geschuldeten Unterhalts beläuft.

Unerwünschte Folgen einer Erwachsenenadoption

Nicht selten werden Kinder von ihren Ziehvätern erst im Erwachsenenalter adoptiert. Einer der häufigsten Gründe, auf die Adoption eines minderjährigen Ziehkindes zunächst zu verzichten, ist der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Erzeuger, der mit einer Adoption enden würde. Wird die Adoption im Erwachsenenalter nachgeholt, so ist dies oft rein erbrechtlich bzw. erbschaftsteuerrechtlich motiviert. Nicht bedacht wird dabei gelegentlich, dass die erbrechtlichen bzw. erbschaftsteuerlichen Konsequenzen nicht die einzigen Rechtsfolgen einer Adoption darstellen. Bei mangelnder Aufklärung der Beteiligten durch die beteiligten Rechtsanwälte und Notare folgt auf die Adoption dann oft ein böses Erwachen. 

Als unliebsam wird bei Erwachsenenadoptionen besonders die Rechtsfolge empfunden, dass der Anzunehmende den Namen des Annehmenden erhält. Gerade wenn die Adoption in erster Linie erbrechtlich bzw. erbschaftsteuerlich motiviert ist, erfolgt sie nicht selten erst dann, wenn das anzunehmende „Kind“ selbst schon mitten im Leben steht und entsprechend sowohl beruflich als auch privat mit seinem bisherigen Namen eng verbunden ist. Erstaunlicherweise kann das Familiengericht gemäß § 1757 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB selbst dann, wenn alle Beteiligten dies beantragen, dem Anzunehmenden nicht einfach seinen bisher geführten Namen belassen. Die einzige Möglichkeit des Anzunehmenden, mit dem bisher geführten Namen weiter verbunden zu bleiben, besteht nach dieser Vorschrift darin, dass dem neuen Familiennamen des Kindes der bisher geführte Name vorangestellt oder beigefügt wird (a.A. nur AG Leverkusen v. 17.12.2007 – 14 XVI 12/07, FamRZ 2008, 2058 m. Anm. Maurer, FamRZ 2009, 440), wohl aber nur aus praktischen Gründen offen gegen das Gesetz). Selbst dies ist aber nur dann zulässig, wenn es „aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist“. Besonders grotesk erscheint diese Regelung in den Fällen, in denen der nichteheliche Lebensgefährte der Mutter, von der das Kind seinen bisherigen Namen erhalten hat, das Kind adoptiert. Selbst in diesem Fall hat das Kind nur ganz ausnahmsweise die Möglichkeit, den Namen der Mutter nach der Adoption als Teil eines Doppelnamens weiter zu führen, obwohl die Adoption in diesen Fällen weder rechtlich noch emotional in irgendeiner Weise eine Abkehr von der Mutter bedeutet.  

Ist die Adoption einmal erfolgt, ohne dass dem Antrag auf Weiterführung des bisherigen Namens als Teil eines Doppelnamens stattgegeben bzw. ohne dass dieser überhaupt gestellt wurde, ist es sehr schwierig, sich von der Namensänderung wieder zu befreien. Der Antrag nach § 1757 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB kann nicht nachgeholt werden (BayOblG v. 23.9.2002 – 1Z BR 113/02, FamRZ 2003, 1773 [LS]), wenn die Adoption einmal wirksam ist. Selbst wenn der Anzunehmende im Vorfeld der Adoption nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Volljährigenadoption eine Änderung des Geburtsnamens (und damit auch des aktuellen Namens, wenn der Anzunehmende selbst nicht den Namen seines Ehepartners führt) nach sich zieht, soll dies keinen hinreichenden Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG sein (so jedenfalls VG Ansbach v. 10.11.2004 – AN 15 K 04.01600, BeckRS 2012, 48331). In Betracht zu ziehen ist auch noch eine Readoption durch den leiblichen Elternteil. Zumindest das AG Starnberg v. 13.2.1995 – XVI 22/94, FamRZ 1995, 827, hat einem solchen Antrag in einem Einzelfall stattgegeben, weil es die Readoption für sittlich gerechtfertigt hielt, obwohl die einzige Rechtsfolge der Adoption in diesem Fall die Wiedererlangung des alten Geburtsnamens war. 

Wie man an diesen absurden rechtlichen Verrenkungen unschwer erkennen kann, die sowohl Betroffene als auch Gerichte unternehmen, um die Vorschrift des § 1757 BGB zu umgehen, wobei gleichzeitig kein Grund ersichtlich ist, dem Anzunehmenden den Namen des Annehmenden aufzudrängen, besteht jedenfalls bzgl. dieser Rechtsfolge der Erwachsenenadoption dringender Reformbedarf (siehe hierzu Molls, ZRP 2012, 174 ff.).