Glosse: Wider jeden gesunden Menschenverstand

Familiärer Sparschwein-Streit vor dem OLG

Es gibt diese absurden Urteile. Entschei­dungen, die ein normaler, ver­ständiger, vernünftiger, weltkluger und meinetwegen auch billig und gerecht denkender Mensch nicht verstehen kann. Er kann sie nur, er muss sie als paradox und welt­fremd ein­stufen. Manche Ent­scheidungen sind sogar gefährlich, lebensgefährlich, zusammen­lebensgefährlich.

Lassen Sie mich ein bisschen ausholen und einen Blick in eine vielleicht typische Familie des Bildungs­bügertums werfen. Da ist der Fall der Rechtsanwältin X und des Recht­sanwaltes Y, glückliche Eltern von drei Kindern. Als die Kinder zur Welt kamen, legten sie – selbst­verständlich – wie wohl sehr viele andere Eltern auch, für die Kinder Sparbücher an. Auf deren Namen selbst­verständlich, um das für die Kinder anzu­sparende Geld zu sichern gegen Vermischen mit dem eigenen Vermögen und damit gegen ein wie auch immer ausschauendes „Insolvenz­risiko“ der Eltern XY.

Auf dieses Sparbuch zahlen die Eltern, aber selbstverständlich auch die Großeltern, Onkel, Tanten und Paten hin und wieder etwas ein, vor allem bei beson­deren Gelegenheiten, etwa zum Geburts­tag, an Weihnachten oder fürs Zeugnis. Von dem angesparten Geld soll, so ist es wohl allerorts Sitte, Usus oder Brauch bei größeren anstehenden Anschaf­fungen für die Kinder etwas abgehoben werden, um die Eltern nicht punktuell finanziell zu stark zu belasten. XY kaufen mal ein Bett, mal ein Spielzeug für eines der Kinder, vielleicht ein teureres Bett oder ein viel größeres Spielzeug als veranschlagt, weil sich das Kind genau dieses so sehr gewünscht hat. XY heben also selbstverständlich etwas vom Sparbuch des Kindes ab, um etwas für das Kind anzuschaffen. Vielleicht kaufen XY sogar mal die Ski-Ausrüstung, die Geige und das Klavier vom Angesparten. Alle Geldgeberinnen und Geldgeber sind sich einig, dass das Geld zu diesem Zweck verwendet werden soll, und auch die Kinder möchten das.

Nun werden ja solche Dinge selbst­ver­ständlich – auch das wird wohl in den meisten Familien so sein – nicht vertraglich ge­regelt, weder mündlich, noch (Wie absurd wäre das?) schriftlich oder (reizen wir es aus) gar notariell. Auch eine Einwilligung oder Zustimmung des Jugendamtes wird doch wohl selbstverständlich keiner einholen, wenn er seinem Kind vom Sparbuch etwas Schönes und Wichtiges fürs Kind anschafft. Das wäre der Gipfel der Absurdität. Selbstverständlich auch für Frau X und Herrn Y, die ja nun sogar Anwälte sind und zu allem gesunden Verstand auch ein gutes Judiz haben – oder beides haben sollten. Alles eben selbstverständlich.

Doch nun geht´s los mit dem weniger Selbst­verständlichen: Hätten XY aber nur den Schimmer einer blassen Ahnung gehabt, dass ihre Kinder – aus welchen Motiven heraus auch immer – später das vom Sparbuch abgehobende Geld von ihren Eltern zurückverlangen, und ein oberstes Gerichte solcher Schadenersatz-Klage auch noch stattgibt, hätten sie (Entschul­digung!) einen Teufel getan, auch nur einen Cent für das Kind anzusparen, jedenfalls nicht auf einem eigens „gesicherten“ Kinder-Sparbuch. Sie hätten das Geld auf ihre eigenen Namen angespart und nicht aus Fürsorge auf den Namen der Kinder.

Das OLG Bremen (Beschluss vom 3. Dezember 2014, 4 UF 112/14) und – dem folgend – das OLG Frankfurt (Beschluss vom 28. Mai 2015, 5 UF 53/15) haben es geschafft, mit ihren Spar­buch-Entscheidungen gegen Familien­traditionen, den gesunden Menschen­verstand, die Lebenspaxis, ein gutes Judiz und gegen die prak­tische Vernunft (sogar im Kant´schen Sinne) zu ver­stoßen. Ein multiples Disaster.

Wenn sie den Beschluss des OLG Bremen lesen, verstehen Nichtjuristen die Welt und (hoffent­lich doch wenigstens einige) Juristen die Rechtswelt nicht mehr. Was haben sich die Gerichte dabei gedacht? (Haben die selbst Kinder und Sparbücher?) Streng formal­juristisch mag das ja alles rechtslogisch sein, dogmatisch in Ordnung. Aber rechts­politisch, rechts­philosophisch und menschlich gesehen ist das eine Katastrophe. Und auch dogmatisch muss es eine Möglichkeit geben, nicht zu solch einer absurden, praxis­fernen Entscheidung zu kommen, sondern zu einer vernünf­tigen, lebensnahen – familienlebens­nahen. Da gibt es doch Begriffe wie Zweck­bestimmung, Geschäfts­grundlage, mut­maßliche Einwilligung oder irgend etwas in dieser Art. Damit lässt sich doch die strengste Dogmatik juristisch sauber und mit Verstand ändern.

Dass XY das Geld nachweislich ausschließ­lich für die Kinder ausgegeben haben und in keiner Weise für sich selbst, erkennt das OLG Bremen nicht an. Nein, ganz im Gegenteil: Es dreht diesen guten Willen mit einem Feder­strich in bösen Willen um. XY schuldeten ihren Kindern einen angemessenen Lebensunterhalt aus „ihren eigenen Mitteln“ und dazu gehörten eben auch all die Geschenke und Anschaffungen, die sie vom Sparbuch des Kindes bezahlt hätten. Und so gesehen hätten sie das Geld eben für eigene persönlichen Zwecke ausgegeben. Peng! Das sitzt. Das sitzt sogar tief. Die treu­sorgenden Eltern als veruntreuende Beutel­­schneider, Täter an ihren eigenen Kindern.

Sie müssen diese Entscheidung mal weiter­spinnen. Nach der Bremischen Logik müssten Eltern ihren Kindern für jedes Geschenk etwa der Großeltern sogar einen Ausgleich zahlen, wenn dieses Geschenk Ersatz für üblichen Lebensunterhalt ist, den die Eltern schulden, also eine Hose, ein Rock oder ein neues Bett. Oder das Geschenk muss als Geschenk an die Eltern umgewidmet werden; und dann gehört die Lego-Eisenbahn oder die Playmobil-Burg eben den Eltern. Sehr weise!

Oder eine andere Weiterspinnerei: Haben Sie womöglich eine Ausbildungsversicherung für Ihre Kinder abgeschlossen? Ihr Kind be­kommt einen schönen Batzen Geld, wenn es 18 ist oder mit dem Studium anfängt? Ja, ja: Das OLG Frankfurt hat bereits 2003 entschieden, dass eine Aus­bildungsversicherung auf den Unterhalt ange­rechnet wird (5 WF 160/02, FamRB 2003, 351). Aber da war das Geld noch da. Können Sie denn sicher sein, dass sich Ihr Kind davon nicht eine Weltreise kauft oder es verprasst und dann von Ihnen das Geld für die Ausbildung einklagt? Denn wer will das Kind verpflichten von seinem eigenen Geld zu studieren, statt sich zu amüsieren? (Der Fall ist nicht entschieden.) Dann wird das Ganze noch absurder – wenn man es von außen be­trachtet. Aber welche Juristin, welcher Jurist tut das schon: auch mal von außen betrachten.

Aber wenn ich genauer darüber nachdenke: Ist doch auch gut für uns Anwältinnen und Anwälte, wenn wir schon ganz früh bei den selbst­ver­ständ­lichsten Alltäglichkeiten unseren juristischen Beratungssenf dazu geben können: beim Abschluss des Sparbuchs, bei der Prüfung der Geschenke, bei Klärung der Eigentums­verhältnisse am Etagenbett und der Lego-Eisenbahn. Danke, OLG Bremen, für so schöne neue Einnahme­quellen. Na, also ehrlich, jetzt finde ich das Urteil plötzlich gar nicht mehr so absurd.

Versorgungsausgleich BGH entscheidet zum Kapitalverzehr bei laufender Rente, BGH v. 17.2.2016 XII ZB 447/13

Der BGH hat – endlich – die Frage der Auswirkung laufender Rentenleistung auf den im Versorgungsausgleich zu teilenden Kapitalwert entschieden. Die Lektüre der 29 Seiten lohnt und ersetzt ein Grundlagenseminar über die Finanzierung betrieblicher und privater Altersversorgungen. Wer es kürzer mag:

Der durch laufende Rentenzahlung zwischen Ehezeitende und Rechtskraft einsetzende Kapitalwertverlust einer betrieblichen oder privaten Rentenzusage geht zu Lasten der ausgleichsberechtigten Person. Die dadurch – bezogen auf das Ehezeitende – eintretende Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes kann durch § 27 VersAusglG oder den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich korrigiert werden.

 Die praktischen Konsequenzen der Entscheidung sind groß.

  1. Die anwaltliche Vertretung der ausgleichsberechtigten Person sollte alles daransetzen das Versorgungsausgleichsverfahren so schnell wie möglich durchzuführen, um die Verluste des Kapitalwerts so gering wie möglich zu halten. Bezieht die ausgleichsberechtigte Person Trennungsunterhalt ist eine Günstigkeitsprüfung zwischen Versorgungsverlust und Unterhaltsbezug vorzunehmen.
  2. Der anwaltliche Vertreter des Rentenbeziehers sollte bei länger laufenden Versorgungsausgleichsverfahren darauf dringen, zeitnah zum Entscheidungszeitpunkt eine neue Auskunft des Versorgungsträgers einzuholen um zu verhindern, dass die Nichtbeachtung der durch den Rentenbezug eintretenden Minderung des Kapitalwerts eine überproportionale Kürzung der laufenden Versorgung eintritt. Wird kein Trennungsunterhalt geschuldet, kann es ökonomisch sinnvoll sein, das Verfahren zu verzögern um der ausgleichsberechtigten Person so lang wie möglich die ungekürzte Versorgung zu erhalten.
  3. Versorgungsträger werden aus eigenem Interesse in Rentenbezugsfällen das Gericht darauf hinweisen, vor der Entscheidung eine neue Auskunft einzuholen und den voraussichtlichen Zeitpunkt der Entscheidung anzugeben. Da das Gericht diese neue Auskunft den Beteiligten zuzuleiten hat, entsteht neues Verzögerungspotential.
  4.  Verzögerungspotential entsteht auch aus der nun vermehrt vorzunehmenden Prüfung von § 27 VersAusglG und der Möglichkeiten des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs als Kompensation des halbteilungswidrigen Kapitalverzehrs zu Lasten der ausgleichsberechtigten Person. Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass die Vereinbarung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zum Wegfall der Hinterbliebenenversorgung (§25 Abs. 2 VersAusglG) führen kann. Vor leichtfertiger Flucht in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich sei daher gewarnt. Außerdem kann man eine ausgleichspflichtige Person nicht zum Vergleich zwingen. Bei der Kompensation der durch den Rentenbezug eintretenden Halbteilungsverluste sollte zu große Ängstlichkeit vermieden werden. In fast allen Rentenbezugsfällen ist auch die ausgleichsberechtigte Person in Rentennähe. Da mit Ausnahme der privaten Renten alle anderen mehr oder minder dynamisch sind, kann die Kompensation auf Rentenvergleichsebene bessere Gerechtigkeit bringen, als auf Kapitalwertebene.
  5. Und eine Bitte an alle Praktiker: Keine Panik. Bei zweijährigem Rentenbezug zerbröselt nicht der Kapitalwert. Dieser ist ausgelegt auf 17 (Männer) bis 22 (Frauen) jährigen Versorgungsbezug. Es bricht also im Normalfall keine Welt zusammen, wenn ein Verfahren zwei Jahre dauert. Liegt aber in Abänderungsfällen zwischen Ehezeitende und der Abänderungsentscheidung ein vieljähriger Versorgungsbezug und besteht ein großer Altersunterschied der Beteiligten, muss korrigierend eingegriffen werden. Zu hoffen ist, dass dies über § 27 VersAusglG immer möglich ist. Eine Tabelle mit den Barwertfaktoren für eine ‚Altersrente im Bezug‘  finden Sie hier: Rentenbarwerte für laufende Renten. Das Ganze kann man auch gut als Grafik verstehen: Rentenbarwerte für Blog.
  6. Übrigens: die Entscheidung zum Rechnungszins wird auch in den nächsten Tagen veröffentlicht. Die Entscheidung muss nur noch zugestellt werden.

Neu: Rechnungszinsänderung im Versorgungsausgleich

Für die Bewertung betrieblicher Altersversorgungen im Versorgungsausgleich ist der Rechnungszins von maßgebendem Einfluss. Seit langem wird dieser als deutlich zu hoch angesehen, weil seine Anwendung bei der Kapitalisierung von Betriebsrenten zu einer massiven Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes bei der externen Teilung führt. Die Versorgungsausgleichskasse rechnet mit einem Zinssatz von 1,25%, die Betriebe derzeit mit 3,83%. Eine betriebliche Anwartschaft mit einem Ehezeitanteil von 500 € monatlicher Rente für einen 45 Jahre alten Mann hätte unter Anwendung des ‚BilMoG-Zinses‘ (§ 253 HGB) einen Kapitalwert von ca. 43.600 € (ReZins 3,83%, HR + IR, Rententrend 1%, Altersgrenze 67). Dieser Kapitalbetrag begründet in der Versorgungsausgleichskasse eine reine (statische) Altersrente von maximal 260 €.

Das soll nun noch schlimmer werden. Die Rentenberaterin Dagmar Nienhaus (Heiligenhaus) weist darauf hin, dass im ‚Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie‘ die Berechnungsmethode des BilMoG-Zinses verändert wurde. Ab 2016 müssen Pensionsrückstellungen mit dem neuen Rechnungszins bilanziert werden, für das Jahr 2015 besteht Wahlfreiheit.

Die Konsequenzen für den Versorgungsausgleich sind schlimm. Im obigen Beispiel vermindert sich durch Anwendung des neuen Zinssatzes von 4,27% der Kapitalwert auf 38.435 € und damit der Rentenertrag in der Versorgungsausgleichskasse auf maximal 230 €. Ab mit dem Betrag in die gesetzliche Rentenversicherung (DRV)! Dort bekäme man mit 67 Jahren wenigstens 256 € bei einer Dynamik von realistischen 2% und zusätzlich eine Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung, die die VA-Kasse nicht gewährt.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der BGH der ausgleichsberechtigten Personen erbarmt. Er hat über die Bewertungszinssätze zu entscheiden (XII ZB 615/13; XII ZB 415/14; XII ZB 447/14; XII ZB 468/14) und angekündigt, dies auch in Bälde zu tun. Die BilMoG-Zins-Anhänger argumentieren damit, dieser sei das Ergebnis einer über nunmehr 10 Jahre (statt bisher 7) laufenden Markbeobachtung. Er sinke deswegen langsamer als der reale Rechnungszins, steige aber auch wieder langsamer, wenn die Marktzinsen sich erholten. Der ausgleichsberechtigten Person, die heute geschieden wird, nutzt das nichts. Der BGH wird sich entscheiden müssen, ob er im VA Einzelfallgerechtigkeit oder Durchschnittsgerechtigkeit über einen 30-Jahres-Zeitraum präferiert.

Den heute Geschiedenen muss die obwaltende Halbteilungspraxis, wonach 500 gleich 260 ist, wie das Hexeneinmaleins aus Goethes Faust vorkommen:

Du musst verstehn!
Aus eins mach Zehn,
Und Zwei lass gehn,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist´s vollbracht;
Und neun ist Eins,
Und Zehn ist keins,
Das ist das Hexen-Einmaleins!

Jörn Hauß

Stärkung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Elternunterhalt

Der BGH hat in seiner Entscheidung v. 9.3.2016 – XII ZB 693/14 die nichteheliche Lebensgemeinschaft gestärkt. Der unterhaltspflichtige Sohn lebt seit vielen Jahren mit einer Frau zusammen. Aus dieser Beziehung ist ein inzwischen acht Jahre altes Kind hervorgegangen. Da für einen Betreuungsunterhaltsanspruch der Frau aus kindbezogenen Gründen keine Anhaltspunkte vorlagen, hatte die Vorinstanz einen Unterhaltsanspruch der Frau, verneint. Das sah der BGH anders. Ein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB könne auch aus elternbezogenen Gründen gegeben sein. Solche Gründe lägen offensichtlich vor, weil die unverheirateten Eltern nicht der Fremd-, sondern der Eigenbetreuung des Kindes den Vorrang gegeben hätten, sei diese Entscheidung auch unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Der Betreuungsunterhaltsanspruch der Lebensgefährtin rangiere vor dem Unterhaltsanspruch des Vaters.

Der BGH meint es offensichtlich mit der Lebensstandardgarantie für das seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtige Kind ernst. Die Entscheidung v. 9.3.2016 schützt den Lebensstandard unverheirateter pflichtiger Kinder, die zugleich selbst Eltern sind. Der Betreuungsunterhalt ist ein Anspruch des Kindes. Er wird für Kinder verheirateter Eltern und unverheirateter Eltern gleichermaßen in deren Interesse gewährt. Gut, dass der BGH elternbezogene Gründe für die Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das 3. Lebensjahr hinaus aus der von den Eltern gelebten Lebenssituation heraus vermutet hat. So bleibt es den Eltern zukünftig erspart, ihre konkrete Lebensgestaltung mit der mehr oder minder neurotischen Veranlagung und Verhaltensweisen ihrer Kinder zu rechtfertigen. Es reicht wahrscheinlich aus, wenn die Eltern erklären, durch stärkere häusliche Präsenz eine optimale Kindererziehung anzustreben. Wer wollte ihnen diesen Plan verwehren?

Auch dass der BGH die unterhaltsrechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht vollzogen hat, ist zu begrüßen. Das Ziel, die konkrete Lebensgestaltung des unterhaltspflichtigen Sohnes zu schützen, gelingt besser über den Schutz der vereinbarten Lebens- und Erziehungsweise, als die Nichtverheirateten unter den von diesen ja offensichtlich nicht gewollten Schutzschirm der Ehe zu sperren. Nicht nur die Ehe ist ein Vertrag der Ehegatten. Auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft kennt vereinbarte Rechte und Pflichten, die auch gegenüber unterhaltsbedürftigen Verwandten Vorrang haben müssen, weil die gelebte Solidarität einer Familie eben Vorrang vor der durch Blutsverwandtschaft begründeten Rechtsbeziehung hat. ‚From Status to Contract‘ lautete der Titel des 7. Regensburger Symposions für Europäisches Familienrecht im Jahr 2004. Folgt man der Presseerklärung des BGH zur heutigen Entscheidung, sind wir einen kleinen Schritt auf diesem richtigen Weg vorangekommen.

Gewaltschutz: Licht am Ende des Tunnels!

Der soeben erschienene Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen sieht u. a. eine Änderung von § 238 Abs. 1 StGB vor, der das bisherige Erfolgsdelikt in ein Eignungsdelikt verändert. Danach soll mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er u. a. beharrlich die räumliche Nähe dieser Person aufsucht. Aber: Was ist eine Nachstellung, „die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen“? Und wann ist diese Beeinträchtigung „beharrlich“? So ganz einfach dürfte der Umgang mit diesen Bestimmungen – sollten sie gesetzt werden – auch wieder nicht sein. Gleichwohl besteht endlich Hoffnung für die häufig psychisch geplagten Opfer, auch für den seit 15 Jahren mit Sexfantasien belästigten Pfarrer aus dem Sauerland (siehe Spiegel Online vom 16.12.2015)!

Startgutschrift in der ZVK

Beim IV. Senat (IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15) geht es am 9.3.2016 um die leidige Startgutschrift in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Dieses Thema ist seit 2002 so umstritten, wie kaum ein anderes. Die ‚rentenfernen Jahrgänge‘ (Geburtsjahr ab 1947) erhielten bei der Umstellung des Versorgungssystems eine Startgutschrift. Der Streit um deren richtige Berechnung blockierte zwischen 2007 und 2013 bereits schon einmal zig-tausende Versorgungsausgleiche. Es ist zu befürchten, dass Ähnliches wieder bevorsteht. Beim Ausgleich werthaltiger Ansprüche aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, in denen die Startgutschrift eine Rolle spielt, sollte man vielleicht erst einmal die jetzige Entscheidung abwarten.

P.S. Mittlerweile liegt eine Pressemitteilung des BGH vor.

Elternunterhalt in Lebensgemeinschaft – zur Verhandlung des BGH am 9.3.2016 – XII ZB 693/14

Beim XII. Senat geht es am 9.3.2016 um Elternunterhalt (XII ZB 693/14). Der unterhaltspflichtige Sohn lebt in langjähriger Lebensgemeinschaft mit einer Frau, einem gemeinsamen (7) und zwei weiteren Kinder (12 und 14), die seine Lebensgefährtin aus ihrer ersten Ehe in die Lebensgemeinschaft eingebracht hat. Die Lebensgefährtin erzielt nur geringes Einkommen weit unterhalb des Sozialhilfeniveaus.

Es geht um die Fragen,

  • ob die Lebensstandardgarantie des Elternunterhalts (BGH FamRZ 2002, 1698) auch die Berücksichtigung der finanziellen Unterstützung des unterhaltspflichtigen Kindes für die Lebensgefährtin umfasst und, wenn diese Frage verneint wird,
  • ob nicht wenigstens die Wohnmehrkosten gegenüber dem Alleinlebenden unter die Lebensstandardgarantie gefasst werden können.

Die Vorinstanz (OLG Nürnberg – 7 UF 988/14) hatte beide Fragen verneint. Mangels Existenz eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs könne die faktische Unterhaltsleistung an die Lebensgefährtin und deren Kinder nicht dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Vaters entgegengehalten werden.

Nimmt man die Lebensstandardgarantie allerdings ernst, lässt sich dieser fränkische moralisch-juristische Rigorismus aus zwei Gründen nicht halten:

  • Lebte der Sohn allein in einer überdimensionierten Wohnung, müssten die gegenüber dem Selbstbehalt erhöhten Wohnkosten auch unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden. Warum gilt das dann nicht, wenn er die ‚zu teure Wohnung‘ mit seinen Liebsten teilt?
  • Es könnte sein (der SV gibt dazu nichts her), dass ein Sozialhilfeanspruch der Lebensgefährtin und ihrer Kinder im Hinblick auf die bestehende Bedarfsgemeinschaft verneint wird. Dann aber geht der Unterhaltsanspruch in Höhe des sozialhilferechtlichen Bedarfs nicht auf den Sozialhilfeträger über (§ 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI). Der von Sozialhilfeleistungen entlastete Sozialhilfeträger kann sich ja wohl nicht über die Entlastung freuen, sie unterhaltsrechtlich aber ignorieren. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gilt auch für Sozialhilfeträger.

40 Jahre nach Abschaffung des Schuldprinzips: Ein Plädoyer für eine neue familienrechtliche „Streitkultur“

Im Juni dieses Jahres ist es 40 Jahre her, dass das scheidungsrechtliche Schuldprinzip abgeschafft wurde. Bis Juni 1976 war die Frage des Verschuldens der Ehegatten nicht nur für die Scheidung selbst, sondern auch für die sich an die Trennung und Scheidung knüpfenden Rechtsfolgen, insbesondere für die Unterhaltsverpflichtung und das Sorgerecht, das entscheidende Kriterium. So konnte das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder nach einer Scheidung nur in Ausnahmefällen auf denjenigen Ehegatten übertragen werden, der die Scheidung „verschuldet“ hatte. Die Unterhaltsverpflichtung des „nicht schuldigen“ Ehegatten konnte bis auf ein Minimum reduziert werden.

Seit Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976 spielt ein etwaiges „Verschulden“ eines Ehegatten an dem Scheitern der Ehe rechtlich betrachtet so gut wie keine Rolle mehr. Zum einen ist ein Verschulden eines Ehegatten keine Scheidungsvoraussetzungen mehr, zum anderen hat auch ein wie auch immer geartetes eheliches Fehlverhalten, insbesondere das Unterhalten außerehelicher Beziehungen, grundsätzlich keinen Einfluss mehr auf Unterhaltsansprüche, das Sorgerecht, den Zugewinnausgleich oder gar den Versorgungsausgleich.

Trotz der Abschaffung des Schuldprinzips, die nun schon 40 Jahre zurück liegt, wird in der anwaltlichen Korrespondenz zu familienrechtlichen Fragen bis heute (häufig über hunderte von Seiten hinweg) schmutzige Wäsche gewaschen. Auch scheint es in der familienrechtlichen Anwaltschaft bedauerlicherweise (vermutlich noch aus Zeiten des Schuldprinzips) üblich zu sein, den jeweiligen „Gegner“ nicht nur veranlassen zu wollen, seine familienrechtlichen Pflichten einzuhalten, sondern ihn darüber hinaus auch noch persönlich treffen zu wollen. Anstatt die ohnehin schon angespannte und problematische Situation im Interesse der Mandanten zu deeskalieren, wird durch derartige anwaltliche Korrespondenz häufig noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen und zwar selbst dann, wenn gemeinsame Kinder der Streitparteien vorhanden sind.

Ganze 40 Jahre nach Abschaffung des Schuldprinzips muss meines Erachtens die gesamte familienrechtliche Anwaltschaft Hand in Hand endlich den entsprechenden Kurswechsel vollziehen und auch bei der anwaltlichen Korrespondenz im Auge behalten, dass eine Eskalation auf persönlicher Ebene im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung nichts zu suchen hat. Persönliche Anwürfe ohne rechtliche Relevanz haben niemals Vorteile für den eigenen Mandanten, sondern machen die Auseinandersetzung für alle Beteiligten nur unangenehmer, ja häufig unerträglich.

Auch und gerade wenn ein Mandant aus einer meist mehr als nachvollziehbaren Kränkung und Frustration anfänglich nichts für wichtiger hält, als dem „Gegner“ seine Verfehlungen nochmals ausführlich über anwaltliche Schriftsätze vorzuhalten, sollten wir familienrechtlichen Anwälte es kollektiv als unsere Aufgabe ansehen, den jeweiligen Mandanten davon zu überzeugen, dass diese Art der Kommunikation allen Beteiligten in jeder Hinsicht nur schaden kann. Wenn der jeweilige „Gegner“ verletzend und persönlich beleidigend wird, kann es selbst dem besten Familienrechtsanwalt kaum noch gelingen, den eigenen Mandanten davon zu überzeugen, nicht auf der gleichen Ebene zurück zu schlagen. Der Kurswechsel kann also nur passieren, wenn alle familienrechtlichen Anwälte daran mitwirken.

Als Organe der Rechtspflege und Interessenvertreter unserer Mandanten sollten wir es als eine unserer Kernaufgaben ansehen, Rechtsfrieden und damit auch Frieden für unsere Mandanten zu schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass wechselseitige Beschimpfungen in familienrechtlichen Auseinandersetzungen, allen Beteiligten nur zusätzlichen Schaden zufügen und zwar emotionalen UND wirtschaftlichen.

Wenn wir – wie es unserer Pflicht als Anwälten entspricht – im besten Interesse unserer Mandanten handeln wollen, muss die bisherige familienrechtliche „Streitkultur“ ein Ende haben.

Vereinsmitgliedschaft wertvoller als Ehescheidung?

Nach Ansicht des 2. BGH-Senats beträgt der Regelstreitwert einer durchschnittlichen nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit regelmäßig 5.000 € in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Hintergrund der Entscheidung war die Mitgliedschaft in einem Verein. Na toll! Jetzt haben wir es also schriftlich, dass der Verbleib in einem Karnevalsverein höher zu bewerten ist als der Mindestwert einer Scheidung!

Und ewig grüßen Lebenspartner

„Bereinigungsgesetze“ sind spannend. Liest man sie, weiß man, was der Gesetzgeber verbockt hat und kann sich freuen: Nicht nur Bürger, Anwälte und Richter machen Fehler, nein auch der Gesetzgeber. Für Familienrechtler ist daher das „Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“ (BGBl. 2015 I, 2010; s. dazu auch FamRB 2015, 237) Quelle solch klammheimlicher Freude. In 33 Artikeln werden die Lebenspartner verknüpft mit „und“ oder „oder“ an die Seite der Ehegatten gestellt. Das geht sprachlich nicht ohne Ermüdung und Wiederholungen ab. Den Literaturnobelpreis bekommt man für so etwas nicht, eher Fleißkärtchen.

Insinuiert die Überschrift des Gesetzes noch eine Befassung mit Lebenspartnern, lohnt für den überwiegend mit Heteros befassten Familienrechtler trotzdem die Lektüre. Nach der Einführung des FamFG hatten viele juristische Trüffelschweine emsig die Stellen im Gesetz markiert, bei denen es der Gesetzgeber bei der „Klage“ belassen hatte. Der so durchgearbeitete Gesetzestext glich dank der horizontalen Markierungen einem Kunstwerk von Vasarely und tausende „Anträge“ blieben ungestellt, weil man nach dem Gesetzeswortlaut hätte klagen müssen. Diesen wirklich beklagenswerten Zustand hat die GroKo nun abgeschafft. Nie wieder werden wir darüber klagen müssen zu klagen, wo etwas zu beantragen gewesen wäre. Nie wieder? Ich habe das Gesetz nicht ganz durchgearbeitet. Es ist zu vermuten, dass es neue Fehler enthält und einige alte übersehen hat. Es ist eben nicht ganz banal, Gesetze zu machen.

Einen „Fehler“ habe aber auch ich gefunden. § 1 LPartG enthält eine Definition der Lebenspartnerschaft. Die Ehe ist gesetzlich nirgendwo definiert. Wie einfach wäre es doch gewesen, der Gesetzgeber hätte den derzeit unbesetzten § 1300 BGB belebt und definiert: „Zwei Personen, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, auf Lebenszeit für einander einstehen zu wollen, begründen eine Ehe.“ Das wäre Vereinfachung und Bereinigung gewesen. Ich garantiere Ihnen, das Abendland würde diese Reform überleben.