Immobilienbewertung in der Zugewinnausgleichsberechnung – Verkehrswert = Marktwert?

Angesichts der enormen Steigerung der auf dem Markt erzielten Kaufpreise für Immobilien stellt sich die Frage, ob die nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewertung von Renditeobjekten im Rahmen der Ermittlung von Zugewinnausgleichsansprüchen geeignete Ertragswertmethode noch zu zutreffenden Ergebnissen führt.

Unstreitig in Rechtsprechung und juristischer Literatur ist, dass der maßgebliche Wert für die Zugewinnausgleichsberechnung regelmäßig der Verkehrswert der Immobilie am Stichtag ist, wobei damit der am Markt für diese Immobilie an diesem Tag erzielbare Kaufpreis gemeint ist (siehe nur BeckOK/BGB, Stand 1.11.2023, § 1376 Rz. 4, m.w.N.). Die ImmoWertV verwendet die Begriffe Verkehrswert und Marktwert gar synonym.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Ertragswertmethode zur Wertermittlung des Verkehrswertes (= Marktwertes) von vermieteten Grundstücken geeignet (siehe nur BGH v. 13.7.1970 – VII ZR 189/68, juris Rz. 24 ff.; vgl. auch BGH v. 17.11.2010 – XII ZR 170/09, juris Rz. 45 ff.). Es mag auch einstmals richtig gewesen sein, dass der am wahrscheinlichsten zu erzielende Kaufpreis für eine Immobilie durch das Ertragswertverfahren regelmäßig realistisch abgebildet werden konnte, zumal das Hauptinteresse eines potenziellen Käufers in der Regel auf die zu erzielenden Erträge gerichtet war (so auch Budzikiewicz in Erman, 17. Aufl., § 1376 BGB Rz. 9 m.w.N.), diese Zeiten sind allerdings vorbei.

Personen mit ein wenig Erfahrung am Immobilienmarkt, die nicht juristisch vorgebildet sind, differenzieren zwischenzeitlich flächendeckend deutlich zwischen dem „Verkehrswert“ und dem „Marktwert“ einer Immobilie. Mit ersterem Begriff ist dabei der Wert gemeint, den ein Sachverständiger mithilfe der Ertragswertmethode ermittelt, mit letzterem Begriff der Wert, der tatsächlich (wahrscheinlich) am Markt erzielt werden kann. Der „Marktwert“ in diesem Sinne lag in den letzten 10 Jahren erfahrungsgemäß häufig äußerst deutlich über dem „Verkehrswert“ in diesem Sinne. Selbst eine Immobiliensachverständige, die im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahren vor dem Amtsgericht Köln im Jahr 2023 zu ihrem Gutachten bzgl. einer Mietimmobilie befragt wurde, welches sie nach der Ertragswertmethode erstellt hatte, differenzierte deutlich zwischen Markt – und Verkehrswert:

„Dieser (der Kaufpreis) kann sich aber auch aus der angespannten Käufer- und Marksituation zu dieser Zeit ergeben. Es kann sein, dass hierdurch Immobilien deutlich über Verkehrswert veräußert werden.“

Und weiter:

„Wenn ich gefragt werde, ob die von mir beschriebene Sondersituation am Käufermarkt von mir berücksichtigt wurde bei der Bewertung der Immobilien, kann ich sagen, dass sich die Begutachtung immer an der Wirtschaftlichkeit orientieren muss. Dass es eine Kaufpreisentwicklung gegeben hat, ist unstreitig; insoweit ist der Antragstellerin Recht zu geben. Allerdings kann es auch gut sein, dass in einer angespannten Marktlage ein unwirtschaftlicher Preis gezahlt wird.“

Nun ist es nach der diesbezüglich eindeutigen Rechtsprechung und Literatur gerade nicht richtig, dass sich eine Begutachtung an der Wirtschaftlichkeit einer Immobilie zu orientieren hat, sondern ausschließlich daran, welcher Preis am Stichtag am wahrscheinlichsten am Markt hätte erzielt werden können – ob wirtschaftlich oder nicht. Dennoch halten die Sachverständigen – wohl aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Geeignetheit dieser Methode – sklavisch an der Ertragswertmethode fest. Die Gerichte folgen häufig (nach meiner Erfahrung sogar immer) den Schätzungen der Sachverständigen, ohne die Geeignetheit der gewählten Methode in Frage zu stellen.

Der Erbrechtssenat des Bundesgerichtshofs räumt immerhin einem in zeitlichen Zusammenhang mit dem Stichtag (etwa fünf Jahre) erzielten Kaufpreis Vorrang gegenüber der Schätzung eines Sachverständigen im Rahmen der Immobilienbewertungen für die Pflichtteilsberechnung ein. Der Erbrechtssenat führt hierzu aus, es sei nicht zu rechtfertigen, die im Rahmen einer Bewertung relativ gesicherte Ebene tatsächlich erzielter Verkaufserlöse bei einer zeitnahen Veräußerung zugunsten bloßer Schätzungen zu verlassen (siehe nur BGH v. 25.11.2010 – IV ZR 124/09, FamRZ 2011, 214 = ZEV 2011, 29 = ZErb 2011, 83 = NJW 2011, 1004; BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; BGH v. 13.3.1991 – IV ZR 52/90, WM 1991, 1553, 1554 = NJW-RR 1991, 900). Der Familiensenat hat sich dieser Sichtweise bisher leider nicht angeschlossen, sich aber – soweit ersichtlich – auch noch nicht explizit gegenteilig geäußert.

Es bleibt zu hoffen, dass sich eines Tages auch für den Familiensenat die Gelegenheit ergeben wird, sich ausdrücklich zu der Frage zu positionieren, ob er die Ertragswertmethode angesichts der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt nach wie vor für geeignet hält.

Oh, wie schön ist das Familienrecht

Ich sitze mit Werner Schulz an der Fertigstellung der 7. Auflage unseres Buchs Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung. Man sagt Juristinnen und Juristen ja eine gewisse Fantasielosigkeit nach. Das wäre zu prüfen:

Fall: M verliert bei der Einfahrt in sein Grundstück die Kontrolle über sein einkaufsbeladenes Fahrrad, das den 14 Jahre alten Wagen des mit ihm befreundeten Nachbarn N beschädigt. Da M haftpflichtversichert ist, lässt N ein Schadensgutachten erstellen und bittet M um Regulierung in Höhe von 3.000 €. Die Versicherung verweigert aus vertraglichen Gründen die Regulierung. Weil der Wagen alt, aber gleichwohl voll funktionsfähig ist, lässt N ihn nicht reparieren, macht aber den Schaden gegen seinen Freund M auch nicht weiter geltend. Vier Jahre nach diesem Ereignis trennen sich M und seine Frau FM, die eine intime Beziehung zu FN, der Frau des Nachbarn N begonnen hat. Unmittelbar nach der Scheidung fordert sie M zur Auskunft über sein Endvermögen auf. M gibt dieses mit 100.000 € an und vermindert es um die Schadenersatzforderung von N über 3.000 €. FM protestiert dagegen und vertritt die Ansicht, die Forderung sei verjährt und daher nicht zu passivieren. Auch FN fordert nach der Scheidung von N von diesem Auskunft über sein Vermögen. N gibt dieses mit 50.000 € an und wendet auf den Hinweis der Existenz der Schadensersatzforderung ein, diese sei verjährt und daher mit Null zu bilanzieren.

Dieser ‚kleine‘ Fall führt in die Herzkammer der Forderungsbewertung im Güterrecht und zu deutlich wahrnehmbaren Herzflimmern. Wenn der eine die einredebehaftete Forderung voll passiviert, der andere die gleiche Forderung aber nicht aktivieren kann, wird man nachdenklich und fragt, ob das richtig sein kann.

Ich meine ‚ja‘. Der Marktwert einer mit der Verjährungseinrede behafteten Forderung ist Null. Niemand würde N diese Forderung abkaufen. Die Schuld als Kehrseite der verjährten Forderung besteht aber, solange die Einrede nicht erhoben wird. Im Stichtag war dies nicht der Fall, weshalb es richtig ist die Forderung des N zu passivieren.

Dagegen könnte eingewandt werden, M habe die ‚Obliegenheit‘, die Einrede zu erheben und diese habe – als latente Konsequenz aus der Ehe – bereits vor dem Stichtag bestanden. Das allerdings widerspräche dem im Güterrecht herrschenden strengen Stichtagsprinzip. Ist die die Forderung vernichtende Verjährungseinrede ehezeitlich nicht erhoben worden, besteht die Schuld am Stichtag. Die nachehezeitliche Erhebung der Einrede ist eine nachehezeitliche Leistung. Es kann güterrechtlich keine ‚unsichere Schuld‘, wohl aber ‚unsichere Forderungen‘ geben. Die Schuld steht fest. Der Vermögenswert einer Forderung hängt – im Unterschied zur Schuld – vom Schuldner ab. Man würde ja bei im Stichtag bestehenden Verbindlichkeiten auch nicht die Chance der Restschuldbefreiung durch Insolvenz in die Bewertung der Höhe der zu bilanzierenden Schuld einbeziehen.

Deshalb wäre im obigen Beispiel die Schuld bei M zu passivieren und die Forderung bei N nicht als Vermögenswert einzustellen. Ein ‚sauberes Ergebnis‘, das vielleicht nicht von allen geteilt und von den im Beispiel beteiligten Frauen nicht goutiert werden wird.

Um das Problem noch ein wenig zu toppen: Nachdem die Frauen eine gleichgeschlechtliche Beziehung aufgebaut haben, ziehen die beiden Männer nach. FM verlangt von M Unterhalt. Kann dieser die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung mit Verweis auf die dem N gegenüber bestehende Schadensersatzpflicht vermindern und zulasten des Unterhaltsanspruchs die Forderung des N in 10 monatlichen Raten zu 300 € tilgen?

Ich meine nein, weil einerseits die Tilgung dieser Verbindlichkeit die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat und andererseits M die unterhaltsrechtliche Obliegenheit hat, sich – zur Verbesserung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit – auf Verjährung zu berufen. Außerdem würde es gegen das Verbot der Doppelberücksichtigung sprechen, die Forderung sowohl im Güterrecht, als auch im Unterhalt leistungsmindernd zu berücksichtigen.

Nacheheliche Solidarität wird im Unterhaltsrecht, nicht aber im Güterrecht geschuldet.

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Beweislastumkehr bei Verletzung der ehevertraglichen Pflicht zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses

Eheverträge, in denen nur bestimmte Vermögensgegenstände (z.B. Betriebsvermögen/Grundstücke) aus der Zugewinngemeinschaft ausgenommen werden, sind häufig. Allerdings bereiten diese Verträge in der Praxis insbesondere für den Ausgleichsberechtigten Schwierigkeiten. So behauptet der Ausgleichsverpflichtete häufig, der von ihm erzielte Zugewinn sei nur deshalb so niedrig, weil er berechtigterweise Aufwendungen (Investitionen/Instandhaltungskosten) auf die Vermögensgegenstände gemacht habe, die aus dem Zugewinn ausgenommen sind. Besonders problematisch ist daran, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten bzgl. dieser Investitionen nur dann ein Auskunftsanspruch zusteht, wenn er konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht vorträgt, dass hier illoyale Vermögensverschiebungen stattgefunden haben (BGH v. 15.8.2012 – XII ZR 80/11, FamRZ 2012, 1785). Solche Anhaltspunkte hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte aber mangels entsprechenden Auskunftsanspruchs häufig nicht.  

Zumindest im Rahmen derjenigen Eheverträge, die eine Verpflichtung der Ehegatten vorsehen, ein Vermögensverzeichnis bzgl. derjenigen Vermögensgegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen sind, zu erstellen und fortzuführen, bietet sich aber für den Ausgleichsberechtigten möglicherweise ein Ausweg, der dem Ausgleichsverpflichteten regelmäßig äußerst weh tun dürfte. So kann zwar – jedenfalls nach Auffassung des OLG Hamm (OLG Hamm v. 2.8.2018 – V-1 AR 24/17, nicht veröffentlicht) – nach dem Scheitern der Ehe die Vorlage eines solchen Verzeichnisses nicht mehr rückwirkend verlangt werden, die Verletzung der Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. der aus dem Zugewinn ausgenommenen Vermögensgegenstände dürfte aber immerhin zu einer Beweislastumkehr bzgl. der Verwendung der während der Ehe insgesamt erzielten Einnahmen führen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss also in solchen Fällen „nur noch“ die während der Ehe insgesamt erzielten Nettoeinnahmen des anderen Ehegatten abzgl. der Lebenshaltungskosten darlegen. Ist der erzielte Zugewinn niedriger als der Differenzbetrag, ist so lange von einer illoyalen Vermögensverfügung auszugehen, wie der ausgleichsberechtigte Ehegatte nicht darlegt und beweist, dass er die „verschwundenen“ Gelder berechtigterweise auf die Vermögensgegenstände aufgewandt hat, die aus dem Zugewinn ausgenommen wurden.  

Fazit: Zumindest in Fällen von Eheverträgen, die eine Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. derjenigen Gegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen sind, vorsehen, sollte derjenige Rechtsberater, der den ausgleichsberechtigten Ehegatten vertritt, nicht vorschnell aufgeben, wenn der Mandant keine konkreten Anhaltspunkte für illoyale Vermögensverschiebungen darlegen kann, die über das bloße „Verschwinden“ von Geldern hinausgehen. Zwar besteht auch in diesen Fällen keine umfassende Auskunftsverpflichtung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten, immerhin dürfte sich aus der Verletzung dieser Verpflichtung aber eine Beweislastumkehr zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten ergeben. Bei der Gestaltung von Eheverträgen bzw. der Prüfung notarieller Entwürfe sollte der voraussichtlich ausgleichsberechtigte Ehegatte darauf achten, dass die Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. derjenigen Gegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen werden, in den Vertrag Eingang findet. Der voraussichtlich ausgleichsverpflichtete Ehegatte sollte hingegen möglichst dafür sorgen, dass die Verpflichtung gestrichen wird. Ist dies nicht durchsetzbar, ist er zumindest eindringlich und nachweisbar auf die mögliche Beweislastumkehr hinzuweisen, die sich aus einer Vernachlässigung dieser Verpflichtung ergeben kann.

Die Entzauberung des Zauberworts von der Funktionsäquivalenz oder: Wieviel Schutz brauchen Ehegatten? (zu BGH v. 20.6.2018 – XII ZB 84/17)

In seiner Entscheidung v. 20.6.2018 – XII ZB 84/17 leitsatzt der BGH, die richterliche Ausübungskontrolle von Eheverträgen diene nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zustellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehende Disposition über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben. Gleichzeitig hegt der BGH die unter dem Stichwort der Funktionsäquivalenz teilweise heranwachsenden Wünsche ein: Bei modifiziertem Zugewinnausgleich oder vereinbarter Gütertrennung ist auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine güterrechtliche Kompensation mangelnden Versorgungserwerbs nicht erforderlich, wenn der ehezeitliche Versorgungserwerb in einem dem Versorgungsausgleich unterliegenden primären Versorgungssystem ausreichend ist, dem Versorgungsberechtigten eine selbstständige (Basis-)Absicherung für den Fall von Alter oder Invalidität zu bieten. Für ein über die Halbteilung der berufsständischen Versorgungsanrechte hinausgehendes „Hinübergreifen“ auf das güterrechtliche Ausgleichssystem im Wege richterlicher Ausübungskontrolle bestehe jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Funktionsäquivalenz kein Raum (Rz. 27).

Die von „Ehevertragsreue“ gekennzeichnete Berufung eines Ehegatten im Scheidungsfall auf versorgungsrechtliche Benachteiligung durch Gütertrennung oder Modifikation der Zugewinnausgleichsgemeinschaft ist mit dieser Entscheidung weitgehend verstellt. Der Ehemann (Arzt) hatte in der Ärzteversorgung in 17-jähriger Ehe eine Versorgung von rund 709 € monatlich aufgebaut und damit einen jährlichen Versorgungserwerb in Höhe von knapp 42 € Monatsrente realisiert. Die Funktion eines primären Altersversorgungssystems sei es, dem Versorgungsberechtigten eine „selbstständige Basis-Absicherung für den Fall von Alter oder Invalidität zu bieten“. Bei einem Versorgungserwerb von 42 € Monatsrente pro Erwerbsjahr sei dieser Zweck erfüllt.

Einen den Ehevertrag durch ergänzende Vertragsauslegung zu korrigierenden ehebedingten Nachteil der Ehefrau vermochte der BGH nicht zu erkennen. Diese hätte, wenn sie ihren Beruf als Produktdesignerin ehezeitlich ausgeübt hätte, 19,32 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben können, was einem Kapitalwert i.H.v. 110.399,89 € entspräche. Der Kapitalwert des Ausgleichswerts der Ärzteversorgung habe 66.297 € betragen. Die Differenz zum fiktiven eigenen Versorgungserwerb der Ehefrau werde durch den ehevertraglich modifizierten Zugewinnausgleich (Teilhabe an zwei Kapitallebensversicherungen des Ehemannes) ausgeglichen.

Die Entscheidung macht deutlich: Wer einen Ehevertrag schließt, kann auch bei längerer Ehe nicht davon träumen, dessen Regelungen so einfach auszuhebeln. Die Ehe ist ein privatrechtliches Versprechen zweier Personen, dessen Bedingungen weitgehend privatautonom gestaltet werden können und dessen Folgewirkungen durch die Rechtsordnung nur öffentlich-rechtlich determiniert sind. Der staatlich zu garantierende Schutz des „schwächeren“ Ehegatten beschränkt sich auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, nicht aber auf die Teilhabe an ehebedingten Vorteilen, wenn die Ehegatten diesen Vorteilserwerb abbedungen haben. Dies entspricht einem modernen Eheverständnis, das der Privatautonomie den notwendigen Atmungsraum gewährt und diesen nur dann begrenzt, wenn ehebedingte Nachteile planwidrig nicht kompensiert werden, was Kompensationsfähigkeit voraussetzt.

Die Ehe ist im 21. Jahrhundert keine Institution zu Versorgungssicherung oder Vermögensmehrung. Sie ist eine freiwillig begründete Lebens- und Austauschgemeinschaft volljähriger gleichberechtigter Menschen, die des gesetzlichen Schutzes nur in Ausnahmefällen bedürfen.

 

Die familienrechtlichen Auswirkungen einer längeren Versöhnung der Eheleute nach einer Trennung

Nicht selten versuchen Eheleute nach einer Trennung oder sogar noch während eines laufenden Scheidungsverfahrens, ihre Ehe zu retten, und versöhnen sich für eine Weile wieder. Um die Eheleute nicht von solchen – vom Gesetzgeber offenbar gewünschten – Versuchen künstlich abzuhalten, sieht das Gesetz vor, dass das Trennungsjahr nicht von einem Zusammenleben über „kürzere Zeit“ unterbrochen wird (§ 1567 Abs. 2 BGB). Die Obergrenze, innerhalb der es sich noch um eine „kürzere Zeit“ handelt, beträgt nach der Rechtsprechung drei Monate des erneuten Zusammenlebens.

Die Rechtsfolgen einer längeren Versöhnung sind äußerst weitreichend. Wenn die Eheleute sich nach einer solchen Phase erneut trennen, kann nicht einfach an ein bereits anhängiges Scheidungsverfahren angeknüpft werden. Der ursprünglich eingereichte Scheidungsantrag müsste gegebenenfalls abgewiesen werden, weil das (neue) Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt sogar dann, wenn beide Eheleute wieder geschieden werden möchten. Die Eheleute sind in diesem Fall gezwungen, erneut das Trennungsjahr abzuwarten, um dann die Scheidung erneut zu beantragen.

Mit der Einleitung eines neuen Scheidungsverfahrens verändert sich auch der Stichtag für die Berechnung des Zugewinnausgleichs. Erhebliche Vermögenssteigerungen oder Verluste eines der beiden Ehegatten während der Versöhnung und dem daran anschließenden weiteren Trennungsjahr sind also bei dem Ausgleich mit zu berücksichtigen. Auch die Altersvorsorge, die die Eheleute während dieser Phase aufgebaut haben, ist in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Soweit mit dem ursprünglichen Scheidungsantrag bereits Folgesachenanträge (insbesondere Anträge auf Durchführung des Zugewinnausgleichs und auf nachehelichen Unterhalt) verbunden waren, sind auch diese mit der Zurückweisung bzw. der Rücknahme des Scheidungsantrags erledigt. Auch diese Anträge müssen nach Zustellung des neuerlichen Scheidungsantrags erneut gestellt werden. Die häufig ganz erheblichen Kosten für diese Gerichtsverfahren einschließlich Anwaltskosten und gegebenenfalls Kosten für Sachverständige fallen also doppelt an.

Mit der Zurückweisung bzw. Rücknahme des Scheidungsantrags lebt auch das Erb- und Pflichtteilsrecht des Ehegatten wieder auf. Dieses entfällt erst dann wieder, wenn nach Ablauf des weiteren Trennungsjahrs der neue Scheidungsantrag zugestellt wird.

Soweit noch ein Unterhaltstitel bezüglich des Trennungsunterhalts vorliegt, wird dieser mit dem Ablauf der längeren Versöhnungszeit zwar nicht unwirksam, der Trennungsunterhaltsanspruch entfällt allerdings und eine Vollstreckung aus dem Alttitel könnte im Wege des Vollstreckungsgegenantrags abgewehrt werden (s. nur Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 238 Rz. 14).

Wirksam bleiben allerdings Unterhaltstitel bezüglich des Kindesunterhalts, da der Kindesunterhalt auch während längerer Versöhnungsphasen geschuldet bleibt.

Ausübung des Kapitalwahlrechts einer Altersversorgung bei Gütertrennung

In Eheverträgen wird häufig der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Teilung des während der Ehe erworbenen Vermögens) ausgeschlossen, während der Versorgungsausgleich (Teilung der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften) unangetastet bleibt. In diesen Fällen ist die  erste Frage eines Anwalts an den Mandanten, ob er über Altersvorsorgeanwartschaften mit Kapitalwahlrecht verfügt. Der Anspruch auf Auszahlung eines Kapitalbetrags unterliegt – anders als der Anspruch auf eine Rente – ausschließlich dem Zugewinnausgleich und nicht dem Versorgungsausgleich. Es ist also in diesen Fällen ein Leichtes, diesen Vermögenswert durch bloße Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Ausgleich an den anderen Ehegatten vollständig zu entziehen. 

Bei dem anderen Ehegatten kommt diese Vorgehensweise verständlicherweise meist nicht gut an. Das gilt umso mehr, wenn der benachteiligte Ehegatte dadurch nicht nur seinen Ausgleichsanspruch verliert, sondern darüber hinaus auch noch selbst im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtig wird. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der benachteiligte Ehegatte in diesen Fällen auch tatsächlich erfolgreich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Lasten in Höhe des Ausgleichswerts wehren, den der andere dem Versorgungsausgleich durch Ausübung des Kapitalwahlrechts entzogen hat, indem er sich auf § 27 VersAusglG (grobe Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs) beruft (zuletzt BGH v. 21.9.2016 – XII ZB 264/13, FamRZ 2017,  26 = FamRB 2017, 9).

 Nicht erfolgreich wehren kann sich gegen diese Vorgehensweise hingegen bisher ein Ehegatte, der selbst während der Ehe keine oder nur geringfügige Altersvorsorgeanwartschaften erworben hat, etwa weil er oder sie nicht gearbeitet, sondern Kinder betreut hat. Diesem Ehegatten nützt es nichts, sich auf § 27 VersAusglG zu berufen, da ein Versorgungsausgleich zu seinen Lasten mangels eigener Versorgungsanwartschaften ohnehin nicht in Betracht kommt. Die Vertragsfreiheit der Beteiligten auch insoweit zu beschränken, als der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bzgl. des Ausgleichsbetrags wegen Treuwidrigkeit aufgehoben oder gar die Ausübung des Kapitalwahlrechts als sittenwidrig und damit nichtig betrachtet wird, hat sich der Bundesgerichtshofs bisher noch nicht getraut. Das mag ja auch grundsätzlich richtig sein, vergleicht man aber diesen mit dem zuerst geschilderten Fall, kann man sich Eindrucks einer gewissen Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle nicht erwehren.