Hört sich kompliziert an, ist aber einfacher: Dynamische Antragstellung zwecks Aussetzung der VA-Rentenkürzung wegen Unterhalt

Problemstellung: M zahlt Nachscheidungsunterhalt an F, kommt in Rente und könnte sich den Unterhalt nun nicht mehr leisten, weil seine Rente durch den Versorgungsausgleich gekürzt ist – aus dem F ihrerseits noch keinen Nutzen zieht, weil sie jünger und noch nicht Rentnerin ist. In der Ex-Familie entsteht eine Liquiditätslücke. Die Lösung bieten §§ 33, 34 VersAusglG: In (maximal) der Höhe des (geschuldeten) Unterhaltes wird die Rentenkürzung ausgesetzt.  

Es bleibt ein Praktiker-Problem, das der BGH mit Beschl. v. 26.2.2020 – XII ZB 531/19 gelöst hat: Der Sachverhalt ist dynamisch, bei jeder Rentenerhöhung müsste neu gerechnet werden. Die Lösung dafür fand das OLG Frankfurt a.M. als Vorinstanz und titulierte dynamisch: „In Höhe eines sich aus der Multiplikation von 15.6253 Entgeltpunkten der allgemeinen Rentenversicherung und von 1,006 Entgeltpunkten der knappschaftlichen Rentenversicherung mit einem Zugangsfaktor von 1,0, einem Rentenartfaktor von 1,0 für die Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung und von 1,3333 für die knappschaftlichen Entgeltpunkte und dem jeweilige(n aktuellen Rentenwert ergebenden monatlichen Rentenbetrags, höchstens jedoch in Höhe eines monatlichen Rentenbetrags von 1.463 €“ wurde die Rentenkürzung ausgesetzt (OLG Frankfurt v. 17.10.2019 – 4 UF 52/19, FamRB 2020, 95). Ok, sagte der BGH nun, das ist hinreichend bestimmbar. Die genannten Entgeltpunkte können durch Multiplikation mit dem aktuellen, jeweils im Bundesgesetzblatt veröffentlichten aktuellen Rentenwert in einen jeweils aktuellen Rentenkürzungsbetrag umgerechnet werden. Rechnen muss ja dann auch nicht mehr der Jurist, sondern der Rententräger.

 

Ferndiagnose BVerfG zu § 17 VersAusglG

Die mündliche Verhandlung über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG beim BverfG hat am 10.3.2020 stattgefunden.[1] Die Frage bleibt, wie das Gericht entscheiden wird. Der Worte sind aber vielleicht noch nicht genug gewechselt, weil einige Argumente der Anhänger der derzeitigen Lösung auch durch Wiederholung nicht besser werden.

Fangen wir also beim Argument des BGH an, die sog. Transferverluste, also die bei der externen Teilung eintretenden Rentenverluste der ausgleichsberechtigten Person, widersprächen nicht dem Halbteilungsgrundsatz. Bei hohem Niveau des Rechnungszinses träten sie zwar tatsächlich auf, falle aber das Zinsniveau, könne die externe Teilung sogar vorteilhaft sein.[2] Dieses Argument wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BverfG wiederholt. Richtiger wird es deswegen nicht. Der im Jahr 2010 geschiedenen und in die externe Teilung gezwungenen Frau, die beim Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung oder die Versorgungsausgleichskasse 40 % oder teilweise auch 60 % der ihr zustehenden Versorgung verloren hat, nutzt es nichts, dass sei bei einer Scheidung im Jahr 2020 einen Gewinn von ca. 25 % bei externer Teilung eingefahren hätte. Der Verfassungsrang beanspruchende Halbteilungsgrundsatz gilt für die jeweilige Ehescheidung und nicht für den 20-jährigen Durchschnitt aller Scheidungen. Das Grundgesetz fordert keine Durchschnitts-, sondern Einzelfallgerechtigkeit.

Die Auseinandersetzung mit der Rettungsargumentation der Arbeitsgemeinschaft betrieblicher Altersversorgungen ist da schon komplizierter. Sie befürchtet, dass durch Aufnahme der ausgleichsberechtigten Personen in das System der betrieblichen Altersversorgung zusätzliche belastende Verwaltungskosten für die betriebliche Altersversorgung entstünden, die deren Rentabilität beeinträchtigen werde. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, überzeugt aber gleichwohl nicht. Aus vielerlei Erfahrung wissen wir, dass die Verwaltungskosten betrieblicher Versorgungsträger selten 10 € pro Monat übersteigen. Im klassischen Scheidungsalter einer 50-jährigen Frau entstünden dem Versorgungsträger damit Verwaltungskosten von ca. 3.200 € bis zum Versterben der Berechtigten.[3] Derzeit können Versorgungen bis zu einem Kapitalwert von 82.800 € extern geteilt werden. Die Verwaltungskosten entsprächen gerade einmal ca. 3,8 % des Ausgleichswerts. Wenn also die Verwaltungskosten der springende Punkt wären, läge nichts näher, als die ausgleichsberechtigte Person entscheiden zu lassen, ob zu Lasten der auszugleichenden Versorgung – und damit auch ihrer Versorgung – die entstehenden Verwaltungskosten berücksichtigt werden können oder ob stattdessen externe Teilung gewünscht wird. Ich bin sicher, dass die Betroffenen statt eines großen, manchmal 50 % übersteigenden Verlusts einen 3,8 %igen gewählt hätten.

Es bleibt auch nach der Verhandlung völlig unklar, warum nur Betriebe und Unterstützungskassen vor einem hohen Verwaltungsaufwand zu schützen sind, während die Versicherten der anderen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung mit den Verwaltungskosten belastet werden.

Auch wenn sich Bundesregierung und betriebliche Altersversorgungen in der Anhörung bemühten, die Wertgrenze der Beitragsbemessungsgrenze (derzeit 82.800 €) für die Externalisierung einer betrieblichen Versorgung zu erklären, bleibt die Grenzziehung willkürlich. Die Bundesregierung argumentierte, diese Wertgrenze sei der Versorgungsträgern bekannt, weswegen man daran angeknüpft hätte. Ich kenne noch eine ganze Reihe anderer den Versorgungsträgern bekannter Wertgrenzen. Deren unbekannteste war die „monatliche Bezugsgröße“ des § 18 Abs. 1 SGB IV. Mit dieser hatten die Versorgungsträger bis zum 1.9.2009 überhaupt nichts zu tun. Trotzdem hat der Gesetzgeber den Betrieben diese Bezugsgröße in § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ohne Zaudern zugemutet. Die jetzt etablierte Wertgrenze in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze privilegiert Managergattinnen und -gatten im Versorgungsausgleich. Wie man das rechtfertigen will, ist nicht nachvollziehbar.

Die betrieblichen Altersversorgungen verteidigten die Grenze mit dem Argument, dies sei die Grenze, bis zu der man durch Pflichtbeiträge einen Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung pro Jahr erwerben könne. Das erinnert an die TV-Werbung eines Matratzenherstellers, der der Mitteilung eines Matratzenliegers, seine qualitätsstrotzende Matratze habe ein „Vermögen gekostet“, entgegensetzt, die in Deutschland meistgekaufte Matratze koste nur 199 €. Das eine hat mit dem anderen nicht das geringste zu tun. Durch das VersAusglG ist die Grenze, bis zu der eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden kann aufgehoben worden. Warum soll diese Grenze dann herangezogen werden, um die interne Teilung zu begründen? Der Verfasser plant derzeit, aus dem Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine ausgleichsberechtigte Frau aus einem Ausgleichswert von 1,7 Millionen Euro zu begründen. Die DRV nimmt auch Ausgleichswerte in dieser Höhe auf.

Die Berichte über die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG stimmen zuversichtlich. Vielleicht hat der Gesetzgeber (heimlich) auf die heilende Kraft des Bundesverfassungsgerichts vertraut, es werde den Schönheitsfleck des VersAusglG, § 17, schon korrigieren. Schade nur, dass viele ausgleichsberechtigte Personen, deren Versorgungen durch die externe Teilung atomisiert wurden, von der Entscheidung nichts mehr haben werden. Zu hoffen bleibt, dass die ausgleichspflichtigen Personen zukünftig nicht die Hälfte ihrer ehezeitlich erworbenen betrieblichen Versorgung im Versorgungsausgleich verlieren und davon nur ein Bruchteil bei der ausgleichsberechtigten Person ankommt. Auch das ist nämlich eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes.

Es bleibt also spannend.

[1] Der Verfasser war selbst bei der Verhandlung nicht zugegen, sondern fernab im Urlaub. Er war Mitautor der Stellungnahme des DAV zum Verfahren vor dem BVerfG und ist Autor eines Beitrags in der Festschrift Brudermüller mit dem Titel „Ist § 17 VersAusglG verfassungswidrig?“, FS Brudermüller, S. 277. Die Ausführungen basieren auf Pressemeldungen und insbesondere dem Bericht von Werner Schwamb für hefam, dem hierfür ausdrücklich gedankt sei.

[2] BGH v. 9.3.2016 – XII ZB 540/14, FamRZ 2016, 781 = FamRB 2016, 175.

[3] Barwert der Verwaltungskosten mit 2 % abgezinst.

Grundrente und Versorgungsausgleich

Mit der Grundrente wird ein richtiger Schritt von einem leistungsbasierten zu einem sozialorientierten Rentensystem gemacht. Familienrechtler sollten sich schon jetzt mental auf Arbeit vorbereiten. Die Einführung der Grundrente schafft für hunderttausende Geschiedene Abänderungspotential im Versorgungsausgleich.

Peter Struck soll einmal gesagt haben, kein Gesetz komme so aus den Beratungen des Bundestags heraus, wie es hineingegangen sei (Gesetz zur Einführung der Grundrente). Das wird wohl stimmen, schließlich hatte der Mann Erfahrung. Deswegen sind die nachfolgenden Ausführungen mit Vorsicht zu genießen, weil sie derzeit nicht quantifizierbar sind. Ob 1,3 oder 4 Millionen Rentnerinnen und Rentner von der Reform profitieren, ob der Rentenzuschlag 400 €, etwas mehr oder weniger beträgt, kann man jetzt noch nicht sagen. Da das Projekt „Grundrente“ aber wichtig und längst überfällig ist, ist eins sicher: Auf die Familienrechtler kommt Arbeit zu.

Geht man davon aus, dass etwa jede dritte Ehe der von der Grundrente profitierenden Personen geschieden wurde, wird auch jeder dritte Versorgungsausgleich nach Inkrafttreten des Grundrentengesetzes abzuändern sein. Denn wenn eine Minirente auch nur geringfügig angehoben wird, ist der eine Abänderung rechtfertigende Wert von 5 % und 1 % der zum Ehezeitende geltenden allgemeinen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV schnell erreicht (§ 225 Abs. 2 FamFG).

Gut, dass die Grundrente den Minirentnern antragslos von der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden soll. Dumm, dass die im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtigen geschiedenen Gatten sich selbst darum kümmern müssen zu prüfen, ob sie die Abänderung des bei der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs beantragen sollen oder nicht. Dabei passieren oft vermeidbare Fehler. Deshalb an dieser Stelle folgende Tipps:

  • Versorgungsausgleiche nach den Versorgungsausgleichsgesetz:

Wurde der Versorgungsausgleich bereits unter Geltung des VersAusglG durchgeführt, ist die Einleitung eines Abänderungsverfahrens meist unproblematisch, weil die Abänderung immer nur das Anrecht betrifft, dessen Abänderung beantragt wird. Allerdings kann man durch einen Abänderungsantrag wegen der Neubewertung von Kindererziehungszeiten oder Einführung der Grundrente die Aufmerksamkeit des durch diese Veränderungen begünstigten Gatten auf Abänderungspotential zu seinen Gunsten beim Anderen lenken. Wer also seinen Anteil an der Grundrente des Geschiedenen fordert, sollte zuvor prüfen, ob bei ihm alles richtig ausgeglichen wurde und sich seither nichts zu seinen Gunsten verändert hat. Der frühpensionierte Beamte wundert sich da manchmal, weil eine Frühpensionierung den Ehezeitanteil erhöht. Der Gegenantrag auf Abänderung verhagelt dann oft das Ergebnis.

  • Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht:

Wurde der Versorgungsausgleich nach altem Versorgungsausgleichsrecht durchgeführt, berechtigt ebenfalls die nachehezeitliche Erhöhung des Ehezeitanteils einer Versorgung zur Stellung eines Abänderungsantrags. Dessen Ergebnis ist aber deutlich tiefgreifender: Alle in der Altentscheidung erfassten Versorgungsanrechte werden dann nach neuem Recht geteilt. Bevor ein solcher Antrag gestellt wird, muss deshalb – Grundrente oder Kindererziehungszeiten hin oder her – das Gesamtergebnis des Abänderungsverfahrens genau geprüft werden.

Das geschieht am besten, indem für den die Abänderung begehrenden geschiedenen Gatten zunächst einmal neue ehezeitbezogene Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt werden. Die öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger erledigen das in der Regel zügig und kostenfrei. Anhand dieser Auskünfte können die Auswirkungen der Umstellung auf das neue Recht für die Versorgungen des potentiellen Antragstellers verlässlich geprüft werden.

Taucht in der Altentscheidung die Barwertverordnung (BarwertVO) im Text auf, ist Vorsicht geboten. Mit der BarwertVO wurden im alten Versorgungsausgleichsrecht private und betriebliche Versorgungen ‚dynamisiert‘ und dadurch der Halbteilungsgrundsatz massiv zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gatten verletzt. Wessen Versorgung damals mit der BarwertVO pulverisiert wurde, sollte heute nicht leichtfertig einen Abänderungsantrag stellen, nur weil Kindererziehungszeiten oder die Grundrente dem geschiedenen Gatten ein paar Euro mehr aufs Rentenkonto bringen. Das zu späte Erwachen beim Durchrechnen der Auswirkungen der Umstellung des damals durchgeführten Versorgungsausgleichs aufs neue Recht könnte – nicht nur im Karneval – zu Katerstimmung führen.

Wer heute grundrentenverdächtige Mandanten im Scheidungsverfahren betreut, sollte vielleicht die prozessuale Bremse ziehen, um nicht kurz nach Abschluss des Scheidungsverfahrens gleich wieder ein Abänderungsverfahren führen zu müssen. Bei Rentnern muss man sich das indessen versagen, weil der Bezug einer Rente oft zum berüchtigten Kapitalverzehr und damit zu Nachteilen der ausgleichsberechtigten Person führen kann.

High noon in Karlsruhe zu § 17 VersAusglG (zu BVerfG – 1 BvL 5/18; vorangehend: Vorlagebeschluss des OLG Hamm – 10 UF 178/17)

Am 10.3.2020 findet die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG statt. Allen zur Erinnerung: Nach dieser Norm können betriebliche Versorgungen bis zu einem Ausgleichswert von 82.800 € (im Jahr 2020) extern ausgeglichen werden. Aus der betrieblichen Versorgung stünde einem 50-jährigen Mann daraus eine Rente von ca. 650 € monatlich zu. Bei Einzahlung des Ausgleichsbetrages in die Versorgungsausgleichskasse blieben knapp 300 € Garantierente und (Optimisten sterben nicht aus) ca. 375 € über (im Unisextarif der VersAusglK), wenn Gewinne erzielt werden. Ein Verlust von ca. 40 % der Versorgungsvolumens kann man nicht mehr als ‚Petitesse‘ begreifen, zumal die ausgleichspflichtige Person die Hälfte ihrer Versorgung, also 650 € verliert.

Heute könnte man den Verlust begrenzen und als Zielversorgung des Ausgleichs die gesetzliche Rentenversicherung wählen. Die brächte zwar zum Stichtag ebenfalls nur eine Rente von ca. 360 € monatlich, unterstellt man aber realistisch eine Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung von 2 % (derzeit ist die Dynamik weit größer), errechnet sich für den 50-järigen Ausgleichsberechtigten eine Rentenerwartung von 506 € im Alter von 67 und das, obwohl zusätzlich Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung abgesichert wären.

Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 das Dilemma der Halbteilungsverfehlung durch die vom Gesetzgeber zugelassene Teilung werthaltiger betrieblicher Versorgungen in § 17 VersAusglG erkannt. Gleichwohl hat er die Ergebnisse gebilligt, weil bei gegenläufiger Entwicklung der Zinssätze ein umgekehrter Effekt eintreten könne (BGH v. 22.6.2016 – XII ZB 664/14 Rz. 21, FamRZ 2016, 1654 = FamRB 2016, 380). Die damalige Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist kritisiert worden, weil der Halbteilungsgrundsatz für jede einzelne Ehe zu wahren ist und der im Jahr 2009 geschiedene Ehegatte nicht weniger über die Verfehlung der Halbteilung in seinem Fall empört sein wird, weil der zehn Jahre später geschiedene Ehegatte durch die externe Teilung profitieren kann.

Es ist daher begrüßenswert, dass das OLG Hamm eine verfassungsgerichtliche Entscheidung herbeiführt (Vorlagebeschluss des OLG Hamm v. 17.10.2018 – 10 UF 178/17, FamRZ 2019, 688). Ebenso begrüßenswert ist es, dass das BVerfG die mündliche Verhandlung langfristig und öffentlich angekündigt (Pressemitteilung des BVerfG v. 17.1.2020). Nun muss das BVerfG bei Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses immer mündlich verhandeln (§ 82 Abs. 3 BVerfGG), Vorfreude auf verfassungsgerichtlich durchgesetzten Gerechtigkeitsgewinn ist daher allein gestützt auf die Anberaumung eines mündlichen Verhandlungstermins nicht angezeigt. Die Hürde der Zulässigkeit hat allerdings der Vorlagebeschluss des OLG Hamm erfreulicherweise schon einmal übersprungen. Das lässt hoffen, sollen doch einige die Unzulässigkeit des Antrags gerügt haben.

Die Anwaltschaft sollte nun erst recht in Verfahren, in denen Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung extern geteilt werden sollen und eine Einzahlung des Ausgleichswerts in die gesetzliche Rentenversicherung nicht möglich ist (weil die ausgleichsberechtigte Person schon Altersrentner ist, § 187 SGB VI), Handlungsalternativen genau abwägen, ob das Versorgungsverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG ausgesetzt oder der externe Ausgleich akzeptiert wird.

  • Wird vom ausgleichsberechtigten Gatten noch keine Versorgung bezogen, ist die gesetzliche Rentenversicherung immer die richtige Zielversorgung, solange der Rechnungszins der Quellversorgung <=3 % beträgt. Diese erbringt in diesen Fällen eine höhere Altersversorgung als die zu teilende Betriebsrente, wenn man die der Betriebsrente meist fehlende Anwartschaftsdynamik berücksichtigt.
  • Bezieht die ausgleichsberechtigte Person eine Invaliditätsversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ist die externe Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung die richtige Option, weil die Invaliditätsversorgung um die aus den aus dem Ausgleichswert gebildeten Entgeltpunkte angehoben würde und aus der Versorgungsausgleichskasse und fast immer auch bei interner Teilung des Anrechts aus der betrieblichen Versorgung keine Invaliditätsrente gezahlt wird.
  • Bezieht der ausgleichsberechtigte Gatte bereits eine bindend bewilligte Vollrente wegen Alters, betrüge der Versorgungsverlust bei Ausgleich des Betrages in die Versorgungsausgleichskasse ca. 30 % gegenüber der internen Teilung des Anrechts. Es ist daher abzuwägen, ob das Zuwarten und Hoffen auf eine positive Entscheidung des BVerfG den Nachteil des Rentenverlusts aufwiegt. Eine Versorgungsbegründung in der gesetzlichen Rentenversicherung durch externe Teilung eines betrieblichen Anrechts ist in diesen Fällen nicht mehr möglich (§ 187 Abs. 4 SGB VI).

Weihnachtsgeld für ZVK-Rentner

Noch gerade rechtzeitig vor Weihnachten hat das LG Karlsruhe (LG Karlsruhe v. 22.11.2019 – 6 S 2/19) die letzten Zweifel beseitigt: Rentnerinnen und Rentner der Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes, deren Ehe nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Scheidungsrecht geschieden worden sind, können eine kräftige Rentennachzahlung beanspruchen.

Die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes haben nämlich die Renten von nach altem Versorgungsausgleichsrecht ausgleichspflichtigen Rentnern überdimensioniert gekürzt. Diese sind in den Alt-Entscheidungen mithilfe der Barwertverordnung dynamisiert und damit erheblich abgewertet worden. Dies hat die Zusatzversorgungskassen jedoch nicht davon abgehalten, die Kürzungen der Versorgungen der Rentner auf der Basis des nicht dynamisierten Nominalwerts vorzunehmen.

Diese Praxis hat der BGH bereits in seinem Urteil vom 10.1.2018 kritisiert und die entsprechende Satzungsbestimmung der Zusatzversorgungskasse (Rheinische Zusatzversorgungskasse) als unwirksam erklärt (BGH v. 10.1.2018 – IV ZR 262/16, FamRZ 2018, 497 = FamRB 2018, 138). Dieses Urteil gilt für alle Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes, weil diese identische Satzungsbestimmungen hatten.

Bereits nach diesen Entscheidungen stünde den ZVK-Rentnern eine Nachzahlung der unberechtigten Kürzungsbeträge über einen nicht verjährten Zeitraum von max. 3 Jahren und 11 Monaten zu. Da die Kürzungen in der Regel um etwa 50 % übersetzt waren, kommt im Einzelfall bei 47 Monaten ein erklecklicher Betrag zustande.

Die VBL hat entsprechende Zahlungsansprüche von Rentnern nur auf deren Antrag und nur ab Februar 2018 reguliert Sie hat die Auffassung vertreten hat, ihre Satzung sei erst ab diesem Zeitpunkt bezüglich dieser Vorschrift unwirksam. Diese etwas merkwürdige Interpretation der Unwirksamkeitsnorm hat bereits das AG Karlsruhe zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat nun das LG Karlsruhe mit einem ausführlich und umfassend begründeten Urteil zurückgewiesen. Die ausständigen Renten sind ab Geltendmachung des Zahlungsanspruchs durch den Rentner darüber hinaus zu verzinsen.

Die Berechnung der Rückstände ist nicht ganz einfach. Ein sehr einfach zu handhabendes Berechnungstool finden Sie auf der Homepage des FamRB!

Kindererziehungszeiten für Bundesbeamte (Änderung des § 50a BeamtVG)

Etwas verspätet reagiert der Bund mit einer Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes auf die sozialpolitisch motivierte versorgungsrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder (Art. 9 des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes – BesStMG). Der Kindererziehungszuschlag galt bislang nur für nach 1991 geborene Kinder und wurde nur dann gewährt, wenn der Beamte aus der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Kinder keinen Kindererziehungszuschlag erhalten konnte.

Nunmehr sollen Beamten auch Kindererziehungszeiten für vor 1991 geborene Kinder gewährt und zwar im gleichen Umfang, wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung, auf deren Regelung in § 70 SGB VI verwiesen wird. 30 Monate „Dienstzeit“ wird als Kindererziehungszeit für jedes vor 1992 geborene Kind gewährt, für jeden Monat 0,0833 Entgeltpunkte, also maximal 2,5 EP und damit derzeit 75,08 € pro Kind (2,5 x 33,03).

Wer meint, nun im Versorgungsausgleich massenhaft Abänderungsverfahren einleiten zu können, sollte die Lage nüchtern prüfen.

  • Beamte, die einen Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, haben auch bisher schon in der gesetzlichen Rentenversicherung Kindererziehungszuschläge erhalten. Eine doppelte Zuteilung von Kindererziehungszeiten ist aber ausgeschlossen (§ 50a Abs. 1 BeamtVG).
  • Der Höchstruhegehaltssatz von 71,75% des ruhegehaltsfähigen Einkommens kann auch durch Kindererziehungszeiten nicht überschritten werden (§ 50a Abs. 6 BeamtVG).

Ein Abänderungspotential besteht daher sicher nur in wenigen Fällen. Zwar bedeutet ein Zuschlag von 30 Monaten Dienstzeit bei einem Versorgungserwerb von 0,1495 % pro Monat einen nicht unerheblichen Versorgungszuschlag, bei einem vor 1992 geborenen Kind reicht das aber fast nie aus, um das Abänderungspotential von 5 % des Ausgleichswerts (§ 226 Abs. 3 FamFG) zu erreichen. Beamtenpensionen sind meist höher als Renten. Deshalb braucht es fast immer zwei Kinder um die Abänderungsschwelle zu überschreiten.

Das große Schweigen – Gibt es eine Krise berufsständischer Versorgungssysteme?

Der Wert einer Versorgung wird maßgeblich durch deren Höhe und Dynamik bestimmt. Deshalb ist gut beraten, wer im Versorgungsausgleich sich nicht nur nach der Versorgungshöhe erkundigt, sondern auch deren Entwicklung in Anwartschafts- und Leistungsphase betrachtet. Nur dadurch gewinnt man ein realistisches Bild vom Wert einer Versorgung. Ihr Kapitalwert gibt darüber nur unzureichend Auskunft.

In dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht galt der Grundsatz, die öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen, gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung und die berufsständischen Versorgungen seien äquidynamisch und daher miteinander ohne Umrechnung saldier- und bilanzierbar. Dieser Narrativ hält sich beharrlich auch im neuen Versorgungsausgleichsrecht und wird von den Trägern der berufsständischen Versorgungssysteme und dem faktenlosen Vorverständnis der Berufsträger genährt. Wer wollte den ersten Stein werfen und eine Krise der berufsständischen Versorgungssysteme ausrufen? Stattdessen wird von den Versicherten dieser Versorgungssysteme eitler Dünkel gepflegt, die berufsständischen seien ‚besser‘ als die gesetzlichen Versorgungssysteme.

Wer darangeht, die Fakten dieses Vorverständnisses zu prüfen, reibt sich verwundert die Augen. Einzelne Stichproben ergeben ein desaströses Bild: Die Renten- und Anwartschaftsdynamik der berufsständischen Versorgungssysteme scheint flächendeckend weit hinter der Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung zurückzubleiben.

Das ist nicht verwunderlich, versichern diese Systeme doch gut ausgebildete Gutverdiener, die eine deutlich höhere Lebenserwartung als im Bevölkerungsdurchschnitt haben. Außerdem handelt es sich bei diesen Versorgungssystemen um stark kapitalgedeckte Versorgungen, deren Rendite und damit Leistungsfähigkeit unter der bisher lang anhaltenden Kapitalmarktschwäche, deren Ende nicht absehbar ist, leidet.

Um nun für Vergleiche im Versorgungsausgleich eine belastbare Grundlage zu schaffen, habe ich 90 öffentlich-rechtliche Versorgungsträger angeschrieben und gebeten, mir für eine Publikation die Dynamisierungswerte der letzten zehn Jahre zur Verfügung zu stellen. Man könnte erwarten, dass öffentlich-rechtliche Versorgungen ein solches Anliegen erfüllen, sind sie doch zur Publikation verpflichtet. Weit gefehlt. Fünf Versorgungen haben geantwortet und Daten zur Verfügung gestellt. 85 halten von Transparenz offenbar nicht viel. Einige bekennen sich offen und schriftlich zu dieser geheimnistuerischen Intransparenz.

Die Konsequenz dieses Publizitätsboykotts ist lästig. Ich muss nun hunderte Geschäftsberichte durchsehen, um die Daten zu ermitteln. Ich kann aber vorab schon eines feststellen: es gibt eine Krise der berufsständischen Versorgungen. Der bisher von mir ermittelte Spitzenreiter dynamisiert Anwartschaften und Leistungen in den letzten 10 Jahren mit ca. 0,74 % pro Jahr. Die Deutsche Rentenversicherung schafft immerhin 1,94 % und vermeidet damit wenigstens einen Kaufkraftverlust.

Sicher ist richtig, dass etliche ‚Berufsständische‘ durch Magerjahre ihre Gesundung einleiten (Heilfasten). Das kann aber weder die derzeitigen noch die zukünftigen Versorgungsbezieher beruhigen, weil eine Schwäche der Anwartschaftsdynamik über einen langen Zeitraum zu einer Schwäche der späteren Versorgungen führt und beim besten Willen nicht erkennbar ist, wie sich diese schleichende Devaluisierung ins Positive verkehren soll.

Diese Schwäche der ‚Berufsständischen‘ ist kein Skandal. Skandalös ist, dass die Situation nicht offen kommuniziert wird und dass deshalb im Versorgungsausgleich munter eine Saldierung berufsständischer Versorgungen gegen gesetzliche Versorgungen unternommen wird, weil der Berufsträger von der Qualität und Leistungsfähigkeit seiner Versorgung so überzeugt ist, dass er deren Strukturprobleme ignoriert. Diese kann man beheben, wenn man darüber spricht und Änderungen einleitet. Auch politisch könnte geholfen werden. Wenn man aber die eigene Leistungsschwäche als despektierlich empfindet und verschweigt, wird man eine Änderung nicht herbeiführen.

Für den Versorgungsausgleich kann nur vor saldierenden Vergleichen auf Renten- oder Kapitalbasis von berufsständischen und gesetzlichen Versorgungen gewarnt werden. Es wäre zu begrüßen, wenn die Träger der berufsständischen Versorgungen aktiv dazu beitrügen, derartige ihre Versicherten benachteiligende Vergleiche dadurch zu verhindern, dass sie ihre Leistungen offen publizieren. Bei der gesetzlichen Rente erkennt man die Dynamisierung auf den ersten Blick an dem omnipräsenten aktuellen Rentenwert. Schön wäre es, die Berufsständischen würden auf ihren Internetseiten ebenso offen nachziehen.

Das Sein und das Nichts (zu BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16)

1943 erschien das philosophische Hauptwerk von Jean Paul Sartre mit dem Titel „Das Sein und das Nichts“. An diesen Titel fühlt man sich bei Lektüre der BAG-Entscheidung erinnert:

Der zur Auskunft über die Höhe des ehezeitlichen Versorgungserwerbs aufgeforderte (ehemalige) Arbeitgeber des Ehemanns gibt im Scheidungsverfahren die Erklärung ab, ein ehezeitlichen Versorgungserwerb habe nicht stattgefunden. Der Versorgungsausgleich wird dementsprechend ohne den Ausgleich des betrieblichen Anrechts durchgeführt. Hintergrund der Auskunft des betrieblichen Versorgungsträgers war die Tatsache, dass der Ehemann einen Diebstahl zum Nachteil des Arbeitgebers begangen hatte mit einem Schädigungsvolumen von etwa 40.000 €. Daraufhin hatte der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgungszusage widerrufen. Überzeugt von der Wirksamkeit dieses Widerrufs hat er die Erklärung der Nichtexistenz einer betrieblichen Altersversorgung dem Familiengericht mitgeteilt.

Nach Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung beantragt der geschiedene Ehemann beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass der Widerruf der Versorgungszusage unrechtmäßig sei und ihm die versprochene Altersversorgung zustehe. Das Arbeitsgericht gibt ihm Recht, das Landesarbeitsgericht hat „Prozessverwirkung“ angenommen und der Berufung stattgegeben. Das BAG stellt das amtsgerichtliche Urteil wieder her und entscheidet – wenig überraschend –, dass die familiengerichtliche Entscheidung zwischen den Ehegatten Wirkung entfaltet, nicht aber zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber. Ein Widerruf der Versorgungszusage sei nicht durch die zulasten des Arbeitgebers begangene Straftat gerechtfertigt, weil es sich bei einer unverfallbaren Versorgungszusage um einen Entgeltbestandteil handelt. Nur wenn die ökonomischen Auswirkungen der Straftat zu einer Existenzgefährdung des Unternehmens führten, sei der Widerruf einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft gerechtfertigt.

Familienrechtlich ist dies ein Desaster. Dem geschiedenen Ehemann bleibt das Sein, der Ehefrau das Nichts, weil im familiengerichtlichen Verfahren fälschlicherweise von der Bestandskraft des Versorgungswiderrufs ausgegangen und die Versorgung deswegen nicht ausgeglichen worden ist.

Für die Ehefrau ist die Versorgung verloren: Eine Abänderung nach § 225 FamFG scheitert daran, dass diese nur für die öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen möglich ist (§§ 32 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 1 FamFG). Eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 ZPO scheitert daran, dass die Auskunft des Versorgungsträgers zwar falsch war, eine richtige Auskunft indessen vor Rechtskraft der Entscheidung urkundlich nicht gegeben war.

Natürlich wird die Ehefrau prüfen, ob die Haftpflichtversicherung Ihres Anwalts etwas hergibt. Dies eröffnet die Frage, nach der erforderlichen Prüfungstiefe der Versorgungsausgleichsauskünfte der Versorgungsträger durch die Anwaltschaft. Die Kontrolle der Höhe des ehezeitlichen Versorgungserwerbs wird man in der Regel erwarten können. Ob allerdings auch die Existenz des Stammrechts zu überprüfen ist, muss fraglich bleiben. Hier wird sich die Rechtspraxis auf die Auskünfte der Versorgungsträger verlassen können und müssen.

Arbeitnehmern, die eine Versorgung dem Ausgleich im Scheidungsverfahren entziehen wollen, sollten für den Widerruf der Versorgungszusage vor der letzten mündlichen Verhandlung des Scheidungsverfahrens sorgen. Anschließend könnten Sie bis zum Versorgungsbeginn die Unwirksamkeit des Versorgungswiderrufs durch den Arbeitgeber erstreiten. Nach diesem Zeitpunkt – so das BAG in seiner Entscheidung – tritt Prozessverwirkung und damit auch der Verlust der Versorgung ein. Das kann aber auch schadenersatzpflichtig machen. Es könnte aber sein, dass der Gesetzgeber sich erbarmt und den Katalog der abänderbaren Versorgungen des § 32 Versorgungsausgleichsgesetz erweitert oder – noch einfacher – den schuldrechtlichen Ausgleich auch für vergessene, verschwiegene oder nachträglich auftauchende Versorgungen zugänglich machen würde. Falschauskünfte betrieblicher Versorgungsträger sind nicht selten, sie werden nur selten erkannt.

Korrekturhinweis der Heubeck-AG: Kapitalwerte stimmen nicht!

 Die Heubeck AG hat einen Warnhinweis ausgegeben: Die Heubeck Richttafeln 2018-G enthalten offensichtlich einen finanzmathematischen Kalkulationsfehler, der zur Fehlberechnung der Kapitalwerte von betrieblichen und privaten Altersversorgungen führen kann. Die neuen Richttafeln 2018 G sind erst im Juli 2018 veröffentlicht worden. Die Kalkulationsergebnisse der neuen Gerichtstafeln weichen nur unwesentlich von denen der alten Gerichtstafeln ab und wären versorgungsausgleichsrechtlich weitgehend zu ignorieren gewesen.

Die jetzige Korrekturmitteilung lässt indessen aufhorchen und bietet all denjenigen, die eine Verzögerung von Versorgungsausgleichsverfahren aus dem Interesse ihrer Mandanten heraus betreiben die Chance, erneut auf die Zeitbremse zu treten und eine Korrektur der Tabellen und der Bewertungen abzuwarten.

Gegenüber den alten Tabellenwerten ist jedoch nichts wesentlich Neues zu erwarten. Waren bereits die auf der Basis der neuen Tabellen für den klassischen Scheidungsfall errechneten Werte nur unwesentlich anders als die nach den alten Tabellen ermittelten Werte, werden auch die neuen Tabellen keine revolutionären neuen Zahlen erbringen. Wie gering die Differenzen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden sind, macht der nachfolgende Vergleich deutlich:

Kapitalwertkontrolle

Das Beispiel zeigt, dass die mithilfe des kostenlosen Programms von Hauß/Glockner nahezu identische Ergebnisse erzielt werden wie mit den Heubeck Tabellen. (Das Programm finden Sie auch auf der Homepage des FamRB!)

Die Heubeck AG hat eine Korrektur ihrer Tabellen 2018-G für die nächsten 14 Tage angekündigt. Es wird sicherlich ein bis zwei Monate dauern, bis die Versorgungsträger Auskünfte auf der Basis der neuen Tabellen erteilen können. Derzeit vorliegende Auskünfte über die Kapitalwerte der Versorgungen sind mit den Heubeck Tabellen 2005-G erstellt. Im Hinblick darauf, dass deren Werte nicht mehr aktuell sein dürften, könnten die Verfahrensbeteiligten neue Auskünfte der Versorgungsträger einfordern. Ob dies angesichts der geringen Differenzen sinnvoll ist, mag jeder für sich entscheiden. Eine Verzögerung des Versorgungsausgleichsverfahrens bringt den ausgleichspflichtigen Rentenbeziehern in der Regel Vorteile, wiewohl jedes familiengerichtliche Verfahren eine Beeinträchtigung der Lebensqualität der Beteiligten darstellt.

Ein „Kampf um die Tabellen“ lohnt also nur in seltenen Fällen, zumal der Versorgungsträger einwenden könnte, die bilanzielle Rückstellung für die zu bewertende Versorgung sei noch mit Hilfe der alten Tabellen vorgenommen worden.

Wer ist eigentlich für Gerechtigkeit zuständig? (zu BGH v. 27.6.2018 – XII ZB 499/17)

Was Gerechtigkeit ist, ist eine philosophisch schwierige Frage. Ebenso die Frage, wer für sie zuständig ist. Ein Blog-Beitrag wird nicht klären, was die gesellschaftliche Diskussion bislang nicht geschafft hat. Eine Entscheidung des BGH zum Versorgungsausgleich indessen hilft weiter.

Der Fall ist schnell berichtet: M(62) und F(52) lassen sich scheiden. Zum Ehezeitende (2013) ist M Rentner. Der betriebliche Versorgungsträger teilt die ehezeitliche Rente von M mit 1.975 € mit und schlägt als Ausgleichswert eine Rente für F i.H.v. 1.570 € vor. Dieser Wert ergibt sich aus der Umrechnung der Mannesrente in einen Kapitalwert, dessen Halbteilung und der Umrechnung des hälftigen Kapitalwerts in eine Frauenrente. Deren die Halbteilung deutlich übersteigender Wert resultiert aus dem deutlich geringeren Alter der F.

Das Familiengericht hält sich nicht an den Vorschlag des Versorgungsträgers und begründet zugunsten der F eine Versorgung aus einem Ausgleichswert von 170.000 €. Dieser Systemwechsel (von Rente zum Kapital) empört die F, sie legt Beschwerde ein. Das OLG gibt dieser statt und begründet für F, wie vom Versorgungsträger vorgeschlagen, eine Versorgung in Höhe von 1.570 € anstelle des Kapitalwerts. Das empört nun den Mann, der die zugelassene Rechtsbeschwerde einlegt. Der BGH beschließt – dogmatisch korrekt – die Versorgung sei auf der Basis ihrer Bezugsgröße zu teilen, diese habe der Versorgungsträger als Rente angegeben, also müsse die Halbteilung auf Rentenbasis erfolgen. Er weist den Fall an das OLG zurück, das nun zu ermitteln hat, wie hoch die Rente des inzwischen Rente beziehenden M aktuell ist, damit deren aktualisierter Ehezeitanteil hälftig geteilt wird.

Na prima, wird der eilige Leser sagen, die Rententeilung ist doch das Gerechteste, was überhaupt passieren kann. Der Gesetzgeber hat einen allgemeinen Rahmen geschaffen, den die Gerichte – wenn auch über drei Instanzen mit unterschiedlichen Ergebnissen – schließlich zu einem individuell gerechten Ergebnis konkretisiert haben. Beide erhalten – bezogen auf die Ehezeit – die gleiche Rente, keine Transferverluste, der vollständige Sieg nomineller Gerechtigkeit.

Der Schein trügt. Für M und F ist nicht maßgeblich, ob im Ehezeitende 2013 gleich hohe Rentenanteile begründet werden, sondern dass sich die Renten auch gleich entwickeln. Das ist aber bei der vom BGH dogmatisch begründeten Lösung nicht der Fall, weil M seine Rente altersbedingt 10 Jahre vor F erhält. Aus seinem ehezeitlichen Rententeil von 1.975 / 2 = 987,50 € sind bei anzunehmender Leistungsdynamik von 1,75 % bei Renteneintritt von F bereits 1.175 € geworden. F wird aber bei Renteneintritt nur 987,50 € Rente erhalten. Dass sie ein Rentenminus von rd. 200 € monatlich als gerecht empfinden wird, ist zu bezweifeln.

An dieser Stelle kommen nun Beteiligte und Anwaltschaft bei der Suche nach Gerechtigkeit ins Spiel. Auch das Verfahrensrecht dient in seiner formalen Strenge der Gerechtigkeit. Eines ist nämlich gewiss: M verliert die Hälfte seines ehezeitlichen Versorgungserwerbs, also 987,50 €, ab Rechtskraft der Entscheidung, gleichgültig ob auf Kapital- oder Rentenbasis geteilt wird. F könnte aber 1.570 € Rente statt 987,50 € bekommen, wenn es bei der Entscheidung des OLG oder des Familiengerichts verbliebe. Die Umrechnung des Kapitalwerts von 170.000 € in eine Rente erbrächte ebendieses Ergebnis. Nähme also F ihre Beschwerde zurück, erwüchse die Entscheidung des Familiengerichts in Rechtskraft. F hätte eine schöne Rente, M keinen Nachteil und der Versorgungsträger keinen Vorteil. Die BGH-Lösung führt beim Versorgungsträger nämlich zu einer Einsparung von rd. 70.000 €. Im Interesse des ungekürzten weiteren Versorgungsbezugs durch M, der für F nicht nachteilig ist, sollten die beiden das Verfahren noch ein wenig verzögern. F sollte dann ihre Beschwerde zurücknehmen, bevor sie selbst in Rente geht. Das wäre dann eine gute anwaltliche Taktik, um M das „Rentnerprivileg“ zu verschaffen (vgl. dazu den Blogbeitrag des Verfassers „Das Märchen vom teuren Rentnerprivileg“).

Die eingangs gestellte Frage nach der Zuständigkeit wäre damit beantwortet: Alle Beteiligten sind zuständig, gerechte Ergebnisse zu produzieren: Der Gesetzgeber, indem er allgemeine Regelungen aufstellt und bei erkannten Fehlern zügig auch repariert, die Gerichte, indem sie diese Regeln auf den Einzelfall anwenden und im Rahmen ihrer judikativen Kompetenz ergänzen, und die Anwaltschaft, indem sie ihre Mandanten robust dazu anhält, sinnvolle Lösungen zu finden. Das vorliegende Beispiel zeigt, dass bei Verständnis für die Systematik von Versorgungen und ihres Ausgleichs ohne Schwierigkeiten Win-Win-Situationen zu vereinbaren sind.