Wird durch die Beschleunigungsbeschwerde alles besser und schneller? (KG Berlin v. 31.1.2017 – 13 WF 12/17)

Ein zentrales gesetzgeberisches Anliegen im Zuge der Neueinführung des FamFG war das in § 155 FamFG verankerte Vorrang- und Beschleunigungsgebot. In Verfahren, die den Aufenthalt eines Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, soll hierdurch sichergestellt werden, dass nicht allein aus der Verfahrensdauer folgend Fakten geschaffen werden. Dem soll durch geeignete verfahrensfördernde Maßnahmen entgegen gesteuert werden. Hierzu gehört insbesondere, dass spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattfindet und eine Verlegung des Termins nur aus zwingenden Gründen zulässig ist. Gerade in Umgangsrechtsverfahren hat diese enge zeitliche Vorgabe besondere Bedeutung, da häufig nur im Zusammenhang mit einer zeitnahen gerichtlichen Entscheidung auch die Entfremdung zwischen einem Kind – insbesondere wenn es jünger und daher sein Zeitempfinden auch entsprechend anders ausgestaltet ist – und dem nicht betreuenden Elternteil vermieden werden kann.

Problematisch war allerdings immer auch die Frage, wann eine Verfahrensdauer noch angemessen ist und welche konkreten Möglichkeiten die Verfahrensbeteiligten haben, um einen zügigen Verfahrensfortgang zu erwirken. Mangels konkreter Regelungen hierzu behalf sich die Praxis bis zum Jahr 2011 mit der sog. Untätigkeitsbeschwerde, die immer dann erhoben werden konnte, wenn eine unzumutbare Verfahrensverzögerung vorlag, die letztlich einen Rechtsverlust für den unmittelbar Betroffenen bedeutet hätte. Bereits im Jahr 2010 hatte aber der EGMR schon festgestellt, dass in Deutschland kein wirksamer Rechtsbehelf bei überlangen Verfahren existierte, so dass die Bundesrepublik unter Frist aufgefordert wurde, einen solchen Rechtsbehelf einzuführen. Zum 3.12.2011 trat daher das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren in Kraft, mit dem nun den Verfahrensbeteiligten die Geltendmachung einer „angemessenen Entschädigung“ bei überlangen gerichtlichen Verfahren eröffnet wurde, sofern zuvor eine „Verzögerungsrüge“ erhoben worden war. Dieser Rechtsbehelf wies jedoch keinerlei präventiven Schutz auf, d.h. es wurde lediglich die Kompensation für eine lange Verfahrensdauer eröffnet, ohne dass allerdings ein wirksamer Rechtsbehelf dahin gehend bestanden hätte, bereits im Verfahren selbst auf die zügige Verfahrensfortführung Einfluss zu nehmen. In seinem Urteil vom 15.1.2015 hat daher der EGMR erneut die geltende Gesetzeslage als nicht mit Art. 8, 13 EMRK vereinbar bewertet und den nationalen Gesetzgeber aufgefordert, einen den supranationalen Vorgaben entsprechenden Rechtsbehelf gegen Verfahren mit überlanger Verfahrensdauer zu schaffen, um den Verfahrensbeteiligten nun die Möglichkeit zu eröffnen, bereits im Verfahren selbst eine überlange Dauer rügen zu können.

Zum 15.10.2016 ist daher mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des FamFG die in § 155b Abs. 1 FamFG verankerte Beschleunigungsrüge, ein eigenständiger präventiver Rechtsbehelf bei Verfahrensverzögerungen, eingeführt worden. Damit eröffnet sich nunmehr für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zur Rüge, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG entspricht. Die dafür maßgeblichen Umstände sind im Einzelnen darzulegen. Das Gericht ist sodann gehalten, spätestens innerhalb eines Monats über diese Rüge zu entscheiden und ggf. geeignete Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung zu ergreifen. Hilft das Ausgangsgericht der Rüge nicht ab, so ist gegen die ablehnende Entscheidung Beschwerde möglich (Beschleunigungsbeschwerde, § 155c FamFG).

In einer aktuellen Entscheidung vom 31.1.2017 hat sich nun das KG Berlin mit einer Beschleunigungsbeschwerde auseinandergesetzt. Hintergrund waren hochstreitige Auseinandersetzungen der Eltern zum Umgangsrecht der Mutter mit den gemeinsamen Kindern. Gegen die aus ihrer Sicht verzögerte Verfahrensführung hatte sie Beschleunigungsrüge erhoben, der jedoch das Ausgangsgericht nicht abhalf. Auch die von ihr eingelegte Beschleunigungsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Das KG Berlin hat in seiner Begründung darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet habe, eine Verfahrenshöchstdauer festzusetzen, da das Beschleunigungsgebot kein Selbstzweck sei, sondern vielmehr dazu diene, dass Entscheidungen nicht durch Zeitablauf faktisch präjudiziert würden. Es sei stets am konkreten Einzelfall orientiert ein objektiver Prüfungsmaßstab anzulegen. Im konkreten Sachverhalt konnte dann auch der Antragstellerin dezidiert entgegen gehalten werden, dass die von ihr gerügte Verletzung des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes nicht dadurch eingetreten war, dass das Gericht verfahrensfördernde Verfügungen verabsäumt hatte, sondern vielmehr sie selbst nicht nur den Umgang zu den Kindern abgebrochen hatte, sondern auch wiederholte von ihr eingereichte Ablehnungsgesuche gegen die Abteilungsrichterin dazu geführt hatten, dass erst verspätet – nach Entscheidung über diese Gesuche – die Akten an den Sachverständigen weitergeleitet werden konnten. Neben terminlichen Verschiebungen aus nachweislich dringenden beruflichen Abwesenheiten des Antragsgegners waren zudem neue tatsächliche Umstände – folgend aus streitigen Auseinandersetzungen der Familien in Anwesenheit der Kinder – für die Verfahrensverzögerung maßgeblich, da letztere seitens des Sachverständigen sodann neu bewertet werden mussten.

In der Praxisberatung sollten die Mandanten umfassend über die gesetzlichen Neuregelungen zur Sicherstellung der gebotenen Verfahrensbeschleunigung informiert werden. Bei der Bewertung, ob die vorzutragenden Umstände allerdings tatsächlich eine Rüge begründen können, muss aber auch ein gewisses Augenmaß gewahrt werden. Stets ist zu berücksichtigen, inwieweit der eigene Mandant durch seine Mitarbeit zur Verfahrensbeschleunigung oder -verzögerung selbst beigetragen hat. Auch nicht jede kritische Anmerkung des Richters muss zwingend ein Ablehnungsgesuch nach sich ziehen. Häufig ist eine Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz schneller zu erreichen als eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch, wobei gerade die Beschwerdegerichte regelmäßig auch deutliche Worte für eine nicht der gebotenen Objektivität entsprechende Verfahrensführung finden. Neben der gebotenen konsequenten Kontrolle der zeitlichen Abläufe eines Kindschaftsverfahrens muss stets ebenso bedacht werden, dass auch die Gerichte gelegentlich mit ihrer tatsächlichen personellen Ausstattung häufig an ihre Grenzen stoßen.

Elternunterhalt und Altersvorsorge (zu BGH v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16)

Bei der Berechnung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit im Elternunterhalt spielt neben dem Einkommen des Kindes dessen Kreditbelastung und monatliche Altersvorsorgerückstellung eine große Rolle. Da die selbst bewohnte Immobilie in den seltensten Fällen bereits vollständig schuldenfrei ist, summieren sich die Tilgung des Immobilienkredits und die Altersvorsorgerückstellungen zu ansehnlichen Abzugsposten. Das ging dem OLG Hamm (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) zu weit. Sie meinten Volkes Stimme zu interpretieren, wonach das Eigenheim die beste Altersvorsorge sei, weswegen sie die Tilgungsleistungen für die selbst bewohnte Immobilie auf die im Elternunterhalt großzügig mit 5 % des Bruttoeinkommens bemessene Altersvorsorgerückstellung anrechnen wollten.

Das konnte und durfte nicht gut gehen. Der BGH hatte nämlich schon vor geraumer Zeit entschieden, die selbst bewohnte Immobilie sei kein Altersvorsorgevermögen (BGH v. 7.8.2013 – XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554 = FamRB 2013, 310), weil die im Elternunterhalt geltende Lebensstandardgarantie (BGH v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, FamRZ 2002, 1698 = FamRB 2003, 3) die Annahme einer Verwertungsobliegenheit nach Abschluss der Erwerbsphase zur Erreichung angemessenen Alterseinkommens verböte. Die Logik gebietet dann aber, Tilgungsleistungen zum Erwerb eines Eigenheims nicht der Altersvorsorge zuzurechnen, wenn das Eigenheim selbst keine Altersvorsorge ist.

Dieser Linie ist der BGH nun treu geblieben und hat entschieden, dass neben den Zinsen auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen sind, ohne dass dies die Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. Nur der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil sei als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.

Die danach zulässigen monatlichen Altersvorsorgerückstellungen betragen 5 % des sozialversicherungspflichtigen und 25 % des nicht sozialversicherungspflichtigen Bruttoerwerbseinkommens (BGH v. 30.8.2006 – XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511 = FamRB 2006, 327). Das kann recht viel sein (bei einem Einkommen von 100.000 € immerhin 833 € monatlich). Kommen noch die Tilgungsleistungen dazu, findet erhebliche Vermögensbildung zu Lasten des Elternunterhaltsanspruchs statt.

Die Essenz der Entscheidung lautet: Solange Zins und Tilgung für die selbst bewohnte Immobilie deren Wohnvorteil nicht übersteigen, kann die pauschal berechnete Altersvorsorgerücklage ungekürzt vom unterhaltspflichtigen Einkommen abgezogen werden. 

Der erfreuliche Nebeneffekt verblüfft: Der Wohnvorteil spielt nun solange keine Rolle mehr, solange Zins und Tilgung nicht höher als der Wohnvorteil sind. Nur bei ‚negativem Wohnvorteil‘ wird der Tilgungsüberschuss auf die Altersvorsorge angerechnet. Paradoxerweise werden nun die Sozialhilfeträger darum wetteifern, den Wohnvorteil (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) so niedrig wie möglich anzusetzen, während sie derzeit noch versuchen, den Wohnvorteil so hoch wie möglich zu treiben.

Erfreulich ist auch, dass der BGH Kosten einer Risikolebensversicherung und einer Krankenhaustagegeldversicherung unterhaltsrechtlich berücksichtigen will. Das muss dann auch für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gelten.

Und auch bei der Berechnung der Einkünfte von Kind und Schwiegerkind bleibt der BGH sich selbst treu: Das Einkommen ist fiktiv unter Geltung von Steuerklasse IV/IV zu berechnen und der Splittingvorteil nach § 270 AO zu verteilen (BGH v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594 = FamRB 2015, 333). Das ist kompliziert, aber zu schaffen.

Wechselmodell – rotes Tuch oder Chance?

Kaum eine Debatte des Familienrechts wird mit so viel Inbrunst, Emotion und Leidenschaft geführt wie die Diskussion um das Wechselmodell. Nun hat der BGH entschieden, dass ein solches auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15). Eingefleischte Gegner des Wechselmodells werden dem BGH vorwerfen, keine Kinder zu haben, zu wenig basisbezogen das Kindeswohl zu werten oder die aus dem Wechselmodell resultierenden Streitigkeiten als einen die Gerichte der ersten Instanzen überschwemmenden Tsunami zu menetekeln. 

Kein Familienrechtler würde heute noch den Satz formulieren, ‚Kinder gehören zur Mutter‘. Trotzdem entspricht dies unserer Familientradition und unserem Vorverständnis. Man merkt es bei sich selbst. Da kommt eine Frau und berichtet, sie habe nach Streitigkeiten mit dem Mann die Wohnung verlassen und die beiden Kinder (5 und 7 Jahre alt) beim Mann zurückgelassen. Man wird skeptischer, aufmerksamer vielleicht sogar misstrauisch und achtet auf Zwischentöne. Umgekehrt wäre man in der Erwartungshaltung bestätigt und gelassen. Alles liefe nach ‚Drehbuch‘.

Vor wenigen Tagen verbreitete die Presse die Meldung, Deutschlands Frauen trügen von allen OECD-Ländern den geringsten Teil zum Familieneinkommen bei. Das liegt an vielem, aber auch daran, dass Kinder ‚Frauensache‘ sind und diese sich für die Kinder opfern. Alles andere erregt Misstrauen. So wie auch das Doppelresidenz- oder Wechselmodell.

Viele im Zusammenhang mit dem Wechselmodell stehenden Fragen aus dem Sozial- und Steuerrecht sind nach wie vor ungeklärt. Auch weiss man nicht so ganz routiniert, wie der Unterhalt zu berechnen sei. Wenn beide Eltern hälftig betreuen, schmilzt dann die Barunterhaltspflicht, weil ja betreut wird (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB)? Die Sparsamen unter uns fragen sich, ob die betreuungsbedingten Verdiensteinbußen und die Erfüllung der Barunterhaltsverpflichtung durch Betreuung (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) nun Schäubles schwarze Null gefährden

All denen sei versichert: Das Abendland wird nicht untergehen. Und die Kinder? Die verkraften ein Wechselmodell genauso gut oder schlecht wie eine übersorgende gluckenhafte Mutter, einen arbeitssüchtigen Vater oder umgekehrt. Sie leben auch in der intakten Familie mit unterschiedlichen Erziehungsstilen, die sie aus Kindergarten und Schule ohnehin gewohnt sind. Jedenfalls verkraften Kinder ein Wechselmodell besser als streitende Eltern, und sei es auch nur, sie stritten ums Besuchsrecht. Der BGH schreibt völlig zu Recht in die Entscheidung, dass das Wechselmodell höhere Anforderungen an Eltern und Kind stellt als das Alleinresidenzmodell.

Das Wechselmodell stellt aber auch hohe Anforderungen an die damit befassten Juristinnen und Juristen. Es wird in mehr Fällen praktiziert, als von der Rechtsprechung entschieden werden, weil es meist einvernehmlich gehandhabt wird und diese Fälle beschäftigen nicht die Justiz. Da aber, wo Eltern sich nicht einigen können, welches Modell der Kinderbetreuung sie nach der Trennung praktizieren wollen, haben Kinder das Recht darauf, dass wir uns als Juristen vorurteils- und vorverständnisfrei damit beschäftigen und Lösungen finden. Die Randprobleme Unterhalt, Sozial- und Steuerrecht werden wir doch wohl in den Griff bekommen. Juristinnen und Juristen waren immer kreativ. Wir sollten aber vermeiden, zu hohe Anforderungen an die vom BGH geforderte Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern zu stellen und bei tatsächlichen Konflikten zu schnell das Wechselmodell als konkrete Falllösung aussondern. Wir würden den Rosenkrieger mit dem Residenzrecht adeln, falls wir nicht sehr genau analysieren, wer zündelt und zankt und damit dem Kind schadet.

Kinderehenverbot – Der Gesetzentwurf

Das BMJV hat mit Datum v. 17.2.2017 den (innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmten) ‚Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen‘ zur Stellungnahme bis zum 22.2.2017 an ‚Fachkreise und Verbände‘ versandt. Viel möchte das Ministerium wohl nicht lesen und hören. Für eine Stellungnahme zu einem 29 Seiten starken Entwurf nebst Begründung ist die Zeit provokant kurz. Immerhin müssen sich ‚Fachkreise und Verbände‘ intern abstimmen. Der Schluss liegt also nahe, dass die Regierungsfraktionen einer Fachdiskussion entgehen möchten und der Bitte um eine Stellungnahme die Hoffnung hinterlegt ist, diese möge unterbleiben.

Es liegen ja auch schon reichlich Stellungnahmen vor. Vom Deutschen Familiengerichtstag über den Deutschen Juristinnenbund bis zum Deutschen Anwaltverein ist das Gesetzesvorhaben einhellig abgelehnt worden, weil es eines neuen Gesetzes nicht bedarf, um minderjährige Ehegatten zu schützen. Das Deutsche Strafrecht verbietet sexuellen Missbrauch generell und Geschlechtsverkehr mit Personen unter 14 Jahren auch dann, wenn sie verheiratet sind. Schulpflicht besteht für Personen bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres und Jugendämter können Minderjährige wirksam schützen und fördern, auch wenn sie verheiratet sind.

Das Gesetz sieht u.a. vor,

  • die Ehemündigkeit generell an die Volljährigkeit zu koppeln und den Genehmigungsvorbehalt bei Eheschließung minderjähriger Personen in § 1303 Abs. 2 BGB zu streichen;
  • dass Ehen von Personen, die im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, ‚Nichtehen‘ und daher nichtig sind;
  • dass Ehen von Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag durch das Familiengericht aufgehoben werden können (§ 1316 BGB-E). Antragsberechtigt sind der minderjähriger Ehegatte und die Verwaltungsbehörde, die in diesen Fällen den Antrag stellen muss, es sei denn, der zwischenzeitlich volljährig gewordene Ehegatte gibt zu erkennen, dass er die Ehe fortsetzen will;
  • dass das Voraustrauungsverbot, das eine rituelle Eheschließung vor der standesamtlichen verbietet und das 2009 als Beschränkung der Religionsfreiheit aufgehoben wurde, wieder eingeführt wird.

Das Vorhaben der Regierung folgt wohl eher einem Empörungsritual als den Geboten wirksamen Minderjährigenschutzes. Wir lassen Jugendliche ab Vollendung des 16. Lebensjahres bei Kommunal- und Landtagswahlen wählen, nehmen sie ab Vollendung des 17. Lebensjahres in die Bundeswehr auf und konstatieren die stets früher eintretende Geschlechtsreife. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch im Rest der Welt. In einigen dieser Länder ist aber außerehelicher Geschlechtsverkehr (mit Todesdrohung) strafbar. Vielleicht ist es verständlich, wenn man sich dann für den ehelichen Geschlechtsakt statt Schafott entscheidet. Warum solche Ehen unter Jugendlichen unter den Generalverdacht eines Verstoßes gegen den ordre public gestellt werden und die Verwaltungsbehörde einen Eheaufhebungsantrag stellen muss, ist schwer verständlich.

Der Entwurf geht davon aus, dass kein ‚Erfüllungsaufwand‘ für den Haushalt entsteht. Das dürfte indessen ein frommer Wunsch bleiben. 481 Kinderehen sind nach der Gesetzesbegründung nichtig (S. 15). 481 Ehegatten verlieren damit einen Unterhaltsanspruch und werden sozialhilfebedürftig. Das wäre nicht dramatisch. 5 Millionen Euro ist der Minderjährigenschutz sicher wert.

Die ‚Heimatländer‘ der Geflüchteten und Vertriebenen werden sich aber nicht an unserem ordre public und der verordneten Nichtigkeit der Personalstatusentscheidung orientieren. Der minderjährige Ehegatte, der aus der Nichtigkeit seiner Ehe die Konsequenz selbstbestimmter Lebensführung zieht, sollte besser nicht ins Heimatland zurückkehren. Dort wird ihm Verfolgung drohen, wenn er des Ehebruchs geziehen wird. Den 481 Kindern aus nichtiger Ehe werden wir Asyl gewähren müssen wegen staatlich verursachter Nachfluchtgründe, wenn sie nach Nichtigkeit ihrer Ehe sich einem anderen Partner zuwenden. Auch das ist nicht schlimm.

Schlimm ist, dass wir den Grundrechtsschutz des Art. 6 GG nur für Ehen reservieren, die unserem rechtskulturellen Verständnis entsprechen. Da schimmert gefährlich der von der national-völkischen Fraktion erfundene ‚Kulturvorbehalt‘ als Grundrechtsbegrenzung durch.

Zwangsehen und Minderjährigenehen müssen wir nicht hinnehmen. Wir können sie durch Gerichte aufheben oder scheiden lassen. Sie aber verachtend zu ignorieren, ihnen jede rechtliche Wirkung abzusprechen, schützt niemanden, sondern gefährdet unsere Rechtskultur.

Auskunftsansprüche in Ergänzung des persönlichen Umgangs (BGH v. 14.12.2016 – XII ZB 345/16)

Die Frage von Umgangskontakten und generell der Teilhabe des nicht betreuenden Elternteils an der persönlichen Entwicklung eines Kindes ist für viele Elternteile nach der Trennung ein zentrales Thema. Auch wenn es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt, obliegt gleichwohl dem betreuenden Elternteil die Befugnis, über die Alltagsangelegenheiten allein zu entscheiden. Die in der Regel bis zur Trennung stattfindenden gemeinsamen Gespräche und Abstimmungen der Eltern auch zu diesen Alltagsangelegenheiten gibt es nicht mehr, so dass sich häufig aus der Alltagszuständigkeit letztlich auch ein Informationsvorsprung eines Elternteils ergibt, aus dem sich faktisch dann auch die Weichenstellung für grundlegende Fragen – etwa die der Schulwahl – ableitet. Viele nicht betreuende Elternteile fühlen sich durch die Reduzierung allein auf Umgangskontakte letztlich aus dem Leben des Kindes ausgegrenzt. Hierbei wird häufig nicht bedacht, dass neben den Umgangskontakten auch Auskunftsansprüche zu den persönlichen Verhältnissen sowie zur grundlegenden Entwicklung des Kindes geltend gemacht werden können.

Mit wesentlichen in diesem Kontext bestehenden Fragen hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinandergesetzt. Das gemeinsame Kind der beteiligten Eltern lebte bereits längerfristig in einer Pflegefamilie, nachdem den Eltern u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestimmt worden war. Beide Elternteile hatten Umgangskontakte mit dem Kind, wobei der Vater gegenüber der Mutter, den Pflegeltern und dem Jugendamt Auskunftsansprüche in der Form detaillierter monatlicher Berichte geltend machte. In den Vorinstanzen wurden Auskunftsansprüche gegenüber der Mutter und den Pflegeeltern – in halbjährlicher Form – zuerkannt. Auf die Rechtsbeschwerde des Vaters hat der BGH erkannt, dass dem Vater gegenüber der Mutter ein Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB zusteht. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass der auskunftsverpflichtete  Elternteil die Obhut über das Kind ausübt. Grundsätzlich kommt daher auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht. Zudem hat der BGH entschieden, dass nicht nur ein Elternteil zur Auskunft verpflichtet sein kann, sondern ggf. auch das Jugendamt, wenn es als Ergänzungspfleger teilweise Sorgerechtsinhaber ist, vor allem jedoch mit Blick auf die ihm obliegende Aufsicht im Rahmen des bestehenden Fürsorgeverhältnisses für das in Vollzeitpflege befindliche Kind über die zur Auskunftserteilung erforderlichen Informationen verfügt. Darüber hinaus hat der BGH entschieden, dass typischerweise etwa Auskunft zu erteilen ist über das schulische Fortkommen, die gesundheitliche Situation oder die soziale Entwicklung des Kindes, jedoch keine detaillieren Angaben zum Tagesablauf, ärztliche Unterlagen oder Informationen zur vermögensrechtlichen Situation geschuldet werden. Ob Fotos vorzulegen sind, soll sich am Einzelfall entscheiden.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass ein Elternteil, dem nicht die persönliche Betreuung eines Kindes obliegt, unabhängig von der bestehenden Regelung der elterlichen Sorge, Auskunftsansprüche geltend machen kann, um sich über die Entwicklung und die wesentlichen Lebensumstände des Kindes zu informieren. Durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 4.7.2013 wurde erstmals auch dem nur leiblichen Vater ein solcher Auskunftsanspruch zuerkannt. Unabdingbare Voraussetzung eines jeden Auskunftsanspruchs ist aber, dass er dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Durch die Auskunft soll dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit gegeben werden, sich über das Befinden und die Entwicklung des Kindes in Kenntnis zu setzen. Der Auskunftsanspruch besteht neben dem Umgangsanspruch und kann unabhängig von diesem geltend gemacht werden. Allerdings muss der die Auskunft begehrende Elternteil ein berechtigtes Interesse an den geforderten Informationen haben. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn er keine andere Möglichkeit hat, um sich über die Entwicklung des Kindes in zumutbarer Weise zu informieren. Dies kann etwa auch anlässlich der Umgangskontakte erfolgen. Dem berechtigten Interesse steht es entgegen, wenn mit dem Auskunftsanspruch missbräuchliche Zwecke verfolgt werden, etwa der Sorgeberechtigte überwacht oder ein geheim zu haltender Aufenthalt des Kindes ermittelt werden soll.

Durch die Umsetzung des Auskunftsanspruchs soll der berechtigte Elternteil Informationen über die Entwicklung des Kindes sowie seine Lebensumstände erhalten. Hierzu gehören in jedem Fall die Darstellung der persönlichen Interessen, der schulische Werdegang sowie der Gesundheitszustand, wobei zu letzterem jedoch keine detaillierten Unterlagen vorzulegen sind. Zudem ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes auch dessen Privat- und Intimsphäre zu respektieren ist und damit Informationen zu höchstpersönlichen Angelegenheiten nicht mehr zu erteilen sind.

In der Praxisberatung sollte dem Auskunftsanspruch verstärkte Bedeutung beigemessen werden. Ein Elternteil, der umfassend über die persönliche Situation seines Kindes in Kenntnis gesetzt wird und an dessen Entwicklung sowohl durch regelmäßige Umgänge als auch darüber hinausgehend erteilte Informationen teilnehmen kann, wird sich aus dem Leben des Kindes nicht als ausgegrenzt fühlen. Streitigkeiten um Teilbereiche der elterlichen Sorge lassen sich auf diesem Wege möglicherweise auch umgehen.

Hard cases make bad law

Kuriose Fälle

Diese juristische Maxime gilt in letzter Zeit vor allem für das Familien- und Erbrecht. Der Fall der bereits geschiedenen, alleinerziehenden Frau, die entgegen der Absprache mit ihrem Partner schwanger wurde und von ihrem Anwalt einen Ehevertrag entwerfen ließ, um unbedingt geheiratet zu werden (BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = FamRZ 2001, 343), bedeutete das Ende der Ehevertragsfreiheit. Die Frau, die in der Empfängniszeit mit anderen Männern außer ihrem Verlobten Geschlechtsverkehr hatte, bei einem Streit entsprechende Andeutungen machte und sich später auf ihr Persönlichkeitsrecht zur Verschweigung ihrer Sexualpartner berief, obwohl sie ihrem Mann ein Kind unterschoben hatte, führte zur Verfassungswidrigkeit der bisherigen Auskunftsrechte des Ehemanns (BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377 = FamRZ 2015, 729 = FamRB 2015, 173). Ähnliches gilt im Erbrecht. Die verfassungsmäßige Verankerung des Pflichtteilsrechts von Kindern betraf das privatschriftliche Testament einer Mutter, die ihren Sohn enterbt hatte. Dieser hatte sie wiederholt tätlich angegriffen und schließlich aus Wut über seine bevorstehende Einweisung in das Landeskrankenhaus erschlagen, ihre Leiche zerstückelt und die Leichenteile im Wald versteckt. Sein Betreuer machte den Pflichtteil geltend und bekam dank des Verfassungsgerichts Recht (BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03, BVerfGE 112, 332 = FamRZ 2005, 872 = FamRB 2005, 204).

Pflichtteilsverzicht nicht gegen Sportwagen

Auch der nunmehrige Fall, in dem das OLG Hamm einen Erbverzicht für sittenwidrig erklärt hat (OLG Hamm, Beschl. v. 8.11.2016 – 10 U 36/15), gehört zu den juristischen Kuriositäten. Ein 17-Jähriger mit erheblichen Schulschwierigkeiten bricht das Gymnasium ab und beginnt bei seinem Vater, der Zahnarzt ist, eine Ausbildung zum Zahntechniker. Er ist von einem Nissan GT-R, einem Supersportwagen mit 570 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h, einer Beschleunigung von 2,8 Sekunden von Null auf Hundert und einem Preis von ca. 100.000 Euro so begeistert, dass er zwei Tage nach seinem 18. Geburtstag mit seinem Vater zu einem Notar geht, um dort einen Pflichtteilsverzicht zu beurkunden. Allerdings bekommt er den Pkw erst mit 25, nach Bestehen seiner Gesellenprüfung und der Meisterprüfung zum Zahntechniker jeweils mit der Note eins. Der Sohn möchte seine Mama anrufen, was ihm aber sein Vater beim Notar nicht erlaubt. Bereits am Nachmittag nach der Beurkundung teilt der Sohn dem Notar mit, dass er die Vereinbarung rückgängig machen will. Er bricht die Ausbildung beim Vater ab und zieht zu seiner Mutter. Das OLG Hamm erklärt den Verzicht (zu Recht) für sittenwidrig. Bemerkenswert ist allerdings die Begründung: Die Aussicht auf einen begehrten Sportwagen habe bei dem gerade erst volljährigen Sohn zu einem Rationalitätsdefizit geführt. Zudem lasse die Vereinbarung dem Sohn keine nochmalige Möglichkeit zu einer weiteren beruflichen Umorientierung. Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass Ergebnisse in Abschlussprüfungen jedenfalls nicht ausschließlich von Umständen abhängen, die der Absolvent selber beeinflussen könne.

Geschäftsfähigkeit mit Einschränkungen?

Die schwangere Frau, der gerade 18-Jährige und, wenn es nach Teilen der Literatur geht, der hochbetagte Erblasser, sind zwar gemäß § 2 BGB volljährig und damit unbeschränkt geschäftsfähig, aber letztlich doch nicht so ganz geschäftsfähig. Die Testierfähigkeit, jedenfalls für ein öffentliches Testament, beginnt zwar nach § 2229 Abs. 1 BGB bereits mit der Vollendung des 16. Lebensjahres. Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 2229 Abs. 2 BGB), er kann also ohne Anruf bei seiner Mama ein Testament über ein ererbtes großes Vermögen beim Notar errichten. Allerdings dürfte dies insbesondere wenn dies zugunsten einer besonders attraktiven Partnerin oder eines attraktiven Partners erfolgt, im Einzelfall nach der oben dargestellten Rechtsprechung doch zu hinterfragen sein. Aber was gilt dann für das Ja-Wort einer gerade erst volljährig Gewordenen beim Standesbeamten? Oder noch schlimmer: Die ohnehin von den erwachsenen erstehelichen Kindern argwöhnisch beobachtete Eheschließung eines seinen zweiten Frühling genießenden über sechzigjährigen Vaters mit der bildhübschen, erotischen Mittdreißigerin?

Also Fazit: Familienrechtliche Näheverhältnisse sind gefährlich und deshalb zumindest mit besonders deutlichen rechtlichen Warnhinweisen, vielleicht sogar mit Fotos wie auf Zigarettenpackungen, zu versehen. Allerdings weiß man, aus dem vorerwähnten Beispiel, dass diese kaum jemand ernstlich abhalten können.

Geldanlage in den Zeiten der Cholera – oder wie man dem Versorgungsausgleich Investitions-Charme abgewinnen kann

Zufriedene Gesichter sieht man bei familienrechtlichen Mandanten selten. Ehe kaputt, Konto leer, Altersversorgung geplündert, eine offene Anwaltsrechnung und der Verkauf der Immobilie klappt erst in drei Monaten. Und was dann tun mit dem Geld? Anlegen für null Zinsen oder einen unbequemen Porsche kaufen in der Hoffnung auf einen imagegebundenen Mitnahmeeffekt bei dem noch zu Findenden? Da fällt das Lächeln schwer.

Der Versorgungsausgleichsrechtler zaubert das Lächeln auf das Gesicht der Mandanten zurück. Das durch den Versorgungsausgleich geplünderte Renten- oder Versorgungskonto kann nämlich durch Beitragszahlungen aufgefüllt werden (§§ 58 BeamtVG, 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Auch etliche betriebliche Altersversorgungen ermöglichen dies.

Seit dem 1.1.2017 besteht diese erweiterte Möglichkeit nun auch im Rahmen des Flexirentengesetzes (§ 187a SGB VI). Zum Ausgleich einer Rentenminderung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze (Abschlag 0,3 % pro Monat vorzeitigen Rentenbezugs) können Beiträge gezahlt werden, die dann später die Rentenminderung abdämpfen, oder, wenn keine vorzeitige Rente in Anspruch genommen wird, die Rente erhöhen. Anspruch auf die zur Berechnung des Abschlagsausgleichs erforderliche Auskunft besteht – auch ohne Nachweis eines berechtigten Interesses – nunmehr schon mit Vollendung des 50. Lebensjahrs.

Lohnt sich das? Die Antwort ist eindeutig ‚Ja‘. Beamtenversorgung und gesetzliche Rente haben jährliche Steigerungsraten von über 2 % und zwar nicht nur in der Leistungsphase. Wo gibt es heute noch solche Renditen? Die späteren Renten- und Pensionsleistungen sind zwar zu versteuern, dafür können aber die Wiederauffüllungsbeiträge steuerlich nach § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG (bis max. 2.100 € pro Jahr) geltend gemacht werden.

Wenn Sie als Anwalt dem gebeutelten Mandanten das Lächeln zurückgeben wollen, empfehlen Sie ihm, sein Rentenkonto durch freiwillige Beitragszahlungen aufzufüllen. Zunächst wird er lächeln, weil er – vorverständnisgebunden – Sie für einen ‚armen Irren‘ hält. Erst wenn das Denken einsetzt, dankt er Ihnen. Es kann allerdings auch sein, dass er verlegen lächelt, weil sein Konto nun wirklich nichts hergibt. Dann kann man nichts machen. Sie müssten ihn auf später vertrösten. Aber Vorsicht: Beiträge für 2016 können nur bis zum 31.3.2017 nachgezahlt werden!

Ausübung des Kapitalwahlrechts einer Altersversorgung bei Gütertrennung

In Eheverträgen wird häufig der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Teilung des während der Ehe erworbenen Vermögens) ausgeschlossen, während der Versorgungsausgleich (Teilung der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften) unangetastet bleibt. In diesen Fällen ist die  erste Frage eines Anwalts an den Mandanten, ob er über Altersvorsorgeanwartschaften mit Kapitalwahlrecht verfügt. Der Anspruch auf Auszahlung eines Kapitalbetrags unterliegt – anders als der Anspruch auf eine Rente – ausschließlich dem Zugewinnausgleich und nicht dem Versorgungsausgleich. Es ist also in diesen Fällen ein Leichtes, diesen Vermögenswert durch bloße Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Ausgleich an den anderen Ehegatten vollständig zu entziehen. 

Bei dem anderen Ehegatten kommt diese Vorgehensweise verständlicherweise meist nicht gut an. Das gilt umso mehr, wenn der benachteiligte Ehegatte dadurch nicht nur seinen Ausgleichsanspruch verliert, sondern darüber hinaus auch noch selbst im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtig wird. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der benachteiligte Ehegatte in diesen Fällen auch tatsächlich erfolgreich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Lasten in Höhe des Ausgleichswerts wehren, den der andere dem Versorgungsausgleich durch Ausübung des Kapitalwahlrechts entzogen hat, indem er sich auf § 27 VersAusglG (grobe Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs) beruft (zuletzt BGH v. 21.9.2016 – XII ZB 264/13, FamRZ 2017,  26 = FamRB 2017, 9).

 Nicht erfolgreich wehren kann sich gegen diese Vorgehensweise hingegen bisher ein Ehegatte, der selbst während der Ehe keine oder nur geringfügige Altersvorsorgeanwartschaften erworben hat, etwa weil er oder sie nicht gearbeitet, sondern Kinder betreut hat. Diesem Ehegatten nützt es nichts, sich auf § 27 VersAusglG zu berufen, da ein Versorgungsausgleich zu seinen Lasten mangels eigener Versorgungsanwartschaften ohnehin nicht in Betracht kommt. Die Vertragsfreiheit der Beteiligten auch insoweit zu beschränken, als der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bzgl. des Ausgleichsbetrags wegen Treuwidrigkeit aufgehoben oder gar die Ausübung des Kapitalwahlrechts als sittenwidrig und damit nichtig betrachtet wird, hat sich der Bundesgerichtshofs bisher noch nicht getraut. Das mag ja auch grundsätzlich richtig sein, vergleicht man aber diesen mit dem zuerst geschilderten Fall, kann man sich Eindrucks einer gewissen Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle nicht erwehren.

Das Ende des Blindflugs im Versorgungsausgleich – Programm zur Kontrolle von Kapitalwerten

Eigentlich ist der Versorgungsausgleich ganz einfach. Man teilt alle Versorgungen im Ehezeitanteil und begründet für die ausgleichsberechtigte Person zu den Bedingungen der Quellversorgung eine eigene Versorgung beim gleichen Versorgungsträger. Das war die Idee. Im Laufe der Gesetzgebungsarbeit ist diese Idee verwässert worden. Die Länder wollten die Beamtenversorgungen, die Betriebe die Versorgungen aus Direktzusagen und Unterstützungskassen nicht intern teilen. Um Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für die Versorgungsträger zu wahren, wurde ihnen schließlich erlaubt, Renten auf Kapitalwertbasis zu teilen.

Ein Kennzeichen demokratischer Rechtsordnung ging damit verloren: Die Transparenz. Niemand ist nämlich in der Lage, ohne aufwändige Rechenhilfen oder Sachverständigengutachten zu kontrollieren, ob für einen 50-jährigen Mann der Kapitalwert der ehezeitlich erdienten Rente von 500 € vom Versorgungsträger mit 41.000 € richtig angegeben ist. Vielleicht sind es ja auch 30.000 oder knapp 50.000 €?

Dem Interessierten hilft auch die Formel formel_klein nicht wirklich weiter. Wie soll er an den Invaliditäts- oder Hinterbliebenenfaktor kommen? Leistungs-, Anwartschaftszeit, Zinssätze und das Vorversterbensrisiko lassen sich ja noch aus den Generationensterbetafeln ermitteln. Die Berechnung der Formel ist trotzdem nicht banal. Wehe, eine Klammer wird falsch gesetzt.

Das führt bei 160.000 Scheidungen pro Jahr zu 160.000 mal „Blindflug“. Es wird schon stimmen, was der Versorgungsträger oder mehr oder weniger renommierte mathematische Dienstleister berechnen. Diese Hoffnung ist manchmal nicht gerechtfertigt. Die Erfahrung zeigt: auch renommierte Unternehmen schummeln. Teilweise findet das heimlich statt, indem z.B. eine Hinterbliebenenversorgung oder ein Rententrend nicht mitberechnet oder der Stichtag verändert wird. Teilweise wird auch offen geschummelt, indem der „Betrug“ in die Teilungsordnungen geschrieben wird. Der Versorgungsträger hofft, dass sich keiner die Teilungsordnung durchliest. Verweist das Gericht dann im Tenor auf die Teilungsordnung, wäre diese umzusetzen, gerecht oder nicht, das ist egal. Rechtskraft ist Rechtskraft.

Die Anwaltschaft kann die Berechnungen nicht ohne Hilfe durchführen. Die von der Versicherungswirtschaft verwendeten „Richttafeln Heubeck 2005-G“ kosten ca. 800 € und auch ihre Anwendung ist nicht banal.

Diesem Mangel abzuhelfen dient ein neues kleines kostenloses Programm, das von mir entwickelt worden ist und von Arndt Voucko-Glockner und mir nunmehr verantwortet wird. Das Programm hat die Leistungsfähigkeit der Heubeck-Tabellen, ist aber sehr einfach zu bedienen. Es funktioniert mit Excel als Programmbasis und steht ab sofort auch beim FamRB als Download zur Verfügung. Die Kontrolle eines Kapitalwerts dauert – nach dem dritten Mal – vielleicht zwei Minuten. Das sollten uns die Interessen unserer Mandanten wert sein.

Namensänderung zum Wohl des Kindes? (BGH v. 9.11.2016 – XII ZB 298/15)

Auch wenn nach Goethes „Faust“ Namen Schall und Rauch sind, haben sie in der familienrechtlichen Praxis einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert; sei es, dass ein geschiedener Ehegatte möglichst schnell den Ehenamen ablegen möchte oder die Familie eines Ehegatten darauf „drängt“, dass der geschiedene Partner nicht mehr berechtigt sein soll, den Familiennamen weiterzutragen. Hohe Brisanz haben jedoch vor allem jene Verfahren, in denen es um den Namenswechsel eines gemeinsamen Kindes geht. Nicht immer sind die Motive, die diese Verfahren leiten, streng am Kindeswohl orientiert, sondern eher Ausdruck dafür, dass der frühere Partner nun auch auf dieser Ebene endgültig aus dem eigenen Leben und ebenso dem des Kindes ausgeklammert werden soll. Die „selbstverständliche“ Zustimmung des Kindes zu der erstrebten Namensänderung wird häufig von floskelhaften Begründungen überlagert, die nur vordergründig an realen Kindesbelangen ausgerichtet sind.

Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die nicht verheirateten, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern hatten ihrem Kind nach dessen Geburt den Nachnamen des Vaters als Geburtsnamen erteilt. Nach der Trennung der Eltern wollte die Mutter dem Kind ihren Nachnamen erteilen. Mangels Zustimmung des Vaters beantragte sie die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Namensänderung. Auf die Rechtsbeschwerde des Vaters wurde ihr Antrag zurückgewiesen, da im konkreten Fall die Namensänderung für das Kindeswohl nicht erforderlich war.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil nach § 1628 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge – soweit es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht nur eine Alltagsangelegenheit handelt – zur alleinigen Entscheidung übertragen werden kann, wenn zwischen den Eltern Dissens zu dieser konkreten sorgerechtlichen Frage besteht und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Lösungsvorschlag jenes Elternteils, dem die Entscheidungsbefugnis letztlich übertragen wird, dem Kindeswohl besser gerecht wird.

Geht es um die Namensänderung eines Kindes, so bedarf sie der behördlichen Beantragung und ist – ohne Einwilligung des jeweils anderen Elternteils – nach § 3 Abs. 1 NamÄndG nur dann erfolgreich, wenn es für die Änderung einen wichtigen Grund gibt, d.h. sie für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinn ist eine Änderung nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erst dann, wenn das Kindeswohl die Änderung geradezu gebietet. Zwischen den Folgen der Änderung und der Namensbeibehaltung ist abzuwägen. Dabei muss die Änderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringen, dass die Beibehaltung der Namensgleichheit mit dem anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint.

Hierzu hat der BGH in seiner Rechtsprechung hervorgehoben, dass allein der Wunsch des Kindes ebenso wenig ausreichend ist wie der elterliche Wunsch, um von der Erforderlichkeit einer Namensänderung auszugehen, da eine Namensverschiedenheit zwischen Eltern und Kinder nicht ungewöhnlich sei. Ebenso hat der BGH klargestellt, dass allein die Trennung der Eltern keine abweichende Bewertung ihrer Motive rechtfertige, die ursprünglich für sie bei der Namensgebung entscheidend waren. In die Abwägung sei zudem einzubeziehen, in welchem tatsächlichen persönlichen Verhältnis der Elternteil, dessen Namen abgelegt werden soll, zu dem Kind stehe.

In der Praxisberatung ist es daher wichtig, Eltern, die eine Namensänderung anstreben, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass eine solche – am Kindeswohl orientiert und aus der Bedeutsamkeit der Namenskontinuität folgend – an restriktiv zu prüfende Voraussetzungen gebunden ist. Es bedarf einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung, im Rahmen derer insbesondere auch die persönliche Beziehungen des Kindes zum jeweils anderen Elternteil sowie dessen Bemühen um das Kind zu bewerten sind. Erst wenn diese umfassenden Ermittlungen abgeschlossen sind, sollte vom Gericht die Entscheidung getroffen werden, ob eine Namensänderung tatsächlich erforderlich ist oder das gerichtliche Verfahren nichts anderes zum Ergebnis hat, als eine vermeidbare Belastung des Kindes.