(Geschlechter-)Gerechte Sprache im (Familien-)Recht?

Ehe für alle – alles gut? Nein, trotz Nachbesserung durch das Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639) werden Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht angehören, weiter durch die Grundnorm des § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB diskriminiert. Ihre verschämte Erwähnung in Art. 17b Abs. 4 Satz 1 EGBGB vermag daran nichts zu ändern. Wir wissen spätestens seit der Aufklärung durch Google zum 50ten LGBTQ-Day am 4.6.2019, dass man beim amerikanischen Facebook seit Anfang 2014 zwischen 58 Geschlechtern wählen kann und der von den Nationalsozialisten verfolgte Sexualforscher Magnus Hirschfeld sogar eine Zahl von 316 (= 43.046.721) möglichen Sexualtypen errechnet hat. Es ist zu befürchten, dass diese Erkenntnisse hinsichtlich der Toiletten in deutschen Grundschulen und beim Bau des Berliner Flughafens wohl pedantisch umgesetzt werden, aber das Familienrecht weiterhin eher hetero- und homonormativ bleibt.

Geschlechtergerechte Begriffe im Familienrecht

Nachdem es bereits eine Bibel, die Behördensprache in Hannover und unzählige universitäre Leitfäden für eine geschlechtergerechte Sprache gibt, wäre es an der Zeit, das Familienrecht von seiner bisherigen sexistischen Spirale zu befreien, damit sich von ihm alle oben genannten Geschlechter angesprochen fühlen. Allerdings dürften die Begriffe des „Genderwörterbuches“ geehelichte Person statt Ehepartner, Elternmilch statt Muttermilch, Erstsprache statt Muttersprache, Tandem- bzw. Zusammenarbeit statt Partnerschaft, Familienmitglied statt Verwandter, verbeamtete Person des Standesamts statt Standesbeamter und schließlich Gegenüber statt Partner noch nicht ganz ausgereift sein. „Mein geehelichtes Gegenüber“ dürfte bei Vorstellungen eher auf eine Ehekrise hinweisen als auf eine funktionierende Partnerschaft. Auch im Baurecht müssen übrigens nicht mehr geschlechtergerechte Begriffe wie der des Mutterbodens in § 202 BauGB durch Elternteilboden ersetzt werden, auch wenn damit ein Hinweis auf eine wohl matriarchale Sozialordnung verloren geht.

Schöpfungsgerechte Sprache

Die gendergerechte Sprache ist eigentlich bereits wieder überholt. Nimmt man nämlich die auch ihr zugrundeliegende Ethik der Wertschätzung und Nichtdiskriminierung ernst, muss dies in gleicher Weise für andere Lebewesen gelten. Die Menschen werden nicht umhin kommen, auch ihr ökonomisch bestimmtes Verhältnis zu den Tieren zu ändern (§ 90a Satz 3 BGB). Die Feststellung „Tiere sind keine Sachen“ (§ 90a Satz 1 BGB) muss neben dem Denken auch die Sprache erreichen. Hier fällt die negative Konnotation vieler Tierbezeichnungen auf. Beispiele sind Affe, Esel, Hund, Kamel, Schwein, Kuh, Ratte etc. Wörter als Träger von diskriminierender Mitinformation betreffen somit nicht nur die Geschlechter. Hinzu kommen Wortverbindungen, in denen Tieren negative Eigenschaften zugeordnet und die dann als Schimpfwörter verwendet werden. Beispiele sind diebische Elster, böser Wolf und Frechdachs. Verbindungen wie blöde Gans, dumme Kuh und Drecksau, potenzieren durch die Herabsetzung des weiblichen Tieres den Sprachmissbrauch. Es verwundert, dass die Vorkämpfer für eine geschlechtergerechte Sprache nicht auch für eine tiergerechte Sprache eintreten. Bei einem diesbezüglichen Erfolg des Tierschutzes in der Sprache müsste womöglich aber auch der diskriminierende Songtext „Alle Männer sind Schweine“ geändert werden.

 

Stärkung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Elternunterhalt

Der BGH hat in seiner Entscheidung v. 9.3.2016 – XII ZB 693/14 die nichteheliche Lebensgemeinschaft gestärkt. Der unterhaltspflichtige Sohn lebt seit vielen Jahren mit einer Frau zusammen. Aus dieser Beziehung ist ein inzwischen acht Jahre altes Kind hervorgegangen. Da für einen Betreuungsunterhaltsanspruch der Frau aus kindbezogenen Gründen keine Anhaltspunkte vorlagen, hatte die Vorinstanz einen Unterhaltsanspruch der Frau, verneint. Das sah der BGH anders. Ein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB könne auch aus elternbezogenen Gründen gegeben sein. Solche Gründe lägen offensichtlich vor, weil die unverheirateten Eltern nicht der Fremd-, sondern der Eigenbetreuung des Kindes den Vorrang gegeben hätten, sei diese Entscheidung auch unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Der Betreuungsunterhaltsanspruch der Lebensgefährtin rangiere vor dem Unterhaltsanspruch des Vaters.

Der BGH meint es offensichtlich mit der Lebensstandardgarantie für das seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtige Kind ernst. Die Entscheidung v. 9.3.2016 schützt den Lebensstandard unverheirateter pflichtiger Kinder, die zugleich selbst Eltern sind. Der Betreuungsunterhalt ist ein Anspruch des Kindes. Er wird für Kinder verheirateter Eltern und unverheirateter Eltern gleichermaßen in deren Interesse gewährt. Gut, dass der BGH elternbezogene Gründe für die Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das 3. Lebensjahr hinaus aus der von den Eltern gelebten Lebenssituation heraus vermutet hat. So bleibt es den Eltern zukünftig erspart, ihre konkrete Lebensgestaltung mit der mehr oder minder neurotischen Veranlagung und Verhaltensweisen ihrer Kinder zu rechtfertigen. Es reicht wahrscheinlich aus, wenn die Eltern erklären, durch stärkere häusliche Präsenz eine optimale Kindererziehung anzustreben. Wer wollte ihnen diesen Plan verwehren?

Auch dass der BGH die unterhaltsrechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht vollzogen hat, ist zu begrüßen. Das Ziel, die konkrete Lebensgestaltung des unterhaltspflichtigen Sohnes zu schützen, gelingt besser über den Schutz der vereinbarten Lebens- und Erziehungsweise, als die Nichtverheirateten unter den von diesen ja offensichtlich nicht gewollten Schutzschirm der Ehe zu sperren. Nicht nur die Ehe ist ein Vertrag der Ehegatten. Auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft kennt vereinbarte Rechte und Pflichten, die auch gegenüber unterhaltsbedürftigen Verwandten Vorrang haben müssen, weil die gelebte Solidarität einer Familie eben Vorrang vor der durch Blutsverwandtschaft begründeten Rechtsbeziehung hat. ‚From Status to Contract‘ lautete der Titel des 7. Regensburger Symposions für Europäisches Familienrecht im Jahr 2004. Folgt man der Presseerklärung des BGH zur heutigen Entscheidung, sind wir einen kleinen Schritt auf diesem richtigen Weg vorangekommen.

Elternunterhalt in Lebensgemeinschaft – zur Verhandlung des BGH am 9.3.2016 – XII ZB 693/14

Beim XII. Senat geht es am 9.3.2016 um Elternunterhalt (XII ZB 693/14). Der unterhaltspflichtige Sohn lebt in langjähriger Lebensgemeinschaft mit einer Frau, einem gemeinsamen (7) und zwei weiteren Kinder (12 und 14), die seine Lebensgefährtin aus ihrer ersten Ehe in die Lebensgemeinschaft eingebracht hat. Die Lebensgefährtin erzielt nur geringes Einkommen weit unterhalb des Sozialhilfeniveaus.

Es geht um die Fragen,

  • ob die Lebensstandardgarantie des Elternunterhalts (BGH FamRZ 2002, 1698) auch die Berücksichtigung der finanziellen Unterstützung des unterhaltspflichtigen Kindes für die Lebensgefährtin umfasst und, wenn diese Frage verneint wird,
  • ob nicht wenigstens die Wohnmehrkosten gegenüber dem Alleinlebenden unter die Lebensstandardgarantie gefasst werden können.

Die Vorinstanz (OLG Nürnberg – 7 UF 988/14) hatte beide Fragen verneint. Mangels Existenz eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs könne die faktische Unterhaltsleistung an die Lebensgefährtin und deren Kinder nicht dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Vaters entgegengehalten werden.

Nimmt man die Lebensstandardgarantie allerdings ernst, lässt sich dieser fränkische moralisch-juristische Rigorismus aus zwei Gründen nicht halten:

  • Lebte der Sohn allein in einer überdimensionierten Wohnung, müssten die gegenüber dem Selbstbehalt erhöhten Wohnkosten auch unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden. Warum gilt das dann nicht, wenn er die ‚zu teure Wohnung‘ mit seinen Liebsten teilt?
  • Es könnte sein (der SV gibt dazu nichts her), dass ein Sozialhilfeanspruch der Lebensgefährtin und ihrer Kinder im Hinblick auf die bestehende Bedarfsgemeinschaft verneint wird. Dann aber geht der Unterhaltsanspruch in Höhe des sozialhilferechtlichen Bedarfs nicht auf den Sozialhilfeträger über (§ 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI). Der von Sozialhilfeleistungen entlastete Sozialhilfeträger kann sich ja wohl nicht über die Entlastung freuen, sie unterhaltsrechtlich aber ignorieren. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gilt auch für Sozialhilfeträger.

40 Jahre nach Abschaffung des Schuldprinzips: Ein Plädoyer für eine neue familienrechtliche „Streitkultur“

Im Juni dieses Jahres ist es 40 Jahre her, dass das scheidungsrechtliche Schuldprinzip abgeschafft wurde. Bis Juni 1976 war die Frage des Verschuldens der Ehegatten nicht nur für die Scheidung selbst, sondern auch für die sich an die Trennung und Scheidung knüpfenden Rechtsfolgen, insbesondere für die Unterhaltsverpflichtung und das Sorgerecht, das entscheidende Kriterium. So konnte das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder nach einer Scheidung nur in Ausnahmefällen auf denjenigen Ehegatten übertragen werden, der die Scheidung „verschuldet“ hatte. Die Unterhaltsverpflichtung des „nicht schuldigen“ Ehegatten konnte bis auf ein Minimum reduziert werden.

Seit Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976 spielt ein etwaiges „Verschulden“ eines Ehegatten an dem Scheitern der Ehe rechtlich betrachtet so gut wie keine Rolle mehr. Zum einen ist ein Verschulden eines Ehegatten keine Scheidungsvoraussetzungen mehr, zum anderen hat auch ein wie auch immer geartetes eheliches Fehlverhalten, insbesondere das Unterhalten außerehelicher Beziehungen, grundsätzlich keinen Einfluss mehr auf Unterhaltsansprüche, das Sorgerecht, den Zugewinnausgleich oder gar den Versorgungsausgleich.

Trotz der Abschaffung des Schuldprinzips, die nun schon 40 Jahre zurück liegt, wird in der anwaltlichen Korrespondenz zu familienrechtlichen Fragen bis heute (häufig über hunderte von Seiten hinweg) schmutzige Wäsche gewaschen. Auch scheint es in der familienrechtlichen Anwaltschaft bedauerlicherweise (vermutlich noch aus Zeiten des Schuldprinzips) üblich zu sein, den jeweiligen „Gegner“ nicht nur veranlassen zu wollen, seine familienrechtlichen Pflichten einzuhalten, sondern ihn darüber hinaus auch noch persönlich treffen zu wollen. Anstatt die ohnehin schon angespannte und problematische Situation im Interesse der Mandanten zu deeskalieren, wird durch derartige anwaltliche Korrespondenz häufig noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen und zwar selbst dann, wenn gemeinsame Kinder der Streitparteien vorhanden sind.

Ganze 40 Jahre nach Abschaffung des Schuldprinzips muss meines Erachtens die gesamte familienrechtliche Anwaltschaft Hand in Hand endlich den entsprechenden Kurswechsel vollziehen und auch bei der anwaltlichen Korrespondenz im Auge behalten, dass eine Eskalation auf persönlicher Ebene im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung nichts zu suchen hat. Persönliche Anwürfe ohne rechtliche Relevanz haben niemals Vorteile für den eigenen Mandanten, sondern machen die Auseinandersetzung für alle Beteiligten nur unangenehmer, ja häufig unerträglich.

Auch und gerade wenn ein Mandant aus einer meist mehr als nachvollziehbaren Kränkung und Frustration anfänglich nichts für wichtiger hält, als dem „Gegner“ seine Verfehlungen nochmals ausführlich über anwaltliche Schriftsätze vorzuhalten, sollten wir familienrechtlichen Anwälte es kollektiv als unsere Aufgabe ansehen, den jeweiligen Mandanten davon zu überzeugen, dass diese Art der Kommunikation allen Beteiligten in jeder Hinsicht nur schaden kann. Wenn der jeweilige „Gegner“ verletzend und persönlich beleidigend wird, kann es selbst dem besten Familienrechtsanwalt kaum noch gelingen, den eigenen Mandanten davon zu überzeugen, nicht auf der gleichen Ebene zurück zu schlagen. Der Kurswechsel kann also nur passieren, wenn alle familienrechtlichen Anwälte daran mitwirken.

Als Organe der Rechtspflege und Interessenvertreter unserer Mandanten sollten wir es als eine unserer Kernaufgaben ansehen, Rechtsfrieden und damit auch Frieden für unsere Mandanten zu schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass wechselseitige Beschimpfungen in familienrechtlichen Auseinandersetzungen, allen Beteiligten nur zusätzlichen Schaden zufügen und zwar emotionalen UND wirtschaftlichen.

Wenn wir – wie es unserer Pflicht als Anwälten entspricht – im besten Interesse unserer Mandanten handeln wollen, muss die bisherige familienrechtliche „Streitkultur“ ein Ende haben.