Ausschluss des persönlichen Kontakts – Auskunft als Alternative? (Bdb. OLG v. 15.11.2023 – 13 UF 62/23)

Durch das zum 13.7.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters wurde den leiblichen Vätern, die ein ernsthaftes Interesse an dem Kind zeigen, ein Recht auf Umgang eingeräumt, soweit dieser dem Kindeswohl dient. Ebenso wurde ihnen bei berechtigtem Interesse ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes eröffnet, soweit diese Auskunft dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Während der Auskunftsanspruch der leiblichen Väter seit seinem Inkrafttreten gleichrangige Bedeutung neben dem persönlichen Umgang hatte, hat er im Kreis der rechtlichen Väter nach wie vor ein Schattendasein. Der Fokus liegt – durchaus berechtigt – auf dem persönlichen Umgang mit dem Kind. Im Zug einer steigenden Tendenz hochstreitiger kindschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen, in die gewollt oder ungewollt auch die Kinder involviert werden, steigt allerdings auch die Quote der seitens der Kinder erklärten Umgangsverweigerung. Für den nicht betreuenden Elternteil ergibt sich damit aber auch die Frage, ob ggf. die Umsetzung zumindest eines Auskunftsanspruchs eine Alternative zum persönlichen Umgang darstellen kann.

Das Brandenburgische OLG hat sich in einer Entscheidung vom 15.11.2023 mit dieser besonderen Problematik auseinandergesetzt:

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die minderjährige Tochter mit ihrer zwischenzeitlich volljährigen Schwester zunächst nach der Trennung ihrer Eltern im Haushalt ihres Vaters gelebt, war im Zug weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen der Eltern aber zusammen mit ihrer Schwester in den Haushalt der Mutter gewechselt, wobei auf ausdrücklichen Wunsch der noch minderjährigen Tochter der Umgang mit dem Vater bis zum Eintritt der Volljährigkeit ausgeschlossen wurde. Dem seitens des Vaters gerichtlich geltend gemachten Auskunftsanspruch ist das Ausgangsgericht im Wesentlichen gefolgt.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter sowie der Verfahrensbeiständin hat das Brandenburgische OLG jedoch die Ausgangsentscheidung teilweise aufgehoben und weitergehende Anträge des Vaters abgewiesen. In seiner Begründung hat der Senat darauf verwiesen, dass dem Vater grundsätzlich der geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht, da er weder personensorgeberechtigt ist, noch Umgang mit seiner Tochter hat. Anhaltspunkte dafür, dass die begehrte Auskunftserteilung missbräuchlich sein könnte, hat der Senat verneint.

Eine Einschränkung der Auskunft hat er jedoch bejaht vor dem Hintergrund des ausdrücklich erklärten Willens der Tochter, da ihr unter Berücksichtigung ihres Alters und Entwicklungsstands zuzugestehen war, über Informationen zu höchstpersönlichen Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Dem Auskunftsrecht des Vaters auf Informationen zu stationären Krankenhausaufenthalten und deren Grund, über den Schulbesuch sowie die Information über die Aufnahme einer Berufsausbildung stand das Recht der informationellen Selbstbestimmung der Tochter entgegen. Nach dem persönlichen Eindruck des Senats war die Jugendliche in der Lage altersgemäß ihren Willen zu bilden und sich prägnant ausdrücken. Ihr ausdrücklich erklärter Wunsch, dass der Vater kein Foto von ihr oder Informationen über ihre schulischen Leistungen, ihren Ausbildungsweg sowie umfassende Auskünfte zu etwaigen Krankenhausaufenthalten erhalte sollte, war daher zu berücksichtigen. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Interessen der Mutter bei diesen Äußerungen im Vordergrund standen, ergaben sich nicht, wobei der Senat zudem darauf verweist, dass auch ein manipulierter Wille nicht ohne weiteres unbeachtlich ist, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist.

Auskunftsansprüche als Alternative zum persönlichen Umgang stehen damit nicht nur unter dem Vorbehalt des berechtigten Interesses des Auskunftsbegehrenden und der Abwägung eines möglichen Widerspruchs zum Kindeswohl. Der Anspruchsinhalt muss sich zudem am Alter des unmittelbar betroffenen Kindes orientieren, so dass einem sich der Volljährigkeit nähernden Jugendlichen letztlich die Entscheidungsfreiheit verbleiben muss, in welchem Umfang er mit der Weitergabe von Informationen einverstanden ist, die seine höchstpersönliche Privat- und Intimsphäre betreffen.

Keine Auskunft bei kindeswohlabträglichen Motiven (OLG Bamberg v. 14.3.2021 – 2 UF 29/22)

Ein Elternteil, der nicht unmittelbar die Obhut über ein Kind ausübt, kann in seinen Möglichkeiten der Informationserlangung zur Entwicklung des Kindes eingeschränkt sein, etwa folgend aus einer großen räumlichen Distanz, die einer engen Umgangstaktung entgegensteht, aber auch aus einer tatsächlichen Kontakteinschränkung bis hin zum Umgangsausschluss. Gleichwohl soll dieser Elternteil grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich durch Auskünfte des Obhutselternteils über die Entwicklung des Kindes zu informieren und somit zumindest indirekt am Leben des Kindes teilzuhaben. Zwingende Voraussetzung dieses Auskunftsanspruchs nach § 1686 BGB bzw. § 1686a BGB ist jedoch, dass der Anspruch dem Kindeswohl nicht widerspricht. Mit einem – vor allem für die unmittelbar betroffenen Kinder – sehr tragischen Sachverhalt hat sich das OLG Bamberg in einer aktuellen Entscheidung befasst.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war der Antragsteller rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern – auch zu Lasten seiner damals noch minderjährigen, mittlerweile volljährigen dritten Tochter – sowie wegen der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden. Ihm war u.a. die strafbewehrte Weisung erteilt worden, zu seinen Töchtern – von denen zwei noch minderjährig waren (geb. 2004 und 2007) – sowie seiner geschiedenen Ehefrau keinen Kontakt aufzunehmen. Ein von ihm geltend gemachter Auskunftsanspruch, gerichtet auf die Vorlage aktueller Bilder sowie der Zeugnisse der letzten fünf Jahre seiner Töchter wurde zurückgewiesen. Die von ihm eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Es ist nach dem Senat bereits zweifelhaft, ob ein berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung gegeben ist, da das Auskunftsbegehren in den Hintergrund getreten scheint und der Antragsteller mit seinem Begehren vielmehr die Aufhebung bestehender Kontaktverbote und die Rückkehr zur Familie geltend macht. Das Vorliegen eines berechtigten Interesses zum Erhalt der beantragten Auskünfte konnte letztlich dahinstehen. Zur Begründung der Ablehnung eines Auskunftsanspruchs hat der Senat insb. ausgeführt, dass im Rahmen der durchzuführenden Kindeswohlprüfung der Kindeswille besondere Bedeutung habe. Dies gelte unter dem Aspekt der Selbstbestimmung vor allem bei Jugendlichen. Im konkreten Fall hätten sich beide Töchter gegen die Erteilung von Auskünften ausgesprochen. Beide wünschten nicht, dass der Antragsteller Fotos oder sonstige persönliche Informationen von ihnen erhalte, da sie selbst von dessen Taten, d.h. der Fertigung einer kinderpornographischen Bilddatei, betroffen gewesen seien. Auch könnte der Antragsteller anhand der Angaben in den Schulzeugnissen den Schulort erfahren und dort möglicherweise ein Zusammentreffen herbeiführen. Dieser Wille der Töchter sei anhand der familiären Vorgeschichte verständlich und nachvollziehbar. Um das Auskunftsbegehren zu verneinen bedürfe es keiner Kindeswohlgefährdung. Es sei daher letztlich unerheblich, warum und ggf. unter welchem Einfluss der Antragsteller die abgeurteilten Straftaten begangen habe.

Der Auskunftsanspruch, wie er bereits gem. § 1686 BGB für jeden rechtlichen Elternteil existierte, wurde im Jahr 2013 mit § 1686a BGB auch auf die leiblichen, nicht rechtlichen Väter erweitert. Für beide Anspruchsgrundlagen gilt, dass sie dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnen, sich über die Kindesentwicklung in angemessener Form in Kenntnis zu setzen, wobei der die Auskunft Begehrende an den eingeforderten Informationen ein berechtigtes Interesse haben muss. Während für § 1686 BGB unerheblich ist, ob sich der Antragsteller längere Zeit nicht um das Kind gekümmert hat, ist für § 1686a BGB ein gezeigtes ernsthaftes Interesse des Vaters an dem Kind zwingende Voraussetzung des Anspruchs.

Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt der tatbestandlichen Prüfung beider Normen. Die erteilte Auskunft darf dem Kindeswohl nicht widersprechen, d.h., es darf keine akute Gefahr dahin gehend bestehen, dass die erteilten Informationen missbräuchlich verwendet werden, so dass die Auskunft auch nur verweigert werden kann, wenn keine milderen Mittel zum Schutz des Kindes zur Verfügung stehen. Mit zunehmendem Alter eines Kindes bedarf es besonderer Berücksichtigung, ob zu höchstpersönlichen Angelegenheiten Auskunft begehrt wird, deren Offenlegung etwa bei einem fast volljährigen Jugendlichen nicht mehr in Betracht kommt bzw. das Kind dann auch selbst entscheiden kann, ob es zu ärztlichen Untersuchungen oder seinem politischen Engagement überhaupt zu Auskünften bereit ist.

Unter Berücksichtigung des Kindeswohls als zentraler Tatbestandsvoraussetzung eines Auskunftsanspruchs lässt die Entscheidung des OLG Bamberg keinerlei kritische Anmerkung zu. Ob dies auch mit Blick auf das Unrechtsbewusstsein bzw. die emphatischen Fähigkeiten des Antragstellers im konkret entschiedenen Sachverhalt so bewertet werden kann, erscheint mehr als fraglich.

Neues zum Wechselmodell (BGH v. 27.11.2019 – XII ZB 512/18)

In seiner Grundsatzentscheidung vom 1.2.2017 hatte der BGH erstmals zu der Frage der familiengerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells – auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils – Stellung genommen (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRB 2017, 136). Rund zwei Jahre nach dieser Entscheidung zeigt sich, dass damit keineswegs das paritätische Wechselmodell ohne Wenn und Aber, allein dem Antrag eines Elternteils folgend, durch gerichtliche Entscheidung umzusetzen ist. Die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen haben verdeutlicht, dass die Gerichte sehr sorgfältig prüfen, ob die erstrebte Regelung tatsächlich die am Kindeswohl orientiert beste und alternativlose Ausgestaltung der Umgangskontakte darstellt. Auch das Thesenpapier der vom BMJV eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts zeigt in seinen Ergebnissen ein sehr objektives Bild (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/102919_Thesen_AG_SorgeUndUmgangsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2), das schon durch die Wortwahl (z.B. Betreuung statt Umgang) dafür wirbt, den Eltern zu verdeutlichen, dass sie auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam in der Verantwortung für ihre Kinder stehen und die Ausgestaltung dieser Verantwortungsübernahme sich an der veränderten Lebenswirklichkeit der Familien zu orientieren hat.

Dass gleichwohl Elternteile unverändert den Bereich des Sorge- und Umgangsrechts als „Spielfeld“ für nicht verarbeitete Trennungsprobleme sehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 27.11.2019. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder gerichtlich zugewiesen worden. Der Umgang der Kinder mit ihrem Vater wurde aufgrund außergerichtlicher Abstimmung praktiziert. Der Vater erstrebte nun das Aufenthaltsbestimmungsrecht und hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines paritätischen Wechselmodells. Mit Blick auf seinen Hilfsantrag wurde von Amts wegen ein Umgangsverfahren eingeleitet und der Sorgerechtsantrag in einem gesonderten Verfahren geführt. Erst- und zweitinstanzlich wurde sein Begehren auf Anordnung eines exakt paritätischen Wechselmodells zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgte er dieses Ziel weiter, wobei diese allerdings auch ohne Erfolg blieb.

Der BGH hat in der Begründung seiner Entscheidung darauf verwiesen, dass zwischen einem Sorge- und einem Umgangsrechtsverfahren strikt zu trennen ist, da es sich um jeweils eigenständige Verfahrensgegenstände handelt. Da in dem zur Entscheidung stehenden Verfahren erstmals eine gerichtliche Umgangsregelung erstrebt wurde, beurteilte diese sich am Maßstab der §§ 1684, 1697a BGB. Davon zu unterscheiden ist die frühere familiengerichtliche Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an die Mutter, wobei es jedoch im konkreten Verfahren nicht um die Abänderung dieser Sorgerechtsregelung geht, so dass die strengen Abänderungsvoraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB zur Anwendung kämen.

In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung betont der BGH, dass die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells auf Seiten des Kindes eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen voraussetzt, wobei auch der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht zukommt, wesentlich ist. Stehen dem Willen des Kindes allerdings gewichtige Gründe des Kindeswohls entgegen, so überlagern sie diesen. Derartige gewichtige Gründe sah der BGH im Verhalten des Vaters, der seine Umgangszeiten wiederholt ausgedehnt und die Kinder nicht zu der verabredeten Zeit zurückgebracht hatte. Auch seine Reaktionen und Aktionen anlässlich der Übergabe belegten seine Schwierigkeit, sich von den Kindern zu lösen und sie der Mutter zu übergeben. Nach den Feststellungen des BGH vermochte es der Vater weniger als die Mutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Statt sie in der Übergabesituation zu unterstützten, filme er die Schwierigkeiten insbesondere eines Kindes, sich vom Vater zu lösen.

Mit seiner aktuellen Entscheidung wiederholt der BGH nicht nur seine grundlegenden Erwägungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt gegen den Willen eines Elternteils das paritätische Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden kann. Er zeigt in seiner Entscheidung ebenso auf, dass eine bestehende sorgerechtliche Regelung zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes durch eine (nachfolgende) Umgangsregelung überlagert werden kann, die in etwa zeitgleiche Betreuungsanteile beider Eltern schafft.

 

Kindeswille gleich Kindeswohl ? (OLG Köln v. 28.3.2019 – 10 UF 18/19)

Dem Praktiker sind diese typischen Besprechungstermine hinlänglich bekannt. Es erscheint ein Elternteil zur Rücksprache und trägt mit Vehemenz vor, dass es einer zwingenden Neuregelung der elterlichen Sorge bedarf. Die für diese Einschätzung benannten Argumente sind wenig überzeugend, so dass letztlich zum alles entscheidenden Argument ausgeholt wird – dem ausdrücklich vom Kind geäußerten Willen. Es heißt, dass das Kind sich nichts anderes wünscht, als dass genau dieser Elternteil künftig die Alleinsorge ausüben soll, und das ja auch nachvollziehbar erscheint, da es ohnehin vor und nach jedem Kontakt mit dem anderen Elternteil weint bzw. massive Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Nicht immer gelingt es, Eltern davon zu überzeugen, dass möglicherweise dieser geäußerte Wille nichts mit der tatsächlichen Willenslage des Kindes zu tun hat und allein der Kindeswille nicht zwingend zu der gewünschten gerichtlichen Entscheidung führen wird.

In diesem Sinn hat auch das OLG Köln in einer aktuellen Entscheidung einen Sorgerechtsantrag zurückgewiesen. Die Eltern stritten über die Alleinsorge für ihre 13-jährige Tochter, die nach dem Sachvortrag der Mutter sich ausdrücklich dafür ausgesprochen hatte, dass künftig die Sorge allein von ihr wahrgenommen werden sollte. Ebenso wie das Ausgangsgericht hat auch die Beschwerdeinstanz den Antrag zurückgewiesen und seine Entscheidung damit begründet, dass mit Blick auf die Frage der Kooperationsbereitschaft der Eltern weder konkret und maßgebende Streitigkeiten zu Angelegenheiten der elterlichen Sorge vorgetragen worden oder auch nur ersichtlich seien. Der elterliche Streit konzentriere sich vielmehr darauf, was für die Haltung der Tochter mit Blick auf ihre derzeitige Weigerung zur Wahrnehmung von Umgangskontakten mit ihrem Vater ursächlich sei. Schwierigkeiten bei der Abstimmung von Sorgerechtfragen würden lediglich befürchtet. Die Mutter verkenne in ihrer Argumentation, dass aus der Beachtlichkeit des Kindeswillens nicht per se folge, dass die elterliche Entscheidungskompetenz und -verantwortung auf das Kind „abgewälzt“ werden dürfe. Der Kindeswille könne nur dann als Argument zur Aufhebung der gemeinsamen Sorge herangezogen werden, wenn dies auch durch objektive Kindeswohlgründe unterstützt werde. Bei der Bewertung des erklärten Kindeswillens müsse stets berücksichtigt werden, inwieweit dieser Wille stabil sei oder die kindlichen Äußerungen sich schwankend und unentschlossen darstellten, da dies häufig der Ausdruck eines Loyalitätskonflikts sei.

Der unbestimmte Rechtsbegriff des „Kindeswohls“, wie er in der sog. doppelten Kindeswohlprüfung des § 1671 BGB auszulegen ist, wird durch verschiedene Kriterien näher präzisiert, etwa dem Förderungsprinzip, dem Kontinuitätsgrundsatz aber auch dem Kindeswillen. Diese Kriterien sind jeweils auf den Einzelfall bezogen zu prüfen und stehen in ihrer Wertigkeit kumulativ nebeneinander, wobei durchaus eines dieser Kriterien letztlich entscheidungsrelevant werden kann, wenn die Eltern zu keinem der sonstigen Aspekte wesentlich differenzieren.

Dem Kindeswillen wird in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erhebliche Bedeutung beigemessen, da er Ausdruck einer eigenen Entscheidung des Kindes als Grundrechtsträger ist und seine Willensäußerung als Ausübung seines Rechts auf Selbstbestimmung gesehen wird. In Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben sieht daher § 159 FamFG ausdrücklich die Anhörung des Kindes im familiengerichtlichen Verfahren vor. Allerdings ist der geäußerte Wille des Kindes auch darauf zu prüfen, ob er Ausdruck einer eigengebildeten Meinung oder Ergebnis einer elterlichen Manipulation ist. Der geäußerte Kindeswille, der ersichtlich von unrealistischen Vorstellungen bestimmt wird, wird ebenso wenig Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein können, wie der subjektiv geäußerte Wille, der mit dem objektiven Kindeswohl nicht in Einklang zu bringen ist.

Diese Fragen sind – auch wenn es nicht unbedingt auf die Gegenliebe des Mandanten stößt – offen zu klären, bevor ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet wird, in dessen Verlauf ein Kind möglicherweise noch tiefer in einen ohnehin schon bestehenden Loyalitätskonflikt geführt wird.

Auch Auswandern will gelernt sein (OLG Brandenburg v. 6.11.2018 – 13 UF 174/17)

Eine zunehmende gesellschaftliche Mobilität hinterlässt auch in familiengerichtlichen Verfahren ihre Spuren. Nach der Trennung von Eltern kommt es immer häufiger dazu, dass ein Elternteil – sei es aus privaten oder beruflichen Gründen – seinen Wohnort verlegen muss. Insbesondere wenn aus der Ehe oder Beziehung hervorgegangene Kinder im Haushalt dieses Elternteils leben, hat eine örtliche Veränderung nicht nur Auswirkungen auf die Frage, wie künftig Umgangskontakte mit dem jeweils anderen Elternteil sichergestellt werden können. Im schlechtesten Fall kann ein solcher Ortswechsel zum völligen Abbruch persönlicher Kontakte führen. Familiengerichtliche Verfahren, in denen es um die Auswanderung eines Elternteils geht, bedürfen daher einer besonders intensiven Bewertung der Belange aller Beteiligten.

Das OLG Brandenburg hat sich in seinem Beschluss vom 6.11.2018 sowohl mit der Problematik des beabsichtigten Umzugs eines Elternteils samt Kind ins Ausland als auch der in diesen Fällen notwendigen Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht auseinandergesetzt: Bezüglich des gemeinsamen 2005 geborenen Kindes erstrebten die geschiedenen Eltern wechselseitig die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wobei der Vater eine Auswanderung nach Andorra beabsichtigte und die Tochter auf ihren Wunsch dorthin mitnehmen wollte.

Der Senat hat die erstinstanzliche Entscheidung, durch die der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde, bestätigt. In seiner Entscheidung ging das OLG davon aus, dass eine Fortführung der gemeinsamen Sorge nicht möglich war. Im Rahmen der sodann zu treffenden Entscheidung über den künftigen Aufenthalt des Kindes hat der Senat die Kindeswohlkriterien abgewogen und unter Heranziehung des Kontinuitätsgrundsatzes sich für einen Verbleib des Kindes in seinem bisherigen Umfeld ausgesprochen, da dort die Beziehungen zu den zwischenzeitlich volljährigen Geschwistern ebenso gewährleistet waren, wie die Aufrechterhaltung der engeren Bindung zur Mutter. Eine seitens des Vaters vorgetragene Alkoholabhängigkeit der Mutter konnte im Rahmen einer sachverständigen Bewertung nicht bestätigt werden. Entscheidungsrelevant war zudem jedoch für den Senat die Tatsache, dass bei dem Vater ökonomische Mindeststandards nicht gewährleistet waren, d.h. er weder seinen Unterhaltspflichten nachgekommen noch zur Zahlung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss in der Lage war. Trotz Hinweises des Senats hatte er sich nicht zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erklärt. Einen angekündigten Arbeitsvertrag hatte er nicht vorgelegt. Zudem war sein Sachvortrag widersprüchlich, soweit er einerseits vortrug, Eigentümer einer Immobilie in Andorra zu sein, gleichzeitig jedoch einen dort bestehenden Mietvertrag behauptete.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg stimmt mit den in der Rechtsprechung des BGH entwickelten Kriterien zur Kindeswohlprüfung im Fall der beabsichtigten Auswanderung eines Elternteils überein. In seiner Grundsatzentscheidung vom 28.04.2010 hat der BGH betont, dass zentraler Maßstab der gerichtlichen Entscheidung das Kindeswohl ist (BGH v. 28.4.2010 – XII ZB 81/09, FamRZ 2010, 1060 = FamRBint 2010, 51). Zwar hat das Gericht auch die sich gegenüberstehenden jeweiligen Elternrechte in seine Entscheidung einzubeziehen, doch richtet sich letztlich die zutreffende Entscheidung allein daran aus, wie sich eine Auswanderung letztlich auf das Kindeswohl auswirkt. Es bedarf einer sorgfältigen Prüfung zu den persönlichen Umständen des Kindes, in die etwa seine Resilienz mit Blick auf die notwendigen Anpassungsprozesse im Fall einer Auswanderung ebenso einzubeziehen sind, wie die Tatsache, dass das Kind durch die Auswanderung möglicherweise einen Elternteil nicht mehr so häufig sieht oder gar für den Fall, dass das Gericht eine Auswanderung des Kindes untersagt, es seine bisherige Hauptbezugsperson verliert. Bei der Bewertung des Kindeswohls hat selbstredend auch der Kindeswille in die Abwägung einzufließen. Zentrales Prüfungskriterium ist in diesem Kontext aber die Frage, ob der Kindeswille im konkreten Fall auch mit dem Kindeswohl vereinbar ist.

 

Nicht allein der Kindeswille zählt (OLG Frankfurt v. 16.10.2018 – 1 UF 74/18)

In kindschaftrechtlichen Verfahren wird allzu gern als vermeintliches „Rundum-Argument“ der angebliche Kindeswille bemüht, d.h. etwa wiederholte Äußerungen des Kindes nach Umgangsende bzw. vor Umgangsbeginn, dass es überhaupt nicht zu dem jeweils anderen Elternteil möchte. Gesteigert wird dies in einzelnen Fällen noch dadurch, dass einzelne Verfahrensbevollmächtigte ganz selbstverständlich davon berichten, dass das Kind ihnen gegenüber selbst solche Äußerungen getätigt habe, da sie es ebenso selbstverständlich empfinden, anlässlich der Rücksprache eines Elternteils nebenbei auch noch eine Kindesanhörung durchzuführen.

In einer aktuellen Entscheidung vom 16.10.2018 hat sich das OLG Frankfurt mit der Beachtlichkeit eines solchen Kindeswillens umfassend auseinandergesetzt (OLG Frankfurt v. 16.10.2018 – 1 UF 74/18). Darüber hinausgehend erfasst diese Entscheidung ein weiteres praxisrelevantes Thema und zwar die Voraussetzungen eines in einem Umgangsverfahren beantragten paritätischen Wechselmodells, wenn in einem früheren sorgerechtlichen Verfahren durch Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil bereits das Residenzmodell installiert wurde.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt erstrebte der Vater die Änderung eines familiengerichtlichen Beschlusses aus dem Jahr 2014, wonach seiner geschiedenen Ehefrau das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder übertragen worden war. Da er hilfsweise die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells beantragte, leitete das Gericht von Amts wegen ein Umgangsverfahren ein. In diesem Umgangsverfahren wurde dem Vater ein ausgedehnter Umgang jeweils 14-tägig donnerstags von 17 Uhr bis montags zum Schulbeginn und Telefonzeiten zuerkannt. Seine hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihm lediglich unter 14-tägig noch ein Umgang von dienstags Schulschluss bis mittwochs Schulbeginn zuerkannt wurde.

Bezüglich der erstrebten Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder im mütterlichen Haushalt hat der Senat darauf verwiesen, dass letztlich die Abänderung der früheren sorgerechtlichen Regelung in Rede stehe, auch wenn die Änderung nun in einem Umgangsverfahren zur Entscheidung gestellt werde durch Beantragung eines paritätischen Wechselmodells. In diesem Fall sei gleichwohl § 1696 Abs. 1 BGB der Abänderungsmaßstab und zwar orientiert an der früheren Sorgerechtsregelung.

Werde die Abänderung sodann allein auf den Kindeswillen gestützt, so könne ein nachdrücklich wiederholter Änderungswunsch eines Kindes grundsätzlich einen zu beachtenden triftigen Abänderungsgrund im Sinn des § 1696 Abs. 1 BGB darstellen. Im konkreten Fall sei dieser Wille aber nicht autonom von den Kindern gebildet worden. Vielmehr sei der Vater nicht in der Lage, seine Bedürfnisse von denen der Kinder zu trennen, so dass sich umgekehrt die Kinder in die Bedürfniswelt des Vaters einfänden und danach reagierten. Durch sein Verhalten versetze er die Kinder in Anspannung, verunsichere sie und bürde ihnen Schuldgefühle auf. Es rechtfertige sich damit auch keine Ausweitung der Umgänge, vielmehr entspreche die derzeit praktizierte Umgangsregelung den Bedürfnissen der Kinder nach Orientierung und Stabilität.

Beide Schwerpunkte der Entscheidung des OLG Frankfurt erfassen besonders praxisrelevante Themenbereiche:

In seiner Grundsatzentscheidung vom 1.2.2017 hat der BGH zwar festgestellt, dass einer familiengerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils die geltende Gesetzeslage nicht entgegensteht (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRB 2017, 136). Offen gelassen wurde aber die Frage, ob eine gleichanteilige Betreuung auch in einem Sorgerechtsverfahren angeordnet werden könnte, so dass ebenso offen ist, ob und unter welchen Voraussetzungen auch die Abänderung eines Sorgerechtsbeschlusses mit Anordnung eines Residenzmodells inzident in einem Umgangsrechtsverfahren möglich ist, in dem ein paritätisches Wechselmodell angestrebt wird. Zu dieser Frage wird sich der BGH nun in dem zugelassenen und anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren (Az.: XII ZB 512/18) hoffentlich äußern müssen.

Auch die Bedeutung des Kindeswillens im familiengerichtlichen Verfahren ist von wesentlicher Praxisrelevanz. Bei der näheren Präzisierung des Begriffes des Kindeswohls ist der Kindeswille einer der Prüfungsaspekte. Die Äußerung des eigenen Willens des Kindes ist Ausdruck seines Rechts auf Selbstbestimmung, durch die es gleichzeitig auch Bindungen zu einem Elternteil zum Ausdruck bringen kann. Hieraus folgt aber nicht zwingend, dass ein geäußerter Kindeswille letztlich alleinige Entscheidungsrelevanz besitzt. Unbeschadet der Tatsache, dass der Kindeswille mit den weiteren Kriterien der Kindeswohlprüfung, d.h. auch dem Förderungsgrundsatz, der Bindungstoleranz oder auch dem Kontinuitätsgrundsatz, in innerer Beziehung steht, muss sich der subjektiv geäußerte Kindeswille immer auch an dem objektiven Kindeswohl messen lassen. Nur wenn der geäußerte Wille stabil und mit dem Kindeswohl in Einklang zu bringen ist, kann er beachtliches Kriterium für die gerichtliche Entscheidung sein.

 

Beachtlichkeit des Kindeswillens bei der Sorgerechtsregelung (BVerfG v. 7.12.2017 – 1 BvR 1914/17)

Der „Kindeswille“ wird in Kindschaftsverfahren sehr häufig in die Argumentation eingeführt. Antragsteller und Antragsgegner der jeweiligen Verfahren sind intensiv bemüht, den seitens des Kindes geäußerten Willen darzulegen, und gehen davon aus, dass dieser selbstverständlich maßgeblich für die familiengerichtliche Entscheidung sein wird.

Mit einem Sachverhalt, in dem durch die jeweiligen Vorinstanzen dem geäußerten Kindeswillen ersichtlich zu wenig Bedeutung beigemessen wurde, hat sich aktuell das BVerfG befasst.

Die Eltern hatten wechselseitig die alleinige Sorge für ihr 2008 geborenes Kind beantragt, das personenstandsrechtlich als Junge registriert worden war, nach seinen Äußerungen aber ein Mädchen sein wollte. Diesen Äußerungen des Kindes stand der Vater ablehnend gegenüber. Während des laufenden Sorgerechtsverfahrens wurde dem Vater – ein Tag vor der Einschulung des Kindes – im Eilverfahren die Entscheidungsbefugnis zu der Frage übertragen, ob das Kind in mädchentypischer Kleidung an Schulveranstaltungen teilnehmen sollte. Im Hauptsachverfahren wurde ihm sodann die alleinige Sorge übertragen. Die Beschwerde der Mutter wurde zurückgewiesen, die sodann gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde einlegte und u.a. eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG rügte.

Das BVerfG hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Zur Begründung führt es u.a. aus, dass in die Sorgerechtsentscheidung der Wille des Kindes einzubeziehen sei, soweit er mit dem Kindeswohl vereinbar sei. Dem Kindeswillen komme mit zunehmendem Alter verstärkt Bedeutung zu als Ausdruck des Rechts zur Selbstbestimmung. Der Argumentation des Beschwerdegerichts widerspreche neben der eigenen gerichtlichen Erwartung, dass sich gerade der Vater „gegen den Willen des Kindes durchsetzen“ werde, auch die Feststellung der Sachverständigen, wonach das Kind beim Vater eine Abweisung mit seinen mädchenorientierten Verhaltensintentionen erlebe und insoweit eine Unsicherheit im Bindungsmuster zum Vater zeige, sowie letztlich der Umstand, dass der Vater in einem Eilverfahren beantragt habe, die Mutter zu verpflichten, das Kind „seinem Geschlecht entsprechend zu kleiden und es zu unterlassen, ihn in mädchentypischer Kleidung in die Öffentlichkeit gehen zu lassen.“ In der Entscheidung werde nicht hinterfragt, welche Auswirkungen es kurz- und mittelfristig für das Kind habe, wenn der Vater dem Wunsch des Kindes zum Tragen von Mädchenkleidung nicht entgegenkomme.

Im Rahmen einer nach § 1671 BGB zu treffenden Sorgerechtsregelung hat sich die gerichtliche Entscheidung am Kindewohl zu orientieren. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls wird in der Rechtsprechung durch verschiedene Kriterien näher präzisiert. Neben dem Kontinuitätsgrundsatz, der Förderungskompetenz oder den Bindungen eines Kindes fließt in die richterliche Bewertung auch der Kindeswille ein, da das Kind selbst Grundrechtsträger ist mit dem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Als Ausdruck des Rechts auf Selbstbestimmung gewinnt dieser Wille mit zunehmendem Alter des Kindes entsprechend stärkere Bedeutung.

Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der geäußerte Kindeswille in jedem Fall auch streitentscheidend sein wird. Neben dem Risiko einer Manipulation des Kindes muss auch ein etwaiger Loyalitätskonflikt des Kindes, folgend aus seinen Äußerungen, beachtet werden. Bei der Bewertung des geäußerten Kindeswillens ist daher stets zu prüfen, ob dieser Wille eigengebildet und Ausdruck der Selbstbestimmung ist. Dem Gericht obliegt jeweils die Prüfung der Stabilität des Kindeswillens und dessen Kompatibilität mit dem Kindeswohl. Um diese Prüfung im Interesse des Kindes vornehmen zu können, sieht nicht nur die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung eine Anhörung des Kindes ab vollendeten dritten Lebensjahr vor, sondern gibt das Gesetz dem Gericht auch die Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind sowie weitergehend auch der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Kindschaftsverfahren werden durch den Grundsatz der Amtsermittlung bestimmt. Es ist damit Aufgabe der Gerichte, von Amts wegen die notwendige Kindeswohlprüfung vorzunehmen und die hiermit einhergehenden juristisch nicht zu bewertenden Fragen einer ggf. sachverständigen Begutachtung zuzuführen. Voraussetzung ist allerdings, dass die zur Kindeswohlprüfung im Einzelfall erforderlichen Fragestellungen auch erkannt werden.

In der Praxisberatung sollte dem Kindeswillen in angemessener Form Rechnung getragen werden. Es ist durchaus verständlich, dass ein Elternteil auf einen ihm gegenüber geäußerten Willen des Kindes Bezug nimmt. Dieser Elternteil sollte allerdings auch darauf hingewiesen werden, in welcher besonderen Lage sich das Kind nach der Trennung seiner Eltern befindet und daher der geäußerte Kindeswille in jedem Fall darauf zu prüfen ist, ob er nicht nur Ausdruck einer Loyalitätsproblematik des Kindes ist. Bleibt der Kindeswille stabil, sollte in der gerichtlichen Auseinandersetzung dann aber darauf geachtet werden, dass er in der gebotenen Form – insbesondere durch Bestellung eines Verfahrensbeistands – in das Verfahren eingebracht und berücksichtigt wird.