Das große Schweigen – Gibt es eine Krise berufsständischer Versorgungssysteme?

Der Wert einer Versorgung wird maßgeblich durch deren Höhe und Dynamik bestimmt. Deshalb ist gut beraten, wer im Versorgungsausgleich sich nicht nur nach der Versorgungshöhe erkundigt, sondern auch deren Entwicklung in Anwartschafts- und Leistungsphase betrachtet. Nur dadurch gewinnt man ein realistisches Bild vom Wert einer Versorgung. Ihr Kapitalwert gibt darüber nur unzureichend Auskunft.

In dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht galt der Grundsatz, die öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen, gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung und die berufsständischen Versorgungen seien äquidynamisch und daher miteinander ohne Umrechnung saldier- und bilanzierbar. Dieser Narrativ hält sich beharrlich auch im neuen Versorgungsausgleichsrecht und wird von den Trägern der berufsständischen Versorgungssysteme und dem faktenlosen Vorverständnis der Berufsträger genährt. Wer wollte den ersten Stein werfen und eine Krise der berufsständischen Versorgungssysteme ausrufen? Stattdessen wird von den Versicherten dieser Versorgungssysteme eitler Dünkel gepflegt, die berufsständischen seien ‚besser‘ als die gesetzlichen Versorgungssysteme.

Wer darangeht, die Fakten dieses Vorverständnisses zu prüfen, reibt sich verwundert die Augen. Einzelne Stichproben ergeben ein desaströses Bild: Die Renten- und Anwartschaftsdynamik der berufsständischen Versorgungssysteme scheint flächendeckend weit hinter der Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung zurückzubleiben.

Das ist nicht verwunderlich, versichern diese Systeme doch gut ausgebildete Gutverdiener, die eine deutlich höhere Lebenserwartung als im Bevölkerungsdurchschnitt haben. Außerdem handelt es sich bei diesen Versorgungssystemen um stark kapitalgedeckte Versorgungen, deren Rendite und damit Leistungsfähigkeit unter der bisher lang anhaltenden Kapitalmarktschwäche, deren Ende nicht absehbar ist, leidet.

Um nun für Vergleiche im Versorgungsausgleich eine belastbare Grundlage zu schaffen, habe ich 90 öffentlich-rechtliche Versorgungsträger angeschrieben und gebeten, mir für eine Publikation die Dynamisierungswerte der letzten zehn Jahre zur Verfügung zu stellen. Man könnte erwarten, dass öffentlich-rechtliche Versorgungen ein solches Anliegen erfüllen, sind sie doch zur Publikation verpflichtet. Weit gefehlt. Fünf Versorgungen haben geantwortet und Daten zur Verfügung gestellt. 85 halten von Transparenz offenbar nicht viel. Einige bekennen sich offen und schriftlich zu dieser geheimnistuerischen Intransparenz.

Die Konsequenz dieses Publizitätsboykotts ist lästig. Ich muss nun hunderte Geschäftsberichte durchsehen, um die Daten zu ermitteln. Ich kann aber vorab schon eines feststellen: es gibt eine Krise der berufsständischen Versorgungen. Der bisher von mir ermittelte Spitzenreiter dynamisiert Anwartschaften und Leistungen in den letzten 10 Jahren mit ca. 0,74 % pro Jahr. Die Deutsche Rentenversicherung schafft immerhin 1,94 % und vermeidet damit wenigstens einen Kaufkraftverlust.

Sicher ist richtig, dass etliche ‚Berufsständische‘ durch Magerjahre ihre Gesundung einleiten (Heilfasten). Das kann aber weder die derzeitigen noch die zukünftigen Versorgungsbezieher beruhigen, weil eine Schwäche der Anwartschaftsdynamik über einen langen Zeitraum zu einer Schwäche der späteren Versorgungen führt und beim besten Willen nicht erkennbar ist, wie sich diese schleichende Devaluisierung ins Positive verkehren soll.

Diese Schwäche der ‚Berufsständischen‘ ist kein Skandal. Skandalös ist, dass die Situation nicht offen kommuniziert wird und dass deshalb im Versorgungsausgleich munter eine Saldierung berufsständischer Versorgungen gegen gesetzliche Versorgungen unternommen wird, weil der Berufsträger von der Qualität und Leistungsfähigkeit seiner Versorgung so überzeugt ist, dass er deren Strukturprobleme ignoriert. Diese kann man beheben, wenn man darüber spricht und Änderungen einleitet. Auch politisch könnte geholfen werden. Wenn man aber die eigene Leistungsschwäche als despektierlich empfindet und verschweigt, wird man eine Änderung nicht herbeiführen.

Für den Versorgungsausgleich kann nur vor saldierenden Vergleichen auf Renten- oder Kapitalbasis von berufsständischen und gesetzlichen Versorgungen gewarnt werden. Es wäre zu begrüßen, wenn die Träger der berufsständischen Versorgungen aktiv dazu beitrügen, derartige ihre Versicherten benachteiligende Vergleiche dadurch zu verhindern, dass sie ihre Leistungen offen publizieren. Bei der gesetzlichen Rente erkennt man die Dynamisierung auf den ersten Blick an dem omnipräsenten aktuellen Rentenwert. Schön wäre es, die Berufsständischen würden auf ihren Internetseiten ebenso offen nachziehen.

Das Sein und das Nichts (zu BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16)

1943 erschien das philosophische Hauptwerk von Jean Paul Sartre mit dem Titel „Das Sein und das Nichts“. An diesen Titel fühlt man sich bei Lektüre der BAG-Entscheidung erinnert:

Der zur Auskunft über die Höhe des ehezeitlichen Versorgungserwerbs aufgeforderte (ehemalige) Arbeitgeber des Ehemanns gibt im Scheidungsverfahren die Erklärung ab, ein ehezeitlichen Versorgungserwerb habe nicht stattgefunden. Der Versorgungsausgleich wird dementsprechend ohne den Ausgleich des betrieblichen Anrechts durchgeführt. Hintergrund der Auskunft des betrieblichen Versorgungsträgers war die Tatsache, dass der Ehemann einen Diebstahl zum Nachteil des Arbeitgebers begangen hatte mit einem Schädigungsvolumen von etwa 40.000 €. Daraufhin hatte der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgungszusage widerrufen. Überzeugt von der Wirksamkeit dieses Widerrufs hat er die Erklärung der Nichtexistenz einer betrieblichen Altersversorgung dem Familiengericht mitgeteilt.

Nach Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung beantragt der geschiedene Ehemann beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass der Widerruf der Versorgungszusage unrechtmäßig sei und ihm die versprochene Altersversorgung zustehe. Das Arbeitsgericht gibt ihm Recht, das Landesarbeitsgericht hat „Prozessverwirkung“ angenommen und der Berufung stattgegeben. Das BAG stellt das amtsgerichtliche Urteil wieder her und entscheidet – wenig überraschend –, dass die familiengerichtliche Entscheidung zwischen den Ehegatten Wirkung entfaltet, nicht aber zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber. Ein Widerruf der Versorgungszusage sei nicht durch die zulasten des Arbeitgebers begangene Straftat gerechtfertigt, weil es sich bei einer unverfallbaren Versorgungszusage um einen Entgeltbestandteil handelt. Nur wenn die ökonomischen Auswirkungen der Straftat zu einer Existenzgefährdung des Unternehmens führten, sei der Widerruf einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft gerechtfertigt.

Familienrechtlich ist dies ein Desaster. Dem geschiedenen Ehemann bleibt das Sein, der Ehefrau das Nichts, weil im familiengerichtlichen Verfahren fälschlicherweise von der Bestandskraft des Versorgungswiderrufs ausgegangen und die Versorgung deswegen nicht ausgeglichen worden ist.

Für die Ehefrau ist die Versorgung verloren: Eine Abänderung nach § 225 FamFG scheitert daran, dass diese nur für die öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen möglich ist (§§ 32 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 1 FamFG). Eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 ZPO scheitert daran, dass die Auskunft des Versorgungsträgers zwar falsch war, eine richtige Auskunft indessen vor Rechtskraft der Entscheidung urkundlich nicht gegeben war.

Natürlich wird die Ehefrau prüfen, ob die Haftpflichtversicherung Ihres Anwalts etwas hergibt. Dies eröffnet die Frage, nach der erforderlichen Prüfungstiefe der Versorgungsausgleichsauskünfte der Versorgungsträger durch die Anwaltschaft. Die Kontrolle der Höhe des ehezeitlichen Versorgungserwerbs wird man in der Regel erwarten können. Ob allerdings auch die Existenz des Stammrechts zu überprüfen ist, muss fraglich bleiben. Hier wird sich die Rechtspraxis auf die Auskünfte der Versorgungsträger verlassen können und müssen.

Arbeitnehmern, die eine Versorgung dem Ausgleich im Scheidungsverfahren entziehen wollen, sollten für den Widerruf der Versorgungszusage vor der letzten mündlichen Verhandlung des Scheidungsverfahrens sorgen. Anschließend könnten Sie bis zum Versorgungsbeginn die Unwirksamkeit des Versorgungswiderrufs durch den Arbeitgeber erstreiten. Nach diesem Zeitpunkt – so das BAG in seiner Entscheidung – tritt Prozessverwirkung und damit auch der Verlust der Versorgung ein. Das kann aber auch schadenersatzpflichtig machen. Es könnte aber sein, dass der Gesetzgeber sich erbarmt und den Katalog der abänderbaren Versorgungen des § 32 Versorgungsausgleichsgesetz erweitert oder – noch einfacher – den schuldrechtlichen Ausgleich auch für vergessene, verschwiegene oder nachträglich auftauchende Versorgungen zugänglich machen würde. Falschauskünfte betrieblicher Versorgungsträger sind nicht selten, sie werden nur selten erkannt.

Korrekturhinweis der Heubeck-AG: Kapitalwerte stimmen nicht!

 Die Heubeck AG hat einen Warnhinweis ausgegeben: Die Heubeck Richttafeln 2018-G enthalten offensichtlich einen finanzmathematischen Kalkulationsfehler, der zur Fehlberechnung der Kapitalwerte von betrieblichen und privaten Altersversorgungen führen kann. Die neuen Richttafeln 2018 G sind erst im Juli 2018 veröffentlicht worden. Die Kalkulationsergebnisse der neuen Gerichtstafeln weichen nur unwesentlich von denen der alten Gerichtstafeln ab und wären versorgungsausgleichsrechtlich weitgehend zu ignorieren gewesen.

Die jetzige Korrekturmitteilung lässt indessen aufhorchen und bietet all denjenigen, die eine Verzögerung von Versorgungsausgleichsverfahren aus dem Interesse ihrer Mandanten heraus betreiben die Chance, erneut auf die Zeitbremse zu treten und eine Korrektur der Tabellen und der Bewertungen abzuwarten.

Gegenüber den alten Tabellenwerten ist jedoch nichts wesentlich Neues zu erwarten. Waren bereits die auf der Basis der neuen Tabellen für den klassischen Scheidungsfall errechneten Werte nur unwesentlich anders als die nach den alten Tabellen ermittelten Werte, werden auch die neuen Tabellen keine revolutionären neuen Zahlen erbringen. Wie gering die Differenzen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden sind, macht der nachfolgende Vergleich deutlich:

Kapitalwertkontrolle

Das Beispiel zeigt, dass die mithilfe des kostenlosen Programms von Hauß/Glockner nahezu identische Ergebnisse erzielt werden wie mit den Heubeck Tabellen. (Das Programm finden Sie auch auf der Homepage des FamRB!)

Die Heubeck AG hat eine Korrektur ihrer Tabellen 2018-G für die nächsten 14 Tage angekündigt. Es wird sicherlich ein bis zwei Monate dauern, bis die Versorgungsträger Auskünfte auf der Basis der neuen Tabellen erteilen können. Derzeit vorliegende Auskünfte über die Kapitalwerte der Versorgungen sind mit den Heubeck Tabellen 2005-G erstellt. Im Hinblick darauf, dass deren Werte nicht mehr aktuell sein dürften, könnten die Verfahrensbeteiligten neue Auskünfte der Versorgungsträger einfordern. Ob dies angesichts der geringen Differenzen sinnvoll ist, mag jeder für sich entscheiden. Eine Verzögerung des Versorgungsausgleichsverfahrens bringt den ausgleichspflichtigen Rentenbeziehern in der Regel Vorteile, wiewohl jedes familiengerichtliche Verfahren eine Beeinträchtigung der Lebensqualität der Beteiligten darstellt.

Ein „Kampf um die Tabellen“ lohnt also nur in seltenen Fällen, zumal der Versorgungsträger einwenden könnte, die bilanzielle Rückstellung für die zu bewertende Versorgung sei noch mit Hilfe der alten Tabellen vorgenommen worden.

Wer ist eigentlich für Gerechtigkeit zuständig? (zu BGH v. 27.6.2018 – XII ZB 499/17)

Was Gerechtigkeit ist, ist eine philosophisch schwierige Frage. Ebenso die Frage, wer für sie zuständig ist. Ein Blog-Beitrag wird nicht klären, was die gesellschaftliche Diskussion bislang nicht geschafft hat. Eine Entscheidung des BGH zum Versorgungsausgleich indessen hilft weiter.

Der Fall ist schnell berichtet: M(62) und F(52) lassen sich scheiden. Zum Ehezeitende (2013) ist M Rentner. Der betriebliche Versorgungsträger teilt die ehezeitliche Rente von M mit 1.975 € mit und schlägt als Ausgleichswert eine Rente für F i.H.v. 1.570 € vor. Dieser Wert ergibt sich aus der Umrechnung der Mannesrente in einen Kapitalwert, dessen Halbteilung und der Umrechnung des hälftigen Kapitalwerts in eine Frauenrente. Deren die Halbteilung deutlich übersteigender Wert resultiert aus dem deutlich geringeren Alter der F.

Das Familiengericht hält sich nicht an den Vorschlag des Versorgungsträgers und begründet zugunsten der F eine Versorgung aus einem Ausgleichswert von 170.000 €. Dieser Systemwechsel (von Rente zum Kapital) empört die F, sie legt Beschwerde ein. Das OLG gibt dieser statt und begründet für F, wie vom Versorgungsträger vorgeschlagen, eine Versorgung in Höhe von 1.570 € anstelle des Kapitalwerts. Das empört nun den Mann, der die zugelassene Rechtsbeschwerde einlegt. Der BGH beschließt – dogmatisch korrekt – die Versorgung sei auf der Basis ihrer Bezugsgröße zu teilen, diese habe der Versorgungsträger als Rente angegeben, also müsse die Halbteilung auf Rentenbasis erfolgen. Er weist den Fall an das OLG zurück, das nun zu ermitteln hat, wie hoch die Rente des inzwischen Rente beziehenden M aktuell ist, damit deren aktualisierter Ehezeitanteil hälftig geteilt wird.

Na prima, wird der eilige Leser sagen, die Rententeilung ist doch das Gerechteste, was überhaupt passieren kann. Der Gesetzgeber hat einen allgemeinen Rahmen geschaffen, den die Gerichte – wenn auch über drei Instanzen mit unterschiedlichen Ergebnissen – schließlich zu einem individuell gerechten Ergebnis konkretisiert haben. Beide erhalten – bezogen auf die Ehezeit – die gleiche Rente, keine Transferverluste, der vollständige Sieg nomineller Gerechtigkeit.

Der Schein trügt. Für M und F ist nicht maßgeblich, ob im Ehezeitende 2013 gleich hohe Rentenanteile begründet werden, sondern dass sich die Renten auch gleich entwickeln. Das ist aber bei der vom BGH dogmatisch begründeten Lösung nicht der Fall, weil M seine Rente altersbedingt 10 Jahre vor F erhält. Aus seinem ehezeitlichen Rententeil von 1.975 / 2 = 987,50 € sind bei anzunehmender Leistungsdynamik von 1,75 % bei Renteneintritt von F bereits 1.175 € geworden. F wird aber bei Renteneintritt nur 987,50 € Rente erhalten. Dass sie ein Rentenminus von rd. 200 € monatlich als gerecht empfinden wird, ist zu bezweifeln.

An dieser Stelle kommen nun Beteiligte und Anwaltschaft bei der Suche nach Gerechtigkeit ins Spiel. Auch das Verfahrensrecht dient in seiner formalen Strenge der Gerechtigkeit. Eines ist nämlich gewiss: M verliert die Hälfte seines ehezeitlichen Versorgungserwerbs, also 987,50 €, ab Rechtskraft der Entscheidung, gleichgültig ob auf Kapital- oder Rentenbasis geteilt wird. F könnte aber 1.570 € Rente statt 987,50 € bekommen, wenn es bei der Entscheidung des OLG oder des Familiengerichts verbliebe. Die Umrechnung des Kapitalwerts von 170.000 € in eine Rente erbrächte ebendieses Ergebnis. Nähme also F ihre Beschwerde zurück, erwüchse die Entscheidung des Familiengerichts in Rechtskraft. F hätte eine schöne Rente, M keinen Nachteil und der Versorgungsträger keinen Vorteil. Die BGH-Lösung führt beim Versorgungsträger nämlich zu einer Einsparung von rd. 70.000 €. Im Interesse des ungekürzten weiteren Versorgungsbezugs durch M, der für F nicht nachteilig ist, sollten die beiden das Verfahren noch ein wenig verzögern. F sollte dann ihre Beschwerde zurücknehmen, bevor sie selbst in Rente geht. Das wäre dann eine gute anwaltliche Taktik, um M das „Rentnerprivileg“ zu verschaffen (vgl. dazu den Blogbeitrag des Verfassers „Das Märchen vom teuren Rentnerprivileg“).

Die eingangs gestellte Frage nach der Zuständigkeit wäre damit beantwortet: Alle Beteiligten sind zuständig, gerechte Ergebnisse zu produzieren: Der Gesetzgeber, indem er allgemeine Regelungen aufstellt und bei erkannten Fehlern zügig auch repariert, die Gerichte, indem sie diese Regeln auf den Einzelfall anwenden und im Rahmen ihrer judikativen Kompetenz ergänzen, und die Anwaltschaft, indem sie ihre Mandanten robust dazu anhält, sinnvolle Lösungen zu finden. Das vorliegende Beispiel zeigt, dass bei Verständnis für die Systematik von Versorgungen und ihres Ausgleichs ohne Schwierigkeiten Win-Win-Situationen zu vereinbaren sind.

 

Versorgungsausgleich: BVV knickt ein!

Bei der internen Teilung von ehezeitlich erworbenen Ansprüchen in der betrieblichen und privaten Altersversorgung findet oftmals eine wundersame Abwertung der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person statt:

  • Der BVV (Bankenversicherungsverein) schlägt den Gerichten seit langem vor, den Ausgleichswert für die ausgleichsberechtigte Person im Tarif ARLEP zu begründen. Dieser Tarifwechsel ist verbunden mit einem Rechnungszinsverlust. Während im Ausgangstarif ein Rechnungszins von 3,5–4 % angewandt wird, ist der Zieltarif derzeit lediglich mit einem Rechnungszins von 0,9 % ausgestattet. Für eine 50-jährige Frau bedeutet dies, dass die gesicherte Versorgungserwartung sich gegenüber dem Quelltarif in etwa halbiert.
  • Auch die private Versicherungswirtschaft (Allianz & Co) begründet den Ausgleichswert der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person nach der Teilungsordnung zu den im Zeitpunkt der Rechtskraft maßgeblichen Versicherungstarifen. Auch bei diesen Versorgungen kommt der sog. aktuelle Höchstrechnungszins als „Garantiezins“ zur Anwendung, was zu einer deutlich verminderten Versorgungsleistung gegenüber der Quellversorgung führt.

Die Rechtsprechung hat dies teilweise erkannt und moniert.[1]

Der BVV korrigiert nun seine Praxis und hat angekündigt, künftig die Versorgungsverluste durch Umstellung der Tenorierung und Tarifierung zu vermeiden. In allen laufenden Verfahren werden indessen vom BVV nicht freiwillig neu Auskünfte erteilt. Die Anwaltschaft ist daher aufgerufen, in den noch nicht rechtskräftigen Verfahren unter Beteiligung des BVV das Gericht auf die Notwendigkeit der Einholung neuer Auskünfte ausdrücklich hinzuweisen. Für die ausgleichspflichtige Person entstehen dadurch keine versorgungsrechtlichen Nachteile. Die ausgleichsberechtigte Person gewinnt einen fairen Ausgleich und damit ein höheres Alterseinkommen, was möglicherweise auch zu geringeren Unterhaltsleistungen der ausgleichspflichtigen Person führt.

Die privaten Versorgungsträger beharren allerdings auf ihrer Standardteilungsordnung und bieten lediglich dann, wenn die Beteiligten die mangelnde Angemessenheit des Teilungsergebnisses rügen, an, die Tarifierung an die Quellversorgung anzupassen.

Die Anwaltschaft ist aufgerufen, im Versorgungsausgleich aufmerksam darauf zu achten, dass die interne Teilung nicht zu Lasten ihrer Mandanten in einen neuen Tarif des Versorgungsträgers erfolgt.

Vor Umstellung der Praxis des BVV hatte das OLG Köln[2] das Risiko des Versorgungsverlusts durch folgende Tenorierung gebannt:

Im Wege der internen Teilung werden zu Lasten der für die ausgleichspflichtige Person bei dem BVV-Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. unter der Vertragsnummer … bestehenden betrieblichen Altersversorgung zugunsten der ausgleichsberechtigten Person nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen ARLEP/oG-V 2017 ein Anrecht in Höhe von … Euro, bezogen auf den … inklusive der Wertentwicklung bis zum 31.7.2018, verbunden mit der weiteren Maßgabe, dass für das zu begründende Anrecht der ausgleichsberechtigten Person der Rechnungszins, der dem auszugleichenden Anrecht des Antragstellers zugrunde liegt, zur Anwendung kommt.

Bis auch die privaten Versorgungen ihre Teilungsanordnung der Rechtslage entsprechend umstellen, kann eine Tenorierung analog der Praxis des OLG Köln Versorgungsverluste für die ausgleichsberechtigte Person vermeiden.

 

[1] OLG Schleswig v. 12.2.2014 – 13 UF 215/13, FamRZ 2014, 1113; OLG Frankfurt v. 25.8.2017 – 4 UF 146/15, FamRZ 2018, 500 (LS); OLG Frankfurt v. 30.11.2016 – 6 UF 115/16; OLG Saarbrücken v. 6.7.2015 – 6 UF 16/15; OLG Stuttgart v. 18.2.2016 – 11 UF 230/15, FamRZ 2016, 1689 (LS); OLG Köln v. 4.7.2017 – 4 UF 45/14, bestätigt durch BGH v. 9.5.2018 – XII ZB 391/17.

[2] OLG Köln v. 4.7.2017 – 4 UF 45/14, bestätigt durch BGH v. 9.5.2018 – XII ZB 391/17.

Da waren’s nur noch zwei (zu BGH v. 7.3.2018 – XII ZB 408/14 – Anwartschaftsdynamik, Halbteilungsgrundsatz, Rententrend)

Das Lied von den zehn kleinen Negerlein[1] kennen sogar Juristinnen und Juristen. Der BGH hat nun im Versorgungsausgleich – offenbar im Bewusstsein ansonsten entstehender Langeweile – gleich mit der achten Strophe angefangen.

Für die Teilungsmöglichkeiten der Betriebsrenten hatte der Gesetzgeber die Barwerthalbteilung, die Rentenhalbteilung und die Rentenhalbteilung auf Basis geschlechtsneutraler Barwertfaktoren zugelassen. Alle diese drei Methoden hatten ihre Vor- und Nachteile, die von den Versorgungsträgern meist zu ihrem Vorteil genutzt wurden:

  • Die Barwerthalbteilung führt bei Kostenneutralität für den Versorgungsträger in bestimmten Fällen zu einem die Halbteilung verfehlenden Rentenertrag der ausgleichsberechtigten Person.
  • Die Rentenhalbteilung verfehlt in bestimmten Fällen die Kostenneutralität für den Versorgungsträger, dieser kann sparen, aber auch draufzahlen.
  • Die geschlechtsneutrale Barwertteilung führt – bei Kostenneutralität für den Versorgungsträger – in bestimmten Fällen zu einer Rente, die unter dem halben Rentenwert für die ausgleichspflichtige Person liegt.

Am häufigsten wird die Barwerthalbteilung praktiziert. Die ausgleichsberechtigte Person verliert dabei immer die Hälfte ihrer ehezeitlichen Rente. Der Rentenertrag für die ausgleichsberechtigte Person bleibt im Dunkeln, solange der Gesetzgeber den Versorgungsträgern nicht auferlegt, diesen beim Teilungsvorschlag mit anzugeben und öffnet daher Tür und Tor für Betrügereien. Welche ausgleichsberechtigte Frau im Alter 50 weiß am 31.12.2017, wie hoch die Rente aus 50.000 € Ausgleichswert ab ihrer Regelaltersgrenze sein müsste.[2]

Seltener ist die Rentenhalbteilung. Sie kann – geschlechts- und altersabhängig – die Kostenneutralität des Versorgungsträgers verletzen, ihn aber auch begünstigen. Sie ist für die Beteiligten transparent. Jeder bekommt die halbe ehezeitliche Rente, gleich wie alt oder weiblich man ist.

Ganz selten geschieht die Teilung auf der Basis geschlechtsneutraler Barwertfaktoren, die – wiederum geschlechts- und altersabhängig – dazu führen kann, dass beiden Ehegatten weniger als die Hälfte der ehezeitlich erworbenen Rente der ausgleichspflichtigen Person verbleibt. Ein solcher Fall lag der Entscheidung des BGH zugrunde. Die IBM wollte so teilen und scheiterte beim BGH, der kurzerhand dieses ‚Negerlein‘ für unzulässig erklärte:

  1. Der Halbteilungsgrundsatz gebietet es nicht nur, dass die ausgleichsberechtigte Person die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Kosten der Teilung erhält, sondern ebenso, dass der ausgleichspflichtigen Person die Hälfte des von ihr erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Teilungskosten verbleibt (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 447/13, BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 = FamRB 2016, 176).

(BGH, Beschl. v. 7.3.2018 – XII ZB 408/14)

Nun fragt man sich verdutzt, wie denn Gerichte und Anwaltschaft erkennen sollen, welcher Rentenertrag für die beiden Ehegatten entstehen soll, wenn der Versorgungsträger sich weigert, diesen mitzuteilen. Denn – so der BGH – nur die ausgleichspflichtige Person ist halbteilungssensibel. Es existiert leider keine Verpflichtung des Versorgungsträgers mitzuteilen, um welchen Betrag die Rente der ausgleichspflichtigen Person durch den Versorgungsausgleich verringert wird. Ganz zu schweigen davon, dass fast alle Versorgungsträger sich beharrlich weigern, den Rentenerwartungswert für die ausgleichsberechtigte Person zu offenbaren.

Bei der externen Teilung ist es einfach, die Rentenerwartung für die ausgleichsberechtigte Person zu bestimmen: Der Kapitalwert wird in der gesetzlichen Rentenversicherung in Entgeltpunkte umgerechnet[3] und mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert[4].

Bei der internen Teilung kann man den Rentenerwartungswert nur vom Versorgungsträger oder kostenträchtig von einem Gutachter bzw. Versicherungsmathematiker oder durch Anwendung des Ihnen auf der FamRB-Homepage kostenlos zur Verfügung gestellten BerechnungstoolsKapitalwertkontrolle im Versorgungsausgleich[5] erfahren. Das alles bleibt aber solange im obskuren Dunkel des Unwissens verborgen, solange Gerichte und Anwälte sich von den versicherungsmathematischen Zusammenhängen überfordert fühlen und ihre versorgungsausgleichsrechtliche Erkenntnisaversion pflegen.

Der Gesetzgeber bleibt aufgefordert, wenigstens an dieser Stelle das Gesetz zu ändern und den Versorgungsträgern aufzuerlegen, die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs auf die Rente der ausgleichspflichtigen Person und die Rentenerwartung der ausgleichsberechtigten Person darzustellen. Anderenfalls wird die Entscheidung des BGH weitgehend wirkungslos verhallen, weil die Betroffenen zu spät merken, dass die ehezeitlich erarbeitete Rente zu stark gekürzt wird oder das Teilungsergebnis unangemessen niedrig ist. Der Tenor bindet nämlich den betrieblichen Versorgungsträger.[6] Was einmal familienrechtlich verkorkst wurde, ist rettungslos verloren.

Gerichte und Anwaltschaft bleiben aufgefordert, zur Kontrolle des angemessenen Teilungsergebnisses (§ 11 VersAusglG) den Versorgungsträger zu veranlassen, die Rentenerwartungen der Ehegatten nach dem Versorgungsausgleich zu dokumentieren.

Die Entscheidung des BGH hat aber auch noch andere Aspekte und offenbart bundesrichterliches Mitgefühl mit der Praxis:

„Selbst wenn die Teilungsordnung eindeutige Regelungen dazu enthält, wie der Kürzungsbetrag beim Ausgleichspflichtigen zu ermitteln ist, sind diese – in erster Linie an den Versicherungsmathematiker gerichteten – Beschreibungen regelmäßig sehr technisch gehalten und erschweren dadurch eine inhaltliche Kontrolle der Regelung durch Gericht und Verfahrensbeteiligte erheblich.“(Rz. 40)

Beherzt räumt der BGH denn auch gleich zwei andere Problemfelder ab:

Der Rententrend, also die Dynamik einer betrieblichen Altersversorgung in der Rentenbezugsphase, ist bei Ermittlung des korrespondierenden Kapitalwerts und damit auch des Ausgleichswerts mit zu berücksichtigen, selbst wenn nicht sicher vorausgesagt werden kann, wie hoch dieser Rententrend ist. Das Gesetz (§ 16 BetrAVG) lässt für betriebliche Altersversorgungen drei Möglichkeiten zu: Die Leistungsanpassung kann dadurch erfolgen,

  • dass jährlich die Renten um ein Prozent angehoben werden oder
  • alle drei Jahre die Renten nach Entwicklung des Verbraucherpreisindex angehoben werden oder
  • die Anhebung entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne der vergleichbaren Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Dreijahreszeitraum erfolgt.

Der BGH entscheidet nun klipp und klar, dass der Rententrend bei der Bewertung der Versorgung zu berücksichtigen ist. In der Praxis muss dies dazu führen, dass Anwaltschaft und Gerichte zu prüfen haben, ob in der Auskunft des Versorgungsträgers ein Rententrend angegeben worden ist. Sieht die Versorgungsordnung eine Rentenerhöhung von ein Prozent pro Jahr vor, ist dieser Prozentsatz zugrunde zu legen. Erfolgt die Anhebung nicht nach einem festen Prozentsatz, kann für die anzunehmende Rentendynamik ein Steigerungssatz von 1,75 % bis 2 % angenommen werden. Im klassischen Scheidungsalter von 50 Jahren führt die Annahme eines Rententrends von einem Prozent zu einer etwa zehnprozentigen Steigerung des Ausgleichswerts.

Bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen ist die Gehaltssteigerung zwischen Ehezeitende und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in die Entscheidung aufzunehmen und bei der Berechnung des Ausgleichswerts zu berücksichtigen. Dies ist nicht ganz unproblematisch. Eine nachehezeitliche Gehaltssteigerung beruht nämlich auf nachehezeitlich erbrachter Leistung der ausgleichspflichtigen Person. Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um einen Karrieresprung handelt. Deshalb ist vertreten worden, dass bei endgehaltsbezogenen Versorgungen der nachehezeitliche Versorgungszuwachs unberücksichtigt bleiben muss (Erman/Norpoth/Sasse, 14. Aufl., § 5 VersAusglG Rz. 8; differenzierend wie jetzt auch der BGH in Rz. 35 der Entscheidung: NK-FamR/Hauß, 3. Aufl., § 19 VersAusglG Rz. 8f.). Eine Gehaltssteigerung, die lediglich dem Inflationsausgleich dient, ist danach bei Bewertung der Versorgung zu berücksichtigen, eine Gehaltssteigerung, die auf individueller nachehezeitlicher Leistung der ausgleichspflichtigen Person beruht, wird nicht ausgeglichen (Karrieresprung).

Und zum Schluss noch der Hinweis: Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Ehezeitende lediglich erforderlich ist, um die Höhe der ehezeitlich erdienten Versorgung zu bestimmen. Die Bewertung dieser Versorgung, also ihre Kapitalisierung, erfolgt zu einem entscheidungsnahen Zeitpunkt, weil auch die Umsetzung der Entscheidung des Gerichts in der Regel nicht zum Ehezeitende erfolgt, sondern nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung.

[1] Ich weiß um die mangelnde Korrektheit dieses ‚Unworts‘, die allerdings in der Miniaturisierung relativiert wird. ‚Farbige‘ passt rythmisch nicht und ist vielleicht auch nicht korrekt und ‚farbige Weiße‘ wäre soziologisch korrekt, im Lied aber nicht unterzubringen.

[2] Es sind ca. 378 € bei einem Rententrend von 1 %.

[3] Derzeit knapp 7.000 € pro Entgeltpunkt.

[4] Derzeit noch 31,03 €, ab 1.7.2018 32,03 €.

[5] Dazu Hauß, FamRB 2017, 122.

[6] BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 813/14, FamRZ 2015, 535 = FamRB 2016, 184.

Bundesgerichtshof sorgt für kräftige Rentennachzahlung in der Zusatzversorgung

Rentner der Zusatzversorgung des öffentlichen oder kirchlichen Dienstes, die vor dem 1.10.2010 geschieden worden sind, können sich auf eine kräftige Rentennachzahlung freuen. Der Bundesgerichtshof hat am 10.1.2018 entschieden, dass die durch den Versorgungsausgleich verursachte Kürzung der Renten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes über viele Jahre hinweg rechtswidrig zu hoch vorgenommen worden ist. Für die Rentner bedeutet dies, dass Sie eine Nachzahlung der unberechtigt einbehaltenen Rentenanteile einfordern können. Für die Zeit ab Januar 2015 sind diese Rückforderungsansprüche auch nicht verjährt.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH v. 10.1.2018 – IV ZR 262/16) hatte der Versorgungsträger die Rente des geschiedenen Mannes um 53 € gekürzt. Das sei zu viel, entschied der Bundesgerichtshof und verwarf damit gleichzeitig die entsprechende Satzungsbestimmung des Versorgungsträgers. Eine Kürzung von allenfalls 11 Euro sei berechtigt gewesen.

Für geschiedene Rentenbezieher aus der Zusatzversorgung des öffentlichen und kirchlichen Dienstes bedeutet diese Entscheidung ein erhebliches Neujahrsgeschenk. In nahezu allen Fällen ist die Rentenkürzung zwischen 50 und 80 % zu hoch ausgefallen.

Die Versorgungsträger werden den betroffenen Rentnern die vorenthaltenen Renten nicht freiwillig auszahlen. Der Anspruch muss vielmehr bei den Versorgungsträgern geltend gemacht werden.

Für die Betroffenen und die beratenden Anwälte ist die Geltendmachung des Anspruchs nicht ganz ungefährlich, weil der Versorgungsträger ein Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 3 VersAusglG einleiten und damit bewirken kann, dass der nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht durchgeführte Versorgungsausgleich den neuen Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes unterworfen wird. Dies kann wegen der dann erfolgenden Realteilung auch Nachteile für den Rentner bergen. Solche Nachteile sind insbesondere zu beachten, wenn weitere betriebliche Anrechte auf seiten des Beziehers der ZVK-Versorgung bestehen oder auf der Gegenseite Anrechte aus der Beamtenversorgung in der Ehezeit erworben worden sind und die Ehezeit vor dem 1.1.2002 geendet hat. Aus Gründen anwaltlicher Vorsorglichkeit ist daher immer anhand des alten Scheidungsurteils eine mandantenbezogene Prognose für den Fall der Einleitung eines Abänderungsverfahrens nach § 51 Abs. 3 VersAusglG vorzunehmen.

Bis zur Umstellung der Rente auf das neue Recht steht den Rentnern allerdings der Anspruch auf den unberechtigt einbehaltenen Kürzungsbetrag zu. Für den nicht verjährten Forderungszeitraum von drei Jahren kann dieser Anspruch beim Versorgungsträger geltend gemacht und, falls dieser die Zahlung verweigert, bei Gericht eingeklagt werden.

Ob es sich für die Betroffenen überhaupt lohnt, können diese recht einfach feststellen:

  • Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich muss beim Familiengericht vor dem 1.10.2010 ergangen sein.
  • In der Entscheidung ist der Ehezeitanteil der Zusatzversorgung angegeben, der mit Hilfe der Barwertverordnung (BarwertVO) in einen dynamisierten Ehezeitanteil umgerechnet worden ist. Die Hälfte der Differenz zwischen dem Ehezeitanteil und dem dynamisierten Ehezeitanteil ist die unberechtigt einbehaltene Rentenkürzung, die vom Versorgungsträger für die Zeit ab 2015 nachzuzahlen wäre.

Zeitpunkte

Hinweis der Redaktion: Lesen Sie zu dem Thema auch die Blog-Beiträge des Autors vom 6.6.2017 und vom 17.8.2016.

Das Märchen vom „teuren Rentnerprivileg“ – Zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu den Auswirkungen der Abschaffung des Rentnerprivilegs

Die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags neigte sich schon dem Ende zu, als mehrere Abgeordnete und die Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN von der Bundesregierung wissen wollten, ob sich die Abschaffung des Rentnerprivilegs im neuen Versorgungsausgleich bewährt habe (BT-Drucks. 18/13470). Die Frage ist berechtigt, denn immerhin führt die Abschaffung des Rentnerprivilegs in laufenden Rentenbezugsfällen oftmals zur Halbierung der Renteneinkünfte der Betroffenen. Das löst für diese ernste soziale Probleme aus.

In ihrer Antwort (BT-Drucks. 18/13594) verteidigt die Bundesregierung die Abschaffung des Rentnerprivilegs mit einer Demagogie. Sie führt aus, dieses Privileg führe „zu Belastungen des Versorgungsträgers des Ausgleichspflichtigen, da trotz Durchführung des Versorgungsausgleichs zunächst in voller Höhe weiterhin an die privilegierten Ausgleichspflichtigen zu leisten war, später an den Ausgleichsberechtigten“.

Das Argument unberechtigter Kostenbelastung ist aber falsch. Das Rentnerprivileg steht nämlich zu Unrecht im Verdacht, die Versorgungsträger zu ruinieren. Dies macht folgende Kontrollüberlegung deutlich: Ein Versorgungsträger, der ein Rentenversprechen an einen verheirateten Versicherten gegeben hat, hat schlimmstenfalls (bei hohen Altersabstand der Eheleute) an den Versicherten die volle Altersrente und an seine Witwe über deren Restlebenserwartung die Hinterbliebenenversorgung zu zahlen. Diese beträgt im Regelfall 60 % der Altersrente des Versicherten. Schlimmstenfalls kommt also eine Leistungspflicht i.H.v. 160 % der Versorgungszusage auf den Versicherungsträger zu. Da der Altersabstand in der Regel aber nur 3–4 Jahre beträgt, liegt die tatsächliche Belastung deutlich darunter. Lässt sich nun unser Versicherter bei Erreichen der Regelaltersgrenze scheiden, würde der Versorgungsträger bei Fortgeltung des Rentnerprivilegs an den Versicherten 100 % des Ehezeitanteils der Versorgung zu zahlen haben und an seinen Ehegatten 50 %. Insgesamt also schlimmstenfalls 150 % des Versorgungsvolumens. Ohne Rentnerprivileg sieht die Sache für den Versorgungsträger noch schöner aus: Die Leistung an den Versicherten reduziert sich auf 50 % des Ehezeitanteils und an seinen Gatten schlimmstenfalls ebenfalls auf 50 %. Insgesamt zahlt der Versorgungsträger in diesen Fällen daher nur 100 %.

Noch deutlicher wird die Ungerechtigkeit des Wegfalls des Rentnerprivilegs in Invaliditätsfällen. Wer aus einer betrieblichen Altersversorgung wegen Invalidität eine Versorgung erhält, verliert in der Regel im Scheidungsfall die Hälfte dieser Versorgung. Nur in Ausnahmefällen kann dieser Versorgungsverlust über § 35 VersAusglG kompensiert werden. Der betriebliche Versorgungsträger indessen kann sich freuen: Er spart vom Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung 50 % der Versorgung, ohne dass er für die ausgleichsberechtigte Person äquivalente Vorsorge treffen müsste. Der Versorgungsausgleich wird so zum guten Geschäft.

Das oberflächlich so einleuchtend klingende Argument, dass Rentnerprivileg werde von der Versichertengemeinschaft finanziert, ist richtig. Jede Rente wird nämlich von der Versichertengemeinschaft finanziert. Die Beiträge der planwidrig Frühversterbenden finanzieren die Renten der planwidrig Spätversterbenden. Die entscheidende Frage ist, ob die Finanzierung einer Rente unzulässigerweise zum Nachteil der Versichertengemeinschaft geschieht. Dies ist indessen nicht der Fall, wenn der Versorgungsträger lediglich das von ihm bei Erteilung der Versorgungszusage übernommene Versorgungsrisiko trägt. Der Wegfall von Rentner- und Pensionistenprivileg ist nicht mit einer angeblich ungerechtfertigten Belastung der Versichertengemeinschaft zu rechtfertigen. Der Wegfall der Versorgungsprivilegien privilegiert die Versorgungsträger und schädigt die Rentenberechtigten.

In der Antwort der Bundesregierung verblüffen einige Tabellen, aus denen sich ergibt, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung über den Versorgungsausgleich mehr Renten mit höheren Ausgleichswerten begründet als ausgeglichen werden. Dies resultiert indessen aus dem Umstand, dass im Versorgungsausgleichsfall Versorgungen der Landes- und Kommunalbeamten in die gesetzliche Rentenversicherung ausgeglichen werden und in verstärktem Maße auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, Betriebsrenten im Fall des externen Ausgleichs in die gesetzliche Rentenversicherung auszugleichen. Insoweit hat die Diskussion der letzten Jahre (s. z.B. zur „Qual der Wahl einer Zielversorgung“ Götsche, FamRB 2013, 151 und Hauß, FamRB 2013, 223) offenbar gefruchtet. Die gesetzliche Rentenversicherung wird als der derzeit wohl profitabelste, jedenfalls aber als der sicherste Versicherungszweig erkannt.

Übrigens: Für Soldaten wurde das Pensionistenprivileg auch schon wieder eingeführt (§ 55c SVG; s. dazu Hauß, FamRB 2015, 239) und einige Länder haben es für ihre Landesbeamten immer noch (Norpoth, FamRB 2014, 109).

Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN kam zu spät, um zum Ende der vergangenen Legislaturperiode noch legislative Aktivität auszulösen. Manchmal werden aber Märchen wahr und es wäre wahrhaft märchenhaft, würde der Gesetzgeber der Logik folgen und für alle Versorgungssysteme das Rentner-und Pensionistenprivileg wieder einführen. Weil es die Versorgungsträger nicht mehr kostet als die Fortsetzung der Ehe ihrer Versicherten, sollte man es nicht nur für die öffentlich-rechtlichen, sondern auch für alle privaten Versorgungsträger wieder einführen.

Es mag sein, dass die Versorgungsausgleichsrechtler noch lange argumentieren müssen, bis der Gesetzgeber die Ungerechtigkeit des Wegfalls von Rentner- und Pensionistenprivileg begreift. Diese beiden als „Privilegien“ denunzierten Korrektive zu reaktivieren, würde ein wirklich sinnvolles familienrechtliches Vorhaben in einer neuen Koalition sein. Bis zu seiner flächendeckenden Wiedereinführung bleibt uns Anwälten nur eins übrig: Laufende Versorgungen sollten aus dem Ausgleich ausgenommen und solche Verfahren verzögert werden. Ein paar Jahre sind da immer drin.

Ich muss wohl eine Riesenschildkröte sein

Wer sich im Rentenalter scheiden lässt, hat doppelt Pech. Nach bindender Bewilligung einer Altersrente kann der Ausgleichsbetrag aus einer betrieblichen Altersversorgung nicht mehr als Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden. Übrig bleibt – neben anderen privaten Versorgungen – nur die Versorgungsausgleichskasse. Für einen Ausgleichswert von 53.000 € gewährt diese eine lebenslange Garantierente i.H.v. 185,75 € monatlich. Das ist zwar immer noch mehr, als jede private sonstige Versorgung gewährt, aber doch reichlich wenig. Schaut man in die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes, ergibt sich für einen 68 Jahre alten Mann des Baujahrs 1949 eine Restlebenserwartung von 16,79 Jahren. Da das Statistische Bundesamt seine Generationensterbetafeln jüngst aktualisiert hat, kann man davon ausgehen, dass diese Restlebenserwartung halbwegs realistisch ist. Die Versorgungsausgleichskasse müsste einen Rechnungszins von 0,9 % und damit nach der Versicherungsmathematik eine Versorgung i.H.v. monatlich 285 € garantieren. Sie gewährt allerdings ca. 100 € weniger. Bei dem derzeit niedrigen Zinssatz bedeutet dies, dass ich noch 27 Jahre leben müsste, um den Ausgleichswert rentenrechtlich zu verbrauchen. Man kann es auch anders ausdrücken: Der Ausgleichswert in der Versorgungsausgleichskasse wird mit einem Negativzins von ca. 3,6 % verrechnet.

Die Vorstellung ist grausam, da diese 27 Jahre die mittlere Lebenserwartung angeben. Ich würde also durchschnittlich 95 Jahre alt. Auch Riesenschildkröten haben eine mittlere Lebenserwartung von 95 Jahren. Ich werde mich bemühen, es schneller zu erledigen.

Für die versorgungsausgleichsrechtliche Praxis bedeutet dieses niederschmetternde Ergebnis, dass man insbesondere bei rentennahen Jahrgängen alle Register ziehen sollte, einen vernünftigen saldieren Vergleich im Versorgungsausgleich zu erreichen. Die Lebensversicherungsunternehmen bedienen sich zur Berechnung der Renten nämlich ganz offensichtlich der für Riesenschildkröten geltenden Sterbetafeln.

Neuer Teilungsgegenstand in der Betriebsrente: die Beitragsrente

Durch das „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ (BT-Drucks. 18/11286), das von Bundestag und Bundesrat verabschiedet ist und seiner Verkündung harrt, ist der Versorgungsausgleich um einen neuen Teilungsgegenstand bereichert worden: die reine Beitragszusage (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG).

Die Beitragsrente unterscheidet sich von den bisherigen Durchführungswegen in der betrieblichen Altersvorsorge dadurch, dass sie den Arbeitgeber zu nichts verpflichtet. Dieser zahlt vielmehr die vereinbarten Beiträge aus dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers an einen externen Versorgungsträger, der aus diesen Beiträgen im Leistungsfall dem Arbeitnehmer eine Rente zahlt. Der Arbeitgeber übernimmt für die Höhe der Rentenzahlung keinerlei Garantie und Haftung. Die Höhe der späteren Rente hängt vielmehr allein von der Kapitalmarktentwicklung ab (Beitragsrente).

Eine derartige Form der Betriebsrente hat bislang nicht bestanden. Voraussetzung für eine solche Rente ist eine tarifvertragliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften, die im Einzelfall auszuhandeln ist. Da die Beitragsrente aus dem Einkommen des Arbeitnehmers finanziert wird und keine Sozialversicherungsabgaben auf diese Beiträge gezahlt werden, hat der Arbeitgeber einen Zuschuss von 15 % auf diese Beiträge an den Versorgungsträger zu zahlen, soweit er insoweit Sozialversicherungsabgaben spart (§ 23 Abs. 2 BetrAVG n.F.). Das ist für Arbeitgeber derzeit attraktiv. Ihre Sozialversicherungsabgaben betragen zzt. 17,925 % (9,35 % Rente, 7,3 % Krankenversicherung, 1,275 % Pflegeversicherung).

Ob eine solche Rente als sekundäre Altersvorsorge ein Erfolg wird, ist zu bezweifeln. Auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (AbA) äußerten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber skeptisch, ob entsprechende Tarifvertragsregelungen zu schließen sind. Diese Skepsis ist berechtigt. In der gesetzlichen Rentenversicherung wird derzeit eine Rendite von ca. 2,2 % erzielt. Diese Entwicklung ist mittelfristig stabil. In der kapitalmarktabhängigen Rentenversicherung sind die Renditen derzeit deutlich bescheidener. Warum ein Arbeitnehmer, der ein Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielt, seine gesetzliche Rentenversicherung zu Gunsten einer kapitalmarktabhängigen Alterssicherung eintauschen sollte, bleibt unklar. Die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Stärkung kapitalmarktabhängiger Alterssicherung ist vor dem Hintergrund der durch die Finanzkrise 2009 ausgelösten Turbulenzen nicht nachvollziehbar.

Im Versorgungsausgleich handelt es sich um eine kapitalgedeckten Versorgung, die in ihrem ehezeitlichen Kapitalanteil zu teilen sein wird. Da es sich um eine betriebliche Altersversorgung handelt, ist auf diese § 17 VersAusglG anzuwenden mit der Folge, dass hochwertige Ausgleichswerte in eine externe Teilung und damit einen hohen Versorgungsverlust geraten können. Bis es dazu kommt, wird noch viel Zeit vergehen. Einer unverkennbaren Euphorie der Arbeitgeber stand auf der AbA-Jahrestagung eine ebenso unverkennbare Skepsis der Gewerkschaften gegenüber. Da die „reine Beitragszusage“ aber eine tarifvertragliche Einigung zur Voraussetzung hat, bleibt sie dem Versorgungsausgleich vielleicht noch lange erspart.