Immobilienbewertung in der Zugewinnausgleichsberechnung – Verkehrswert = Marktwert?

Angesichts der enormen Steigerung der auf dem Markt erzielten Kaufpreise für Immobilien stellt sich die Frage, ob die nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewertung von Renditeobjekten im Rahmen der Ermittlung von Zugewinnausgleichsansprüchen geeignete Ertragswertmethode noch zu zutreffenden Ergebnissen führt.

Unstreitig in Rechtsprechung und juristischer Literatur ist, dass der maßgebliche Wert für die Zugewinnausgleichsberechnung regelmäßig der Verkehrswert der Immobilie am Stichtag ist, wobei damit der am Markt für diese Immobilie an diesem Tag erzielbare Kaufpreis gemeint ist (siehe nur BeckOK/BGB, Stand 1.11.2023, § 1376 Rz. 4, m.w.N.). Die ImmoWertV verwendet die Begriffe Verkehrswert und Marktwert gar synonym.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Ertragswertmethode zur Wertermittlung des Verkehrswertes (= Marktwertes) von vermieteten Grundstücken geeignet (siehe nur BGH v. 13.7.1970 – VII ZR 189/68, juris Rz. 24 ff.; vgl. auch BGH v. 17.11.2010 – XII ZR 170/09, juris Rz. 45 ff.). Es mag auch einstmals richtig gewesen sein, dass der am wahrscheinlichsten zu erzielende Kaufpreis für eine Immobilie durch das Ertragswertverfahren regelmäßig realistisch abgebildet werden konnte, zumal das Hauptinteresse eines potenziellen Käufers in der Regel auf die zu erzielenden Erträge gerichtet war (so auch Budzikiewicz in Erman, 17. Aufl., § 1376 BGB Rz. 9 m.w.N.), diese Zeiten sind allerdings vorbei.

Personen mit ein wenig Erfahrung am Immobilienmarkt, die nicht juristisch vorgebildet sind, differenzieren zwischenzeitlich flächendeckend deutlich zwischen dem „Verkehrswert“ und dem „Marktwert“ einer Immobilie. Mit ersterem Begriff ist dabei der Wert gemeint, den ein Sachverständiger mithilfe der Ertragswertmethode ermittelt, mit letzterem Begriff der Wert, der tatsächlich (wahrscheinlich) am Markt erzielt werden kann. Der „Marktwert“ in diesem Sinne lag in den letzten 10 Jahren erfahrungsgemäß häufig äußerst deutlich über dem „Verkehrswert“ in diesem Sinne. Selbst eine Immobiliensachverständige, die im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahren vor dem Amtsgericht Köln im Jahr 2023 zu ihrem Gutachten bzgl. einer Mietimmobilie befragt wurde, welches sie nach der Ertragswertmethode erstellt hatte, differenzierte deutlich zwischen Markt – und Verkehrswert:

„Dieser (der Kaufpreis) kann sich aber auch aus der angespannten Käufer- und Marksituation zu dieser Zeit ergeben. Es kann sein, dass hierdurch Immobilien deutlich über Verkehrswert veräußert werden.“

Und weiter:

„Wenn ich gefragt werde, ob die von mir beschriebene Sondersituation am Käufermarkt von mir berücksichtigt wurde bei der Bewertung der Immobilien, kann ich sagen, dass sich die Begutachtung immer an der Wirtschaftlichkeit orientieren muss. Dass es eine Kaufpreisentwicklung gegeben hat, ist unstreitig; insoweit ist der Antragstellerin Recht zu geben. Allerdings kann es auch gut sein, dass in einer angespannten Marktlage ein unwirtschaftlicher Preis gezahlt wird.“

Nun ist es nach der diesbezüglich eindeutigen Rechtsprechung und Literatur gerade nicht richtig, dass sich eine Begutachtung an der Wirtschaftlichkeit einer Immobilie zu orientieren hat, sondern ausschließlich daran, welcher Preis am Stichtag am wahrscheinlichsten am Markt hätte erzielt werden können – ob wirtschaftlich oder nicht. Dennoch halten die Sachverständigen – wohl aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Geeignetheit dieser Methode – sklavisch an der Ertragswertmethode fest. Die Gerichte folgen häufig (nach meiner Erfahrung sogar immer) den Schätzungen der Sachverständigen, ohne die Geeignetheit der gewählten Methode in Frage zu stellen.

Der Erbrechtssenat des Bundesgerichtshofs räumt immerhin einem in zeitlichen Zusammenhang mit dem Stichtag (etwa fünf Jahre) erzielten Kaufpreis Vorrang gegenüber der Schätzung eines Sachverständigen im Rahmen der Immobilienbewertungen für die Pflichtteilsberechnung ein. Der Erbrechtssenat führt hierzu aus, es sei nicht zu rechtfertigen, die im Rahmen einer Bewertung relativ gesicherte Ebene tatsächlich erzielter Verkaufserlöse bei einer zeitnahen Veräußerung zugunsten bloßer Schätzungen zu verlassen (siehe nur BGH v. 25.11.2010 – IV ZR 124/09, FamRZ 2011, 214 = ZEV 2011, 29 = ZErb 2011, 83 = NJW 2011, 1004; BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; BGH v. 13.3.1991 – IV ZR 52/90, WM 1991, 1553, 1554 = NJW-RR 1991, 900). Der Familiensenat hat sich dieser Sichtweise bisher leider nicht angeschlossen, sich aber – soweit ersichtlich – auch noch nicht explizit gegenteilig geäußert.

Es bleibt zu hoffen, dass sich eines Tages auch für den Familiensenat die Gelegenheit ergeben wird, sich ausdrücklich zu der Frage zu positionieren, ob er die Ertragswertmethode angesichts der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt nach wie vor für geeignet hält.

Oh, wie schön ist das Familienrecht

Ich sitze mit Werner Schulz an der Fertigstellung der 7. Auflage unseres Buchs Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung. Man sagt Juristinnen und Juristen ja eine gewisse Fantasielosigkeit nach. Das wäre zu prüfen:

Fall: M verliert bei der Einfahrt in sein Grundstück die Kontrolle über sein einkaufsbeladenes Fahrrad, das den 14 Jahre alten Wagen des mit ihm befreundeten Nachbarn N beschädigt. Da M haftpflichtversichert ist, lässt N ein Schadensgutachten erstellen und bittet M um Regulierung in Höhe von 3.000 €. Die Versicherung verweigert aus vertraglichen Gründen die Regulierung. Weil der Wagen alt, aber gleichwohl voll funktionsfähig ist, lässt N ihn nicht reparieren, macht aber den Schaden gegen seinen Freund M auch nicht weiter geltend. Vier Jahre nach diesem Ereignis trennen sich M und seine Frau FM, die eine intime Beziehung zu FN, der Frau des Nachbarn N begonnen hat. Unmittelbar nach der Scheidung fordert sie M zur Auskunft über sein Endvermögen auf. M gibt dieses mit 100.000 € an und vermindert es um die Schadenersatzforderung von N über 3.000 €. FM protestiert dagegen und vertritt die Ansicht, die Forderung sei verjährt und daher nicht zu passivieren. Auch FN fordert nach der Scheidung von N von diesem Auskunft über sein Vermögen. N gibt dieses mit 50.000 € an und wendet auf den Hinweis der Existenz der Schadensersatzforderung ein, diese sei verjährt und daher mit Null zu bilanzieren.

Dieser ‚kleine‘ Fall führt in die Herzkammer der Forderungsbewertung im Güterrecht und zu deutlich wahrnehmbaren Herzflimmern. Wenn der eine die einredebehaftete Forderung voll passiviert, der andere die gleiche Forderung aber nicht aktivieren kann, wird man nachdenklich und fragt, ob das richtig sein kann.

Ich meine ‚ja‘. Der Marktwert einer mit der Verjährungseinrede behafteten Forderung ist Null. Niemand würde N diese Forderung abkaufen. Die Schuld als Kehrseite der verjährten Forderung besteht aber, solange die Einrede nicht erhoben wird. Im Stichtag war dies nicht der Fall, weshalb es richtig ist die Forderung des N zu passivieren.

Dagegen könnte eingewandt werden, M habe die ‚Obliegenheit‘, die Einrede zu erheben und diese habe – als latente Konsequenz aus der Ehe – bereits vor dem Stichtag bestanden. Das allerdings widerspräche dem im Güterrecht herrschenden strengen Stichtagsprinzip. Ist die die Forderung vernichtende Verjährungseinrede ehezeitlich nicht erhoben worden, besteht die Schuld am Stichtag. Die nachehezeitliche Erhebung der Einrede ist eine nachehezeitliche Leistung. Es kann güterrechtlich keine ‚unsichere Schuld‘, wohl aber ‚unsichere Forderungen‘ geben. Die Schuld steht fest. Der Vermögenswert einer Forderung hängt – im Unterschied zur Schuld – vom Schuldner ab. Man würde ja bei im Stichtag bestehenden Verbindlichkeiten auch nicht die Chance der Restschuldbefreiung durch Insolvenz in die Bewertung der Höhe der zu bilanzierenden Schuld einbeziehen.

Deshalb wäre im obigen Beispiel die Schuld bei M zu passivieren und die Forderung bei N nicht als Vermögenswert einzustellen. Ein ‚sauberes Ergebnis‘, das vielleicht nicht von allen geteilt und von den im Beispiel beteiligten Frauen nicht goutiert werden wird.

Um das Problem noch ein wenig zu toppen: Nachdem die Frauen eine gleichgeschlechtliche Beziehung aufgebaut haben, ziehen die beiden Männer nach. FM verlangt von M Unterhalt. Kann dieser die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung mit Verweis auf die dem N gegenüber bestehende Schadensersatzpflicht vermindern und zulasten des Unterhaltsanspruchs die Forderung des N in 10 monatlichen Raten zu 300 € tilgen?

Ich meine nein, weil einerseits die Tilgung dieser Verbindlichkeit die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat und andererseits M die unterhaltsrechtliche Obliegenheit hat, sich – zur Verbesserung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit – auf Verjährung zu berufen. Außerdem würde es gegen das Verbot der Doppelberücksichtigung sprechen, die Forderung sowohl im Güterrecht, als auch im Unterhalt leistungsmindernd zu berücksichtigen.

Nacheheliche Solidarität wird im Unterhaltsrecht, nicht aber im Güterrecht geschuldet.

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Beweislastumkehr bei Verletzung der ehevertraglichen Pflicht zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses

Eheverträge, in denen nur bestimmte Vermögensgegenstände (z.B. Betriebsvermögen/Grundstücke) aus der Zugewinngemeinschaft ausgenommen werden, sind häufig. Allerdings bereiten diese Verträge in der Praxis insbesondere für den Ausgleichsberechtigten Schwierigkeiten. So behauptet der Ausgleichsverpflichtete häufig, der von ihm erzielte Zugewinn sei nur deshalb so niedrig, weil er berechtigterweise Aufwendungen (Investitionen/Instandhaltungskosten) auf die Vermögensgegenstände gemacht habe, die aus dem Zugewinn ausgenommen sind. Besonders problematisch ist daran, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten bzgl. dieser Investitionen nur dann ein Auskunftsanspruch zusteht, wenn er konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht vorträgt, dass hier illoyale Vermögensverschiebungen stattgefunden haben (BGH v. 15.8.2012 – XII ZR 80/11, FamRZ 2012, 1785). Solche Anhaltspunkte hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte aber mangels entsprechenden Auskunftsanspruchs häufig nicht.  

Zumindest im Rahmen derjenigen Eheverträge, die eine Verpflichtung der Ehegatten vorsehen, ein Vermögensverzeichnis bzgl. derjenigen Vermögensgegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen sind, zu erstellen und fortzuführen, bietet sich aber für den Ausgleichsberechtigten möglicherweise ein Ausweg, der dem Ausgleichsverpflichteten regelmäßig äußerst weh tun dürfte. So kann zwar – jedenfalls nach Auffassung des OLG Hamm (OLG Hamm v. 2.8.2018 – V-1 AR 24/17, nicht veröffentlicht) – nach dem Scheitern der Ehe die Vorlage eines solchen Verzeichnisses nicht mehr rückwirkend verlangt werden, die Verletzung der Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. der aus dem Zugewinn ausgenommenen Vermögensgegenstände dürfte aber immerhin zu einer Beweislastumkehr bzgl. der Verwendung der während der Ehe insgesamt erzielten Einnahmen führen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss also in solchen Fällen „nur noch“ die während der Ehe insgesamt erzielten Nettoeinnahmen des anderen Ehegatten abzgl. der Lebenshaltungskosten darlegen. Ist der erzielte Zugewinn niedriger als der Differenzbetrag, ist so lange von einer illoyalen Vermögensverfügung auszugehen, wie der ausgleichsberechtigte Ehegatte nicht darlegt und beweist, dass er die „verschwundenen“ Gelder berechtigterweise auf die Vermögensgegenstände aufgewandt hat, die aus dem Zugewinn ausgenommen wurden.  

Fazit: Zumindest in Fällen von Eheverträgen, die eine Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. derjenigen Gegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen sind, vorsehen, sollte derjenige Rechtsberater, der den ausgleichsberechtigten Ehegatten vertritt, nicht vorschnell aufgeben, wenn der Mandant keine konkreten Anhaltspunkte für illoyale Vermögensverschiebungen darlegen kann, die über das bloße „Verschwinden“ von Geldern hinausgehen. Zwar besteht auch in diesen Fällen keine umfassende Auskunftsverpflichtung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten, immerhin dürfte sich aus der Verletzung dieser Verpflichtung aber eine Beweislastumkehr zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten ergeben. Bei der Gestaltung von Eheverträgen bzw. der Prüfung notarieller Entwürfe sollte der voraussichtlich ausgleichsberechtigte Ehegatte darauf achten, dass die Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. derjenigen Gegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen werden, in den Vertrag Eingang findet. Der voraussichtlich ausgleichsverpflichtete Ehegatte sollte hingegen möglichst dafür sorgen, dass die Verpflichtung gestrichen wird. Ist dies nicht durchsetzbar, ist er zumindest eindringlich und nachweisbar auf die mögliche Beweislastumkehr hinzuweisen, die sich aus einer Vernachlässigung dieser Verpflichtung ergeben kann.