Anwaltsblog: Mehrfache Fristverlängerung bei Zustimmung Gegenseite

Kann der Berufungsführer, der eine wiederholte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht dem Antrag entspricht, wenn er die Zustimmung der Gegenseite versichert?

In einem Berufungsverfahren hat die Vorsitzende des Berufungssenats die Frist zur Berufungsbegründung auf jeweiligen Antrag des Klägerbevollmächtigten „wegen starker Arbeitsüberlastung“ zunächst um einen Monat und sodann unter versichertem Einverständnis der Gegenseite mit dem Zusatz „letztmalig“ um einen weiteren Monat verlängert. Am letzten Tag der Frist hat der Kläger beantragt, die Berufungsbegründungsfrist im versicherten Einverständnis der Gegenseite wegen starker Arbeitsüberlastung nochmals um 14 Tage zu verlängern. Die Vorsitzende hat die weitere Verlängerung verweigert. Die Notwendigkeit des zügigen Betreibens der Vielzahl beim Senat anhängiger Verfahren wiege schwerer als die in der eigenen organisatorischen Verantwortung der Prozessbevollmächtigten liegende dortige Arbeitsbelastung. Die sodann beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Senat versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger habe die Berufungsbegründungsfrist nicht schuldlos versäumt. Sein Prozessbevollmächtigter habe nicht auf die Bewilligung einer dritten Fristverlängerung vertrauen dürfen.


Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg. Ihm wird Wiedereinsetzung gewährt. Der Kläger war ohne ein ihm zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhindert, weil er darauf vertrauen durfte, sein rechtzeitig gestellter Antrag, die Berufungsbegründungsfrist im Einverständnis mit der Beklagten um zwei weitere Wochen zu verlängern, werde nicht abgelehnt werden. Der Rechtsmittelführer ist generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittelführer deshalb nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. So verhielt es sich hier. Gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung auf Antrag wiederholt verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Die Bewilligung der Fristverlängerung hängt auch bei der wiederholten Fristverlängerung nicht davon ab, dass der Rechtsmittelführer hierfür erhebliche Gründe geltend machen kann, die er deshalb auch nicht darlegen muss. Weder war der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist missbräuchlich noch bedurfte der Rechtsstreit nach Ablauf der zweifach verlängerten Frist (nunmehr) der Beschleunigung. Die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes resultierende Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, trat zurück, solange der Gegner mit der weiteren Fristverlängerung einverstanden war. Der mit der zweiten Fristverlängerung verbundene Hinweis der Vorsitzenden auf eine „letztmalige“ Verlängerung stand dem Vertrauen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in die Fristverlängerung nicht entgegen. Ein solcher Hinweis entbindet das Gericht nicht davon, die in § 520 Abs. 2 ZPO angelegte Differenzierung danach, ob der Gegner eingewilligt hat oder nicht, zu beachten.
(BGH, Beschl. v. 31.7.2023 – VIa ZB 1/23)

Fazit: Stimmt die Gegenseite zu, muss die Berufungsbegründungsfrist wiederholt verlängert werden. Das dem Gericht eingeräumte Ermessen ist in diesem Fall auf Null reduziert, sofern Rechtsmissbrauch nicht ersichtlich ist.

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