Anwaltsblog 22/2025: Fernabsatzverträge nur bei auf Fernabsatz abgestelltem Vertriebssystem!

Nach § 312c BGB sind trotz der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunkationsmitteln Verträge keine Fernabsatzverträge, wenn der Vertragsschluss „nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ erfolgt. Wann diese Ausnahme für Architektenverträge erfüllt ist, hatte der OLG Frankfurt zu entscheiden (OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Februar 2025 – 29 U 42/24):

 

Die Parteien streiten um die Rückzahlung geleisteter Architektenvergütung aufgrund eines verbraucherschützenden Widerrufs. Die Klägerin und ihr Partner suchten eine bauliche Begleitung für die Sanierung eines von ihnen erworbenen Anwesens. Zu diesem Zweck traten sie an den Beklagten, einen Architekten, heran, der ihnen nach ausführlichem E-Mailverkehr und per Fernkommunikation mittels des Onlineportals „Zoom“ geführten Gesprächen sodann ein Angebot über die Erstellung von Bestandsplänen und eines ersten Entwurfs zum Preis von 4.460 € netto unterbreitete. Dieses Angebot nahm die Klägerin an. Dabei erfolgten sowohl die gesamte vorvertragliche Kommunikation als auch der Vertragsschluss selbst ausschließlich per E-Mail, Telefon und Videokonferenz, weil die Klägerin im fraglichen Zeitraum in L. weilte. Nichtsdestotrotz wurde dem Beklagten bereits vor Vertragsschluss Zugang zur Immobilie der Klägerin gewährt, indem vor Ort ein Schlüssel deponiert wurde, sodass der Beklagte das Objekt in Augenschein nehmen konnte. Diesen Ortsterminen wohnte die ortsabwesende Klägerin allerdings nicht bei. Der erste gemeinsame Ortstermin erfolgte vielmehr erst nach Vertragsschluss.

Anschließend widerrief die Klägerin den Vertrag und forderte den Beklagten zur Rückzahlung der gezahlten 5.307,40 € auf. Schriftliche oder mündliche Informationen zu einem Widerrufsrecht waren der Klägerin seitens des Beklagten zu keinem Zeitpunkt vor Vertragsschluss erteilt worden. Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang zuerkannt. Der Klägerin stehe das begehrte verbraucherschützende Widerrufsrecht infolge eines Fernabsatzvertrags zu.

Die Berufung des Architekten hat Erfolg. Die Regeln des verbraucherschützenden Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrags sind grundsätzlich einschlägig. Der Architektenvertrag ist zwar kein Verbraucherbauvertrag und die Vorschriften über den Widerruf dieses Vertragstyps sind auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. § 650 q Abs. 1 BGB). Jedoch gelten die Vorschriften über das allgemeine Widerrufsrecht für Verbraucherverträge: Wurde ein Architekten- oder Ingenieurvertrag außerhalb von Geschäftsräumen des Architekten/Ingenieurs abgeschlossen, dann ist der Widerruf durch den Bauherrn bei Vorliegen der Voraussetzungen möglich (§§ 312 g, 355 BGB). Denn das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gilt auch für Architektenverträge. Es ist jedoch eine Ausnahme anzunehmen, wenn der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist (§ 312c Abs. 1 BGB). Das Erfordernis eines solchermaßen zu verstehenden Fernabsatzsystems hat in erster Linie den Zweck, Geschäfte, die nur zufällig unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts auszuklammern. Solches trifft auch auf Unternehmer zu, die Angebote regelmäßig erst nach einem vorhergehenden Ortstermin abgeben; hier fehlt es häufig an einem auf den Fernabsatz ausgerichteten Geschäftsbetrieb. Ausweislich des vorgelegten Schriftverkehrs hat der Beklagte selbst ursprünglich auf einen gemeinsamen Ortstermin zur Angebotsbesprechung hingewirkt und der Vertragsschluss unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln war ersichtlich der Zufälligkeit einer Ortsabwesenheit der Klägerin geschuldet. So hat der Beklagte zuletzt vorgetragen, dass er selbst während seiner beruflichen Tätigkeit als Architekt in den letzten 22 Jahren ca. 250 Bauvorhaben betreut und im hiesigen Einzelfall erstmals einen entsprechenden Planungsvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmittel geschlossen habe. Im Übrigen hätten stets vor der Angebotsabgabe bzw. dem finalen Vertragsabschluss Ortstermine zwischen dem Beklagten und den Auftraggebern (Bauherren) an der jeweiligen Baustelle stattgefunden.

 

Fazit: Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gem. § 312 g Abs. 1 BGB gilt auch für Architektenverträge. Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist (§ 312c Abs. 1 BGB).

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