Anwaltsblog 16/2025: Auch ein geschäftsunfähiger Auftraggeber eines Notars muss Notarkosten bezahlen!

Ob ein nicht erkennbar geschäftsunfähiger Auftraggeber einem Notar zur Zahlung der Notarkosten verpflichtet ist oder ob dem §§ 104 ff. BGB entgegenstehen, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2025 – IV ZB 37/24):

 

Die (nicht erkennbar) geschäftsunfähige Beteiligte suchte einen Notar auf, weil sie ihren ehemaligen Bankberater adoptieren, zum Alleinerben einsetzen und ihm eine umfassende Vollmacht erteilen wollte. Der Notar beriet die Beteiligte in mehreren Terminen. Nachdem diese ihm mitgeteilt hatte, von dem Vorhaben Abstand genommen zu haben, erteilte der Notar eine Kostenberechnung über 3.531,32 €. Auf Antrag der Beteiligten hat das Landgericht die Kostenberechnung aufgehoben. Die Beschwerde des Notars hat das Kammergericht zurückgewiesen. Er könne Zahlung nicht verlangen, weil die Beteiligte geschäftsunfähig iSv. § 104 Nr. 2 BGB sei und der erteilte Beratungsauftrag entsprechend dem Rechtsgedanken des § 105 Abs. 1 BGB nichtig war.

Die Rechtsbeschwerde des Notars ist begründet. Ihm steht ein Gebührenanspruch gegen die Beteiligte zu. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht eine Kostenhaftung der Beteiligten aus § 29 Nr. 1 GNotKG abgelehnt. Ein – für den Notar nicht erkennbar – geschäftsunfähiger Auftraggeber ist zur Zahlung der Notarkosten verpflichtet. Die Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit in §§ 104 ff. BGB sind auf Aufträge an einen Notar weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Nach § 29 Nr. 1 GNotKG ist Kostenschuldner, wer dem Notar den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat. Unter dem Begriff des Auftrags ist jedes an den Notar gerichtete Ansuchen zu verstehen, das auf die Vornahme einer notariellen Amtstätigkeit gerichtet ist. Einen Auftrag, zu einem Testament, einer Adoption und einer Vorsorgevollmachtserteilung zumindest beraten zu werden, hat die Beteiligte dem Notar jedenfalls erteilt; ob sich dieses Ansinnen bereits auf eine Beurkundung richtete, kann offenbleiben. Die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit in §§ 104 ff. BGB sind auf den Auftrag an einen Notar nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich dabei nicht um eine privatrechtliche Willenserklärung des Auftraggebers handelt. Der Notar nimmt seine Amtsgeschäfte aufgrund seiner Eigenschaft als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege wahr (§ 1 BNotO); das Rechtsverhältnis, in dem er zu den Beteiligten steht, ist – obwohl das Gesetz in § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BNotO vom „Auftraggeber“ des Notars spricht – kein privatrechtlicher Vertrag. Dies gilt nicht nur für die Urkundstätigkeit, sondern ebenso für die Amtstätigkeit im Sinne der §§ 23, 24 BNotO, d.h. auch für die „sonstigen Betreuungsgeschäfte“.

Eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. BGB auf den Notarauftrag kommt nicht in Betracht. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Hier fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. § 29 Nr. 1 GNotKG übernimmt den Grundsatz der Antragstellerhaftung bzw. Auftraggeberhaftung aus § 2 Nr. 1 KostO, der für Gerichtsverfahren und Notarauftrag (§ 141 KostO) gleichermaßen galt. Eine inhaltliche Änderung der früheren Regelung, nach der die Kosten schuldet, wer die Tätigkeit „veranlasst“ hat, war daher nicht beabsichtigt. Obwohl vor Erlass des GNotKG am 23. Juli 2013 die zur Kostenordnung ergangene Rechtsprechung, die eine Kostenhaftung des unerkannt geschäftsunfähigen Auftraggebers annahm, bekannt war, sah der Gesetzgeber keinen Anlass, eine entsprechende Ausnahme zugunsten Geschäftsunfähiger anzuordnen. Darüber hinaus sind auch die Situation des Geschäftsunfähigen, der vor Verpflichtungen durch privatrechtliche Willenserklärungen geschützt werden soll, und die des geschäftsunfähigen Auftraggebers eines Notars nicht miteinander vergleichbar. Nach den §§ 104 ff. BGB soll der Schutz Geschäftsunfähiger und beschränkt Geschäftsfähiger Vorrang vor den Interessen des Rechtsverkehrs haben, sodass dem Vertragspartner das Risiko der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zugewiesen wird. Der Notar dagegen gehört nicht zum Rechtsverkehr in diesem Sinne, sondern wird als Amtsträger zur Erbringung einer öffentlich-rechtlichen Leistung in Anspruch genommen. Dabei soll, wie § 11 Abs. 1 BeurkG zeigt, der Notar nach Erteilung eines Auftrags – bereits als Teil seiner Amtstätigkeit – prüfen, ob einem Beteiligten die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt, wenn dafür ein Anlass besteht. Erst die Überzeugung des Notars vom Fehlen der Geschäftsfähigkeit soll nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BeurkG zur Ablehnung einer Beurkundung führen. Die fehlende Anwendbarkeit der §§ 104 ff. BGB beruht nicht darauf, dass der Notar zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet ist, sondern darauf, dass das Kostenschuldverhältnis ohne Mitwirkung des Notars ohne weiteres zustande kommt. Zwischen der Urkundstätigkeit, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO nicht ohne ausreichenden Grund verweigert werden kann, und einer Beratung, deren Ablehnung im pflichtgemäßen Ermessen des Notars steht, besteht daher für die Kostenhaftung eines geschäftsunfähigen Auftraggebers kein durchgreifender Unterschied.

 

Fazit: Ein – für den Notar nicht erkennbar – geschäftsunfähiger Auftraggeber ist unabhängig von der Art der notariellen Tätigkeit zur Zahlung der Notarkosten verpflichtet. Die Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit in §§ 104 ff. BGB sind auf Aufträge an einen Notar weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.