Transitunfall ohne Verschulden bei Pauschalreise ist Reisemangel

Der BGH bestätigte mit seinen Urteilen vom 6. 12. 2016 in den Verfahren X ZR 117/15 und X ZR 118/15 die bisher von der Rechtsprechung vertretene Meinung, dass ein Transferunfall bei einer Pauschalreise stets ein Reisemangel ist, auch wenn der Unfall unverschuldet ist. Durch den Transferunfall, der beiden Entscheidungen des BGH zugrunde lag, wurden die Reisenden des Busses durch einen Geisterfahrer schwer verletzt und konnten die gebuchten Reiseleistungen nicht in Anspruch nehmen. Daher verlangten die Reisenden den vollständigen Reisepreis als Minderung vom Veranstalter zurück.

Der Reiseveranstalter berief sich auf das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden, da ein Geisterfahrer auch im Privatbereich des Reisenden oder als Individualreisender eine Gefahr darstelle. Hinsichtlich des oft in der Rechtsprechung des Reiserechts verwendeten schwammigen Begriffs des allgemeinen Lebensrisikos ist anzumerken, dass er Folge des weiten Mangelbegriffs ist. Besser wäre es, man spräche vom fehlenden Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden des Reisenden und einer Pflichtwidrigkeit des Veranstalters. Insoweit fehlt es dann an der Kausalität zwischen der Beeinträchtigung der Reise und einer Pflichtwidrigkeit des Reiseveranstalters (Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 7 Rn. 113 ff.). Der Reisende trägt nur für seine privaten allgemeinen Lebensrisiken die Verletzungsgefahr, die Risiken nicht reisespezifisch sind und nichts mit den gebuchten Leistungen zu tun haben. So liegt es im allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden, wenn er beim Spazierengehen von einem Auto angefahren wird, da ein solcher Unfall auch im privaten Alltag des Reisenden zu Hause auftreten kann.

Ein Transitunfall mit dem Bus ist dagegen dem Risiko und Leistungsbereich des Veranstalters zuzurechnen. Zurecht bejahte der BGH daher die Kausalität zwischen den schweren Verletzungen und der Transitleistung. Der Veranstalter trägt das Risiko des vom Reisenden gebuchten und bezahlten Transfers und muss die Fahrt mit dem Bus gefahrlos durchführen. Auch wenn der Bus auf seiner Spur von einem Geisterfahrer gerammt wurde, trägt der Veranstalter das Verletzungsrisiko seiner Reiseleistung. Ein Reisemangel ist damit auch dann anzunehmen, wenn den Busfahrer als Gehilfe des Veranstalters kein Verschulden am Unfall trifft. Daher hat der BGH völlig zu Recht den Veranstalter zur Rückzahlung des gesamten Reisepreises verurteilt, da durch den Reisemangel der Nutzen der Erholungsreise nicht eingetreten ist (§ 651c Abs. 1 BGB).

 

Reiserecht – Prof. Dr. Ernst Führich Newsletter Mai 2016

Reiserecht – Prof. Dr. Ernst Führich Newsletter Mai 2016
23. 5. 2016
– Der kostenlose, neutrale und kompetente Newsletter
zum gesamten Recht im Tourismus –

Ausgabe 5/2016

Nummer 178 17. Jahrgang
Deutsche Bibliothek: ISSN 2190-863X

Liebe Leserinnen und Leser,
am 1. 4. 2016 trat das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft, das der Umsetzung der EU-Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (2013/11 / EU) dient. Damit muss ich auch die Branche der Reiseveranstalter mit der außergerichtlichen Schlichtung befassen. Für den Bahn- und Luftverkehrs
existiert nach § 37 Eisenbahnverkehrsordnung bzw. § 57 LuftVG bereits eine Schlichtung durch die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin (vgl. Führich, Neues Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr, MDR 2013, 749 auf meiner Website www.reiserecht-fuehrich.de). Weitere bekannte Schlichtungsstellen sind der
Ombudsmann in der Versicherungswirtschaft und die Schlichtungsstelle Energie.

Richtet die Tourismusbranche kein eigenes privates Schlichtungsverfahren ein oder schließt sich nicht einer bestehenden Schlichtungsstelle an, droht ersatzweise grundsätzlich eine behördliche Verbraucherschlichtungsstelle der Bundesländer. Die Branchenverbände des Tourismus sollten also tätig werden!

Ich wünsche Ihnen sonnige Tage und grüße Sie aus dem regnerischen Allgäu bis zum nächsten Newsletter im Juni.
Ihr
Ernst Führich

### Inhalt des Newsletters #########################

+ News
– Führich, Die neue Pauschalreiserichtlinie, NJW 2016, 1204
– Krohe, Besprechung Führich, Basiswissen Reiserecht, 3. Aufl. 2015

+ Reisevertrag
– OLG Frankfurt a.M., 17.11.2015: Örtliche Zuständigkeit
– LG Baden-Baden, 17.11.2015: Begriff des Reiseveranstalters

+ Luftverkehrsrecht
– EuGH, 17.3.2016: Nationale Durchsetzungsstelle
– BGH, 25.02.2016: Außergerichtliche Anwaltskosten
– LG Bremen, 5.6.2015: Gerichtsstand Zielflughafen
– LG Darmstadt, 19.8.2015: Wetterbedingungen
– LG Landshut, 18.5.2015: Bestätigte Buchung
– AG Hannover, Vorlagebeschl. 23.10.2015
– AG Rüsselsheim, 11.4.2015: Medizinischer Notfall
– AG Düsseldorf, 28.9.2015: Maßgebliche Entfernung

+ Reiseversicherungsrecht
– LG Hamburg, 16.10.2015: Unverzügliche Stornierung
– OLG Hamm, 29.4.2015: Medizinisch erforderlicher Rücktransport

+ Neue Literatur im Reiserecht

+ Reiserecht literarisch

Eine Reise ist wie eine Ehe: Die sicherste Art zu scheitern ist zu glauben, man habe sie fest im Griff.

John Steinbeck

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