Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die formellen Anforderungen an einer Online-Bestellung und die Ansprüche im Falle einer Rückabwicklung.

Online-Bestellung bei Verträgen über mehrere Leistungen
BGH, Urteil vom 4. Juni 2024 – X ZR 81/23

Der X. Zivilsenat befasst sich mit den Anforderungen aus § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB und den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Vorschrift.

Die Klägerin buchte auf der Online-Plattform der Beklagten eine Flugreise. Im Rahmen des Buchungsvorgangs erschien nach Auswahl des Fluges und Eingabe von Passagier- und Gepäckinformationen ein Auswahlfeld für ein kostenloses 30-tägiges Probeabo. Darunter stand der Hinweis, dass sich das Probeabo nach Ablauf von 30 Tagen automatisch auf ein kostenpflichtiges Abonnement für 74,99 Euro pro Jahr aktualisiert. Bei Auswahl des Feldes konnte der gewählte Flug zu einem günstigeren Tarif gebucht werden.

Am Ende des Auswahlvorgangs erschien eine Maske mit der Überschrift „Ihr Reiseplan“, in der die Flugdaten wiedergegeben waren. Darunter stand: „30-Tage-GRATIS-Probeabo Herzlichen Glückwunsch […]! Mit Ihrem 30-Tage Prime Gratis-Probeabo sparen Sie […] € bei diesem Flug“. Danach erschienen der Preis für den Flug, der Button „Jetzt kaufen“ und ein Hinweis auf die AGB der Beklagten.

Die Klägerin wählte den ermäßigten Preis. In der Folgezeit ließ die Beklagten den neben dem Flugpreis weitere 74,99 Euro als erste Jahresgebühr für das Abonnement abbuchen.

Das AG wies die auf Rückzahlung der Jahresgebühr von 74,99 Euro und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ab. Das LG sprach der Klägerin 15,40 Euro und den größten Teil der Anwaltskosten zu. Einen weitergehenden Anspruch hielt es für unbegründet, weil sich die Klägerin den aufgrund des Abonnements erlangten Preisvorteil für die Flugreise in Höhe von 59,59 Euro anrechnen lassen müsse.

Der BGH verurteilt die Beklagte zur Zahlung des Restbetrags von 59,59 Euro.

Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der Abonnementvertrag gemäß § 312j Abs. 4 BGB nicht wirksam zustande gekommen ist, weil die Beklagte die ihr nach § 312j Abs. 3 BGB obliegende Pflicht verletzt hat.

Nach § 312j Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Unternehmer die Bestellsituation bei einem entgeltlichen Verbrauchervertrag im elektronischen Rechtsverkehr so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Bei einer Bestellung über eine Schaltfläche muss diese gemäß § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Diese Vorschrift ist im Streitfall auch bezüglich des Abonnementvertrags einschlägig, weil das kostenlose Probeabonnement ohne Kündigung in ein entgeltpflichtiges Abonnement übergehen sollte.

Die von der Beklagten verwendete Formulierung „Jetzt kaufen“ lässt aus Sicht des BGH auch bei Personenbeförderungs- und Abonnementverträgen hinreichend deutlich erkennen, dass sich der Verbraucher zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet.

Wenn mit dem Klick auf eine Schaltfläche Verträge über zwei unabhängig voneinander zu erbringende Leistungen abgeschlossen werden sollen, muss dies aber aus der Bestellmaske, die die Schaltfläche enthält, hinreichend deutlich hervorgehen. Ein Hinweis in einer vorhergehenden Maske oder in den AGB reicht nicht aus. Im Streitfall ging aus der Bestellmaske nicht hervor, dass sich der Besteller nicht nur zur Zahlung der Flugreise verpflichten soll, sondern auch zur Zahlung der Abonnementsgebühr. Deshalb ist der Vertrag über das entgeltliche Abonnement unwirksam.

Entgegen der Auffassung des LG darf der Unternehmer in einer solchen Situation dem auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gestützten Anspruch des Verbrauchers auf Rückzahlung des gezahlten Entgelts nicht einen Anspruch auf Ersatz des Werts der Vorteile aus dem unwirksamen Vertrag entgegenhalten. Ein Anspruch auf Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB darf nicht geltend gemacht werden, wenn dies dem Schutzzweck einer Formvorschrift zuwiderliefe, die einen Vertragsteil durch hinreichende Information über voraussichtlich entstehende Kosten vor einer unüberlegten und übereilten Bindung schützen soll. Die Regelung in § 312j Abs. 3 und 4 BGB soll dem Verbraucher nach der Vorstellung des Gesetzgebers einen vergleichbaren Schutz wie eine solche Formvorschrift geben. Deshalb ist es dem Unternehmer verwehrt, eine Entgeltpflicht, auf die er vor Vertragsschluss nicht in der gebotenen Weise hingewiesen hat, auf dem Umweg über einen Anspruch auf Wertersatz doch noch durchzusetzen, wenn der Verbraucher die Leistung nicht herausgeben kann.

Praxistipp: Auch wenn den Unternehmer zumindest eine sekundäre Darlegungslast treffen dürfte, empfiehlt es sich für den auf Rückzahlung klagenden Verbraucher, den Bestellvorgang möglichst präzise darzulegen, zum Beispiel anhand von Screenshots, die die einzelnen Masken eines exemplarischen Bestellvorgangs darstellen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anspruch des Veranstalters auf Entschädigung nach Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn

Darlegungs- und Beweislast des Reiseveranstalters für Angemessenheit der Entschädigung
Urteile vom 18. Januar 2022 – X ZR 88/20, X ZR 109/20, X ZR 125/20

Mit den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 651j BGB aF bzw. § 651h BGB nF sowie diesbezüglichen Auskunftsansprüchen des Reisenden befasst sich der X. Zivilsenat.

In den zugrunde liegenden Fällen waren Reisende von einem Pauschalreisevertrag vor Antritt der Reise zurückgetreten. Der Reiseveranstalter erstattete nur einen geringen Teil des bereits gezahlten Reisepreises und behielt den Rest als pauschale Entschädigung ein. Die Reisenden erhielten insoweit Leistungen aus einer Reiserücktrittskostenversicherung. Der Versicherer bzw. ein von diesem beauftragtes Inkassounternehmen nahmen den Reiseveranstalter auf Zahlung des einbehaltenen Betrags in Anspruch. In zwei der Fälle begehrten sie im Wege der Stufenklage vorab Auskunft und Rechnungslegung über die Höhe der ersparten Aufwendungen und der durch anderweite Verwendung der Reiseleistungen erzielten Erlöse sowie Vorlage der Verträge mit Leistungsträgern.

Die erstinstanzlichen Gerichte wiesen die Klage mangels Aktivlegitimation ab. Die zweitinstanzlichen Gerichte kamen zu drei unterschiedlichen Ergebnissen.

Der BGH weist die Klagen auf Auskunft, Rechnungslegung und Vorlage von Verträgen ab; in diesen Fällen muss das LG nunmehr über die Höhe des Zahlungsanspruchs entscheiden. Im dritten Fall bestätigt der BGH die zweitinstanzliche Verurteilung zur Zahlung des einbehaltenen Betrags.

Hinsichtlich der Frage der Aktivlegitimation schließt sich der X. Zivilsenat einer vor kurzem ergangenen Entscheidung des für Versicherungsrecht zuständigen IV. Zivilsenats an, der einen gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 86 Abs. 1 VVG bejaht hat.

Hinsichtlich der reiserechtlichen Fragen knüpft der BGH an seine Rechtsprechung an, wonach der Reiseveranstalter die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der geforderten Entschädigung trägt. Bei individueller Berechnung muss der Veranstalter darlegen und ggf. unter Beweis stellen, welche Aufwendungen er erspart hat und welche Reiseleistungen er anderweit verwenden konnte. Bei Pauschalierung in AGB muss er darlegen und ggf. unter Beweis stellen, welche Möglichkeiten zur Ersparnis von Aufwendungen oder zur anderweiten Verwendung von Leistungen gewöhnlicherweise bestehen. Soweit sein Vortrag diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Veranstalter zur Rückzahlung der einbehaltenen Entschädigung verpflichtet.

Vor diesem Hintergrund verneint der BGH einen einklagbaren Anspruch des Reisenden auf Auskunft und Rechnungslegung. Nach dem bis 30.6.2018 geltenden Recht kann sich ein solcher Anspruch nur aus § 242 BGB ergeben. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Reisende die in Rede stehenden Informationen nicht benötigt, um seinen Erstattungsanspruch zu berechnen oder durchzusetzen. Nach der seit 1.7.2018 geltenden Regelung in § 651h Abs. 2 Satz 3 BGB ist der Reiseveranstalter zwar auf Verlangen des Reisenden verpflichtet, die Höhe der Entschädigung zu begründen. Auch diese Regelung betrifft aber nur die Darlegungs- und Beweislast und schafft keinen einklagbaren Auskunftsanspruch.

Praxistipp: Um mögliche Kostennachteile zu vermeiden, sollte der Reisende den Veranstalter schon vor Klageerhebung auffordern, die Höhe der Entschädigung zu begründen.

Corona-Pandemie keine Na­tur­ka­ta­stro­phe

Dem Urteil des AG München (275 C 23753/20), das bereits am 20.5.2021 erging, ist zuzustimmen. Eine Rei­se­ab­bruch­ver­si­che­rung haf­tet bei co­ro­na­be­ding­ter An­nul­lie­rung eines Rückflu­ges nicht für die Kos­ten des Er­satz­flu­ges, da zwar nach den Versicherungsbedingungen eine Naturkatastrophe ein versichertes Ereignis ist, die Corona-Pandemie jedoch nicht als Naturkatastrophe angesehen werden kann. Der Reiseabbruch des Klägers am 27.3.2020 erfolgte während der ersten Welle der Corona-Pandemie für eine Reise, die er bereits vor der Pandemie am 27.1.2020 für die Mehrkosten einer eventuellen vorzeitigen Rückreise versicherte. Nach den abschließend im Versicherungsvertrag genannten Ereignissen bestand Versicherungsschutz zwar bei einer Na­tur­ka­ta­stro­phe, nicht aber bei einer Pandemie. 

Zutreffend ist das Gericht davon ausgegangen, dass die weltweite Corona-Pandemie seit ihrer Ausrufung am 11.3.2020 durch die WTO bis zum heutigen Tage keine Naturkatastrophe ist. Dass die Corona-Pandemie als Risiko für die menschliche Gesundheit ein unvermeidbarer außergewöhnliche Umstand im Sinne  des einheitlichen Begriffskonzeptes der EU-Passagierrechte-VO insbesondere des Art. 5 III der Fluggastrechte-VO 261/2004 darstellt, haben die Gerichte und das Schrifttum einzelfallbezogen in den Jahren 2020 und 2021 für Reisen, die vor dem Ausbruch gebucht wurden, für die Fälle des entschädigungslosen Rücktritts vom Pauschalreisevertrag weitgehend bejaht. Die Corona-Pandemie als Gesundheitsgefahr kann in den beiden Jahren nach ihrem Ausbruch sicherlich als außergewöhnlicher Umstand bzw. als höhere Gewalt angesehen werden, da sie bis heute nicht der Kontrolle der Vertragsparteien unterliegt. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts für das Reiseziel stellt ein starkes Indiz für das Vorliegen dieses außergewöhnlichen Umstandes dar. 

Davon zu unterscheiden sind die Beeinträchtigungen z. B. des Luftverkehrs durch die Pandemie aufgrund der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionsgefahr. Diese politischen Maßnahmen sind eine Folge der Pandemie! Die dadurch verursachten Einschränkungen und behördlichen Maßnahmen wie Flugverbote sind keine unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände, sondern zählen als Folge der Pandemie zur den mehr oder weniger starken Beeinträchtigen einer Reise iSd. § 651h III BGB. 

Dem Gericht ist zu folgen, dass es sich bei der Co­ro­na-Pan­de­mie wegen des Fehlens un­mit­tel­ba­rer phy­si­scher Aus­wir­kun­gen, lo­ka­lem Auf­tre­ten und zeit­li­cher Ein­gren­zung um keine ty­pi­sche Na­tur­ka­ta­stro­phe handelt. Von einer Naturkatastrophe kann doch nur ausgegangen werden bei geophysikalischen (Erdbeben, Vulkanausbrüche), meteorologischen (z. B. Stürme), hydrologischen (z. B. Überschwemmungen) und klimatologischen (z. B. Waldbrände, Dürre, Temperaturextreme) gewaltigen plötzlichen Naturereignissen. Staatliche Eingriffe auf die Um­welt, ins­be­son­de­re auf das öf­fent­li­che Leben, treten erst als Folge der staat­li­chen Schutz­maß­nah­men ein­. So ist auch die kürzlich durch das Auswärtige Amt erfolgte Hochstufung Südafrikas als Virusvariantengebiet auf Grund der Variante Omicron ein po­li­ti­scher Er­mes­sens­ak­t zur Eindämmung der Infektionsgefahr, aber für sich genommen noch kein außergewöhnlicher Umstand bzw. höhere Gewalt. 

Das Gericht weist zutreffend auch darauf hin, dass auch in zeit­li­cher Hin­sicht sich die Co­ro­na-Pan­de­mie von einer Na­tur­ka­ta­stro­phe unterscheidet. Bei eine Naturkatastrophe be­steht die Ge­fah­ren­quel­le ty­pi­scher­wei­se für einen nur be­grenz­ten Zeit­raum. Die Ge­fahr durch das Co­ro­na­vi­rus be­steht aber be­reits seit fast zwei Jahren mit verschiedenen Wellen und wird auch noch im nächsten Jahr die Welt und die Gerichte in Atem halten. 

Kann bald der inländischen Verbraucher seinen deutschen Reiseveranstalter an seinem Firmensitz verklagen?

Das Landgericht Mainz hat am 16. Juli 2020 in der Rechtssache C-317/20, BeckEuRS 2020, 652467 ein Vorabentscheidungsersuchen zum EuGH eingereicht mit der Frage, ob Artikel 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) dahingehend auszulegen sei, dass die Vorschrift neben der Regelung der internationalen Zuständigkeit auch eine durch das entscheidende Gericht zu beachtende Regelung über die örtliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Reisevertragssachen trifft, wenn sowohl der Verbraucher als Reisender als auch sein Vertragspartner, der Reiseveranstalter, ihren Sitz im gleichen Mitgliedsstaat haben, das Reiseziel aber nicht in diesem Mitgliedsstaat, sondern im Ausland liegt (sog. „unechte Inlandsfälle“), mit der Folge, dass der Verbraucher vertragliche Ansprüche gegen den Reiseveranstalter in Ergänzung nationaler Zuständigkeitsvorschriften an seinem Wohnsitzgericht einklagen könne?

Möglicherweise steht den Reiseveranstaltern ein Paradigmenwechsel hinsichtlich des Gerichtsstandes bevor. Der für die Anwendung der Zuständigkeitsregeln der Brüssel Ia-VO notwendige Auslandsbezug könne sich möglicherweise auch aus dem Erfüllungsort einer Pauschalreise im ausländischen Mitgliedsstaat oder Drittstaat ergeben. Wenn also z. B. ein Pauschalreisender aus München bei seinem Reiseveranstalter mit Sitz in Hannover eine Reisepreisminderung einklagen möchte, will das LG Mainz geklärt haben, ob der Verbraucher seine vertraglichen Ansprüche gegen seinen Reiseveranstalter sowohl am Sitz in Hannover als auch an seinem Wohnsitz in München einklagen könne.

Die EU-Kommission schlägt in ihrer Stellungnahme vom 8.12.2020 vor, diese Frage zu bejahen, obwohl die bisher ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung und der reiserechtlichen Literatur einen solchen Verbrauchergerichtsstand am Wohnort des Reisenden abgelehnt hat (vgl. Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9, ff. 11 m.w. Nachw. Die Kommission ist der Auffassung, dass sich der Gerichtsstand bei solchen unechten Inlandsfällen „ausschließlich“ nach der Brüssel Ia-VO richte und die nationalen Zuständigkeitsvorschriften der §§ 12 ff. ZPO auch nicht subsidiär gelten, sondern durch das vorrangige EU-Recht verdrängt würden. Werde also ein Pauschalreisevertrag zwischen zwei inländischen Vertragspartnern grenzüberschreitend erfüllt mit z.B. einem Flug nach Mallorca und einem dortigen Hotelaufenthalt oder einer Kreuzfahrt mit verschiedenen ausländischen Hafenanlandungen sei die Brüssel Ia-VO vorrangig heranzuziehen (so bisher Staudinger in Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 4 Rn. 2 m.w.Nachw.).

Ich habe nach wie vor erhebliche Zweifel, ob die Internationalität einer Pauschalreise durch eine ausländische Destination als Zielgebiet ausreicht, den für die Brüssel Ia-VO notwendigen Auslandsbezug zu schaffen, außer das anwendbare Kollisionsrecht beruft selbst das ausländische Recht oder den Gerichtsstand wie z. B. bei der Miete eines Ferienhauses in der EU nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO. Ein normrelevanter Auslandsbezug ist m. E. abzulehnen, wenn ein Reiseveranstalter Teile seiner Reiseleistungen im Ausland zu erbringen hat. Reisevertraglich werden damit keine Rechtsnormen des Zielgebiets angewendet. Auch eine deliktische Handlung im Zielgebiet ist als mögliche Verkehrsicherungspflichtverletzung nicht im Ausland begangen, da es nicht auf den Erfolgsort der Pflichtverletzung ankommt. Eine mögliche Pflichtverletzung eines deutschen Veranstalters ist dem inländischen Management zuzurechnen. Letztlich hat auch der deutsche Gesetzgeber einen zusätzlichen Verbrauchergerichtsstand nach Art. 18 der Brüssel Ia-VO nicht gewollt. Würde man Art. 18 der VO derartig erweiternd auslegen, würde in unzulässiger Weise in die Kompetenz des nationalen Gesetzgebers in Berlin eingegriffen werden. Die ZPO kennt bis heute keinen allgemeinen Verbrauchergerichtsstand. Eine Ausnahme ist nur Art. 225 VVG mit einem Verbrauchergerichtsstand in Versicherungssachen (Führich in Führich/Staudinger, Reiserecht, § 30 Rn. 27). Mit einer solchen Auslegung des Art. 18 der Brüssel Ia-VO würden fast alle deutschen Regelungen des Gerichtsstands der §§ 12 ff. ZPO ihres Anwendungsbereichs beraubt (Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 4 Rn. 11 m. w. Nachw.).

Prof. Dr. Ernst Führich

BGH: Zur Notwendigkeit einer Beweisaufnahme über Sicherheitsvorschriften für Hotelzimmer des Reiseveranstalters im Reiseland

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 25.6.2019 (X ZR 166/18) die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Tatrichter dem Vorbringen einer Partei zum Inhalt von ausländischen Sicherheitsvorschriften für Hotelzimmer im Zielgebiet einer Pauschalreise nachzugehen hat.

Unstreitig sind die örtlichen Verhältnisse und nicht ein unionsrechtlicher oder deutscher Standard als Maßstab für den zu fordernden Sicherheitsstandard von unter Vertrag genommenen Leistungserbringern eines Reiseveranstalters heranzuziehen (BGH, Urt. v. 25.2.1988 – VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298 = MDR 1988, 573; Staudinger, in hrich/Staudinger, 8. Aufl. 2019, § 22 Rn. 36, 40 m. w. Nachw.). Dies ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des Art. 17 Rom II-VO, wonach bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, faktisch und soweit angemessen die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen sind, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsrechtlichen Ereignisses in Kraft sind. Hierbei hat der Tatrichter auch im Zivilprozess kodifizierte Normen, aber auch einen von der Rechtsprechung konkretisierten Sorgfaltsmaßstab zu ermitteln und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Gleichwohl gilt ein Mindestsicherheitsstandard, der trotz örtlich festgesetzter Grundlagen, nicht unterschritten werden darf. Gelten im Urlaubsland niedrigere Anforderungen, hat der Veranstalter zudem eine Hinweispflicht, um einer Haftung aus einem Reisemangel bzw. einer Verkehrssicherungspflicht zu entgehen.

Hinsichtlich der Verletzungshandlungen des Reiseveranstalters, hat der BGH bereits im Glasschiebetür-Fall entschieden, dass das Vorhandensein einer notwendig zu benutzenden Eingangstüre aus nicht bruchsicherem Glas und ohne sichtbare Kennzeichnung einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellt, wenn der Veranstalter die Unterkunft mit „kindgerechter Ausstattung“ beworben wird (BGH, Urt. v. 18.7.2006 – X ZR 44/04, MDR 2007, 200 = NJW 2006, 2918). Aus der Prospektangabe, dass eine Unterkunft mit Kindern gebucht werden kann, ist damit meines Erachtens zu schließen, dass aus Sicht des Kunden, dies sich nicht nur auf zusätzliche kindgerechte Ausstattungen, sondern auch auf die bauliche Beschaffenheit der Unterkunft selbst bezieht. Sollte die Tür diesem örtlichen Standard nicht entsprochen haben, bestand eine besondere Gefährdungslage, in der eine einfache Markierung auf der Scheibe nicht ausreicht. Daher hat ein Veranstalter, der Kinder in seine Unterkünfte einbucht, sich regelmäßig in seinen Vertragshotels von der Einhaltung der örtlichen Sicherheitsvorschriften des Gastgebiets zu überzeugen.

 Zur Darlegungs- und Beweislast sah der BGH entgegen der Auffassung der Vorinstanz den Vortrag des Klägers zu einem Verstoß gegen die örtlichen Bauvorschriften als hinreichend konkret an. Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, eine Glastür für einen Balkon müsse nach den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen so beschaffen sein, dass sie einem Anprall eines siebenjährigen Kindes nach kurzem Anlauf standhalte. Dieser Sachverhalt ist nach Auffassung des BGH hinreichend konkret, um ihn rechtlich zu bewerten. Zwar sei es nicht Aufgabe eines Zivilgerichts, die Ursachen eines Unfalls von Amts wegen aufzuklären. Wenn ein Kläger einen hinreichend konkreten Sachverhalt vorträgt, müsse das Gericht aber den Inhalt der dafür maßgeblichen in- und ausländischen Vorschriften in eigener Zuständigkeit ermitteln (§ 293 ZPO).

LG Koblenz: Trinkgeld-Klausel in AGB bei Kreuzfahrten rechtswidrig (und: Auch Verbände können nichts Rechtswidriges erlauben)

Kreuzfahrten werden immer mehr zum Massenprodukt. Auch stets fallende Preise sorgen für die zunehmende Beliebtheit. Eine Möglichkeit, um bei Angebotspreisen zu mogeln, wenden viele Veranstalter seit Jahren an: Es wird zusätzlich zum Angebotspreis eine verpflichtende Trinkgeldpauschale zusätzlich vereinbart, die pro beanstandungsfreiem Tag, auf See anfällt. Bei der Abreise ist dies dann beim Checkout auf dem Schiff zu bezahlen. Nur wenige Urlauber trauen sich erfahrungsgemäß, diese Pauschale von der Rechnung streichen zu lassen. So können Reedereien – auf den ersten Blick – günstigere Reisepreise anbieten.

Das Landgericht Koblenz hält solche Klauseln, die sich in AGB verstecken, für rechtswidrig. Es kommt dabei über § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Sonderregelung des § 312a Abs. 3 S. 1 BGB zur Anwendung, wonach nur ausdrückliche Vereinbarungen über solche Entgelte neben der Hauptleistung zulässig sind. Dieses Erfordernis erfüllt eine Erwähnung in den AGB nicht.

Übrigens:

Der Reiseveranstalter hat offenbar vorab versucht, bei anderen Verbraucherschutzverbänden den Segen für Ihr Vorgehen zu erhalten. Das Gericht stellt hier fest:

Uneherblich ist der Einwand der Beklagten, dass die beanstandete Bestimmung in einer mit anderen Verbraucherschutzverbänden abgestimmten Art und Weise verwendet werde. Da die Vorschrift des § 312a Abs. 3 S. 1 BGB zwingendes Recht ist (§ 312k Abs. 1 BGB), stehen diese gesetzlichen Bestimmungen nicht zur Disposition von Verbraucherschutzverbänden oder anderen Personen

Kurz: Netter Versuch.

Praxistipp:

Wer in der Vergangenheit aufgrund solcher Regelungen Trinkgelder gezahlt hat, könnte möglicherweise aufgrund der Verwendung unwirksamer AGB einen Schadensersatzanspruch gegen den Veranstalter in gleicher Höhe aus §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB haben. Hier dürfte sich aber die Frage stellen, ob der Reisende nicht schlicht die Trinkgeldpauschale auf dem Schiff hätte streichen lassen müssen. In Anbetracht durchaus umfangreicher Endabrechnungen beim Checkout für zusätzliche Verpflegung, Getränke und Dienstleistungen im Rahmen einer Kreuzfahrt dürfte dies aber nur zu einem geringen Anteil zu Lasten des Reisenden Berücksichtigung finden.

LG Koblenz, Urt. v. 11.09.2017, Az.: 15 O 36/17

BGH: Bei Wetlease haftet Vertragspartner auf Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung

Der Zeitpunkt der Entscheidung könnte besser nicht passen: Nachdem im aktuellen Trubel um Air Berlin gestern und heute eine Vielzahl von Flügen gestrichen wurden, befanden sich auch viele Fluggäste unter den Betroffenen, die ihren Flug eigentlich bei Eurowings gebucht haben. Deren Flüge sollte zu großen Teilen im sogenannten Wetlease-Verfahren von Air Berlin durchgeführt werden.

Nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung 261/2004 ist Schuldner der dortigen Leistungen, insbesondere der in vielen Fällen zu zahlenden Entschädigung, die ausführende Airline. Wie ist dies nun beim Wetleaseverfahren, bei dem Crew und Fluggerät von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden?

Der BGH geht davon aus, dass sämtliche Pflichten hier nicht das Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund der „Wet-Lease-Vereinbarung“ eingesetzt wurden treffen, sondern das in dem Fall beklagte Luftfahrtunternehmen treffen.

Bei einem – vermutlich seit gestern laufenden- wilden Streik liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor (beispielsweise AG Erding, 20.03.2017 – 13 C 3778/16), sodass Eurowings auch für „operated by Air Berlin“-Flüge, die derzeit annuliert werden, auf Entschädigungsleistungen haften dürfte, sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind.

BGH Urteile vom 12. September 2017 Az.: X ZR 102/16 und X ZR 106/16 Link zur Pressemitteilung

Eckpfeiler des deutschen Reiserechts geopfert

Der Bundesrat hat am 7. Juli 2017 die Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie 2015/2302 vom 25. November 2015 durch tiefgreifende Änderungen der §§ 651a ff. BGB gebilligt. Der Bundestag hatte die Reform bereits am 1. Juni 2017 beschlossen. Wegen der Vollharmonisierung des Reiserechts in 28 Mitgliedstaaten der EU, werden bisher maßgebliche Eckpfeiler des deutschen Reisevertragsrechts auf dem Altar der Union geopfert. Leider ist die Diskussion über diesen Abbau des deutschen Recht im Gesetzgebungsverfahren in den Hintergrund getreten. Ich nenne dafür einige Beispiele, die auch durch das deutsche Umsetzungsgesetz nicht gerettet werden konnten.

  1. Preiserhöhungen bis zu 8 % bis 20 Tage vor Reise möglich

So berechtigen Preiserhöhungen zum Rücktritt vom Vertrag erst ab 8%, bisher erst ab 5%. Bis 20 Tage vor Reisebeginn ist damit ein Preiserhöhungsverlangen z. B. über 7,5 % zulässig, wenn sich Beförderungskosten, Abgaben oder Wechselkurse nach Vertragsschluss ändern!

  1. Wegfall der 4-Monatsgrenze bei Preiserhöhungen

Bisher ist eine Erhöhung des Reisepreises durch AGB nicht möglich, wenn zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn weniger als 4 Monate liegen. Diese absolute 4-Monatsgrenze in § 309 Nr. 1 BGB fällt leider der Vollharmonisierung zum Opfer, da die gesetzliche Regelung der Preiserhöhung in § 651f BGB keine abweichende AGB-Regelung mehr zulässt (§ 651y BGB). Gerade diese wichtige Zeitgrenze des allgemeinen Wirtschaftsrechts hat bisher in Deutschland dazu geführt, dass Preiserhöhungen in der Praxis keine Rolle spielten. Wichtig ist zu wissen, dass diese 4-Monatsgrenze weiterhin bei Reiseeinzelleistungen wie z. B. bei Flugbuchungen gilt! Sie entfällt nur bei Pauschalreisen.

  1. Ersetzung der „höheren Gewalt“ durch „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“

Die Einführung des neuen unbestimmten Rechtsbegriffs der „unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände“ statt des alten Begriffs der „höheren Gewalt“ wird weitreichende neue Auslegungsprobleme schaffen, welche die Gerichte bis zum EuGH für viele Jahre beschäftigen werden.

 

  1. Wegfall des Eigenverschuldens des Veranstalters beim Schadensersatz

Besonders ärgerlich erscheint mir der Wegfall des Eigenverschuldens beim Schadensersatz in § 651n I BGB. Dies widerspricht fundamental dem bisherigen deutschen Recht. Der Reiseveranstalter kann sich daher gegen einen Schadensersatzanspruch des Reisenden nicht mehr wegen fehlender eigener Fahrlässigkeit nach §§ 276 II, 280 BGB entlasten. Diese Änderung kann z. B. beim Reisemangel der Verkehrssicherungspflicht in Hotelanlagen der Leistungserbringer zu ruinösen Folgen führen. Der Reiseveranstalter haftet dann summenmäßig unbegrenzt für alle Folgen bei Personen- und Sachschäden. Dies gilt also auch dann, wenn das Unternehmen als ordentlichem Geschäftsmann kein nachweisbarer Fahrlässigkeitsvorwurf durch ein vorhersehbares und vermeidbares Verhalten trifft und er alle Kontrollpflichten erfüllt hat, welche von einem verantwortungsvollen Reiseveranstalter erwartet werden können! Das neue Recht lässt in § 651n BGB zur Entlastung beim vermuteten Verschulden des Veranstalters nur das Selbstverschulden des Reisenden, unbeteiligter Dritter oder unvermeidbare außergewöhnliche Umständen zu, nicht mehr das eigene fehlende Vertretenmüssen!

  1. Wegfall der Anmeldefrist von 1 Monat

Der Wegfall der einmonatigen Ausschlussfrist zur Anmeldung von Gewährleistungsrechten führt dazu, dass Reisende bis zu zwei Jahre nach dem Reiseende Ansprüche gegen den Veranstalter geltend machen können. Die weiter bestehende Pflicht zur Mangelanzeige durch den Reisenden während der Reise ist dafür kein Ersatz. Eine schnelle Beweissicherung können wir daher in Zukunft abschreiben! Auch der Rückgriff auf einen, den Mangel verursachenden Leistungsträger ist nach so langer Zeit illusorisch.

  1. Keine Verkürzung der Verjährung von 2 auf 1 Jahr durch AGB

Eine Verkürzung der gesetzlichen zweijährigen Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche durch AGB auf ein Jahr wird nicht mehr möglich sein.

  1. Ferienunterkunft und Hotel als Einzelleistung eines Reiseveranstalters/Agentur künftig ungeschützt

Ferienimmobilien und Hotelzimmer, die von Agenturen oder Reiseveranstaltern als eigene Einzelleistung angeboten werden, stehen derzeit noch unter besonderem Schutz des deutschen Pauschalreiserechts. Mehr als 30 Jahre konnten sich deutsche Urlauber nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH auf eine analoge Anwendung des Reisevertragsrechts verlassen. Daher sind heute noch die Kundengelder auch im Falle von Insolvenzen abgesichert. Nun entfällt ab 1. Juli 2018 die Absicherung. Diese Einzelleistungen unterliegen künftig dem durch AGB abänderbaren, also „weichen“ Beherbergungsrecht. Anbieter können sich damit durch eine Rechtswahl des Landes der Unterkunft aus dem deutschen Recht mit einer AGB-Klausel „herauswählen“. Urlauber müssen im jeweiligen Ausland ihr vorab gezahltes Geld für die Buchung wieder einklagen oder die dortigen Gewährleistungsrechte bei Mängeln am ausländischen Gerichtsstand geltend machen. Mit dieser schwerwiegenden Absenkung des bisherigen Schutzniveaus höhlt Berlin ohne Not und ohne Begründung im Gesetzesentwurf das Pauschalreiserecht weiter aus, als es die EU-Richtlinie vorgibt! Dieser umfassende Schutz war im ersten Referenten-Entwurf aus dem federführenden Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz noch vorgesehen. Auch bei der Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundetages habe  ich mich mit allen geladenen Rechtsexperten ebenfalls dafür ausgesprochen, dass Ferienunterkünfte und Hotels aus dem Angebot von Reiseveranstaltern und Agenturen auch weiterhin unter den Schutz des Pauschalreiserechts fallen. Doch die Lobby der Reiseverbände hat sich durchgesetzt. Der Verbraucherschutz hat eine Niederlage erlitten!

 

Veranstaltergleich angebotene Ferienwohnungen müssen Pauschalreisen bleiben!

Es besteht die Gefahr, dass bei der derzeitigen Reform des Pauschalreiserechts durch die Richtlinie 2015/2302 durch die Koalition in Berlin Ferienwohnungen von Veranstaltern und Agenturen aus dem Pauschalreiserecht herausgenommen werden. Damit würde nach Meinung von Reiserechtlern ein über 40 Jahre bewährtes Verbraucherschutzrecht auf unerträgliche Weise abgesenkt. Der Bundesgerichtshof bestätigt seit Jahrzehnten diesen deutschen Sonderweg in der EU und wendet das den Verbraucher schützende Reisevertragsrecht auch auf Ferienwohnungen und Hotelzimmer bei Urlaubsreisen an, wenn diese Unterkünfte aus dem Angebot eines Reiseveranstalters oder einer Agentur stammen.

Es wäre ein Skandal, wenn die Bundesregierung sich erst über Jahre hinweg in Brüssel bei der Schaffung der neuen Pauschalreiserichtlinie erfolgreich für diesen besonderen deutschen Verbraucherschutz einsetzt, Brüssel ihn dann auch in der Richtlinie ausdrücklich zulässt und er nun gestrichen würde. Im Juni letzten Jahres wurde im Referentenentwurf des neuen Pauschalreisegesetzes dieser Verbraucherschutz auch gesetzlich absichert. Auf Druck der CDU/CSU und der touristischer Lobbyisten wurde dann im Gesetzgebungsverfahren diese wichtige Urlaubsart sang und klanglos ohne Begründung im Gesetzesentwurf gestrichen!

Bei der Anhörung der juristischen Sachverständigen im Rechts- und Verbraucherausschuss kämpften nicht nur die Juristen der Verbraucherzentralen, sondern Prof. Dr. Klaus Tonner (Universität Rostock) und ich für die analoge Anwendung des Pauschalreiserechts, um diesen langjährigen Verbraucherschutz aufrechtzuerhalten. Bis heute ist im Gesetzgebungsverfahren meines Wissens noch keine Entscheidung zwischen SPD und CDU gefallen, obwohl die Reform bis Juni spätestes unter Dach und Fach sein muss, da der Wahlkampf vor der Türe steht und die EU eine Frist bis Jahresende gesetzt hat.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Urlauber nur bei Anwendung des Pauschalreiserechts umfangreiche Informationsrechte besitzt, seine Kundengelder bei Insolvenz des Veranstalters oder der Agentur abgesichert sind, das bessere Stornorecht gilt und er Reisemängel der Ferienwohnungen nach deutschem Reiserecht am Sitz des Veranstalters durchsetzten kann. Käme nur das mietrechtliche Beherbergungsrecht zur Anwendung, würde bei ausländischen Ferienwohnungen das dortige Gericht nach ausländischem Recht entscheiden. Auch könnten sich die Anbieter durch AGB-Klauseln aus dem deutschen Recht „heraus wählen“. Bei den gar nicht seltenen Pleiten der Agenturen, wäre der gezahlte Reisepreis nicht Insolvenz geschützt und es könnte keine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend gemacht werden.

Vielfach wird zu Unrecht behauptet, dass Ferienwohnungen von Privatvermietern und deren Vermittlung durch die Reform betroffen seien. Dem ist energisch zu widersprechen. Es geht nur um Ferienwohnungen aus dem Angebot von Reiseveranstaltern und Agenturen, deren Geschäftszweck darin besteht, Pauschalreisen sowie einzelne Reiseleistungen dieser Kombination als Eigengeschäft anzubieten. Damit ist die Vermittlung von Ferienwohnungen von Privatvermietern und Hotels nicht von der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Pauschalreiserechts betroffen. Bei der richtig durchgeführten Vermittlung solcher Ferienunterkünfte wird dem Mieter der Vermieter namentlich im vermittelten Beherbergungsvertrag genannt. Die Reform will dagegen nur solche Ferienwohnungen erfassen, welche veranstaltergleich als Eigengeschäft dem Urlauber angeboten werden, also ohne Offenlegung eines Vermieters.

Transitunfall ohne Verschulden bei Pauschalreise ist Reisemangel

Der BGH bestätigte mit seinen Urteilen vom 6. 12. 2016 in den Verfahren X ZR 117/15 und X ZR 118/15 die bisher von der Rechtsprechung vertretene Meinung, dass ein Transferunfall bei einer Pauschalreise stets ein Reisemangel ist, auch wenn der Unfall unverschuldet ist. Durch den Transferunfall, der beiden Entscheidungen des BGH zugrunde lag, wurden die Reisenden des Busses durch einen Geisterfahrer schwer verletzt und konnten die gebuchten Reiseleistungen nicht in Anspruch nehmen. Daher verlangten die Reisenden den vollständigen Reisepreis als Minderung vom Veranstalter zurück.

Der Reiseveranstalter berief sich auf das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden, da ein Geisterfahrer auch im Privatbereich des Reisenden oder als Individualreisender eine Gefahr darstelle. Hinsichtlich des oft in der Rechtsprechung des Reiserechts verwendeten schwammigen Begriffs des allgemeinen Lebensrisikos ist anzumerken, dass er Folge des weiten Mangelbegriffs ist. Besser wäre es, man spräche vom fehlenden Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden des Reisenden und einer Pflichtwidrigkeit des Veranstalters. Insoweit fehlt es dann an der Kausalität zwischen der Beeinträchtigung der Reise und einer Pflichtwidrigkeit des Reiseveranstalters (Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 7 Rn. 113 ff.). Der Reisende trägt nur für seine privaten allgemeinen Lebensrisiken die Verletzungsgefahr, die Risiken nicht reisespezifisch sind und nichts mit den gebuchten Leistungen zu tun haben. So liegt es im allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden, wenn er beim Spazierengehen von einem Auto angefahren wird, da ein solcher Unfall auch im privaten Alltag des Reisenden zu Hause auftreten kann.

Ein Transitunfall mit dem Bus ist dagegen dem Risiko und Leistungsbereich des Veranstalters zuzurechnen. Zurecht bejahte der BGH daher die Kausalität zwischen den schweren Verletzungen und der Transitleistung. Der Veranstalter trägt das Risiko des vom Reisenden gebuchten und bezahlten Transfers und muss die Fahrt mit dem Bus gefahrlos durchführen. Auch wenn der Bus auf seiner Spur von einem Geisterfahrer gerammt wurde, trägt der Veranstalter das Verletzungsrisiko seiner Reiseleistung. Ein Reisemangel ist damit auch dann anzunehmen, wenn den Busfahrer als Gehilfe des Veranstalters kein Verschulden am Unfall trifft. Daher hat der BGH völlig zu Recht den Veranstalter zur Rückzahlung des gesamten Reisepreises verurteilt, da durch den Reisemangel der Nutzen der Erholungsreise nicht eingetreten ist (§ 651c Abs. 1 BGB).