LG Frankfurt a. M.: E-Mail-Kommunikation mit dem Mandanten

Bei einer Entscheidung des LG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 3.4.2025 – 2-13 T 21/25)  ging es obiter um eine Wiedereinsetzungsfrage im Zusammenhang mit einer Beschlussanfechtungsklage nach dem WEG, vgl. § 45 S. 2 WEG. Die Frist war versäumt worden. Der Rechtsanwalt hatte dem Mandanten rechtzeitig eine Mail mit der gerichtlichen Vorschussrechnung geschickt und darauf hingewiesen, dass der Vorschuss rechtzeitig einzuzahlen ist. Diese Mail war jedoch in dem SPAM-Ordner des Mandanten gelandet und blieb deshalb unbeachtet. Dies wurde erst zu spät im Rahmen eines Gesprächs zwischen Rechtsanwalt und Mandanten bemerkt.

Das LG Frankfurt a. M. erinnert in diesem Zusammenhang im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung an die Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 18.11.2021 – I ZR 125/21, MDR 2022, 788), wonach der Versand einer einfachen E-Mail an den Mandanten nicht ausreicht, um bei fristgebundenen Nachrichten der Pflicht des Rechtsanwalts zu genügen. Vielmehr muss die Kenntnisnahme derartiger Nachrichten sichergestellt werden. Es muss also entweder eine Lesebestätigung angefordert werden oder bei dem Mandanten nachgefragt werden.

Im konkreten Fall sieht es daher für die beantragte Wiedereinsetzung schlecht aus. Wegen Besonderheiten des WEG-Verfahrens konnte diese Frage allerdings im konkreten Fall in der Beschwerdeinstanz unentschieden bleiben.

Fazit: Der Rechtsanwalt sollte sich somit bewusst sein, dass die heute übliche E-Mail-Kommunikation mit dem Mandanten in manchen Fällen durchaus besondere Haftungsrisiken mit sich bringt.

Anwaltsblog 26/2025: Signaturpflicht auch bei Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs!

Mit dem Erfordernis der Wiedergabe des Anwaltsnamens am Ende des Schriftsatzes bei einer einfachen Signatur hatte sich erneut der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 9. April 2025 – XII ZB 599/23):

 

Der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, einer Einzelanwältin, ist das Urteil des Landgerichts am 4. August 2023 zugestellt worden. Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 4. September 2023 ist auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) Berufung eingelegt und durch Schriftsatz vom 22. September 2023 begründet worden. Beide Schriftsätze enden mit der Bezeichnung „Rechtsanwältin“, ohne dass sich darüber ein Name oder eine Unterschrift befindet. In den Transfervermerken findet sich in dem Feld „Qualifiziert elektronisch signiert“ die Angabe „nein“. Das OLG hat den von der Beklagten gestellten Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung verworfen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Dezember 2023 – 9 U 141/23 –, MDR 2024, 462).

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungseinlegung nicht formgerecht erfolgt ist, weil es an der nach § 130 a Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderlichen einfachen Signatur fehlt. Die einfache Signatur besteht aus der Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein. Die einfache Signatur soll – ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Dem genügen die von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingereichten Schriftsätze nicht. Die Anfügung der Bezeichnung „Rechtsanwältin“ stellt keine Signatur dar. Damit sind die zwingenden Formerfordernisse nicht erfüllt.

Das Erfordernis der einfachen Signatur kann auch nicht deshalb als entbehrlich angesehen werden, weil die mit ihm verbundenen Zwecke auf anderem Weg erfüllt wären. Zwar spricht die gewählte Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130 a Abs. 4 ZPO für die Identifizierbarkeit des Urhebers. Dennoch bietet der Briefbogen einer Anwaltskanzlei keine Gewähr für eine vollständige Aufzählung der in einer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte und ist daher kein rechtssicherer Bezugspunkt für die Zuordnung der Verantwortlichkeit für einen Schriftsatz zu einem bestimmten Berufsträger. Dass im Briefbogen der Kanzlei nur ein Rechtsanwalt genannt ist, schließt nicht aus, dass ein dort nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat.

Eine Wiedereinsetzung in die Berufungseinlegungsfrist kommt wegen des der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens ihrer Rechtsanwältin nicht in Betracht.

 

Fazit: Die bloße Angabe der Berufsbezeichnung am Ende eines Schriftsatzes stellt keine Signatur dar. Erforderlich ist die Wiedergabe des Namens, etwa als maschinenschriftlicher Namenszug oder eingescannte Unterschrift. Auch wenn ein Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht wird, muss die einfache Signatur vorhanden sein. Dies gilt auch dann, wenn im Briefbogen der Kanzlei nur ein Rechtsanwalt genannt ist. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass ein dort nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2024 – V ZR 261/23 –, MDR 2024, 1601).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Präklusion neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz.

Nicht bestrittenes neues Vorbringen in der Berufungsinstanz
BGH, Urteil vom 18. Juni 2025 – I ZR 82/24

Der I. Zivilsenat stellt klar, dass eine bloße Verspätungsrüge nicht ausreicht, um neues Vorbringen unberücksichtigt zu lassen.

Der Kläger ist Berufsfotograf. Für die Beklagte, die unter anderem Fitnessgeräte anbietet und Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, hat er im Jahr 2011 für ein Honorar von 180 Euro mehrere Fotos angefertigt. Einen daraus gefertigten Bildausschnitt, der ihre Geschäftsführerin zeigt, hat die Beklagte auf den Verpackungen ihrer Nahrungsergänzungsmittel und in Werbematerialien verwendet. Der Kläger macht geltend, der Bildausschnitt sei millionenfach verwendet worden. Deshalb stünden ihm ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 32a Abs. 1 UrhG sowie Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaft gemäß § 242 BGB bzw. § 32d UrhG zu.

Das LG hat die auf Auskunft und Rechnungslegung und auf Feststellung der Pflicht zur Einwilligung in eine Vertragsänderung gerichtete Klage abgewiesen. In der zweiten Instanz hat der Kläger seine Ansprüche im Wege der Stufenklage weiterverfolgt. Das OLG hat die Beklagte antragsgemäß zu Auskunft und Rechnungslegung verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 242 BGB bzw. § 32d UrhG erfüllt sind.

Zu Unrecht hat das OLG jedoch den Vortrag der Beklagten zur Verwirkung des Anspruchs gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt gelassen.

Die diesbezügliche Behauptung, der Kläger habe die Verwendung des Bildausschnitts über acht Jahre hinweg nicht beanstandet, obwohl er mit der Beklagten in ständiger Geschäftsbeziehung gestanden und monatliche Honorare in der Größenordnung von 15.000 Euro abgerechnet habe, ist zwar erstmals in zweiter Instanz erhoben worden, obwohl sie der Beklagten schon in erster Instanz möglich gewesen wäre. Der Vortrag muss dennoch berücksichtigt werden, weil der Kläger ihn nicht bestritten hat und unstreitiges Vorbringen nicht als verspätet zurückgewiesen werden darf.

Das OLG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu beurteilen haben, ob das vorgetragene Verhalten des Klägers zu einer Verwirkung des Anspruchs geführt hat.

Praxistipp: Die Entscheidung veranschaulicht, dass eine Partei unrichtigem Vortrag des Gegners auch dann inhaltlich entgegentreten muss, wenn er offensichtlich verspätet ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Bemessung des Restwerts eines Unfallwagens.

Subjektbezogene Schadensbetrachtung bei Beschädigung von Sicherungseigentum
BGH, Urteil vom 25. März 2025 – VI ZR 174/24

Der VI. Zivilsenat stellt klar, wessen Erkenntnismöglichkeiten bei der Berechnung eines Schadens maßgeblich sind.

Der Kläger verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherer in vollem Umfang einzustehen hat. Der Kläger hatte das beschädigte Fahrzeug bei der Seat Bank gekauft und im Rahmen einer Finanzierung an diese zur Sicherheit übereignet. Der von ihm beauftragte Sachverständige bezifferte den Unfallschaden mit rund 16.000 Euro. Hierbei ging er auf der Grundlage von drei regionalen Angeboten von einem Restwert in Höhe von 7.100 Euro aus. Die Beklagte beziffert den Restwert auf der Grundlage einer Internet-Recherche mit 10.290 Euro.

Wenige Wochen nach dem Unfall teilte die Seat Bank dem Kläger mit, die Finanzierung sei erledigt und er sei ermächtigt, Zahlungen aus dem Schadensereignis in Anspruch zu nehmen oder zu verlangen. Die unter Bezugnahme auf diese Erklärung erhobene Klage auf Zahlung von 3.190 Euro hatte in erster Instanz Erfolg. Das LG wies sie auf die Berufung der Beklagten hingegen ab.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Das LG hat den Klageantrag zu Recht als hinreichend bestimmt angesehen. Aus dem Vorbringen des Klägers geht hervor, dass er keinen eigenen Anspruch wegen Verletzung seiner Rechte als Sicherungsgeber und Besitzer geltend macht, sondern einen Anspruch der Seat Bank als Eigentümerin des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Unfalls.

Ebenfalls zu Recht hat das LG die Klage als unbegründet angesehen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Unfallgeschädigter grundsätzlich nicht gehalten, zusätzliche Ermittlungen zum Restwert des beschädigten Fahrzeugs anzustellen, wenn ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine konkrete Wertermittlung erkennen lässt, einen bestimmten Betrag als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Etwas anderes gilt, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten zwar nicht beim Kläger erfüllt, wohl aber bei der Seat Bank.

Der BGH hat bereits entschieden, dass bei Ersatzansprüchen eines Leasinggebers nicht die Erkenntnismöglichkeiten des Leasingnehmers maßgeblich sind, sondern diejenigen des Leasinggebers. Er tritt dem LG nunmehr darin bei, dass Entsprechendes bei Ersatzansprüchen eines Sicherungseigentümers gilt. Dafür spricht bereits, dass der Sicherungsnehmer in der Regel ein eigenes Interesse hat, den Restwert des Sicherungsguts nach der Beschädigung zu ermitteln.

Praxistipp: Eine Klage auf Schadensersatz wegen Beschädigung einer geleasten oder zur Sicherheit übereigneten Sache muss erkennen lassen, ob die Ansprüche auf das Eigentum des Leasinggebers bzw. Sicherungseigentümers oder auf die Rechtsstellung des Leasingnehmers bzw. Sicherungsgebers gestützt ist. Werden beide Rechtsgrundlagen geltend gemacht, muss die Reihenfolge angegeben werden.

Anwaltsblog 23/2025: Ist der Verzicht auf einen Zeugen widerruflich?

Ob eine Prozesspartei, die auf einen Zeugen zunächst verzichtet hatte, den Zeugen erneut benennen kann, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2025 – V ZR 152/24):

Die Beklagte veräußerte 2011 an den Kläger eine Grundstücksteilfläche von ca. 1.000 m² zur Bebauung unter Ausschluss der Rechte wegen Sachmängeln aller Art. In einem im Jahr 2004 von der Beklagten mit ihrem damaligen Nachbarn, dem Zeugen Sch., geführten Schiedsverfahren hatte die Schiedsstelle im Juni 2004 festgestellt, durch das Grundstück der Beklagten verlaufe ein „verrohrtes Entwässerungssystem“. Bei den vom Kläger durchgeführten Abrissarbeiten wurde eine über das Teilgrundstück unterirdisch in ca. 13 cm Tiefe verlaufende Abwasserleitung, die der Entwässerung von vier Nachbargrundstücken diente, beschädigt. Die Existenz der Leitung war weder in amtlichen Unterlagen vermerkt noch in dem Lageplan, der der Niederschrift zum Grenztermin zur Neuvermessung des Kaufgrundstücks beigefügt war. Gestützt auf die Auffassung, die Beklagte habe die bestehende Verrohrung gekannt und arglistig verschwiegen, begehrt der Kläger u.a. Erstattung seiner Aufwendungen für die Wiederherstellung der Rohrleitungen.

Das Landgericht hat die Klage ab-, das OLG die Berufung zurückgewiesen. Wegen des wirksam vereinbarten Haftungsausschlusses setze eine Haftung der Beklagten voraus, dass sie dem Kläger die Entwässerungsleitung arglistig verschwiegen habe. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis für das arglistige Verschweigen der Abwasserleitung durch die Beklagte nicht erbracht. Er habe ausdrücklich auf die Vernehmung des Zeugen Sch. verzichtet. Der Verzicht nach § 399 ZPO habe zur Folge, dass dem erstinstanzlichen Gericht eine Verwertung dieses Beweismittels verwehrt sei. Ob die in erster Instanz zurückgezogenen Zeugen im Berufungsverfahren erstmals zu vernehmen seien, sei nach den Regelungen zur Tatsachengrundlage der Berufungsentscheidung zu beantworten. Der Beweisantritt wäre als neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSd. § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. Diese Frage könne jedoch dahinstehen, weil der Zeuge Sch. von dem Kläger in zweiter Instanz nicht ausdrücklich erneut als Zeuge benannt sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Berufungsgericht übergeht das erhebliche, auf Vernehmung des Zeugen Sch. gerichtete Beweisangebot des Klägers prozessordnungswidrig. Es meint zu Unrecht, es mangele an einem Beweisantritt des Klägers, weil er erstinstanzlich gemäß § 399 ZPO auf die Vernehmung des von ihm benannten Zeugen Sch. verzichtet und damit sein ursprüngliches Beweisangebot widerrufen habe. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. Mai 2018 darauf hingewiesen, dass nach der bisherigen Beweisaufnahme von einer Kenntnis der Beklagten von der unterirdischen Abwasserleitung auszugehen sei, der Zeuge Sch. nach dem vorgelegten ärztlichen Attest gegenwärtig seiner Ladung wohl nicht nachkommen würde und daher unter Umständen nur eine Vernehmung vor Ort durch einen beauftragten und ersuchten Richter infrage komme, wenn der Kläger nicht auf diesen Zeugen verzichten wolle. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. Juli 2018 erklärt, auf den Zeugen Sch. zu verzichten. Nachdem das Landgericht mit Verfügung vom 6. Juli 2022 mitgeteilt hatte, dass sich die Einschätzung des Gerichts hinsichtlich der Beweiswürdigung geändert habe, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Mai 2023 klargestellt, dass er auf den Zeugen Sch. allein unter der Voraussetzung verzichtet habe, dass das Gericht den Beweis als erbracht ansehe. Da der Verzicht unter den geänderten Voraussetzungen keinen Bestand mehr habe, weise er darauf hin, dass er an dem Beweisangebot ausdrücklich festhalte.

Nach diesem Prozessverlauf durfte das Berufungsgericht nicht annehmen, das Landgericht habe alle benannten Beweismittel ausgeschöpft, da der Kläger auf den Zeugen Sch. ausdrücklich verzichtet habe. Der Kläger hat den Verzicht zur Verfahrensbeschleunigung ersichtlich nur angesichts der von dem Landgericht geäußerten Überzeugung erklärt, der Beweis einer Arglist der Beklagten sei nach dem Ergebnis der bislang durchgeführten Beweisaufnahme bereits erbracht. Dies hat er im Schriftsatz vom 23. Mai 2023 auch ausdrücklich klargestellt. Die Erklärung des Einverständnisses mit dem Unterbleiben der Vernehmung für den Fall, dass das Gericht den Beweis der streitigen Behauptung schon als erbracht ansieht, ist schon kein Verzicht iSd. § 399 ZPO. Eine derartige Erklärung ist nicht von einem endgültigen Verzichtswillen getragen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die erklärende Partei an ihrem Beweisantrag festhält, sofern das Gericht seine Überzeugung ändert. So war es hier. Dementsprechend ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Verzicht erklärt habe.

Zudem lässt das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft außer Acht, dass der Kläger bereits in erster Instanz einen etwa erklärten Verzicht widerrufen und erneut Beweis durch Benennung des Zeugen Sch. angetreten hat. In der Erklärung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 23. Mai 2023, an dem Beweisangebot ausdrücklich festzuhalten, ist bei verständiger Würdigung daher jedenfalls ein erneuter Beweisantritt zu erblicken.

 

Fazit: Der Verzicht auf einen Zeugen nach § 399 ZPO ist widerruflich. Eine Partei, die auf einen Zeugen zunächst verzichtet hat, ist durch § 399 ZPO nicht gehindert, den Zeugen später erneut zu benennen.

KG: Erledigungserklärung in zweiter Instanz nebst Kostenentscheidung

Das KG (Beschl. v. 28.3.2025 – 2 W 9/25) hatte über die Kostentragung trotz Obsiegens im Falle einer „verspäteten“ Erledigungserklärung zu entscheiden.

Dem lag folgender Sacherhalt zugrunde: Die Gläubigerin brachte gegen die Schuldnerin vor dem LG einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ein (§ 888 ZPO). Nach Zustellung des Antrages wurde der vollstreckte Anspruch durch die Übersendung der gewünschten Unterlagen erfüllt. Dies teilte die Schuldnerin dem Gericht mit. Die Schuldnerin hatte allerdings die Unterlagen bereits früher an ihren Rechtanwalt geschickt. Dort waren sie aber versehentlich zunächst liegen geblieben und wurden erst nach Zustellung des Zwangsgeldantrages an die Gläubigerin weitergeleitet.

Daraufhin reagierte die Gläubigerin zunächst nicht mehr, auch nicht auf die Nachfragen des LG. Das LG wies sodann den Antrag zurück und legte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auf. Diese legte gegen den entsprechenden Beschluss sofortige Beschwerde ein und erklärte das Zwangsgeldverfahren für erledigt, die Schuldnerin widersprach.

Da die Schuldnerin nicht zugestimmt hatte, lag hier eine einseitige Erledigungserklärung vor, die auch im Zwangsgeldverfahren zulässig ist. Ein solcher Antrag kann auch noch in der Beschwerdeinstanz angebracht werden. Da die Schuldnerin den Anspruch verspätet erfüllt hatte, ist das Verfahren tatsächlich erledigt worden. Entscheidend für die Erfüllung ist der Eingang der Unterlagen bei der Gläubigerin, nicht der Eingang derselben bei dem Anwalt der Schuldnerin. Unerheblich ist auch, dass die Gläubigerin in der Beschwerdeinstanz mit neuem Vortrag aufwartete. Ein solcher ist im Beschwerdeverfahren zulässig (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung (§ 891 S. 3, § 91, § 97 ZPO) geht allerdings teilweise zu Lasten der Gläubigerin. Die Kosten der ersten Instanz hat die Schuldnerin zu tragen, da sie verspätet erfüllt hatte. Allerdings wurden die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Gläubigerin auferlegt, da sie die Erledigung erst in der Beschwerdeinstanz erklärt hatte (§ 97 Abs. 2 ZPO) und dieser Erklärung ohne weiteres bei gewissenhafter Prozessführung auch vorher hätte abgeben können.

Fazit: Auch wenn im Beschwerdeverfahren noch einiges nachgeholt werden kann, sollte die Kostenfolge des § 97 Abs. 2 ZPO nicht übersehen werden. Nachlässige Prozessführung darf zudem nicht belohnt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil in Fällen mit unionsrechtlichem Einschlag.

Keine Vorlage an den EuGH nach zweitem Versäumnisurteil
BGH, Beschluss vom 27. März 2025 – I ZB 68/24

Der I. Zivilsenat befasst sich mit § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von verlorenen Einsätzen in Höhe von rund 11.000 Euro, die er bei Online-Glücksspielen der in Malta ansässigen Beklagten getätigt hat. Die Beklagte hat in erster Instanz die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss eines bei EuGH anhängigen Verfahrens über die Zulässigkeit solcher Online-Dienste oder eine eigene Vorlage des LG an den EuGH beantragt. In der mündlichen Verhandlung war sie nicht vertreten. Das LG erließ gegen sie ein Versäumnisurteil. In dem nach Einspruch anberaumten Verhandlungstermin erschien für die Beklagte erneut niemand. Das LG hat den Einspruch verworfen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das OLG als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Das OLG hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO darf die Berufung gegen ein Urteil, mit dem ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verworfen worden ist, nur mit der Begründung angefochten werden, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen. Die Rüge, die Klage sei unschlüssig, ist danach nicht zulässig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt dies auch dann, wenn die Schlüssigkeit von Vorschriften des Unionsrechts abhängt, die einer Vorabentscheidung durch den EuGH bedürfen. Das Unionsrecht gebietet nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund derer eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, wenn die Entscheidung inhaltlich gegen Unionsrecht verstößt.

Praxistipp: Eine Berufung darf auf den Einwand fehlender Schlüssigkeit gestützt werden, wenn es sich bei der ersten Entscheidung um einen Vollstreckungsbescheid gehandelt hat.

Anwaltsblog 21/2025: Keine Wiedereinsetzung von Amts wegen gegen den Willen einer Partei!

Unter welchen Voraussetzungen einer Partei von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren ist, hat der BGH entschieden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2025 – V ZB 44/24):

Nachdem die Frist zur Berufungsbegründung bereits bis zum 12. Januar 2024 verlängert worden war, hat der Vertreter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2024 beantragt, die Frist erneut bis zum 26. Januar 2024 zu verlängern, weil der Prozessbevollmächtigte als alleiniger Sachbearbeiter erkrankt sei. Die Beklagte hat am selben Tag kurz zuvor einer weiteren Fristverlängerung nicht zugestimmt. Die Berufungsbegründungsschrift ist am 25. Januar 2024 beim Berufungsgericht eingegangen. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist nicht gewährt worden sei und die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, hat die Klägerin geltend gemacht, über den Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden worden, weshalb eine Verwerfung der Berufung nicht in Betracht komme. Dem nach Ablehnung der Fristverlängerung zu stellenden Antrag auf Wiedereinsetzung werde stattzugeben sein, da der erkrankungsbedingte Ausfall ihres Prozessbevollmächtigten unvorhersehbar gewesen sei und dieser als Einzelanwalt den grundsätzlich vertretungsbereiten Kollegen nicht in zumutbarer Weise mit der Fertigung der Berufungsbegründung habe beauftragen können. Mit Verfügung vom 15. April 2024 hat der Vorsitzende des Berufungssenats mitgeteilt, es sei bereits deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährt werden könne. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Mai 2024 wiederholt, dass über den Antrag auf Fristverlängerung durch mit Gründen versehenen Beschluss entschieden werden müsse. Demzufolge sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand noch nicht angebracht. Für den Fall der Ablehnung der Fristverlängerung hat sie angekündigt darzulegen, dass ihr Prozessbevollmächtigter mit einem grippalen Infekt bis zum 22. Januar 2024 ans Bett gefesselt gewesen sei.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen; die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) wurde mit dem Wegfall der eine Erstellung der Berufungsbegründung hindernden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, also mit Ablauf des 22. Januar 2024 in Gang gesetzt (§ 234 Abs. 2 ZPO), und endete mit Ablauf des 22. Februar 2024. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin Wiedereinsetzung nicht beantragt.

Das Berufungsgericht war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gehalten, ihr von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass die Gründe für die unverschuldete Fristversäumnis innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO offenkundig sind oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt aber nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält. Die Vorschrift des § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO soll lediglich verhindern, dass die Partei einen unverschuldeten Rechtsverlust allein deshalb erleidet, weil sie keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat. Erklärt die Partei, nachdem sie von dem Gericht auf die Fristversäumung hingewiesen worden ist, sie stelle keinen Wiedereinsetzungsantrag, darf ihr über § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Wiedereinsetzung nicht gegen ihren Willen aufgedrängt werden. So wäre es hier. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat, auch nach mehreren Hinweisen des Berufungsgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, erklärt, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (noch) nicht zu stellen. Er hat die Wiedereinsetzung auch nicht vorsorglich oder hilfsweise beantragt. Im Gegenteil hat er auf seiner mit den prozessualen Vorgaben offenkundig unvereinbaren Rechtsauffassung beharrt, das Gericht müsse die Fristverlängerung durch begründeten Beschluss ablehnen und er sei erst im Anschluss daran gehalten, Wiedereinsetzung zu beantragen. Daran muss er sich festhalten lassen und kann nicht mit der Rechtsbeschwerde geltend machen, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen Wiedereinsetzung gewähren müssen.

 

Fazit: Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2023 – VIII ZB 17/22 –, MDR 2023, 861).

OLG Frankfurt a. M.: Unzulässige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss

Das OLG Frankfurt/M. (Beschl. v. 2.4.2025 – 30 W 28/25) hat sich mit der Frage des Verhältnisses zwischen einem Rechtsmittel gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss und einer Nachfestsetzung befasst.

Nach der Kostengrundentscheidung des LG hatten die Kläger ¼ und die Beklagte ¾ der Kosten des Rechtsstreites zu tragen. Die Beklagte meldete Ihre Kosten an. Die Kläger reagierten trotz Aufforderung durch den Rechtspfleger (§ 106 Abs. 2 ZPO) nicht. Daraufhin erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten der Beklagten. Die Kläger legten gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein und rügten, dass ihre Kosten nicht berücksichtigt worden seien.

Das OLG verwarf die sofortige Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig. Der Antragsgrundsatz (§ 308 Abs. 1 ZPO) gilt auch im Kostenfestsetzungsverfahren. Da die Kläger sich nicht geäußert hatten, erschöpfte der erlassene Beschluss den seinerzeitigen Antrag. In derartigen Fällen verursacht eine sofortige Beschwerde die besonderen Kosten eines Rechtsmittels (Anwaltsgebühren nach Nr. 3500 VV RVG), wohingegen die Nachliquidation kostenfrei ist. Zwar wären die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gemäß § 97 Abs. 2 ZPO ohnehin den Klägern aufzuerlegen gewesen; jedoch ergibt sich daraus wiederum, dass der Weg der Nachfestsetzung für die Kläger der günstigere Weg ist, ihr Ziel zu erreichen. Damit vermeiden die Kläger die Kosten für das Rechtsmittelverfahren. Demzufolge ist die sofortige Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, zumal die Kläger jederzeit aufrechnen könnten.

Fazit: Um derartige Probleme zu vermeiden, empfiehlt es sich regelmäßig, auf eine Aufforderung des Rechtspflegers, die eigenen Kosten zur Festsetzung anzumelden, rechtzeitig zu reagieren. Dann können im Kostenfestsetzungsbeschluss sogleich alle Kosten berücksichtigt werden.

Anwaltsblog 20/2025: Nach Richterwechsel (erneute) mündliche Verhandlung notwendig!

309 ZPO bestimmt, dass das Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden kann, die der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. Wie bei einem Wechsel des Einzelrichters nach mündlicher Verhandlung und vor Verkündung eines Urteils zu verfahren ist, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 16. April 2025 – VII ZR 126/23):

Die Klägerin verlangt Kostenvorschuss wegen mangelhafter Ausführungen einer Tiefgaragenabdichtung. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat am 16. September 2021 mündlich verhandelt. Als Richterin amtierte Richterin W. als Einzelrichterin, die sodann Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 2. Dezember 2021 bestimmt hat. Richterin W. hat zum 1. Oktober 2021 das Landgericht verlassen. Die nunmehr zuständige Richterin B. hat am 2. Dezember 2021 ein klageabweisendes Urteil verkündet. Dieses ist ausweislich des Urteils durch die Richterin B. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2021 ergangen. Richterin B. hat das Urteil auch unterzeichnet. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zwar sei das angefochtene Urteil unter Verstoß gegen § 309 ZPO ergangen. Dies führe aber nicht zur Begründetheit der Berufung. Insbesondere gebiete dieser Verstoß auch nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Eine Entscheidung im Beschlusswege komme in Betracht, wenn sich aus der Berufungsbegründung keine Gesichtspunkte ergäben, die eine Abänderung des Ersturteils aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen rechtfertigten. Insbesondere sei nichts dafür ersichtlich, dass die vorzunehmende rechtliche Würdigung angemessen mit der Berufungsführerin nicht im schriftlichen Verfahren erörtert werden könne. Zu Recht habe das Landgericht angenommen, etwaige Ansprüche der Klägerin seien verjährt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an einen anderen Senat des Berufungsgerichts. In dem vom Berufungsgericht zutreffend als solchen erkannten Verstoß des Landgerichts gegen § 309 ZPO lag zugleich eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das erkennende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das ist nur durch die Mitwirkung an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung möglich, weil nach § 309 ZPO nur Richter das Urteil fällen können, die dieser Verhandlung beigewohnt haben. Diese Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist in der Berufungsinstanz nicht geheilt worden, da das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin entschieden hat. Dadurch hatte die Klägerin weder vor dem Landgericht noch dem Berufungsgericht die Möglichkeit, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung darzulegen.

Damit hat – auch – das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Zwar folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Hat eine mündliche Verhandlung aber von Gesetzes wegen stattzufinden, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör ein Recht auf Äußerung in der mündlichen Verhandlung und zugleich auf deren Durchführung durch das Gericht. So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht durfte die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen. Es durfte nicht annehmen, eine mündliche Verhandlung sei nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). In Fällen, in denen das mit der Berufung angefochtene Urteil durch einen Richter gefällt worden ist, der entgegen § 309 ZPO der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht beigewohnt hat, ist eine mündliche Verhandlung in jedem Fall geboten.  Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fazit: In Fällen, in denen das mit der Berufung angefochtene Urteil durch einen Richter gefällt worden ist, der entgegen § 309 ZPO der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht beigewohnt hat, ist eine mündliche Verhandlung im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten.