Anwaltsblog 7/2025: Per beA übermittelte Schriftsätze müssen auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden!

Mit den Kontroll- und Überprüfungspflichten eines Rechtsanwalts, der einen fristgebundenen Schriftsatz per beA an das Gericht übermittelt, hatte sich der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2024 – II ZB 5/24):

 

Ein Urteil des Amtsgerichts ist der Klägerin am 14. September 2023 zugestellt worden. Am Montag, den 16. Oktober 2023 ist beim Landgericht nach Dienstschluss eine über das beA durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin persönlich übersandte einfach signierte Nachricht eingegangen, die zwei Anhänge im PDF-Format enthielt, nämlich das erstinstanzliche Urteil als PDF-Dokument und ein weiteres PDF-Dokument mit dem Namen „Schriftsatz.PDF“, das jedoch nur ein leeres Blatt enthielt. Nachdem die Klägerin darauf am Folgetag hingewiesen worden war, hat sie am gleichen Tag die Berufungsschrift übermittelt und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Ihr Prozessbevollmächtigter habe auf die Softwares „MS-Word“ als Textverarbeitungsprogramm und „RA-Micro“ zurückgegriffen. Letztere bilde die Schnittstelle zwischen der Textverarbeitung und dem beA. Ihr Prozessbevollmächtigter habe am 16. Oktober 2023 die Berufungsschrift erstellt und innerhalb der Textverarbeitung mit dem mit der Berufung angegriffenen Urteil verbunden, was ihm auch angezeigt worden sei. Nach Fertigstellung und Speicherung habe er die Dokumente in den Postausgang verschoben, einfach elektronisch signiert und an das Landgericht versandt, wobei er sich davon überzeugt habe, dass der richtige Schriftsatz vorhanden gewesen sei.. Nach Übermittlung habe er sich über das Zustellungsprotokoll über die erfolgreiche Zustellung informiert. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe schuldhaft gehandelt. Es sei nicht erkennbar, dass er sich über den Inhalt des zu versendenden Schriftstücks nach dessen Erstellung und vor dessen Versendung vergewissert hätte.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, ohne ein – ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares – Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen zu sein. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter vor der elektronischen Signatur der PDF-Datei und der Übersendung an das Gericht diese Datei hinreichend überprüft und kontrolliert hat. Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per beA darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs entsprechen grundsätzlich denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) gehört es daher zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Entscheidend ist, dass das tatsächlich signierte Dokument überprüft wird, was insbesondere auch in den Fällen gilt, in denen eine Datei durch Scan-, Kopier- und Speichervorgänge erneut erstellt wird. Durch diese Vorgänge wird im elektronischen Bereich eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, so dass es erforderlich ist, das letztlich zu signierende Dokument zu überprüfen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine entsprechende Überprüfung vorgenommen hat. Dieser hat die Berufungsschrift im Word-Programm erstellt. Diese ist als PDF-Dokument abgespeichert und übersendet worden. Dass vor der Signatur das PDF-Dokument von ihrem Prozessbevollmächtigten auf inhaltliche Richtigkeit überprüft worden ist, legt die Klägerin nicht dar. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass durch die Umwandlung der DOC-Datei des Programms „MS-Word“ in ein PDF-Format technisch leere Seiten erzeugt werden könnten aufgrund eines technischen Versagens, das ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen sei. Hätte dieser jedoch die PDF-Datei nochmals geöffnet, hätte er sehen müssen, dass diese nur eine leere Seite enthielt. Die mangelnde Überprüfung hat dazu geführt, dass die Berufungsfrist wegen der Übersendung der Datei mit der leeren Seite versäumt wurde.

 

Fazit: Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht.

OLG Frankfurt a. M.: Rechtsmittel bei Entscheidungen nach § 769 ZPO

In einem Verfahren vor dem OLG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 23.10.2024 – 3 W 28/24) hatte der Kläger vor dem LG eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO erhoben und damit einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO verbunden. Das LG lehnte diesen Antrag ab. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde verworfen.  Es folgt der ganz h. M.: Entscheidungen, die im Rahmen des § 769 ZPO erfolgen, sind nicht beschwerdefähig (BGH v. 21.4.2004 – XII ZB 279/03, MDR 2004, 1137). Dies ergibt sich daraus, dass § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO entsprechend anzuwenden ist. Diese Vorschrift regelt, dass ein Beschluss über die Einstellung der Zwangsvollstreckung in verschiedenen Fallkonstellationen nicht anfechtbar ist.

Das erstinstanzliche Gericht hat jedoch die Möglichkeit, die getroffene Entscheidung jederzeit zu ändern und kann damit einer Änderung der Prozesslage sofort Rechnung tragen. Dies ist ausreichend, denn dieses Gericht kann die Prozessaussichten am besten beurteilen. Das Beschwerdegericht soll dort nicht hineinreden können. Diesem Erfordernis war das LG vorliegend auch nachgekommen.

Interessant sind hier außerdem die Nebenentscheidungen. Das OLG legt dem Kläger als Unterlegenem zunächst die Kosten des Verfahrens auf (§ 97 Abs. 1  ZPO). Dies ist klar. Auf die Festsetzung eines Gegenstandswertes wurde verzichtet, da vorliegend keine Wertgebühr, sondern eine Festgebühr anfällt (Nr. 1812 Anl. 1 GKG). Für die Festsetzung des Wertes für die anwaltliche Tätigkeit war der notwendige (§ 33 Abs. 1 RVG) Antrag nicht gestellt worden. Im Übrigen dürfte diese Tätigkeit für den Rechtsanwalt allerdings nicht mehr zu dem Rechtszug gehören. § 19 Abs. 1 Nr. 11 RVG ist, da Beschwerde eingelegt wurde, nicht (mehr) einschlägig. Maßgeblich müsste dementsprechend Nr. 3500 VV RVG sein (0,5-Gebühr).

Wichtig ist: Im Rahmen von Entscheidungen nach § 769 ZPO kann man sich ein Rechtsmittel sparen. Man muss jedoch daran denken, dass die Entscheidung vom Gericht jederzeit geändert werden kann. Bei einem günstigen Prozessverlauf kann sich also ein entsprechender Antrag lohnen! Wenn in einer Beschwerdeinstanz separate Gebühren anfallen, lohnt sich stets ein Antrag auf Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren!

Anwaltsblog 6/2025: Reicht für den erstmaligen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Angabe aus, dass die Begründung „binnen einer Frist von sechs Wochen“ erfolgen wird?

Mit den Anforderungen an einen erstmaligen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hatte sich zum wiederholten Mal der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2024 – IX ZB 16/23):

 

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift heißt es: „Anträge und die Begründung bleiben einem besonderen Schriftsatz vorbehalten, welcher binnen einer Frist von sechs Wochen und somit bis zum 07.02.2023 erfolgen wird.“ Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 2. Februar 2023, dass die Frist für die Berufungsbegründung am 30. Januar 2023 abgelaufen sei, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufung begründet und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist beantragt, weil die Berufungsschrift einen Antrag auf Fristverlängerung enthalten habe. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat dem Kläger mit Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Berufung als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht. Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners – auf eine solche hat sich der Kläger nicht berufen – auf Antrag um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Ein Berufungskläger muss grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Ohne Verschulden iSv. § 233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, weil deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Das setzt die Vollständigkeit des Fristverlängerungsantrags voraus. Hierzu gehört auch die Darlegung eines erheblichen Grundes iSd. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO für die Notwendigkeit der Fristverlängerung, an die bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Wird der Antrag auf Fristverlängerung nicht in diesem Sinne begründet, muss der Rechtsmittelführer hingegen damit rechnen, dass der Vorsitzende in einem solchen Antrag eine Verzögerung des Rechtsstreits sehen und das Gesuch deshalb ablehnen werde.

Bei Anlegung dieses Maßstabs bedarf es keiner Entscheidung, ob der Berufungsschrift überhaupt ein konkludenter Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung zu entnehmen ist. Denn mangels Darlegung eines erheblichen Grundes durfte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht auf die Gewährung einer Fristverlängerung vertrauen. Im Übrigen kann einem (unterstellten) Verlängerungsantrag auch keine konkludente Darlegung eines erheblichen Grundes entnommen werden. Der Kläger beruft sich darauf, sein Prozessbevollmächtigter sei wegen einer Häufung von Fristsachen im Januar 2023 an der rechtzeitigen Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung und der Fertigstellung der Berufungsbegründung gehindert gewesen. Zwar kann unter Umständen auch eine konkludente Darlegung der für eine Fristverlängerung erforderlichen Voraussetzungen genügen und zählt zu den erheblichen Gründen insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. Einer Auslegung des Fristverlängerungsantrags dahingehend, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers konkludent auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe, steht jedoch entgegen, dass im Antrag überhaupt keine Umstände genannt werden, aus denen der Anlass der begehrten Fristverlängerung hätte entnommen und aus denen somit ein Rückschluss auf den erheblichen Grund hätte gezogen werden können. Allein aus der unterbliebenen Angabe anderer Hinderungsgründe folgt nicht, dass sich der Klägervertreter zur Begründung seines Fristverlängerungsantrags (konkludent) auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe. Denn eine solche ist nicht ohne weiteres als erheblicher Grund iSd. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu vermuten.

 

Fazit: Beantragt ein Prozessbevollmächtigter in der Berufungsschrift allenfalls konkludent eine Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung und führt er hierfür keine Umstände an, muss er mit einer Ablehnung des Fristverlängerungsantrags rechnen.

Blog powered by Zöller: Der digitale Zivilprozess rückt näher

Dass die Ziviljustiz dringend den Anschluss an das digitale Zeitalter finden muss, ist mittlerweile allgemeine Meinung; Statements dazu aus Praxis und Wissenschaft gibt es bereits zuhauf. Mit besonderem Interesse wurde aber dem Abschlussbericht der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ entgegengesehen, denn von diesem mit Vertretern der Justizverwaltungen, der Gerichtspraxis, der Anwaltschaft und der Wissenschaft besetzten Gremium durften grundlegende Richtungsentscheidungen für die Reformpolitik erwartetet werden. Der soeben veröffentlichte Abschlussbericht enttäuscht diese Erwartungen nicht. Obwohl er an den hergebrachten Strukturen und Grundsätzen des Zivilprozesses festhält, verschafft er ihm durch maß- und sinnvolle Nutzung der digitalen Technologie ein neues, zeitgemäßes Format.

Entscheidendes Element des künftigen Zivilprozesses wird die Verfahrensmanagement-Plattform sein, auf der das gesamte Verfahren, insbesondere die Kommunikation zwischen dem Gericht und den anderen Prozessbeteiligten abgewickelt wird. An die Stelle eines Konglomerats von PDF-Dateien (wie in der bisherigen E-Akte) tritt dann ein cloudbasiertes Verfahrensdokument. Parteivortrag sowie Hinweise und Entscheidungen des Gerichts werden dort eingestellt und übersichtlich geordnet. Sieben Tage nach Mitteilung des Neueingangs gilt das Dokument als zugegangen, sodass die Formalitäten des Zustellungsverfahrens entfallen können. Richter und Anwälte können sich jederzeit durch Blick in das digitale Verfahrensdokument über den aktuellen Sachstand informieren, ihn auch variabel nach ihren Präferenzen (z.B. chronologisch, sachlich, nach Urhebern geordnet) darstellen lassen. Der Bericht sieht hier auch Einsatzmöglichkeiten für KI und – in einem weiteren Schritt – für die kollaborative Fortschreibung des Parteivortrags.

Die Kommission beschränkt sich nicht darauf, diese Möglichkeiten nach Art einer Zukunftsvision in den Raum zu stellen, sondern befasst sich, teilweise auf existierende Modelle im Ausland und in der Schiedsgerichtsbarkeit Bezug nehmend, eingehend mit der praktischen Umsetzbarkeit. Das gilt auch für die Beteiligung von Naturalparteien, deren Zugang zum Gerichtsverfahren im Übrigen durch ein bundeseinheitliches Justizportal – ein weiteres Herzstück des Kommissionsberichts – verbessert werden soll.

Nicht weniger bedeutsam sind die Vorschläge der Kommission für ein effizienteres Verfahrensmanagement.  Sie sind auf eine stringente, frühzeitig einsetzende, mit den Parteien abgestimmte, transparente Verfahrensplanung gerichtet. Der Vorsitzende soll durch einen Organisationstermin oder verfahrensleitende Hinweise für die Strukturierung des Streitstoffs sorgen. Der Grundsatz der mündlichen Verhandlung soll zwar beibehalten, aber zeitgemäß modifiziert, virtuelle Verhandlungsformen sollen ausgebaut werden.

Mit Nachdruck – und bis ins Einzelne gehenden Vorschlägen – spricht sich der Bericht dafür aus, das Kammerprinzip und spezialisierte Spruchkörper, auch über Gerichtssprengel hinaus, zu fördern. Die Kammer für Handelssachen soll aufgewertet werden.

Auf die ungezählten weiteren Vorschläge des 240 Seiten umfassenden Berichts kann hier nicht eingegangen werden; sie reichen vom Einsatz digitaler, auf KI basierender Assistenzprogramme über die Ersetzung von Formularen durch digitale Eingabe- und Abfragesysteme, das Nutzbarmachen von Beweiserhebungen für Parallelverfahren und neue Formen der Urteilsverkündung bis zur Automatisierung des Kostenfestsetzungsverfahrens und zur Einführung eines Vollstreckungsregisters, welches die Ausfertigung des Titels und die Erteilung der Klausel ersetzen soll.

Dass sich Manches wie Science Fiction liest, liegt nicht an mangelhafter Bodenhaftung der Verfasser, sondern daran, dass sich die Ziviljustiz zu lange den modernen Entwicklungen verschlossen hat. Auch der Kommission ist klar, dass sich nicht alle Vorschläge auf einen Schlag verwirklichen lassen; zu manchen Punkten schlägt sie weitere Erörterungen oder Erprobungsgesetze vor. Dabei sind die Aussichten auf ein baldiges Tätigwerden des Gesetzgebers nicht schlecht, denn die durch rückläufige Prozesszahlen, zunehmende Verfahrensdauern und belastende Massenverfahren gekennzeichnete Situation der Ziviljustiz verlangt dringende Abhilfe.

Dass das Thema auf die rechtspolitische Agenda kommt, wird zudem unterstützt durch die Initiative einer von Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte eingerichteten Arbeitsgruppe. Diese hat in ihren Münchener Thesen und einem Tagungsband Anforderungen an einen Zivilprozess der Zukunft aufgestellt, die weitgehend mit der Tendenz des Kommissionsberichts übereinstimmen, aber auch zusätzliche Aspekte, etwa den Einbau konsensualer Elemente, Handhaben gegen überlange Verfahrensdauern und die Bündelung von Massenverfahren behandeln.

Die Vorarbeiten für die heute noch geltende ZPO von 1877 dauerten rund 40 Jahre; es gab ungezählte Kommissionen und Entwürfe.  Mit den heutigen Herausforderungen und der rasanten technologischen Entwicklung wäre ein solches Procedere nicht zu vereinbaren. Zu Recht spricht sich die Kommission daher für ein iteratives Vorgehen mittels Legal Design Thinking aus. Ziel muss nicht eine völlig neue ZPO sein. Kurzfristig umsetzbare Vorschläge der Arbeitsgruppen sollten daher vorgezogen, die zweifellos aufwendige Entwicklung der elektronischen Systeme vorangetrieben, aber nicht abgewartet werden. Probeläufe in Reallaboren sind angesagt. Manche Empfehlungen können auch schon nach geltendem Recht umgesetzt werden, z.B. die virtuelle Verfahrenskonferenz zur Strukturierung von Prozessstoff und -verlauf (s. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 139 ZPO Rn. 4 ff., § 273 ZPO Rn. 15).


Aktuelle Gesetzesänderungen werden vom Zöller stets aufbereitet. In den Online-Aktualisierungen finden Sie Änderungen auch zwischen den Auflagen. Zudem wird der Zöller die zu erwartenden Änderungen rund um den „Zivilprozess der Zukunft“ intensiv und vielfältig begleiten.

 

Anwaltsblog 5/2024: Was muss zur Begründung der Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO glaubhaft gemacht werden?

Mit den Anforderungen an eine wirksame Ersatzeinreichung fristgebundener anwaltlicher Schriftsätze hatte sich zum wiederholten Mal der Bundesgerichtshof zu befassen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2024 – IX ZB 41/23):

 

Eine Berufungsbegründung wurde am 14. Februar 2023, dem letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist, um 13:57 Uhr per Telefax eingereicht. Zur Begründung der Einreichung per Telefax hat der Prozessbevollmächtigte mit beigefügtem Telefaxschreiben erklärt: „… sind wir leider gehalten, die Berufungsbegründung gemäß § 130d Satz 2 und Satz 3 ZPO per Telefax einzulegen, da der beA-Server leider nicht erreichbar ist (siehe Anlagen). Dies versichere ich hiermit an Eides statt.“ Ausweislich der Anlagen bestand beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) am 14. Februar 2023 seit ungefähr 10:20 Uhr eine Störung bei der Adressbuchsuche, so dass ein Versenden von Nachrichten nicht möglich war.

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nach § 130d Satz 3 ZPO glaubhaft gemacht habe, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Hierfür bedürfe es einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, die zu der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit geführt hätten. Diesen Anforderungen genüge die abgegebene eidesstattliche Versicherung auch unter Berücksichtigung der beigefügten Anlagen nicht. Den Anlagen sei nicht zu entnehmen, dass in einem zeitlichen Zusammenhang zu der um 13:57 Uhr begonnenen Übermittlung der Unterlagen tatsächlich eine vorübergehende technische Störung bestanden habe. Die Anlage von beA.expert biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die ab ca. 10:20 Uhr aufgetretene Störung noch über den Zeitpunkt der Statusangabe um 12:13 Uhr hinaus fortbestanden habe. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung sei nicht ersichtlich, dass noch ein Versuch einer Übermittlung als elektronisches Dokument unternommen worden sei. Es sei daher nicht glaubhaft gemacht, dass die Störung nach 12:13 Uhr bis zur Einreichung fortbestanden habe.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg. Die Ersatzeinreichung per Telefax war nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO zulässig, die Berufung somit rechtzeitig begründet. Gemäß § 130d Satz 1, § 520 Abs. 5 ZPO hat ein Rechtsanwalt die Berufungsbegründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 ZPO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO). Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Glaubhaft zu machen ist daher die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur. Die Glaubhaftmachung betrifft nur die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments. Der Prozessbevollmächtigte, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen. Der Kläger hat unter Vorlage von um 12:13 Uhr erstellten Unterlagen geltend gemacht, eine Einreichung der Berufungsbegründung als elektronisches Dokument sei unmöglich. Deshalb hat er um 13:57 Uhr die Berufungsbegründung als Telefax eingereicht. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe glaubhaft machen müssen, dass die Unmöglichkeit zeitnah vor oder bei der Ersatzeinreichung bestanden habe, überspannt die Anforderungen an die vorübergehende Unmöglichkeit. § 130d Satz 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Nur hierzu ist vorzutragen. Weiterer Vortrag ist nicht erforderlich.

Der anwaltliche Vertreter des Klägers hat die Ersatzeinreichung damit begründet, dass der Server des beA nicht erreichbar sei. Er hat dabei Bezug genommen auf ein um 12:13 Uhr abgerufenes Verzeichnis von Störungsmeldungen durch beA.expert. Zu diesem Zeitpunkt war die Ersatzeinreichung veranlasst. Zu Vortrag hinsichtlich einer fortdauernden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments für den Zeitraum bis 13:57 Uhr war der Kläger vor diesem Hintergrund nicht gehalten. Er hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass eine vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung vorlag. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine Ersatzeinreichung auch insoweit überspannt, als es zur Darlegung einer vorübergehenden Störung einen mindestens zweimaligen Versuch der Übermittlung als elektronisches Dokument verlangt. Auch diese Anforderung findet in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage. Glaubhaft zu machen ist eine vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung nach § 130d Satz 2 ZPO. Diese liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird. Einer anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen bedarf es hierfür nicht zwingend. Es bedarf ihrer insbesondere dann nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer – der Betreiberin des beA -, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird. Vorliegend ist in der Störungsmeldung der BRAK in einem Update von 12:00 Uhr unter Bezugnahme auf eine Meldung der Justiz vermerkt, dass aufgrund einer bundesweiten Störung des Verzeichnisdienstes seit 10:20 Uhr das Versenden von Nachrichten nicht möglich sei. Ein voraussichtliches Ende der Störung ist nicht angegeben. Bei einer derartigen Informationslage aus zuverlässiger Informationsquelle ist ein Rechtsanwalt zur Glaubhaftmachung der Störung nicht gehalten, einen Sendeversuch zu unternehmen und dessen Fehlschlag glaubhaft zu machen.

 

Fazit: Zur Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es der anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird. Hat ein Prozessbevollmächtigter wegen vorübergehender technischer Unmöglichkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments die Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften veranlasst, ist er nicht gehalten, sich bis zur tatsächlichen Vornahme der Ersatzeinreichung weiter um eine elektronische Übermittlung des Dokuments zu bemühen.

Anwaltsblog 4/2025: Anwaltshaftung wegen voreiliger Vertragsbeendigung!

In einem Anwaltshaftungsprozess hatte der BGH zu entscheiden, ob das rechtliche Gehör einer Partei verletzt ist, wenn das Gericht deren Vortrag in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich berücksichtigt hat (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2024 – IX ZR 28/23):

 

Die Klägerin hatte ein Haus unter Gewährleistungsausschluss zu einem Kaufpreis von 230.000 € erworben. Ein halbes Jahr später beauftragte sie die beklagte Rechtsanwältin mit der Beratung und Vertretung gegenüber dem Verkäufer wegen Gewährleistungsansprüchen. Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 erklärte die Beklagte namens der Klägerin gegenüber dem Verkäufer wegen 17 arglistig verschwiegener Mängel, u.a. wegen eindringender Feuchtigkeit, „Anfechtung und Rücktritt vom Vertrag“. In einem sodann eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige Feuchtigkeitsschäden fest und schätzte den Aufwand für die erforderliche Erneuerung der Ringdrainage, der Abdichtung der Bodenplatte und der Sanierung der Klinkerfensterbänke auf 27.013 € brutto. Nicht Gegenstand des Sachverständigengutachtens war die weitere Behauptung der Klägerin, die Heizungsanlage funktioniere kaum oder gar nicht, was dem Verkäufer als langjährigem Nutzer des Kaufobjekts bekannt gewesen sei. Der Kostenaufwand für eine Reparatur betrage 11.219,82 €.

Bei anschließenden Vergleichsverhandlungen zeigte sich der Verkäufer allein zu einer Rückabwicklung bereit, da ein Rücktritt vom Rücktritt nicht möglich sei. Die Klägerin behauptet, sie habe eine Rückabwicklung des Vertrags nicht gewollt. Ihr Ziel sei gewesen, das Haus zu behalten und die Kosten für eine Beseitigung der Mängel zu erlangen. Infolge der Erklärung der Beklagten vom 1. Juli 2014 könne sie diese vom Verkäufer nicht mehr verlangen. Sie begehrt die Zahlung von 27.013 € nebst Zinsen sowie u.a. die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden. Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos.

Das angegriffene Berufungsurteil verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen wurde. Der Anspruch auf rechtliches Gehör  ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor. Das Berufungsgericht befasst sich in seinen Entscheidungsgründen nicht mit dem Aspekt der mangelnden Funktionstauglichkeit der Heizung. Dieser Aspekt stellte – neben der Frage der ordnungsgemäßen Abdichtung der erworbenen Immobilie – bereits erstinstanzlich einen zentralen Angriffspunkt der Klägerin dar. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihn ausdrücklich aufrechterhalten. Auch seinem Gewicht nach ist der Mangel von hervorgehobener Bedeutung, da die veranschlagten Mängelbeseitigungskosten 11.219,92 € betragen. Die Beweisaufnahme und -würdigung befasst sich mit der Heizung jedoch ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, dass ihre Leckage eine mögliche Ursache der im Keller befindlichen Feuchtigkeit bildete. Nicht nachgegangen ist das Berufungsgericht der unter Beweis gestellten Behauptung, die Heizung schließe einen ordnungsgemäßen Heizbetrieb in den Wintermonaten aus, weil sie entweder gar nicht oder unter voller Leistung laufe und eine Regulierung kaum oder gar nicht möglich sei, dies könne dem Verkäufer während dessen jahrelanger Eigennutzung der Immobilie nicht entgangen sein. Auch in der Würdigung der Aussage des Verkäufers findet sich keine Auseinandersetzung mit Funktionsmängeln der Heizung, während sich das Berufungsgericht mit den Angaben des Verkäufers zu den sonstigen behaupteten Mängeln detailliert auseinandersetzt.

Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Beratungspflichten verletzt hat. Revisionsrechtlich ist daher zu unterstellen, dass die Beklagte „Anfechtung und Rücktritt“ erklärte, ohne dass die Klägerin hinreichend über die Rechtsfolgen der Gestaltungserklärung unterrichtet worden war, ferner, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung gegen eine Ausübung der Gestaltungsrechte entschieden hätte. Hat die Beklagte wegen arglistig verschwiegener Mängel wirksam Anfechtung oder Rücktritt erklärt, kann die Klägerin vom Verkäufer nicht mehr die Kosten für eine Mängelbeseitigung verlangen. Unterstellt, der Vorwurf arglistiger Täuschung greift durch, war die Klägerin berechtigt, den Vertrag anzufechten (§ 123 Abs. 1 BGB) oder den Rücktritt zu erklären (§ 437 Nr. 2, § 434 BGB), ohne dass es insoweit einer Nachfrist bedurfte; ein arglistig verschwiegener, die Funktion der Heizung beeinträchtigender Mangel ist erheblich. Unabhängig davon, ob die Erklärung als Anfechtung oder Rücktritt auszulegen ist, hat sich die Klägerin mit der Erklärung von Anfechtung beziehungsweise Rücktritt unwiderruflich gegen ein Festhalten am Kaufvertrag entschieden. Nachbesserung und Schadensersatz, der auf Erstattung der notwendigen Kosten für eine Beseitigung der Mängel gerichtet ist, kann sie daher vom Verkäufer nicht mehr verlangen. Im Falle der Anfechtung ergibt sich dies daraus, dass durch sie das angefochtene Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Im Falle des Rücktritts wird das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 Abs. 1 BGB umgewandelt. Das schließt den Fortbestand von (Nach-)Erfüllungsansprüchen und damit auch den Anspruch auf kleinen Schadensersatz aus.

Im Wege des Schadensersatzes ist die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne Pflichtverletzung der Klägerin stünde. Ohne Pflichtverletzung hätte sie gegen den Verkäufer Ansprüche auf Nachbesserung oder entsprechenden Schadensersatz geltend machen können. Tatsächlich kann sie solche Ansprüche nicht geltend machen. Für den Verlust der Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Mängelbeseitigung gegen den Verkäufer haftet die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB.

 

Fazit: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Beweislast bei Verkehrsunfällen.

Anscheinsbeweis bei berührungslosem Unfall mit einem Motorradfahrer
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 – VI ZR 18/24

Der VI. Zivilsenat präzisiert die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweises bei Auffahrunfällen und ähnlichen Situationen.

Die Beklagte wollte mit ihrem Pkw in einer leichten Rechtskurve an einem stehenden Müllfahrzeug vorbeifahren und wechselte deshalb auf die Gegenfahrbahn. Ein ihr dort entgegenkommender Pkw bremste stark ab, um eine Kollision zu vermeiden. Der Kläger, der mit seinem Motorrad hinter diesem Pkw fuhr, machte eine Vollbremsung und geriet dabei ins Rutschen. Er stürzte und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Zu einer Kollision mit dem vorausfahrenden Pkw kam es nicht.

Das LG hat die auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz aller Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Das OLG hat festgestellt, dass die Beklagte zum Schadensersatz auf der Grundlage einer Haftungsquote von 40 % verpflichtet ist.

Sowohl die Revision des Klägers als auch die Anschlussrevision der Beklagten haben Erfolg und führen zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Schaden beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten entstanden ist. Der dafür erforderliche Zusammenhang ist auch ohne Kollision der Fahrzeuge gegeben, wenn das Fahrverhalten eines Fahrers über dessen bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil die Beklagte durch das Wechseln auf die Gegenfahrbahn die Reaktion der beiden ihr entgegenkommenden Fahrer beeinflusst hat. Dieser Zusammenhang besteht auch dann, wenn der Kläger oder der vor ihm fahrende Pkw-Fahrer eine unnötige Paník- oder Schreckbremsung durchgeführt haben.

Ebenfalls zu Recht ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Unfall für den Kläger kein unabwendbares Ereignis darstellte. Ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad kein Antiblockiersystem hat, hätte von vornherein den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst bei einem plötzlichen scharfen Bremsen des Vorausfahrenden noch kontrolliert bremsen kann.

Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge hat das OLG jedoch zu Unrecht einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers bejaht. Der Grundsatz, wonach bei einem Auffahrunfall ein Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes Verhalten des Auffahrenden spricht, kann allerdings auch dann angreifen, wenn ein Motorradfahrer, der hinter einem stark abbremsenden Pkw fährt, stürzt und es nur durch Zufall nicht zu einer Kollision kommt. Im Streitfall beruht die Feststellung des OLG, eine Kollision habe lediglich von einem Zufall abgehangen, jedoch auf einer widersprüchlichen Würdigung der Angaben des vom LG bestellten gerichtlichen Sachverständigen.

Zu Unrecht hat das OLG auch ein Verschulden der Beklagten bejaht. Nachdem das LG aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt war, ein Verschulden der Beklagten sei nicht festzustellen, durfte das OLG nicht ohne erneute Beweisaufnahme zu einer anderen Beurteilung gelangen.

Praxistipp: Zur Erschütterung eines Anscheinsbeweises genügt es, Umstände vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Pflicht zur erneuten Anhörung der Parteien in der Berufungsinstanz.

Erneute Anhörung der Parteien durch das Berufungsgericht
BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2024 – I ZR 70/24

Der I. Zivilsenat wendet einen in der Berufungsinstanz häufig übersehenen Grundsatz an.

Die Klägerin und ihr später verstorbener Ehemann beauftragten den Beklagten im Jahr 2017 schriftlich mit der Vermittlung von Versicherungsleistungen. Im Juli 2020 fand auf Wunsch der Eheleute ein persönliches Beratungsgespräch zum Thema „Hinterbliebenen/Familien-Absicherung“ statt. Die Klägerin widmete sich damals vorwiegend der Erziehung der beiden 2017 und 2018 geborenen Kinder. Ihr Ehemann war als Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin tätig und hatte ein Bruttogehalt von rund 75.000 Euro. Inhalt des Beratungsgesprächs war auch der Abschluss einer Risikolebensversicherung für den Ehemann. Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.

Im Dezember 2020 verstarb der Ehemann der Kläger im Alter von 39 Jahren unvermittelt an einer Streptokokken-Infektion. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung über eine Risikolebensversicherung auf Zahlung von 500.000 Euro in Anspruch.

Das LG hat der Klägerin nach persönlicher Anhörung beider Parteien 375.000 Euro zugesprochen. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen.

Der BGH verweist die Sache durch Beschluss gemäß § 544 Abs. 9 ZPO an das OLG zurück.

Das OLG durfte nicht zu Lasten der Klägerin entscheiden, ohne beide Parteien erneut anzuhören.

Eine Wiederholung einer Zeugenvernehmung oder Parteianhörung ist geboten, wenn das Berufungsgericht den Inhalt einer Aussage oder die Glaubwürdigkeit der aussagenden Person anders würdigen will als das erstinstanzliche Gericht. Im Streitfall hat das LG die einander widersprechenden Angaben der Parteien zwar nicht gewürdigt und seine Entscheidung allein auf die übereinstimmenden Angaben beider Parteien gestützt. Wenn das OLG diese Angaben nicht für ausreichend hält, um den Klageanspruch zu stützen, muss es aber die persönliche Anhörung der Parteien schon deshalb wiederholen, weil dem persönlichen Eindruck in der gegebenen Situation für die Würdigung der einander widersprechenden Aussagen und für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit entscheidend ist und das LG hierzu gerade keine Feststellungen getroffen hat.

Praxistipp: Ergibt sich aus einem gerichtlichen Hinweis oder aus sonstigen Umständen, dass das Berufungsgericht ohne erneute Beweisaufnahme zu einem abweichenden Ergebnis gelangen will, sollte die hiervon betroffene Partei noch in der Berufungsinstanz eine Wiederholung der Beweisaufnahme ausdrücklich beantragen, um die Präklusion einer entsprechenden Rüge in der Revisionsinstanz unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität sicher auszuschließen.

BGH: Weitere Behandlung offenbar unsinniger Eingaben

Auch der BGH muss sich häufiger mit offenbar unsinnigen Eingaben und Rechtsmitteln befassen. Im hier entschiedenen Fall (BGH, Beschl. v. 28.11.2024 – III ZB 90/24) hatten mehrere Kläger einen Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld vor einem LG in Anspruch genommen. Die Kläger waren allerdings nicht anwaltlich vertreten. Sie zahlten auch den angeforderten Vorschuss nicht. Nachdem das LG sich dann geweigert hat, die Klage zuzustellen, haben die Kläger dagegen sofortige Beschwerde eingelegt. Diese wurde zurückgewiesen.

Daraufhin wendeten sich die Kläger an den BGH. Dieser legte die Eingabe als Rechtsbeschwerde aus, da ein anderes Rechtsmittel ersichtlich nicht in Betracht gekommen wäre. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht statthaft, da sie weder zugelassen wurde noch deren Zulässigkeit im Gesetz positiv geregelt ist. Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da sie nicht durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wurde. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde daher kostenpflichtig verworfen. Dies alles ist relativ klar.

Interessant ist die Entscheidung aber aus zwei Aspekten heraus: Zum einen hat der BGH darauf hingewiesen, dass mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann, das Beschwerdegericht habe dieselbe zulassen müssen. Zum anderen hat der BGH am Ende des Beschlusses geschrieben: „Mit einer Bescheidung weiterer Eingaben in dieser Sache können die Kläger nicht mehr rechnen.

Diesen Satz sollte man sich merken und in geeigneten Fällen am Ende einer Entscheidung anbringen! Weitere Eingaben, die offenbar unsinnig sind, werden dann anschließend schlichtweg nicht mehr beantwortet. Dies ist eine zielführende Möglichkeit, anzudeuten, dass diese Sache von dem jeweiligen Gericht als beendet angesehen wird.

Anwaltsblog 2/2025: Wird die für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses vorgeschriebene Schriftform durch einen qualifiziert elektronisch signierten und als elektronisches Dokument bei Gericht eingereichten Anwaltsschriftsatz gewahrt?

Seit dem 17. Juli 2024 gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedürfen und die klar erkennbar in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten sind, die neu geschaffene Norm des § 130e ZPO. Diese fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Ob der Vorschrift des § 130e ZPO Rückwirkung zukommt, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 159/23):

 

In einem Wohnraummietprozess erklärte die Vermieterin in der qualifiziert elektronisch signierten Klageschrift die außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsrückstands erklärt. Eine weitere Kündigung ist mit einem späteren qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatz erfolgt. Beide als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsätze sind durch das Gericht ausgedruckt und dem – erstinstanzlich noch nicht anwaltlich vertretenen – Mieter zugestellt worden.

Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Auch die Revision ist hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die beiden Kündigungserklärungen gemäß § 125 Satz 1 BGB unwirksam sind, weil sie das Schriftformerfordernis gemäß § 568 Abs. 1 BGB mangels Zugangs einer formgerechten Willenserklärung beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht erfüllt haben. Die mit dem 17. Juli 2024 in Kraft getretene Norm des § 130e ZPO fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Eine Anwendung dieser Regelung auf den bereits vor deren Inkrafttreten erfolgten Eingang der elektronischen Klageschrift und des elektronischen Schriftsatzes bei Gericht sowie die Weiterleitung dieser Schriftsätze durch Ausdruck und Zustellung an den Beklagten in Papierform kommt jedoch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht in Betracht. Danach fehlt der erforderliche formgerechte Zugang der in den qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Schriftsätzen enthaltenen Kündigungserklärungen beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. § 568 Abs. 1 BGB schließt – anders als beispielsweise die Formvorschriften der §§ 623, 766 Satz 2, § 780 Satz 2 und § 781 Satz 2 BGB – für die Kündigung eines Mietverhältnisses die elektronische Form nicht aus. Zur Wahrung einer für eine empfangsbedürftige Willenserklärung vorgeschriebenen Form ist nicht ausreichend, dass diese nach den jeweiligen Formvorschriften abgegeben wurde. Sie muss vielmehr, um wirksam zu werden, dem Erklärungsgegner auch in der vorgeschriebenen Form gemäß § 130 BGB zugehen. Dieses Zugangserfordernis gilt auch für den Fall einer empfangsbedürftigen Willenserklärung in elektronischer Form. Zu den mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen, welche die elektronische Form in vergleichbarer Weise sicherstellen soll, gehört – neben der Identitätsfunktion (Erkennbarkeit des Erklärenden und Möglichkeit der Identifizierung durch dessen unverwechselbare Unterschrift) und der Echtheitsfunktion (Gewährleistung der inhaltlichen Urheberschaft des Unterzeichners durch die räumliche Verbindung der Unterschrift mit dem Dokument) – auch die damit in Zusammenhang stehende Verifikationsfunktion, nach der es dem Empfänger des Dokuments möglich sein soll, zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist. Diese Funktion kann nur erfüllt werden, wenn das Dokument selbst dem Empfänger für eine Überprüfung zur Verfügung steht. Insofern ist es für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung gemäß § 126a Abs. 1 BGB – vergleichbar dem Zugang einer papiergebundenen Willenserklärung – erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.

Die – hier vorliegende – Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vermag hingegen einen formgerechten Zugang der in ihm enthaltenen Willenserklärung (hier: der Kündigungserklärung) iSv. § 126a Abs. 1 BGB beim Erklärungsgegner auch dann nicht zu bewirken, wenn  dem Ausdruck ein Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO beigefügt ist. Nach der vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktionsäquivalenz zwischen Schriftform und elektronischer Form liegt ein formwirksamer Zugang einer mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Willenserklärung nicht vor, wenn lediglich ein Ausdruck des Dokuments und der zugehörige Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Der einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügte Transfervermerk, der lediglich das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung durch das Gericht dokumentiert, ermöglicht es dem Empfänger nicht, die Echtheit der Signatur auch seinerseits zu überprüfen. Deshalb ist die mit der Formvorschrift zu erfüllende Verifikationsfunktion der qualifizierten elektronischen Signatur in einem solchen Fall nicht gewahrt.

Demzufolge ist es hinzunehmen, dass bis zu dem am 17. Juli 2024 erfolgten Inkrafttreten des § 130e ZPO die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch zivilprozessualen – und wegen § 130d ZPO zwingend elektronischen – Schriftsatz eines Rechtsanwalts gegenüber einer anwaltlich nicht vertretenen Naturalpartei, die keine Zustimmung im Sinne des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO erteilt hat, nicht formwirksam erklärt werden kann.

 

Fazit: Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann. Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.