Anwaltsblog 23/2025: Ist der Verzicht auf einen Zeugen widerruflich?

Ob eine Prozesspartei, die auf einen Zeugen zunächst verzichtet hatte, den Zeugen erneut benennen kann, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2025 – V ZR 152/24):

Die Beklagte veräußerte 2011 an den Kläger eine Grundstücksteilfläche von ca. 1.000 m² zur Bebauung unter Ausschluss der Rechte wegen Sachmängeln aller Art. In einem im Jahr 2004 von der Beklagten mit ihrem damaligen Nachbarn, dem Zeugen Sch., geführten Schiedsverfahren hatte die Schiedsstelle im Juni 2004 festgestellt, durch das Grundstück der Beklagten verlaufe ein „verrohrtes Entwässerungssystem“. Bei den vom Kläger durchgeführten Abrissarbeiten wurde eine über das Teilgrundstück unterirdisch in ca. 13 cm Tiefe verlaufende Abwasserleitung, die der Entwässerung von vier Nachbargrundstücken diente, beschädigt. Die Existenz der Leitung war weder in amtlichen Unterlagen vermerkt noch in dem Lageplan, der der Niederschrift zum Grenztermin zur Neuvermessung des Kaufgrundstücks beigefügt war. Gestützt auf die Auffassung, die Beklagte habe die bestehende Verrohrung gekannt und arglistig verschwiegen, begehrt der Kläger u.a. Erstattung seiner Aufwendungen für die Wiederherstellung der Rohrleitungen.

Das Landgericht hat die Klage ab-, das OLG die Berufung zurückgewiesen. Wegen des wirksam vereinbarten Haftungsausschlusses setze eine Haftung der Beklagten voraus, dass sie dem Kläger die Entwässerungsleitung arglistig verschwiegen habe. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis für das arglistige Verschweigen der Abwasserleitung durch die Beklagte nicht erbracht. Er habe ausdrücklich auf die Vernehmung des Zeugen Sch. verzichtet. Der Verzicht nach § 399 ZPO habe zur Folge, dass dem erstinstanzlichen Gericht eine Verwertung dieses Beweismittels verwehrt sei. Ob die in erster Instanz zurückgezogenen Zeugen im Berufungsverfahren erstmals zu vernehmen seien, sei nach den Regelungen zur Tatsachengrundlage der Berufungsentscheidung zu beantworten. Der Beweisantritt wäre als neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSd. § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. Diese Frage könne jedoch dahinstehen, weil der Zeuge Sch. von dem Kläger in zweiter Instanz nicht ausdrücklich erneut als Zeuge benannt sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Berufungsgericht übergeht das erhebliche, auf Vernehmung des Zeugen Sch. gerichtete Beweisangebot des Klägers prozessordnungswidrig. Es meint zu Unrecht, es mangele an einem Beweisantritt des Klägers, weil er erstinstanzlich gemäß § 399 ZPO auf die Vernehmung des von ihm benannten Zeugen Sch. verzichtet und damit sein ursprüngliches Beweisangebot widerrufen habe. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. Mai 2018 darauf hingewiesen, dass nach der bisherigen Beweisaufnahme von einer Kenntnis der Beklagten von der unterirdischen Abwasserleitung auszugehen sei, der Zeuge Sch. nach dem vorgelegten ärztlichen Attest gegenwärtig seiner Ladung wohl nicht nachkommen würde und daher unter Umständen nur eine Vernehmung vor Ort durch einen beauftragten und ersuchten Richter infrage komme, wenn der Kläger nicht auf diesen Zeugen verzichten wolle. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. Juli 2018 erklärt, auf den Zeugen Sch. zu verzichten. Nachdem das Landgericht mit Verfügung vom 6. Juli 2022 mitgeteilt hatte, dass sich die Einschätzung des Gerichts hinsichtlich der Beweiswürdigung geändert habe, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Mai 2023 klargestellt, dass er auf den Zeugen Sch. allein unter der Voraussetzung verzichtet habe, dass das Gericht den Beweis als erbracht ansehe. Da der Verzicht unter den geänderten Voraussetzungen keinen Bestand mehr habe, weise er darauf hin, dass er an dem Beweisangebot ausdrücklich festhalte.

Nach diesem Prozessverlauf durfte das Berufungsgericht nicht annehmen, das Landgericht habe alle benannten Beweismittel ausgeschöpft, da der Kläger auf den Zeugen Sch. ausdrücklich verzichtet habe. Der Kläger hat den Verzicht zur Verfahrensbeschleunigung ersichtlich nur angesichts der von dem Landgericht geäußerten Überzeugung erklärt, der Beweis einer Arglist der Beklagten sei nach dem Ergebnis der bislang durchgeführten Beweisaufnahme bereits erbracht. Dies hat er im Schriftsatz vom 23. Mai 2023 auch ausdrücklich klargestellt. Die Erklärung des Einverständnisses mit dem Unterbleiben der Vernehmung für den Fall, dass das Gericht den Beweis der streitigen Behauptung schon als erbracht ansieht, ist schon kein Verzicht iSd. § 399 ZPO. Eine derartige Erklärung ist nicht von einem endgültigen Verzichtswillen getragen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die erklärende Partei an ihrem Beweisantrag festhält, sofern das Gericht seine Überzeugung ändert. So war es hier. Dementsprechend ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Verzicht erklärt habe.

Zudem lässt das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft außer Acht, dass der Kläger bereits in erster Instanz einen etwa erklärten Verzicht widerrufen und erneut Beweis durch Benennung des Zeugen Sch. angetreten hat. In der Erklärung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 23. Mai 2023, an dem Beweisangebot ausdrücklich festzuhalten, ist bei verständiger Würdigung daher jedenfalls ein erneuter Beweisantritt zu erblicken.

 

Fazit: Der Verzicht auf einen Zeugen nach § 399 ZPO ist widerruflich. Eine Partei, die auf einen Zeugen zunächst verzichtet hat, ist durch § 399 ZPO nicht gehindert, den Zeugen später erneut zu benennen.

KG: Erledigungserklärung in zweiter Instanz nebst Kostenentscheidung

Das KG (Beschl. v. 28.3.2025 – 2 W 9/25) hatte über die Kostentragung trotz Obsiegens im Falle einer „verspäteten“ Erledigungserklärung zu entscheiden.

Dem lag folgender Sacherhalt zugrunde: Die Gläubigerin brachte gegen die Schuldnerin vor dem LG einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ein (§ 888 ZPO). Nach Zustellung des Antrages wurde der vollstreckte Anspruch durch die Übersendung der gewünschten Unterlagen erfüllt. Dies teilte die Schuldnerin dem Gericht mit. Die Schuldnerin hatte allerdings die Unterlagen bereits früher an ihren Rechtanwalt geschickt. Dort waren sie aber versehentlich zunächst liegen geblieben und wurden erst nach Zustellung des Zwangsgeldantrages an die Gläubigerin weitergeleitet.

Daraufhin reagierte die Gläubigerin zunächst nicht mehr, auch nicht auf die Nachfragen des LG. Das LG wies sodann den Antrag zurück und legte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auf. Diese legte gegen den entsprechenden Beschluss sofortige Beschwerde ein und erklärte das Zwangsgeldverfahren für erledigt, die Schuldnerin widersprach.

Da die Schuldnerin nicht zugestimmt hatte, lag hier eine einseitige Erledigungserklärung vor, die auch im Zwangsgeldverfahren zulässig ist. Ein solcher Antrag kann auch noch in der Beschwerdeinstanz angebracht werden. Da die Schuldnerin den Anspruch verspätet erfüllt hatte, ist das Verfahren tatsächlich erledigt worden. Entscheidend für die Erfüllung ist der Eingang der Unterlagen bei der Gläubigerin, nicht der Eingang derselben bei dem Anwalt der Schuldnerin. Unerheblich ist auch, dass die Gläubigerin in der Beschwerdeinstanz mit neuem Vortrag aufwartete. Ein solcher ist im Beschwerdeverfahren zulässig (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung (§ 891 S. 3, § 91, § 97 ZPO) geht allerdings teilweise zu Lasten der Gläubigerin. Die Kosten der ersten Instanz hat die Schuldnerin zu tragen, da sie verspätet erfüllt hatte. Allerdings wurden die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Gläubigerin auferlegt, da sie die Erledigung erst in der Beschwerdeinstanz erklärt hatte (§ 97 Abs. 2 ZPO) und dieser Erklärung ohne weiteres bei gewissenhafter Prozessführung auch vorher hätte abgeben können.

Fazit: Auch wenn im Beschwerdeverfahren noch einiges nachgeholt werden kann, sollte die Kostenfolge des § 97 Abs. 2 ZPO nicht übersehen werden. Nachlässige Prozessführung darf zudem nicht belohnt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil in Fällen mit unionsrechtlichem Einschlag.

Keine Vorlage an den EuGH nach zweitem Versäumnisurteil
BGH, Beschluss vom 27. März 2025 – I ZB 68/24

Der I. Zivilsenat befasst sich mit § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von verlorenen Einsätzen in Höhe von rund 11.000 Euro, die er bei Online-Glücksspielen der in Malta ansässigen Beklagten getätigt hat. Die Beklagte hat in erster Instanz die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss eines bei EuGH anhängigen Verfahrens über die Zulässigkeit solcher Online-Dienste oder eine eigene Vorlage des LG an den EuGH beantragt. In der mündlichen Verhandlung war sie nicht vertreten. Das LG erließ gegen sie ein Versäumnisurteil. In dem nach Einspruch anberaumten Verhandlungstermin erschien für die Beklagte erneut niemand. Das LG hat den Einspruch verworfen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das OLG als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Das OLG hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO darf die Berufung gegen ein Urteil, mit dem ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verworfen worden ist, nur mit der Begründung angefochten werden, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen. Die Rüge, die Klage sei unschlüssig, ist danach nicht zulässig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt dies auch dann, wenn die Schlüssigkeit von Vorschriften des Unionsrechts abhängt, die einer Vorabentscheidung durch den EuGH bedürfen. Das Unionsrecht gebietet nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund derer eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, wenn die Entscheidung inhaltlich gegen Unionsrecht verstößt.

Praxistipp: Eine Berufung darf auf den Einwand fehlender Schlüssigkeit gestützt werden, wenn es sich bei der ersten Entscheidung um einen Vollstreckungsbescheid gehandelt hat.

Anwaltsblog 21/2025: Keine Wiedereinsetzung von Amts wegen gegen den Willen einer Partei!

Unter welchen Voraussetzungen einer Partei von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren ist, hat der BGH entschieden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2025 – V ZB 44/24):

Nachdem die Frist zur Berufungsbegründung bereits bis zum 12. Januar 2024 verlängert worden war, hat der Vertreter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2024 beantragt, die Frist erneut bis zum 26. Januar 2024 zu verlängern, weil der Prozessbevollmächtigte als alleiniger Sachbearbeiter erkrankt sei. Die Beklagte hat am selben Tag kurz zuvor einer weiteren Fristverlängerung nicht zugestimmt. Die Berufungsbegründungsschrift ist am 25. Januar 2024 beim Berufungsgericht eingegangen. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist nicht gewährt worden sei und die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, hat die Klägerin geltend gemacht, über den Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden worden, weshalb eine Verwerfung der Berufung nicht in Betracht komme. Dem nach Ablehnung der Fristverlängerung zu stellenden Antrag auf Wiedereinsetzung werde stattzugeben sein, da der erkrankungsbedingte Ausfall ihres Prozessbevollmächtigten unvorhersehbar gewesen sei und dieser als Einzelanwalt den grundsätzlich vertretungsbereiten Kollegen nicht in zumutbarer Weise mit der Fertigung der Berufungsbegründung habe beauftragen können. Mit Verfügung vom 15. April 2024 hat der Vorsitzende des Berufungssenats mitgeteilt, es sei bereits deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährt werden könne. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Mai 2024 wiederholt, dass über den Antrag auf Fristverlängerung durch mit Gründen versehenen Beschluss entschieden werden müsse. Demzufolge sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand noch nicht angebracht. Für den Fall der Ablehnung der Fristverlängerung hat sie angekündigt darzulegen, dass ihr Prozessbevollmächtigter mit einem grippalen Infekt bis zum 22. Januar 2024 ans Bett gefesselt gewesen sei.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen; die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) wurde mit dem Wegfall der eine Erstellung der Berufungsbegründung hindernden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, also mit Ablauf des 22. Januar 2024 in Gang gesetzt (§ 234 Abs. 2 ZPO), und endete mit Ablauf des 22. Februar 2024. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin Wiedereinsetzung nicht beantragt.

Das Berufungsgericht war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gehalten, ihr von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass die Gründe für die unverschuldete Fristversäumnis innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO offenkundig sind oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt aber nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält. Die Vorschrift des § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO soll lediglich verhindern, dass die Partei einen unverschuldeten Rechtsverlust allein deshalb erleidet, weil sie keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat. Erklärt die Partei, nachdem sie von dem Gericht auf die Fristversäumung hingewiesen worden ist, sie stelle keinen Wiedereinsetzungsantrag, darf ihr über § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Wiedereinsetzung nicht gegen ihren Willen aufgedrängt werden. So wäre es hier. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat, auch nach mehreren Hinweisen des Berufungsgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, erklärt, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (noch) nicht zu stellen. Er hat die Wiedereinsetzung auch nicht vorsorglich oder hilfsweise beantragt. Im Gegenteil hat er auf seiner mit den prozessualen Vorgaben offenkundig unvereinbaren Rechtsauffassung beharrt, das Gericht müsse die Fristverlängerung durch begründeten Beschluss ablehnen und er sei erst im Anschluss daran gehalten, Wiedereinsetzung zu beantragen. Daran muss er sich festhalten lassen und kann nicht mit der Rechtsbeschwerde geltend machen, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen Wiedereinsetzung gewähren müssen.

 

Fazit: Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2023 – VIII ZB 17/22 –, MDR 2023, 861).

OLG Frankfurt a. M.: Unzulässige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss

Das OLG Frankfurt/M. (Beschl. v. 2.4.2025 – 30 W 28/25) hat sich mit der Frage des Verhältnisses zwischen einem Rechtsmittel gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss und einer Nachfestsetzung befasst.

Nach der Kostengrundentscheidung des LG hatten die Kläger ¼ und die Beklagte ¾ der Kosten des Rechtsstreites zu tragen. Die Beklagte meldete Ihre Kosten an. Die Kläger reagierten trotz Aufforderung durch den Rechtspfleger (§ 106 Abs. 2 ZPO) nicht. Daraufhin erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten der Beklagten. Die Kläger legten gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein und rügten, dass ihre Kosten nicht berücksichtigt worden seien.

Das OLG verwarf die sofortige Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig. Der Antragsgrundsatz (§ 308 Abs. 1 ZPO) gilt auch im Kostenfestsetzungsverfahren. Da die Kläger sich nicht geäußert hatten, erschöpfte der erlassene Beschluss den seinerzeitigen Antrag. In derartigen Fällen verursacht eine sofortige Beschwerde die besonderen Kosten eines Rechtsmittels (Anwaltsgebühren nach Nr. 3500 VV RVG), wohingegen die Nachliquidation kostenfrei ist. Zwar wären die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gemäß § 97 Abs. 2 ZPO ohnehin den Klägern aufzuerlegen gewesen; jedoch ergibt sich daraus wiederum, dass der Weg der Nachfestsetzung für die Kläger der günstigere Weg ist, ihr Ziel zu erreichen. Damit vermeiden die Kläger die Kosten für das Rechtsmittelverfahren. Demzufolge ist die sofortige Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, zumal die Kläger jederzeit aufrechnen könnten.

Fazit: Um derartige Probleme zu vermeiden, empfiehlt es sich regelmäßig, auf eine Aufforderung des Rechtspflegers, die eigenen Kosten zur Festsetzung anzumelden, rechtzeitig zu reagieren. Dann können im Kostenfestsetzungsbeschluss sogleich alle Kosten berücksichtigt werden.

Anwaltsblog 20/2025: Nach Richterwechsel (erneute) mündliche Verhandlung notwendig!

309 ZPO bestimmt, dass das Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden kann, die der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. Wie bei einem Wechsel des Einzelrichters nach mündlicher Verhandlung und vor Verkündung eines Urteils zu verfahren ist, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 16. April 2025 – VII ZR 126/23):

Die Klägerin verlangt Kostenvorschuss wegen mangelhafter Ausführungen einer Tiefgaragenabdichtung. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat am 16. September 2021 mündlich verhandelt. Als Richterin amtierte Richterin W. als Einzelrichterin, die sodann Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 2. Dezember 2021 bestimmt hat. Richterin W. hat zum 1. Oktober 2021 das Landgericht verlassen. Die nunmehr zuständige Richterin B. hat am 2. Dezember 2021 ein klageabweisendes Urteil verkündet. Dieses ist ausweislich des Urteils durch die Richterin B. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2021 ergangen. Richterin B. hat das Urteil auch unterzeichnet. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zwar sei das angefochtene Urteil unter Verstoß gegen § 309 ZPO ergangen. Dies führe aber nicht zur Begründetheit der Berufung. Insbesondere gebiete dieser Verstoß auch nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Eine Entscheidung im Beschlusswege komme in Betracht, wenn sich aus der Berufungsbegründung keine Gesichtspunkte ergäben, die eine Abänderung des Ersturteils aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen rechtfertigten. Insbesondere sei nichts dafür ersichtlich, dass die vorzunehmende rechtliche Würdigung angemessen mit der Berufungsführerin nicht im schriftlichen Verfahren erörtert werden könne. Zu Recht habe das Landgericht angenommen, etwaige Ansprüche der Klägerin seien verjährt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an einen anderen Senat des Berufungsgerichts. In dem vom Berufungsgericht zutreffend als solchen erkannten Verstoß des Landgerichts gegen § 309 ZPO lag zugleich eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das erkennende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das ist nur durch die Mitwirkung an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung möglich, weil nach § 309 ZPO nur Richter das Urteil fällen können, die dieser Verhandlung beigewohnt haben. Diese Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist in der Berufungsinstanz nicht geheilt worden, da das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin entschieden hat. Dadurch hatte die Klägerin weder vor dem Landgericht noch dem Berufungsgericht die Möglichkeit, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung darzulegen.

Damit hat – auch – das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Zwar folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Hat eine mündliche Verhandlung aber von Gesetzes wegen stattzufinden, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör ein Recht auf Äußerung in der mündlichen Verhandlung und zugleich auf deren Durchführung durch das Gericht. So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht durfte die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen. Es durfte nicht annehmen, eine mündliche Verhandlung sei nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). In Fällen, in denen das mit der Berufung angefochtene Urteil durch einen Richter gefällt worden ist, der entgegen § 309 ZPO der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht beigewohnt hat, ist eine mündliche Verhandlung in jedem Fall geboten.  Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fazit: In Fällen, in denen das mit der Berufung angefochtene Urteil durch einen Richter gefällt worden ist, der entgegen § 309 ZPO der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht beigewohnt hat, ist eine mündliche Verhandlung im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten.

OLG Frankfurt a. M.: Feststellung der Parteifähigkeit

Das OLG Frankfurt a. M. unterbreitete in seinem Beschl. v. 11.3.2025 – 9 U 54/24 einige interessante Ausführungen zur Prüfung der Parteifähigkeit, auch in der Berufungsinstanz.

Es ging um die Frage, ob eine angebliche Ltd. aus dem Vereinigten Königreich existiert oder nicht. In einem solchen Fall muss das Gericht gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen die Existenz der Partei prüfen. Dabei sind alle in Frage kommenden Beweise zu erheben. Es gilt allerdings der Grundsatz des Freibeweises. Erst wenn nach der Berücksichtigung aller Umstände Zweifel an der Existenz der Partei verbleiben, ist davon auszugehen, dass die Parteifähigkeit fehlt. Dabei darf die Parteifähigkeit nicht als doppelrelevante Tatsache im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung offengelassen werden. Die Parteifähigkeit ist eine Sachurteilsvoraussetzung, ohne die kein Urteil ergehen darf.

Da die Parteifähigkeit in jeder Instanz zu prüfen ist, ist das Berufungsgericht nicht an die Feststellung der Eingangsinstanz gebunden. Die §§ 529, 531 ZPO sind daher darauf gleichfalls nicht anwendbar.

In dem Vereinigten Königreich gibt es keine dem hiesigen Handelsregister vergleichbare Einrichtung. Die Existenz einer Ltd. kann wie folgt nachgewiesen werden: Vorlage der „articles of association“, Legitimationsbeschluss über die Bestellung des „director“, Bescheinigung eines „notary public“ oder des „Companies House“.

Anwaltsblog 19/2025: Überspannung anwaltlicher Sorgfaltspflichten bei Wiedereinsetzungsanträgen

Was bei nicht rechtzeitiger Übermittlung fristgebundener Schriftsätze wegen behaupteter Internetstörungen in Wiedereinsetzungsanträgen vorgetragen werden muss, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 24. April 2025 – III ZB 12/24):

 

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers begründete nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20. November 2023 die Berufung mit Schriftsatz vom selben Tage. Der Schriftsatz ging am 21. November 2023 um 7.20 Uhr beim zuständigen OLG Dresden ein. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags versicherte die Rechtsanwältin anwaltlich, sie habe aufgrund einer Knieverletzung mit ihrem Laptop im „Homeoffice“ gearbeitet und dabei über das Internet auf den Kanzleiserver zugegriffen. Die Berufungsbegründung habe sie um 22.56 Uhr aus ihrem beA-Postfach – ihrer damaligen Überzeugung nach – an das von ihr in der Empfängermaske ausgewählte zuständige OLG Dresden versandt. Nachdem im Ordner „Gesendet“ des beA-Postfachs die erfolgreiche Übermittlung angezeigt worden sei, habe sie noch einen Fristverlängerungsantrag in einer anderen Sache gefertigt. Beim Versuch, diesen anschließend in der e-Akte des Anwaltsprogramms auf dem Kanzleiserver zu speichern, habe sie festgestellt, dass die Internetverbindung zwischenzeitlich abgebrochen sei. Daraufhin habe sie bis gegen 24.00 Uhr mehrfach erfolglos versucht, die Verbindung über die Internet- und Netzwerkeinstellungen an ihrem Computer sowie durch Aus- und Einschalten des Laptops und des Routers wiederherzustellen. Ohne Internetverbindung habe sie auch nicht das Prüfprotokoll zur Übermittlung der Berufungsbegründung aus dem beA-Postfach herunterladen, ausdrucken und die Übermittlungsdaten auf ihre Richtigkeit prüfen können. Dies habe sie erst am nächsten Morgen gegen 7.00 Uhr nachholen können, nachdem sich die Internetverbindung habe wiederherstellen lassen. Dabei habe sie feststellen müssen, dass die Berufungsbegründung am Vorabend um 22.56 Uhr tatsächlich unerklärlicherweise an das unzuständige OLG Nürnberg übersandt worden sei. Daraufhin habe sie deren Übermittlung an das OLG Dresden umgehend nachgeholt.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene Berufungsbegründungsfrist komme auch mit Blick auf die angeführten Geschehnisse am Abend des 20. November 2023 nicht in Betracht. Der Kläger habe nicht genügend glaubhaft gemacht, dass die verspätete Übermittlung der Berufungsbegründung an das zuständige OLG Dresden nicht durch ein ihm zurechenbares Anwaltsverschulden verursacht worden sei. Es erschließe sich nicht, dass eine ordnungsgemäße Eingangskontrolle stattgefunden habe. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte im unmittelbaren Anschluss an den Übermittlungsvorgang die Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO abrufen und eingehend kontrollieren müssen. Stattdessen habe sie  zunächst noch andere Schriftsatzvorgänge über das beA-Postfach abwickeln wollen, wobei es erst im Zuge dieser weiteren Übermittlungsvorgänge zu technischen Störungen gekommen sei. Nach dem geschilderten Geschehensablauf sei nicht auszuschließen, dass bei einer unmittelbar anschließenden Eingangskontrolle ein Abruf des Prüfprotokolls des unzuständigen OLG Nürnberg noch möglich gewesen wäre und der Übermittlungsfehler rechtzeitig hätte festgestellt werden können. Dessen ungeachtet könne das Vorbringen zu aufgetretenen technischen Störungen die Prozessbevollmächtigte des Klägers ohnehin nicht entschuldigen.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Dass die Prozessbevollmächtigte unverschuldet gehindert gewesen wäre, die Berufungsbegründung an das richtige Gericht zu übermitteln, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Ein der Partei zuzurechnendes Anwaltsverschulden an der Versäumung einer Frist liegt vor, wenn die für eine Prozessführung erforderliche, übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts außer Acht gelassen worden ist. Bei Anlegung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht zwar die an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten zu stellenden Anforderungen überspannt. Dies hat sich aber im Ergebnis nicht ausgewirkt. Eine Überdehnung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten liegt darin, dass das Berufungsgericht der Prozessbevollmächtigten angelastet hat, nicht sofort nach dem Versand der Berufungsbegründung um 22.56 Uhr auch die vom Justizserver automatisch erstellte Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO im beA-System abgerufen und kontrolliert, sondern erst noch einen Fristverlängerungsantrag in einer anderen Sache gefertigt zu haben. Die anwaltliche Sorgfalt erfordert es, beim Versand von fristgebundenen Schriftsätzen per beA zu kontrollieren, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht erteilt worden ist. Danach ist es zwar unerlässlich, dass der Rechtsanwalt die vom Justizserver generierten Eingangsbestätigungen für die von ihm übermittelten fristgebundenen Schriftsätze (überhaupt) abruft und kontrolliert und damit den Übermittlungsvorgang insgesamt abschließt. Allerdings bleibt es seiner eigenen Arbeitsorganisation überlassen, wann er dies tut, sofern er nicht wiederum durch die Wahl dieses Zeitpunkts die anwaltliche Sorgfalt verletzt. Dies ist hier entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht der Fall. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Reicht er ihn nicht rechtzeitig bei Gericht ein, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn der Rechtsanwalt alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem normalen Verlauf der Dinge mit Sicherheit dazu führen würden, dass die Frist gewahrt wird. Schöpft er eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag aus, hat er wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos zudem erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Nutzt ein Rechtsanwalt zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes ein Telefaxgerät, hat er das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit deren Abschluss vor 24.00 Uhr gerechnet werden konnte. Dabei hat er die Belegung des Empfangsgeräts des Gerichts durch andere eingehende Sendungen – insbesondere in den Abend- und Nachtstunden – in Rechnung zu stellen und zusätzlich zu der eigentlichen Sendedauer eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlung den Zugang des Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten. Dieser zeitliche „Sicherheitszuschlag“ wird allgemein mit ungefähr 20 Minuten bemessen. Entsprechendes gilt bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA, da auch im elektronischen Rechtsverkehr Verzögerungen beispielsweise durch eine Vielzahl vor Mitternacht eingehender und vom System zu verarbeitender Nachrichten, Software-Updates oder Schwankungen bei der Internetverbindung einzukalkulieren sind. Ob dabei ebenfalls eine zeitliche Reserve in der Größenordnung von 20 Minuten zu fordern ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers angegebene Zeitspanne von ungefähr 55 Minuten als Sicherheitszuschlag ausreichend, die ihr ohne den nur wenige Minuten nach 22.56 Uhr erfolgten Internetausfall noch zur Verfügung gestanden hätte, um die Eingangsbestätigung abzurufen und zu kontrollieren, die Fehlübersendung zu bemerken und die Übermittlung der Berufungsbegründung an das richtige Empfängergericht nachzuholen.

Danach steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht schon entgegen, dass seine Prozessbevollmächtigte den korrekten Zugang der Berufungsbegründung nicht unmittelbar im Anschluss an deren Versendung überprüft hat. Dass die Vorinstanz insoweit gleichwohl von einem Sorgfaltspflichtverstoß ausgegangen ist, hat sich indes nicht entscheidungserheblich ausgewirkt. Denn die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist selbständig tragend auch darauf gestützt, dass das Vorbringen des Klägers zum Ausfall der Internetverbindung und zu den von seiner Prozessbevollmächtigten entfalteten Bemühungen zu deren Wiederherstellung unzureichend ist und damit nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass das Unterbleiben einer rechtzeitigen „Reparatur“ des Übermittlungsfehlers auf einem Verschulden ihrerseits beruht. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Fehlfunktion technischer Einrichtungen den Rechtsanwalt nur dann entlastet, wenn die Störung plötzlich und unerwartet aufgetreten ist und weder durch regelmäßige Wartungen der Geräte hätte verhindert werden können noch auf einem Bedienfehler beruht. Dies ist substantiiert und nachvollziehbar vorzutragen und glaubhaft zu machen, wobei außer der Art des Defekts und der Maßnahmen zu seiner Behebung auch dargelegt werden muss, dass die Fristwahrung nicht auf anderem Wege – also im elektronischen Rechtsverkehr durch eine gemäß § 130d Satz 2 ZPO zulässige Ersatzeinreichung etwa per Telefax – möglich war. Ob das Berufungsgericht zu Recht beanstandet hat, es werde „lediglich in allgemeiner Form…mitgeteilt“, dass am 20. November 2023 nach 22.56 Uhr das Internet ausgefallen sei, wofür „nachvollziehbare Belege…fehlen“, kann dahinstehen. Dazu ist lediglich anzumerken, dass mit einem – nach allgemeiner Lebenserfahrung gelegentlich durchaus auftretenden – Abbruch der Internetverbindung die Art der technischen Störung hinreichend genau beschrieben (anders als etwa mit einem „Computerdefekt“) und durch die abgegebene anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht sein dürfte. Die Vorinstanz, die die Schilderungen zu den Bemühungen um die Wiederherstellung der Internetverbindung als „rudimentär“ bewertet hat, hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, dass sie sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Internetverbindung erfolglos ergriffen hat bzw. aus konkret bezeichneten Gründen nicht hat ergreifen können. Zwar sind insoweit keine übertriebenen Anforderungen zu stellen, zumal ein Internetausfall vielfältige und nicht immer sicher identifizierbare Ursachen haben kann (z.B. ungünstige Wetterbedingungen, Kabelbrüche durch Straßenbauarbeiten, technische Probleme im Verantwortungsbereich des Internetanbieters, Defekte oder Störungen des Routers, Konfigurations-, Software- oder Hardwareprobleme innerhalb des lokalen Netzwerks oder des Endgeräts). Von einem Rechtsanwalt als professionellem Anwender kann jedoch erwartet werden, dass er diejenigen ganz einfachen, ohne besondere technische Kenntnisse auch von Laien umsetzbaren und weitgehend allgemein geläufigen Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung einer Internetverbindung kennt und ergreift. Dazu gehört nicht nur das Aus- und Einschalten des Routers und des Computers sowie die Überprüfung von dessen Internet- und Netzwerkeinstellungen, sondern jedenfalls auch die Kontrolle, ob die Netzwerkkabel am Router und (bei einer LAN-Verbindung) am Computer noch richtig eingesteckt sind. Dazu ist hier nichts vorgetragen worden. Insbesondere hat die Prozessbevollmächtigte nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie überprüft habe, ob sich die Kabelverbindungen gelöst hätten. Da es schon insoweit an einem ausreichenden Wiedereinsetzungsvorbringen fehlt, muss nicht abschließend entschieden werden, ob auch die einfach zu bewerkstelligende Errichtung eines WLAN-Hotspots über ein Smartphone und dessen Nutzung als Ersatz-Internetverbindung zu den Maßnahmen gehört, zu denen im Wiedereinsetzungsverfahren hätte vorgetragen werden müssen.

 

Fazit: Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, MDR 2021, 896).

Anwaltsblog 18/2025: Darf ein Schriftsatz nur aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert hat, dem Gericht übermittelt werden?

Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein qualifiziert elektronisch signierter Schriftsatz nur aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz signiert hat, dem Gericht übermittelt werden darf (BGH, Beschluss vom 11. März 2025 – VI ZB 5/24):

Eine fristgemäß eingegangene Berufungsbegründung ist von RA Dr. I. qualifiziert elektronisch signiert. Im zugehörigen Prüfvermerk ist als Absender der Nachricht RA Dr. E. genannt mit dem Hinweis: „Diese Nachricht wurde per EGVP versandt“. Im Briefkopf der Berufungsbegründung sind mehrere Berufsträger angegeben, u.a. Rechtsanwälte Dr. E. und Dr. I. In der Berufungsbegründung wird einleitend RA Dr. E. als „Ansprechpartner“ genannt. Am Ende des Schriftsatzes findet sich nur die Angabe „Rechtsanwalt“, ein Name ist dort nicht angegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Der Schriftsatz sei per EGVP, also nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg, eingereicht worden. Es wäre deshalb eine qualifizierte elektronische Signatur des Einreichers notwendig gewesen. Zwar habe Rechtsanwalt Dr. I. die Berufungsschrift qualifiziert elektronisch signiert; es sei aber nicht hinreichend sicher, ob dieses Sozietätsmitglied den eingereichten Schriftsatz auch bewusst eingereicht habe und ihn habe verantworten wollen. Denn eine einfache Signatur am Ende der Berufungsbegründung etwa durch maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens fehle. Die Berufungsbegründung sei lediglich mit „Rechtsanwalt“ unterzeichnet. Hinzu komme, dass die Berufungsbegründung ausweislich des Prüfvermerks „aus dem EGVP“ des Rechtsanwalts Dr. E. versandt worden sei, der im Kopf der Berufungsbegründung als Sachbearbeiter („Ansprechpartner“) aufgeführt sei. Dieser habe auch die Berufung eingelegt und das Verfahren in erster Instanz allein verantwortet. Damit stehe nicht fest, welcher der beiden Anwälte die Berufungsschrift verantworte.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung der Klägerin sei nicht fristgemäß begründet worden, da der beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht genüge, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, etwa über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach, einreichen. Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht. Ein elektronisches Dokument, das aus einem persönlich zugeordneten beA (§ 31a BRAO) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.

Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zwar zu Recht angenommen, dass die Berufungsbegründung, die mit dem Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namenszusatz endet, nicht unter den Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. ZPO beim Berufungsgericht eingereicht worden ist. Denn die Berufungsbegründung ist weder mit einer einfachen Signatur eines Rechtsanwalts versehen, wofür die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes ausreicht, noch auf einem sicheren Übermittlungsweg iSd. § 130a Abs. 4 Satz 1 ZPO eingereicht worden. Aus den Angaben im Prüfvermerk ergibt sich, dass die Berufungsbegründung zwar aus dem beA des Rechtsanwalts Dr. E. versandt worden ist, aber nicht von ihm persönlich. Rechtsfehlerhaft ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung sei auch nicht nach § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO wirksam eingereicht worden, da nicht feststehe, welcher der beiden Anwälte die Berufungsbegründung verantworte. RA Dr. I. hat die Berufungsbegründung qualifiziert elektronisch signiert. Mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur ist die Vermutung verbunden, dass er die Verantwortung für die Berufungsbegründung übernehmen wollte; diese Vermutung ist im Streitfall nicht erschüttert. Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht im elektronischen Rechtsverkehr der handschriftlichen Unterschrift. Es spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt eines Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt. Entsprechend bringt der Rechtsanwalt, der ein elektronisches Dokument qualifiziert elektronisch signiert, selbst wenn es von einem anderen verfasst wurde, wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen.

Diese mit der qualifizierten elektronischen Signatur von RA Dr. I. verbundene Vermutung ist nicht erschüttert. Entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben sich weder daraus, dass RA Dr. E. das Verfahren in erster Instanz allein verantwortet und die Berufung eingelegt hat, noch daraus, dass er als „Ansprechpartner“ in der Berufungsbegründung angegeben ist. Anders als das Berufungsgericht meint, ist auch unschädlich, dass der Name von RA Dr. I. am Ende des Schriftsatzes nicht genannt ist und der Schriftsatz nicht aus dessen beA versandt worden ist. Das Berufungsgericht verkennt die Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO. Die einfache Signatur eines Schriftsatzes ist neben der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO nicht erforderlich.

 

Fazit: § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO verlangt nicht, dass der Schriftsatz aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert hat, dem Gericht übermittelt wird (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2024 – 6 StR 93/24 –, juris).

Anwaltsblog 17/2025: Für die beA-Ersatzeinreichung reicht die bloße Bezeichnung der Störung nicht aus!

Erneut hatte sich der BGH mit der Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO zu befassen, insbesondere mit den Anforderungen an die „aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände“, die zur Ersatzeinreichung berechtigen (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 – VI ZB 19/24):

 

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat am 21. April 2023 (Freitag) um 11.24 Uhr per Telefax eine Berufungsschrift an das Berufungsgericht übersandt. Darin heißt es einleitend: „Vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung“. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Der am letzten Tag der Berufungsfrist übermittelte Schriftsatz sei entgegen § 130d Satz 1 ZPO nur per Telefax und daher nicht formgerecht als elektronisches Dokument gemäß § 130a ZPO eingereicht worden. Die Voraussetzungen einer wegen vorübergehender technischer Gründe zulässigen Einreichung auf anderem Weg seien nicht unverzüglich glaubhaft gemacht worden (§ 130d Satz 2 und 3 ZPO). Die Ersatzeinreichung per Telefax habe lediglich den Hinweis „Vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung“ enthalten. Eine Glaubhaftmachung erfordere eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Das gelte auch bei einer allgemeinen Störung des beA, und zwar unabhängig davon, ob diese Störung gerichtsbekannt sei und ob das Gericht sich von ihr Kenntnis verschaffen könne. Die Glaubhaftmachung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich um eine allgemeine, mehrtägige Störung des beA gehandelt habe. Auch bei einer gerichtsbekannten Störung des beA bedürfe es der näheren Schilderung und Glaubhaftmachung der hindernden Umstände.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Der Beklagte hat durch sein Telefax vom 21. April 2023 nicht formgerecht Berufung eingelegt. Gemäß § 130d Satz 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Das gilt auch für die Einreichung der Berufungsschrift beim Berufungsgericht (§ 519 Abs. 4 ZPO). Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 ZPO). Nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Fehlt die Glaubhaftmachung nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO, so ist die Ersatzeinreichung unwirksam.

Der Beklagte hat die vorübergehende Unmöglichkeit, die Berufungsschrift als elektronisches Dokument zu übermitteln, im Telefax vom 21. April 2023 bereits nicht ausreichend dargelegt. Nach § 130d Satz 2 ZPO ist eine Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei spielt zwar keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Möglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist, weil auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird jedoch klargestellt, dass professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. Eine vorübergehende Unmöglichkeit iSv. § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird. Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es daher zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind.

Die der Ersatzeinreichung vom 21. April 2023 beigefügte Erklärung „vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung“ ist schon deshalb keine ausreichende Darlegung, weil sie keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände enthält. Denn die Darstellung des Defekts beschränkt sich auf die Bezeichnung „Übertragungsstörung“, die ganz verschiedene Auswirkungen und Ursachen haben kann. Auch die zeitlichen Zusammenhänge erschließen sich allein durch den wertenden und konkretisierungsbedürftigen Begriff „dauerhaft“ nicht. Unerheblich ist, ob die EGVP-Kommunikation vom 18. April 2023 um 18.00 Uhr bis zum 21. April 2023 um 21.20 Uhr gestört war. Auch dann wäre eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände erforderlich. Denn es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass eine Ersatzeinreichung ausscheidet, weil diese technische Störung nicht kausal für die gescheiterte Übermittlung als elektronisches Dokument gewesen wäre.

 

Fazit: Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – V ZB 11/22 –, MDR 2023, 862).