Anwaltsblog 5/2024: Was muss zur Begründung der Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO glaubhaft gemacht werden?

Mit den Anforderungen an eine wirksame Ersatzeinreichung fristgebundener anwaltlicher Schriftsätze hatte sich zum wiederholten Mal der Bundesgerichtshof zu befassen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2024 – IX ZB 41/23):

 

Eine Berufungsbegründung wurde am 14. Februar 2023, dem letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist, um 13:57 Uhr per Telefax eingereicht. Zur Begründung der Einreichung per Telefax hat der Prozessbevollmächtigte mit beigefügtem Telefaxschreiben erklärt: „… sind wir leider gehalten, die Berufungsbegründung gemäß § 130d Satz 2 und Satz 3 ZPO per Telefax einzulegen, da der beA-Server leider nicht erreichbar ist (siehe Anlagen). Dies versichere ich hiermit an Eides statt.“ Ausweislich der Anlagen bestand beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) am 14. Februar 2023 seit ungefähr 10:20 Uhr eine Störung bei der Adressbuchsuche, so dass ein Versenden von Nachrichten nicht möglich war.

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nach § 130d Satz 3 ZPO glaubhaft gemacht habe, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Hierfür bedürfe es einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, die zu der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit geführt hätten. Diesen Anforderungen genüge die abgegebene eidesstattliche Versicherung auch unter Berücksichtigung der beigefügten Anlagen nicht. Den Anlagen sei nicht zu entnehmen, dass in einem zeitlichen Zusammenhang zu der um 13:57 Uhr begonnenen Übermittlung der Unterlagen tatsächlich eine vorübergehende technische Störung bestanden habe. Die Anlage von beA.expert biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die ab ca. 10:20 Uhr aufgetretene Störung noch über den Zeitpunkt der Statusangabe um 12:13 Uhr hinaus fortbestanden habe. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung sei nicht ersichtlich, dass noch ein Versuch einer Übermittlung als elektronisches Dokument unternommen worden sei. Es sei daher nicht glaubhaft gemacht, dass die Störung nach 12:13 Uhr bis zur Einreichung fortbestanden habe.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg. Die Ersatzeinreichung per Telefax war nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO zulässig, die Berufung somit rechtzeitig begründet. Gemäß § 130d Satz 1, § 520 Abs. 5 ZPO hat ein Rechtsanwalt die Berufungsbegründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 ZPO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO). Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Glaubhaft zu machen ist daher die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur. Die Glaubhaftmachung betrifft nur die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments. Der Prozessbevollmächtigte, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen. Der Kläger hat unter Vorlage von um 12:13 Uhr erstellten Unterlagen geltend gemacht, eine Einreichung der Berufungsbegründung als elektronisches Dokument sei unmöglich. Deshalb hat er um 13:57 Uhr die Berufungsbegründung als Telefax eingereicht. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe glaubhaft machen müssen, dass die Unmöglichkeit zeitnah vor oder bei der Ersatzeinreichung bestanden habe, überspannt die Anforderungen an die vorübergehende Unmöglichkeit. § 130d Satz 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Nur hierzu ist vorzutragen. Weiterer Vortrag ist nicht erforderlich.

Der anwaltliche Vertreter des Klägers hat die Ersatzeinreichung damit begründet, dass der Server des beA nicht erreichbar sei. Er hat dabei Bezug genommen auf ein um 12:13 Uhr abgerufenes Verzeichnis von Störungsmeldungen durch beA.expert. Zu diesem Zeitpunkt war die Ersatzeinreichung veranlasst. Zu Vortrag hinsichtlich einer fortdauernden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments für den Zeitraum bis 13:57 Uhr war der Kläger vor diesem Hintergrund nicht gehalten. Er hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass eine vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung vorlag. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine Ersatzeinreichung auch insoweit überspannt, als es zur Darlegung einer vorübergehenden Störung einen mindestens zweimaligen Versuch der Übermittlung als elektronisches Dokument verlangt. Auch diese Anforderung findet in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage. Glaubhaft zu machen ist eine vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung nach § 130d Satz 2 ZPO. Diese liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird. Einer anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen bedarf es hierfür nicht zwingend. Es bedarf ihrer insbesondere dann nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer – der Betreiberin des beA -, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird. Vorliegend ist in der Störungsmeldung der BRAK in einem Update von 12:00 Uhr unter Bezugnahme auf eine Meldung der Justiz vermerkt, dass aufgrund einer bundesweiten Störung des Verzeichnisdienstes seit 10:20 Uhr das Versenden von Nachrichten nicht möglich sei. Ein voraussichtliches Ende der Störung ist nicht angegeben. Bei einer derartigen Informationslage aus zuverlässiger Informationsquelle ist ein Rechtsanwalt zur Glaubhaftmachung der Störung nicht gehalten, einen Sendeversuch zu unternehmen und dessen Fehlschlag glaubhaft zu machen.

 

Fazit: Zur Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es der anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird. Hat ein Prozessbevollmächtigter wegen vorübergehender technischer Unmöglichkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments die Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften veranlasst, ist er nicht gehalten, sich bis zur tatsächlichen Vornahme der Ersatzeinreichung weiter um eine elektronische Übermittlung des Dokuments zu bemühen.

Anwaltsblog 46/2024: Ist beim ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die angeführte Arbeitsüberlastung glaubhaft zu machen?

Mit den Anforderungen an die Begründung eines ersten Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hatte sich der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2024 – IV ZB 20/24):

 

Mit einem am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist beim OLG eingegangenen Schriftsatz haben die Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Aufgrund derzeitiger unvorhergesehener Arbeitsüberlastung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts sei eine fristgerechte Berufungsbegründung nicht möglich. Das OLG hat mit Beschluss vom Folgetrag den Fristverlängerungsantrag abgelehnt, weil es an einer Glaubhaftmachung der Arbeitsüberlastung fehle, und nach Hinweis mit weiterem Beschluss die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist überspannt, indem es die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags – allein – darauf gestützt hat, der Kläger habe den angezeigten erheblichen Grund nicht glaubhaft gemacht. Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar ist der Rechtsmittelführer generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittelführer deshalb nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dies ist aber bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe iSd. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählt insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grundes iSd. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung oder Glaubhaftmachung bedarf. Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt regelmäßig vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen.

Von diesen Grundsätzen weicht das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise ab, indem es – darüber hinausgehend – verlangt hat, die Prozessbevollmächtigten des Klägers seien auch ohne entsprechende Aufforderung des Gerichts gehalten gewesen, den angezeigten erheblichen Grund glaubhaft zu machen. Eine solche unüblich strenge, über die von der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen hinausgehende Praxis des Berufungsgerichts bewegt sich nicht mehr im Rahmen zulässiger, am Einzelfall orientierter Ermessensausübung. Auf eine solche Praxis braucht sich der Anwalt daher nicht einzustellen.

 

Fazit: An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grundes aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung oder gar Glaubhaftmachung bedarf (BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – VI ZB 46/09 –, MDR 2010, 645).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die Adoption eines durch private Samenspende gezeugten Kindes durch die Ehefrau der Mutter.

Zustimmung des privaten Samenspenders zur Adoption
BGH, Beschluss vom 31. Juli 2024 – XII ZB 147/24

Der XII. Zivilsenat bestätigt und ergänzt seine Rechtsprechung zu § 1747 BGB.

Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 sind seit Dezember 2017 miteinander verheiratet. Im Juli 2020 gebar die Beteiligte zu 2 ein Kind, das durch private Samenspende gezeugt worden war. Anfang 2020 beantragte die Beteiligte zu 1 mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 die Annahme des Kindes. Namen und Adresse des Samenspenders haben sie nicht mitgeteilt. Nach ihrem Vorbringen hat der Spender anlässlich des gerichtlichen Verfahrens in einem Telefongespräch erklärt, auf keinen Fall namentlich benannt werden zu wollen. Deshalb bestehe die Befürchtung, dass er sich bei Preisgabe seines Namens gegen seinen Willen zurückziehe und zu einem späteren Kontakt mit dem Kind nicht mehr bereit sei. Zum Beweis ihres Vortrags haben sie Screenshots einer WhatsApp-Kommunikation vorgelegt.

Das AG hat den Adoptionsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 1747 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für die Adoption die Einwilligung beider Eltern erforderlich. Wenn es keinen rechtlichen Vater im Sinne von § 1592 BGB gibt, gilt gemäß § 1747 Abs. 1 Satz 2 BGB als Vater, wer die Voraussetzungen des § 1600d Abs. 2 Satz 1 (Geschlechtsverkehr während der Empfängniszeit) glaubhaft macht. Im Zusammenhang mit § 1747 Abs. 1 BGB steht hierbei eine private Samenspende dem Geschlechtsverkehr gleich.

Die Sonderregelung in § 1600d Abs. 4 BGB, wonach ein Samenspender nicht als Vater festgestellt werden kann (und deshalb auch dessen Zustimmung zur Adoption nicht erforderlich ist), wenn die künstliche Befruchtung mit ärztlicher Unterstützung erfolgt ist und der Samen in einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes gespendet wurde, gilt für eine private Samenspende nicht.

Nach § 1747 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Einwilligung eines Elternteils entbehrlich, wenn dieser zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Dieser Ausnahmetatbestand ist nicht erfüllt, wenn die Verfahrensbeteiligten Name und Kontaktdaten des Samenspenders kennen, diese Informationen dem Gericht aber nicht zur Verfügung stellen.

Bei einer privaten Samenspende ist die Zustimmung des Spenders ferner nicht erforderlich, wenn der Spender dem Adoptionsverfahren nicht beitritt. Dies gilt jedoch nur, wenn das Gericht den Spender gemäß § 7 Abs. 4 FamFG von der Einleitung des Verfahrens benachrichtigt hat. Hierzu müssen die Beteiligten dem Gericht Name und Kontaktdaten des Spenders mitteilen, sofern sie über diese Informationen verfügen. Die bloße Mitteilung, der Spender sei an einem Beitritt nicht interessiert, genügt nicht. Die Vorlage von schriftlicher Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Spender genügt ebenfalls nicht, wenn daraus die Identität des Spenders nicht hervorgeht.

Im vorliegenden Fall darf die Adoption danach nicht ausgesprochen werden, weil die Beteiligten Namen und Kontaktdaten des Spenders kennen, aber nicht mitgeteilt haben. Besondere Umstände, die die Mitteilung dieser Informationen als unzumutbar erscheinen lassen können, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp: Die Einwilligung in eine Adoption bedarf gemäß § 1750 Abs. 1 Satz 2 BGB der notariellen Beurkundung.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung.

Glaubhaftmachung technischer Probleme bei beA
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – XII ZB 88/23

Kurz nach dem Anwaltssenat, dessen Entscheidung im Anwaltsblog 8/2024 vorgestellt wird, hat sich auch der XII. Zivilsenat mit den Anforderungen aus § 130d ZPO befasst. 

Die Antragstellerin begehrt Zugewinnausgleich. Das AG hat ihrem Antrag nur teilweise stattgegeben. Dagegen legte sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten fristgerecht Beschwerde ein. Einige Tage vor Ablauf der Frist übermittelte die Antragstellerin, die sich nunmehr als Rechtsanwältin selbst vertritt, per Telefax eine Beschwerdebegründung und einen Schriftsatz, in dem sie darlegte, weshalb sie die Begründung nicht über beA eingereicht hat. Das OLG hat die hilfsweise begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH setzt die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss. 

Bei einer Störung des beA-Servers oder des Servers für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Empfängergerichts kann hierfür die Bezugnahme auf Screenshots mit entsprechenden Fehlermeldungen der Bundesrechtsanwaltskammer oder des EGVP-Betreibers genügen. Bei Fehlern, die ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Absenders haben, ist hingegen eine detailliertere Darstellung erforderlich.

Im Streitfall hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, der Fehlbedienungszähler ihrer beA-Karte sei abgelaufen gewesen und sie habe deshalb eine neue beA-Karte beantragen müssen, deren Lieferung ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen könne. Diesem Vorbringen lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, ob eine technische Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO oder ein schlichter Anwenderfehler vorlag. Eine vollständige Darlegung hätte zumindest Ausführungen dazu erfordert, weshalb ein Zurücksetzen des Fehlbedienungszählers mit Hilfe des hierfür vorgesehenen PUK (Personal Unblocking Key) nicht möglich war.

Praxistipp: Um bei „unerklärlichen“ Fehlern mit der beA-Karte dennoch Schriftsätze wirksam einreichen zu können, empfiehlt sich der zusätzliche Erwerb eines Softwarezertifikats. Dieses kann zwar nicht für eine qualifizierte elektronische Signatur eingesetzt werden, wohl aber für den Versand auf einem sicheren Übermittlungsweg – und für den mobilen Zugriff auf das beA-Postfach.

Anwaltsblog 7/2024: Anforderung an die Glaubhaftmachung der Ersatzeinreichung bei Störung des beA

Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind nach § 130d Satz 1 ZPO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt nach § 130d Satz 2 ZPO die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist nach § 130d Satz 3 ZPO bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Mit den Anforderungen an die Glaubhaftmachung hatte sich wieder einmal der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2024 – I ZB 51/23):

 

Nachdem die Klägerin gegen das am 20. Februar 2023 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgemäß Berufung eingelegt hatte, hat sie mit einem am 20. April 2023 um 16:37 Uhr per Telefax eingereichten Schriftsatz beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. In einem zeitgleich versandten weiteren Schriftsatz hat sie ausgeführt, eine Versendung des Fristverlängerungsantrags über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sei nicht möglich. Es bestehe seit 9:00 Uhr „eine Störung von beA im Bundesgebiet Nordrhein-Westfalen“. Zur Glaubhaftmachung hat sie einen als „Störmeldung der BRAK“ bezeichneten zweiseitigen Ausdruck der am 20. April 2023 auf der Internetseite bea.expert veröffentlichten Informationen vorgelegt. Auf dieser Internetseite werden einerseits von Nutzern gemeldete Störungen erfasst, andererseits Inhalte der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu aktuellen beA-Störungen wiedergegeben. Der von der Klägerin vorgelegte Ausdruck der Internetseite bea.expert beginnt mit der Mitteilung zum Stand vom 20. April 2023 16:19 Uhr: „keine beA-Störung gemeldet oder festgestellt.“ Weiter ist auf dem Ausdruck eine Störungsmeldung der BRAK, veröffentlicht auf der Internetseite https://portal.beasupport.de/→Aktuelles, Stand 16:00 Uhr, wiedergegeben, nach der im Land Nordrhein-Westfalen im Justizbereich eine Störung seit dem 19. April 2023, 14:12 Uhr, bestehe.

Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen. Sie sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der hierfür geltenden zweimonatigen Frist begründet worden sei. Dem per Telefax am 20. April 2023 eingegangenen Fristverlängerungsantrag habe nicht entsprochen werden können, da er als elektronisches Dokument zu übermitteln gewesen wäre. Die Voraussetzungen einer zulässigen Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO lägen nicht vor. Zwar sei durch eine Mitteilung des Zentralen IT-Dienstleisters der Justiz in Nordrhein-Westfalen gerichtsbekannt, dass das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) vom 19. April 2023 um 14:12 Uhr bis zum 21. April 2023 um 21:20 Uhr in Nordrhein-Westfalen gestört gewesen sei. Dies habe die Klägerin jedoch nicht von der in § 130d Satz 3 ZPO normierten Obliegenheit entbunden, die vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments unverzüglich glaubhaft zu machen. Die Darstellung im Schriftsatz der Klägerin vom 20. April 2023 entspreche nicht ansatzweise den Anforderungen des § 130d Satz 3 ZPO. Die der Ersatzeinreichung beigefügte Erklärung, dass ausweislich der beigefügten Störmeldung der Bundesrechtsanwaltskammer eine Störung des beA im Gebiet von Nordrhein-Westfalen vorliege, weshalb eine Versendung über das beA nicht möglich sei, enthalte keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Zudem sei für eine Glaubhaftmachung erforderlich, dass der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben anwaltlich versichere, woran es im Schriftsatz vom 20. April 2023 ebenfalls fehle.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht verwehrt. Die Klägerin war ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhindert (§ 233 ZPO). Sie durfte darauf vertrauen, dass ihr am 20. April 2023 per Telefax übermittelter Antrag, die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um einen Monat zu verlängern, nicht abgelehnt werde. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittelführer mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. So verhielt es sich hier. Ohne Einwilligung des Gegners kann die Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit seinem Fristverlängerungsantrag einen konkreten Grund für den Antrag – die Erforderlichkeit der vorrangigen Bearbeitung anderweitiger fristgebundener Angelegenheiten nach einer mehrtätigen Ortsabwesenheit des alleinigen Sachbearbeiters – geltend gemacht. Darin liegt ein erheblicher Grund, der eine Fristverlängerung regelmäßig rechtfertigt.

Der Fristverlängerungsantrag ist auch wirksam gestellt worden. Eine elektronische – und damit formgerechte – Übermittlung des Verlängerungsantrags vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist zwar nicht erfolgt. Allerdings waren entgegen der Auffassung des OLG die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung gemäß § 130d Satz 2 und 3 ZPO erfüllt. Das OLG hat bereits zu Unrecht angenommen, der Schriftsatz der Klägerin vom 20. April 2023 enthalte keine ausreichende Schilderung der einen Ausnahmefall nach § 130d Satz 2 ZPO begründenden Tatsachen, nach denen es aus vorübergehenden Gründen technisch unmöglich gewesen sei, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist elektronisch zu übermitteln. Aus dem Inhalt des per Telefax eingereichten Schriftsatzes geht unmissverständlich hervor, dass die Übersendung des Fristverlängerungsgesuchs per Telefax erfolge, weil eine Versendung des Fristverlängerungsantrags auf elektronischem Weg über das beA nicht möglich gewesen sei. Soweit der Klägervertreter in dem per Telefax übermittelten Schriftsatz angegeben hat, es liege eine Störung des beA vor, trifft dies ausweislich der auf der Internetseite bea.expert veröffentlichten Informationen, die sich aus dem mit diesem Schriftsatz vorgelegten Ausdruck ergeben, allerdings nicht zu. Es hat keine Störung des beA, sondern des EGVP im Justizbereich von Nordrhein-Westfalen gegeben. Diese Ungenauigkeit im Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist jedoch unschädlich. Im Ergebnis hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der Angabe, das beA sei gestört, lediglich die Ursache für die Unmöglichkeit der Übermittlung auf elektronischem Weg unrichtig bezeichnet. In technischer Hinsicht trifft sein Vortrag, eine elektronische Übermittlung über das beA sei nicht möglich gewesen, zu, weil durch die Störung des EGVP eine Übermittlung von Schriftstücken über das beA an die von der EGVP-Störung betroffenen Gerichte nicht erfolgen konnte. Weiterer Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war nicht erforderlich.

Das Berufungsgericht hat außerdem die sich aus § 130d Satz 3 ZPO ergebenden Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer auf technischen Gründen beruhenden vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument überspannt, indem es eine anwaltliche Versicherung des Scheiterns einer solchen Übermittlung für zwingend erforderlich erachtet hat, ohne den von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten aktuellen Ausdruck der Internetseite bea.expert zu berücksichtigen, aus der die Meldung der Bundesrechtsanwaltskammer betreffend die Störung des EGVP hervorging. Die Vorlage dieses Ausdrucks, bei dem es sich um ein Augenscheinsobjekt iSv. § 371 Abs. 1 ZPO handelt, war geeignet, die behauptete Störung glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO).

 

Fazit: Der Rechtsanwalt, der die Ersatzeinreichung veranlasst hat, muss sich vor Fristablauf nicht weiter um eine elektronische Übermittlung bemühen und hierzu vorzutragen. § 130d Satz 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Nur hierzu muss vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 25. Mai 2023 – V ZR 134/22 –, MDR 2023, 1230).

 

Anmerkung: Ungeklärt ist, ob ein Gericht die Störung des EGVP als gemäß § 291 ZPO offenkundig und damit als nicht beweisbedürftig behandeln darf (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2023 – XI ZB 1/23 –, MDR 2024, 58). Das BAG meint dagegen, der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 130d Satz 3 ZPO abweichend von § 291 ZPO eine Glaubhaftmachung zur ausnahmslosen Voraussetzung für eine zulässige Ersatzeinreichung gemacht (zu § 46g Satz 4 ArbGG: BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21 –, MDR 2023, 457). Vorsorglich sollte daher eine Glaubhaftmachung erfolgen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es erneut um die Anforderungen an einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Fehlende Versicherung an Eides Statt trotz Inbezugnahme
BGH, Beschluss vom 20. September 2022 – VI ZB 27/22

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Beklagte legte gegen eine ihr ungünstige Entscheidung des LG rechtzeitig Berufung ein. Die Berufungsbegründung ging erst einen Tag nach Ablauf der maßgeblichen Frist beim OLG ein. In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand legte die Beklagte dar, der Schriftsatz sei aufgrund eines Kanzleiversehens zunächst an das LG versandt worden. Zur Glaubhaftmachung nahm sie auf eidesstattliche Versicherungen ihrer Prozessbevollmächtigten und deren Mitarbeiter Bezug. Ferner bot sie die informatorische Anhörung der Prozessbevollmächtigten an. Das OLG wies darauf hin, dass dem eingereichten Wiedereinsetzungsantrag keine Versicherungen am Eides Statt beigefügt waren. Einen Monat später wies es den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück. Einen Tag danach reichte die Beklagte eidesstattliche Versicherungen ein.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Die Beklagte hat den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht rechtzeitig glaubhaft gemacht. Die angebotene informelle Anhörung der Prozessbevollmächtigten ist kein zulässiges Beweismittel. Eine Versicherung an Eides Statt wurde entgegen der Ankündigung im Wiedereinsetzungsantrag bis zur Entscheidung des OLG nicht eingereicht.

Das OLG war nicht gehalten, eine Frist zur Vorlage der fehlenden Erklärungen zu setzen. Jedenfalls nach dem gerichtlichen Hinweis war die Beklagte gehalten, diese auch ohne Fristsetzung unverzüglich einzureichen. Das OLG musste lediglich einen angemessenen Zeitraum abwarten, bevor es über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet. Die im Streitfall eingehaltene Wartefrist von einem Monat reichte hierzu aus.

Praxistipp: Will das Gericht einer rechtzeitig eingereichten Versicherung an Eides Statt keinen Glauben schenken, muss es der Partei Gelegenheit geben, den Erklärenden als Zeugen zu benennen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um grundlegende Anforderungen an die Zulässigkeit einer Berufung geht es in dieser Woche.

Festhalten an erstinstanzlich vertretener Rechtsauffassung
Beschluss vom 7. Juni 2018 – I ZB 57/17

Der I. Zivilsenat sieht eine Berufung, die auf die bloße Wiederholung einer in erster Instanz erfolglos vertretenen Rechtsauffassung gestützt wird, als zulässig an.

Das LG hatte eine auf Unterlassung bestimmter Werbemaßnahmen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin ihre ladungsfähige Anschrift nicht substantiiert dargelegt habe. Mit ihrer Berufung wiederholte die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen, an der in der Klageschrift benannten Adresse könnten auch an solchen Tagen Zustellungen vorgenommen werden, an denen ihr Geschäftsführer nicht anwesend sei, weil die Mitarbeiter eines anderen, an derselben Adresse ansässigen Unternehmens entsprechend bevollmächtigt seien. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Eine Berufung ist zwar grundsätzlich unzulässig, wenn der Berufungskläger lediglich seinen erstinstanzlichen Tatsachenvortrag wiederholt, ohne sich mit abweichenden Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auseinanderzusetzen. Ist der Berufungskläger in erster Instanz aus rechtlichen Gründen erfolglos geblieben, genügt es aber, wenn er seine bereits in erster Instanz vertretene Rechtsauffassung erneut darlegt. Im Streitfall beruhte die erstinstanzliche Klageabweisung allein auf der rechtlichen Erwägung, die vorgetragene Bevollmächtigung reiche zur Begründung einer ladungsfähigen Anschrift nicht aus. Deshalb durfte die Klägerin ihre Berufungsbegründung auf die Wiederholung ihrer abweichenden Rechtsauffassung beschränken.

Praxistipp: Ungeachtet der relativ großzügigen Mindestanforderungen sollte sich der Berufungskläger in seiner Rechtsmittelbegründung vorsorglich auch mit der rechtlichen Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts auseinandersetzen.

Glaubhaftmachung des Werts des Beschwerdegegenstands
Beschluss vom 21. Juni 2018 – V ZB 254/17

Der V. Zivilsenat bekräftigt die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die fristgerechte Glaubhaftmachung des Werts des Beschwerdegegenstands nicht zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Berufung gehört.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte beschlossen, die Außenfassade des bisher in grün gehaltenen Gebäudes grau anstreichen zu lassen. Die Anfechtung dieses Beschlusses blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Ein Berufungskläger muss zwar gemäß § 511 Abs. 3 ZPO darlegen und glaubhaft machen, dass der Wert des Beschwerdegegenstands die für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels maßgebliche Wertgrenze (600 Euro, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt. Anders als bei einer Nichtzulassungsbeschwerde führt ein Verstoß gegen diese Obliegenheit aber nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Vielmehr muss das Berufungsgericht den Wert auch ohne Glaubhaftmachung auf Grund eigener Lebenserfahrung und Sachkenntnis nach freiem Ermessen schätzen. Im Streitfall sah sich der BGH außer Stande, die Schätzung selbst vorzunehmen. Auch wenn es nur um die Farbe geht, kann zwar der auf den Kläger entfallenden Anteil an den Kosten des Neuanstrichs als Anhaltspunkt genommen werden. Aus dem für die Rechtsbeschwerdeinstanz relevanten Tatsachenvorbringen ließ sich aber nicht entnehmen, wie hoch die maßgeblichen Gesamtkosten sind.

Praxistipp: Um eine ihm ungünstige Schätzung zu vermeiden, sollte der Berufungskläger stets bestrebt sein, die Überschreitung der Wertgrenze eingehend vortragen und glaubhaft machen.

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Darlegung der Wiedereinsetzungsgründe
Beschluss vom 25. April 2017 – VI ZB 45/16

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sich als haftungsträchtig erweisen kann, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Höhe von knapp 30.000 Euro in Anspruch. Das LG sprach ihr nur 1.750 Euro zu und wies die Klage im Übrigen ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin war an das LG adressiert und ging erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim OLG ein. In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung legte der Anwalt des Klägers dar, er habe bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes handschriftlich vermerkt, dass dieser an das OLG versandt und hierzu die erste Seite ausgetauscht werden müsse. Seine Mitarbeiterin habe die erste Seite nochmals ausgedruckt, die Adresse aber nicht geändert. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Klägerin zurück. Mit dem OLG geht er davon aus, dass der Anwalt der Klägerin darauf vertrauen durfte, dass eine zuverlässige Kanzleikraft die handschriftliche Weisung ausführen werde, und dass er deshalb nicht gehalten war, den Schriftsatz nach der Korrektur nochmals zu überprüfen. Dennoch hat das OLG Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil der Anwalt nicht dargelegt hatte, dass und weshalb er die eingesetzte Mitarbeiterin als zuverlässig ansehen durfte.

Praxistipp: Um der Darlegungslast zu genügen, sind detaillierte Ausführungen zur Ausbildung und zur bisherigen Tätigkeit der eingesetzten Kanzleikraft erforderlich; vgl. dazu etwa BGH, B. v. 14.10.2014 – XI ZB 13/13.

Nachweis fristgerechten Eingangs
Beschluss vom 26. April 2017 – XII ZB 33/17

Mit den Anforderungen an die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Beklagte war vom AG zur Zahlung von 787,50 Euro verurteilt worden. Das LG hatte die Frist zur Begründung der Berufung bis Freitag, 4. November 2016 verlängert. Die eingereichte Berufungsbegründung war auf diesen Tag datiert, trug aber den Eingangsstempel vom darauf folgenden Montag. Der Anwalt des Beklagten legte dar, seine langjährige und stets außerordentlich zuverlässige Kanzleiangestellte habe den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs gegen 12:30 Uhr in den Nachtbriefkasten eingelegt. Zur Glaubhaftmachung legte er eine eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin vor. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Eine eidesstattliche Versicherung ist zwar nur in Ausnahmefällen geeignet, die rechtzeitige Einreichung eines Schriftsatzes zu beweisen, weil sie grundsätzlich nur der Glaubhaftmachung dient, die Beweiskraft des Eingangsstempels gemäß § 418 Abs. 2 ZPO aber nur durch einen Vollbeweis entkräftet werden kann. Wenn das LG die eidesstattliche Versicherung nicht als ausreichend ansah, musste es dem Anwalt aber durch einen entsprechenden Hinweis  Gelegenheit geben, ergänzend Zeugenbeweis anzutreten.

Praxistipp: Wenn eidesstattliche oder anwaltliche Versicherungen vorgelegt werden, sollte zur Sicherheit stets auch die Vernehmung der betreffenden Personen als Zeugen angeboten werden.