Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die Adoption eines durch private Samenspende gezeugten Kindes durch die Ehefrau der Mutter.

Zustimmung des privaten Samenspenders zur Adoption
BGH, Beschluss vom 31. Juli 2024 – XII ZB 147/24

Der XII. Zivilsenat bestätigt und ergänzt seine Rechtsprechung zu § 1747 BGB.

Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 sind seit Dezember 2017 miteinander verheiratet. Im Juli 2020 gebar die Beteiligte zu 2 ein Kind, das durch private Samenspende gezeugt worden war. Anfang 2020 beantragte die Beteiligte zu 1 mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 die Annahme des Kindes. Namen und Adresse des Samenspenders haben sie nicht mitgeteilt. Nach ihrem Vorbringen hat der Spender anlässlich des gerichtlichen Verfahrens in einem Telefongespräch erklärt, auf keinen Fall namentlich benannt werden zu wollen. Deshalb bestehe die Befürchtung, dass er sich bei Preisgabe seines Namens gegen seinen Willen zurückziehe und zu einem späteren Kontakt mit dem Kind nicht mehr bereit sei. Zum Beweis ihres Vortrags haben sie Screenshots einer WhatsApp-Kommunikation vorgelegt.

Das AG hat den Adoptionsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 1747 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für die Adoption die Einwilligung beider Eltern erforderlich. Wenn es keinen rechtlichen Vater im Sinne von § 1592 BGB gibt, gilt gemäß § 1747 Abs. 1 Satz 2 BGB als Vater, wer die Voraussetzungen des § 1600d Abs. 2 Satz 1 (Geschlechtsverkehr während der Empfängniszeit) glaubhaft macht. Im Zusammenhang mit § 1747 Abs. 1 BGB steht hierbei eine private Samenspende dem Geschlechtsverkehr gleich.

Die Sonderregelung in § 1600d Abs. 4 BGB, wonach ein Samenspender nicht als Vater festgestellt werden kann (und deshalb auch dessen Zustimmung zur Adoption nicht erforderlich ist), wenn die künstliche Befruchtung mit ärztlicher Unterstützung erfolgt ist und der Samen in einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes gespendet wurde, gilt für eine private Samenspende nicht.

Nach § 1747 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Einwilligung eines Elternteils entbehrlich, wenn dieser zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Dieser Ausnahmetatbestand ist nicht erfüllt, wenn die Verfahrensbeteiligten Name und Kontaktdaten des Samenspenders kennen, diese Informationen dem Gericht aber nicht zur Verfügung stellen.

Bei einer privaten Samenspende ist die Zustimmung des Spenders ferner nicht erforderlich, wenn der Spender dem Adoptionsverfahren nicht beitritt. Dies gilt jedoch nur, wenn das Gericht den Spender gemäß § 7 Abs. 4 FamFG von der Einleitung des Verfahrens benachrichtigt hat. Hierzu müssen die Beteiligten dem Gericht Name und Kontaktdaten des Spenders mitteilen, sofern sie über diese Informationen verfügen. Die bloße Mitteilung, der Spender sei an einem Beitritt nicht interessiert, genügt nicht. Die Vorlage von schriftlicher Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Spender genügt ebenfalls nicht, wenn daraus die Identität des Spenders nicht hervorgeht.

Im vorliegenden Fall darf die Adoption danach nicht ausgesprochen werden, weil die Beteiligten Namen und Kontaktdaten des Spenders kennen, aber nicht mitgeteilt haben. Besondere Umstände, die die Mitteilung dieser Informationen als unzumutbar erscheinen lassen können, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp: Die Einwilligung in eine Adoption bedarf gemäß § 1750 Abs. 1 Satz 2 BGB der notariellen Beurkundung.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung für die Ausschlagung einer Erbschaft.

Kein Genehmigungserfordernis für lenkende Ausschlagung
BGH, Beschluss vom 4. September 2024 – IV ZB 37/23

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die Beteiligten sind der Witwer, die beiden Kinder und der Enkel einer im Jahr 2022 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte im Rahmen einer gegenseitigen Erbeinsetzung durch Erbvertrag ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt. Als Ersatzerben sind im Vertrag die beiden Kinder vorgesehen, ersatzweise deren Abkömmlinge.

Der Witwer und die beiden Kinder streben aus steuerlichen Gründen an, anstelle der vertraglich bestimmten Erbfolge die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen. Deshalb haben sie die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbenstellung ausgeschlagen. Der Sohn und dessen Ehefrau haben dieselbe Erklärung auch im Namen ihres Kindes abgegeben.

Den daraufhin gestellten Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das den Witwer und die beiden Kinder als gesetzliche Erben zu ½ bzw. zu jeweils ¼ ausweist, wies das AG zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Der BGH weist das AG an, das Europäische Nachlasszeugnis wie beantragt zu erteilen.

Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, dass der Witwer und die beiden Kinder ihre Stellung als vertraglicher Erbe wirksam ausgeschlagen haben.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist auch die im Namen des Enkels erklärte Ausschlagung wirksam.

Nach § 1643 Abs. 1 und § 1851 Nr. 1 BGB können Eltern im Namen ihres minderjährigen Kindes eine Erbschaft nur mit Genehmigung des Familiengerichts ausschlagen. Nach§ 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB ist eine Genehmigung entbehrlich, wenn die Erbschaft erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils eintritt, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt.

Wie auch die Vorinstanzen nicht verkannt haben, ist der Tatbestand dieser Ausnahmevorschrift im Streitfall dem Wortlaut nach erfüllt. Entgegen einer in Literatur und Instanzrechtsprechung verbreiteten Auffassung ist eine so genannte lenkende Ausschlagung – d.h. eine Ausschlagung, die zur Folge hat, dass der die Erklärung im Namen des Kindes abgebende Elternteil gesetzlicher Erbe wird – von diesem Tatbestand nicht aus anderen Gründen ausgenommen. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke.

Nach § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB bleibt eine Genehmigung erforderlich, wenn ein ausschlagender Elternteil und das von ihm vertretene Kind Miterben sind. In dieser Konstellation besteht nach Einschätzung des Gesetzgebers ein Interessenkonflikt, weil es um eine Rechtsstellung geht, die das Kind unabhängig von der Entscheidung des Elternteils innehat. Ein vergleichbarer Interessenskonflikt droht nicht, wenn das Kind nur deshalb zum Erben berufen ist, weil ein Elternteil die Erbschaft ausgeschlagen hat. Wenn in diesem Fall der im Namen des Kindes ausschlagende Elternteil gesetzlicher Erbe wird, kann zwar ebenfalls ein Interessenkonflikt drohen. Der Gesetzgeber hat sich aber bewusst dafür entschieden, diese Konstellation dennoch vom Genehmigungserfordernis auszunehmen.

Praxistipp: Die Ausschlagung einer Erbschaft muss gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis von Anfall und Grund erfolgen, und zwar gemäß §1945 BGB durch öffentlich beglaubigte oder zu Protokoll abgegebene Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.

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Diese Woche geht es um die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Feststellung der Vaterschaft.

Feststellung der Vaterschaft nach Adoption des Kindes
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – XII ZB 358/22

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen der Verfahren nach § 169 und § 167a FamFG.

Die Beteilige zu 2 brachte im April 2015 ein Kind zur Welt. Zwei Monate später willigte sie in die Adoption durch die Beteiligten zu 4 ein. Im Juni 2016 wurde die Adoption ausgesprochen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters wurde als entbehrlich angesehen, weil er und sein Aufenthalt dauernd unbekannt seien. Der Beteiligte zu 1, der nach seinem Vorbringen Ende 2018 von der Geburt erfahren hat, begehrt die Feststellung, dass er der leibliche Vater des Kindes ist.

Das AG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die erstmals im Beschwerdeverfahren hinzugezogenen Beteiligten zu 4 verweigern die Zustimmung zur Mitwirkung des Kindes an einer Abstammungsuntersuchung. Das OLG hat durch Zwischenbeschluss festgestellt, dass die Weigerung nicht rechtmäßig sei.

Der BGH erklärt die Weigerung für rechtmäßig.

Die in § 178 Abs. 1 FamFG normierte Pflicht zur Duldung von Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung gilt nur in Abstammungssachen im Sinne von § 169 FamFG. Dazu gehören nach § 169 Nr. 1 FamFG Verfahren auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1600d Abs. 1 BGB. Der im Streitfall zu beurteilende Antrag fällt nicht unter diese Vorschrift. Er ist entgegen der Auffassung des OLG nur auf Feststellung der leiblichen Vaterschaft gerichtet.

Unabhängig davon ist ein Antrag auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft nach einer Adoption nur zulässig, soweit der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Ein solches kann vorliegen, wenn der Antragsteller Rechte aus seiner Vaterschaft bis zum Zeitpunkt der (ex nunc wirkenden) Adoption geltend machen will. Darum geht es im Streitfall nicht. An einer Feststellung der Vaterschaft „auf Vorrat“, d.h. für den Fall, dass die Adoption später aufgehoben wird, besteht kein rechtliches Interesse.

Zu den Abstammungssachen gehören nach § 169 Nr. 2 FamFG auch Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Anordnung der Duldung einer Probenentnahme. Diesbezügliche Ansprüche stehen nach § 1598a BGB nur den rechtlichen Eltern und dem Kind zu. Diese Regelung ist abschließend. Deshalb ist der Beteiligte zu 1 nicht befugt, solche Ansprüche geltend zu machen.

§ 167a FamFG normiert eine Pflicht zur Duldung von Untersuchungen in Verfahren, in denen ein leiblicher Vater Umgangs- oder Auskunftsrechte nach § 1686a BGB geltend macht. Um solche Ansprüche geht es im Streitfall nicht.

Dass keine Möglichkeit besteht, eine gerichtliche Feststellung der leiblichen Vaterschaft unabhängig von der Geltendmachung von daraus resultierenden Ansprüchen zu beantragen, sieht der BGH nicht als verfassungswidrig an.

Praxistipp: Zwischenentscheidungen über die Pflicht zur Mitwirkung bei einer Beweiserhebung sind nach § 167a Abs. 3 und § 178 Abs. 2 FamG sowie § 387 Abs. 3 ZPO isoliert anfechtbar. Eine Rechtsbeschwerde bedarf aber gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Zulassung durch das Beschwerdegericht.

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Diese Woche geht es um die Rechte und Pflichten eines nicht befreiten Vorerben.

Verfügung des Vorerben über Gesamtgutsvermögen einer Gütergemeinschaft
BGH, Urteil vom 26. Juni 2024 – IV ZR 288/22

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit der Verfügungsbefugnis und den Verwaltungspflichten eines nicht befreiten Vorerben.

Die Beklagte ist Vorerbin nach ihrem im Jahr 2006 verstorbenen Ehemann, mit dem sie in Gütergemeinschaft gelebt hat. Nacherben sind die Kläger, nämlich der Sohn und die beiden (von ihrer verstorbenen Tochter abstammenden) Enkelinnen der Beklagten. Nach dem maßgeblichen Erbvertrag ist die Beklagte als Vorerbin von den gesetzlichen Beschränkungen befreit. Sie darf aber nicht über den zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörenden Grundbesitz verfügen.

Zum Grundbesitz der Gütergemeinschaft gehörten drei mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke. Im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 330.000 Euro. Die Beklagte führte diese mit Hilfe der Mieteinnahmen aus zwei der Grundstücke bis zum Jahr 2012 auf rund 210.000 Euro zurück. Anschließend verkaufte sie diese beiden Grundstücke für insgesamt 350.000 Euro.

Die Kläger, machen geltend, durch den Verkauf seien ihnen eine Wertsteigerung in Höhe von rund 450.000 Euro sowie Mieteinnahmen in Höhe von rund 150.000 Euro entgangen. Deshalb verlangen sie Sicherheitsleistung gemäß § 2128 Abs. 1 BGB. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Zu Recht hat das OLG allerdings angenommen, dass die Beklagte nicht von der Pflicht zur Herausgabe der Vorerbschaft in einem ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Zustand gemäß § 2130 BGB und von der Pflicht zur Sicherheitsleistung gemäß § 2128 BGB befreit ist. Der Erbvertrag sieht nur eine (teilweise) Befreiung von (Verfügungs‑)Beschränkungen vor, nicht aber eine Befreiung von Verpflichtungen.

Ebenfalls zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Übereignung der beiden Grundstücke wirksam war. Die Beklagte ist im Erbvertrag zwar nicht vollständig von der in § 2113 BGB normierten Verfügungsbeschränkung befreit worden. Diese Beschränkung gilt aber nur für Grundstücke, die zum Nachlass gehören, nicht für Beteiligungen an einer Gesamthandsgemeinschaft, der Grundstücke gehören. Im Streitfall konnte die Beklagte deshalb unbeschränkt über die Grundstücke verfügen, weil diese zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehören.

Zu Recht hat das OLG ferner angenommen, dass die Beklagte den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn die Übereignung der Grundstücke nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Vorerbschaft entsprach und deshalb eine Verletzung der Herausgabepflicht nach § 2130 BGB begründet.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung jedoch nicht verpflichtet, die Mieteinnahmen zur Tilgung der Verbindlichkeiten einzusetzen. Nutzungen aus einem zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstand stehen dem Vorerben – der gemäß § 2124 Abs. 1 BGB die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat – nach der Rechtsprechung des BGH zur freien Verfügung zu. Im Streitfall hat die Beklagte deshalb gemäß §$ 2124 Abs. 2 und § 2126 BGB einen Erstattungsanspruch, soweit sie die bestehenden Verbindlichkeiten vor der Veräußerung mit Hilfe der Mieteinnahmen getilgt hat.

Das OLG wird nach Zurückverweisung zu klären haben, ob die Veräußerung der Grundstücke zur Tilgung der Verbindlichkeiten erforderlich war und in welcher Höhe der Verkaufserlös zu diesem Zweck benötigt wurde.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist, liegt beim Vorerben.

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Diese Woche geht es um die Wirksamkeit einer Vormerkung.

Fortbestand einer Vormerkung bei Verlängerung der Annahmefrist
BGH, Urteil vom 8. März 2024 – V ZR 176/22

Der V. Zivilsenat befasst sich mit einer gehaltvollen Mischung aus internationalem Familienrecht, Sachenrecht und Bereicherungsrecht.

Die Klägerin, eine philippinische Staatsangehörige, lebte seit 2004 mit ihrem späteren Ehemann, einem deutschen Staatsangehörigen, in Südafrika. Im Jahr 2006 heirateten die beiden dort.

Im Jahr 2013 übertrug der Ehemann eine Eigentumswohnung in München, die ihm schon vor der Eheschließung gehört hatte, ohne Zustimmung der Klägerin auf seinen Sohn aus früherer Ehe. Dieser wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. In der Folge bot er der Beklagten, seiner Ehefrau, unwiderruflich die unentgeltliche Übereignung der Wohnung an. Zur Annahme des Angebots setzte er eine Frist bis 31.12.2016. Zur Sicherung des künftigen Anspruchs auf Übereignung wurde im Juli 2014 eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen.

Im Oktober 2016 wurde ein Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Ehemannes der Beklagten eingetragen. Die Klägerin macht hierzu geltend, sie sei nach südafrikanischem Güterrecht mit der Eheschließung Gesamthandseigentümerin der Wohnung geworden und ihr Ehemann habe über diese nicht ohne ihre Zustimmung verfügen dürfen.

Der Ehemann der Beklagten verlängerte einige Tage nach Eintragung des Widerspruchs die Frist zur Annahme seines Übereignungsangebots bis 31.12.2026, also um zehn Jahre.

Die auf Zustimmung zur Löschung der Vormerkung gerichtete Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG hat die Klägerin zu Recht als prozessführungsbefugt angesehen.

Ob die Klägerin Ansprüche aus dem geltend gemachten Gesamthandseigentum alleine geltend machen darf, ist nach dem südafrikanischen Recht zu bestimmen.

Die Prozessführungsbefugnis ist zwar grundsätzlich nach deutschen Prozessrecht zu beurteilen. Soweit es um die Frage geht, ob eine Partei ein ihr nicht oder nicht allein zustehendes Recht im eigenen Namen geltend machen kann, ist jedoch das dafür einschlägige materielle Recht maßgeblich. Dieses ist in Fällen mit Auslandsbezug nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu bestimmen.

Im Streitfall ist danach das südafrikanische Güterrecht anwendbar, weil die Klägerin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Eheschließung dort beide ihren Wohnsitz hatten. Nach dieser Rechtsordnung kann ein Ehegatte Ansprüche aus Gesamthandseigentum ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten geltend machen.

Das OLG durfte aber nicht offenlassen, ob die Klägerin tatsächlich Gesamthandseigentümerin geworden ist und ob der Ehemann der Beklagten das Eigentum an der Wohnung gegebenenfalls gutgläubig erworben hat.

Das OLG hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Vormerkung kraft guten Glaubens auch dann wirksam entstanden ist, wenn der Ehemann der Beklagten nicht Eigentümer der Wohnung ist. Der Ehemann war als Eigentümer im Grundbuch eingetragen und die Beklagte hatte keine Kenntnis von einer eventuellen Unrichtigkeit. Ein Widerspruch war bei Eintragung der Vormerkung noch nicht eingetragen. Es handelt sich auch nicht um einen Fall der vorweggenommenen Erbfolge, für die ein gutgläubiger Erwerb nach einer verbreiteten Auffassung generell ausgeschlossen sein soll.

Die Vormerkung hat ihre Wirksamkeit auch über die ursprünglich gesetzte Annahmefrist behalten, weil die Frist rechtzeitig verlängert worden ist.

Durch die Verlängerung wird der gesicherte künftige Anspruch selbst nicht verändert. Dass die Verlängerung aus dem Grundbuch nicht hervorgeht, ist unschädlich. Dem Grundbuch kann gegebenenfalls auch nicht entnommen werden, ob das Angebot innerhalb der ursprünglich bestimmten Frist angenommen worden ist.

Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass die Beklagte im Falle eines gutgläubigen Erwerbs nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet ist, den dadurch erlangten Vorteil an den Berechtigten herauszugeben, weil sie ihn aufgrund einer unentgeltlichen Verfügung erlangt hat. Zu den danach herauszugebenden Vorteilen gehören auch die Wirkungen einer gutgläubig erworbenen Vormerkung.

Das OLG wird deshalb zu prüfen haben, ob die Klägerin Gesamthandseigentum an der Wohnung erworben hat und ob der Ehemann der Beklagten gegebenenfalls kraft guten Glaubens Eigentum erworben hat. Ferner wird es zu prüfen haben, welche Auswirkungen es auf die Prozessführungsbefugnis der Klägerin hat, dass ihr Ehemann im Laufe des Revisionsverfahrens verstorben und für den Nachlass ein Testamentsvollstrecker eingesetzt worden ist.

Praxistipp: Die Verletzung ausländischer Rechtsnormen kann in der Revisionsinstanz nicht gerügt werden. Der BGH überprüft lediglich, ob das Berufungsgericht das ihm bei der Ermittlung des ausländischen Rechts zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

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Diese Woche geht es um eine schenkungsrechtliche Frage mit Bezügen zum Familien- und zum Sozialhilferecht.

Angemessener Unterhalt eines Beschenkten
BGH, Urteil vom 16. April 2024 – X ZR 14/23

Der X. Zivilsenat befasst sich mit den Auswirkungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes auf das Schenkungsrecht.

Der klagende Sozialhilfeträger verlangt wegen erbrachter Sozialleistungen an die Mutter des Beklagten die teilweise Rückzahlung einer Schenkung.

Die inzwischen verstorbene Mutter des Beklagten hatte diesem im Jahr 2003 eine Kontovollmacht für ein Sparkonto erteilt. Im Jahr 2011 wurde das Konto mit einem Guthaben von rund 20.000 Euro schenkweise auf den Beklagten übertragen. Im Jahr 2018 erbrachte der Kläger für die Mutter des Beklagten Pflegewohngeld und andere Sozialleistungen in Höhe von rund 7.000 Euro. Im Jahr 2020 leitete er Ansprüche der Mutter auf Herausgabe der Schenkung wegen Verarmung gemäß § 93 SGB XII auf sich über. Die darauf gestützte Klage auf Rückzahlung der erbrachten Sozialleistungen blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Zu Recht hat das OLG einen Anspruch auf Herausgabe der Schenkung wegen Verarmung gemäß § 528 Abs. 1 BGB dem Grunde nach bejaht. Die in § 529 Abs. 1 BGB normierte Frist von zehn Jahren hat nicht schon mit Erteilung der Kontovollmacht zu laufen begonnen, sondern erst mit der Übertragung des Kontos im Jahr 2011. Sie war deshalb bei Eintritt der Bedürftigkeit im Jahr 2018 noch nicht verstrichen.

Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein Herausgabeanspruch nicht wegen Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts des Beklagten (§ 529 Abs. 2 BGB) verneint werden.

Für die Frage, welcher Unterhalt angemessen im Sinne von § 529 Abs. 2 BGB ist, sind grundsätzlich die Maßstäbe zur Bemessung der Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Eltern (§ 1603 Abs. 1 und § 1610 Abs. 1 BGB) heranzuziehen. Danach wurde der angemessene Unterhalt bislang anhand eines Sockelbetrags zuzüglich rund der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens bestimmt.

Seit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes im Jahr 2020 gehen Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten gegen dessen Kinder gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII nur noch dann auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn das jährliche Gesamteinkommen des Kindes (d. h. die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts) mehr als 100.000 Euro beträgt.

Der BGH lässt die umstrittene und noch nicht höchstrichterlich geklärte Frage, welche Auswirkungen diese sozialhilferechtliche Regelung auf die Bemessung des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs von Eltern gegen ihre Kinder hat, offen. Entgegen der Auffassung des OLG kommt der Regelung jedenfalls für das Schenkungsrecht keine Bedeutung zu. § 94 Abs. 1a SGB XII betrifft nur den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen, nicht aber die Möglichkeit zur Überleitung sonstiger Ansprüche gemäß § 93 SGB XII. Deshalb kann der Regelung allenfalls eine Ausstrahlungswirkung auf Unterhaltsansprüche zukommen, nicht aber auf sonstige Ansprüche wie denjenigen aus § 528 Abs. 2 BGB.

Praxistipp: Ein gesetzlicher Übergang von Unterhaltsansprüchen gegen Enkel ist gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII unabhängig von einer Einkommensgrenze ausgeschlossen.

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung.

Glaubhaftmachung technischer Probleme bei beA
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – XII ZB 88/23

Kurz nach dem Anwaltssenat, dessen Entscheidung im Anwaltsblog 8/2024 vorgestellt wird, hat sich auch der XII. Zivilsenat mit den Anforderungen aus § 130d ZPO befasst. 

Die Antragstellerin begehrt Zugewinnausgleich. Das AG hat ihrem Antrag nur teilweise stattgegeben. Dagegen legte sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten fristgerecht Beschwerde ein. Einige Tage vor Ablauf der Frist übermittelte die Antragstellerin, die sich nunmehr als Rechtsanwältin selbst vertritt, per Telefax eine Beschwerdebegründung und einen Schriftsatz, in dem sie darlegte, weshalb sie die Begründung nicht über beA eingereicht hat. Das OLG hat die hilfsweise begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH setzt die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss. 

Bei einer Störung des beA-Servers oder des Servers für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Empfängergerichts kann hierfür die Bezugnahme auf Screenshots mit entsprechenden Fehlermeldungen der Bundesrechtsanwaltskammer oder des EGVP-Betreibers genügen. Bei Fehlern, die ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Absenders haben, ist hingegen eine detailliertere Darstellung erforderlich.

Im Streitfall hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, der Fehlbedienungszähler ihrer beA-Karte sei abgelaufen gewesen und sie habe deshalb eine neue beA-Karte beantragen müssen, deren Lieferung ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen könne. Diesem Vorbringen lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, ob eine technische Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO oder ein schlichter Anwenderfehler vorlag. Eine vollständige Darlegung hätte zumindest Ausführungen dazu erfordert, weshalb ein Zurücksetzen des Fehlbedienungszählers mit Hilfe des hierfür vorgesehenen PUK (Personal Unblocking Key) nicht möglich war.

Praxistipp: Um bei „unerklärlichen“ Fehlern mit der beA-Karte dennoch Schriftsätze wirksam einreichen zu können, empfiehlt sich der zusätzliche Erwerb eines Softwarezertifikats. Dieses kann zwar nicht für eine qualifizierte elektronische Signatur eingesetzt werden, wohl aber für den Versand auf einem sicheren Übermittlungsweg – und für den mobilen Zugriff auf das beA-Postfach.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Widerruf eines prozessualen Anerkenntnisses.

Widerruf eines prozessualen Anerkenntnisses wegen Änderung relevanter Umstände
BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – XII ZB 177/22

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen von § 323 Abs. 1 ZPO in einem Verfahren wegen Kindesunterhalt.

Die im Jahr 2011 geborene Antragstellerin, die bei ihrer vom Antragsgegner geschiedenen Mutter lebt, verlangt von ihrem Vater Kindesunterhalt in Höhe von rund 3.000 Euro pro Monat. In erster Instanz ist der Antragsgegner dem Begehren zunächst nur insoweit entgegengetreten, als es über einen Betrag hinausgeht, der 272 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle entspricht. Später hat er geltend gemacht, nur 200 % des Mindestunterhalts zu schulden, und mit einem Widerantrag die Erstattung überzahlter Beträge gefordert.

Das AG hat der Antragstellerin monatlichen Unterhalt in Höhe von rund 2.200 Euro zugesprochen. Das OLG hat diesen Betrag auf rund 1.800 Euro reduziert.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück, weil dieses mehrere Unterhaltsposten rechtsfehlerhaft beurteilt hat – überwiegend zu Lasten der Antragstellerin, hinsichtlich eines Punkts zu Lasten des Antragsgegners.

Der BGH tritt dem OLG jedoch darin bei, dass der Antragsgegner an sein Teilanerkenntnis hinsichtlich eines Betrags von 272 % des Mindestunterhalts (rund 1.300 Euro) gebunden ist. Ein Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO darf zwar widerrufen werden, wenn nachträglich Änderungen eintreten, die nach § 323 Abs. 1 ZPO zur Änderung des Unterhaltstitels führen. Der vom Antragsgegner geltend gemachte Umstand, die Düsseldorfer Tabelle sei nach einer Änderung der BGH-Rechtsprechung (BGH, B. v. 16.9.2020 – XII ZB 499/19, BGHZ 227, 41= MDR 2020, 1447) entgegen seiner Erwartung nicht bis auf eine Stufe von 272 % des Mindestsatzes erweitert worden, sondern nur bis 200 %, reicht hierfür aber nicht aus.

Änderungen der Düsseldorfer Tabelle sind kein Abänderungsgrund im Sinne von § 323 Abs. 1 ZPO. Sie bilden zwar Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse ab, stellen aber selbst keine solche Veränderung dar. Die Erwartung des Antragsgegners, die Düsseldorfer Tabelle werde bis auf einen Satz von 272 % ergänzt, ist in diesem Zusammenhang erst recht nicht relevant.

Praxistipp: Um Unklarheiten zu vermeiden, sollten Bezugnahmen auf die Düsseldorfer Tabelle in Unterhaltsvereinbarungen dynamisch ausgestaltet, also auf die jeweils gültige Fassung der Tabelle gerichtet werden.

Anwaltsblog: Erkennbar falsches Datum in Rechtsmittelschrift schadet nicht!

Wie genau muss in einer Rechtsmittelschrift die angegriffene Entscheidung bezeichnet werden?

Das Familiengericht hat mit am 12. Mai 2021 verkündetem Beschluss den Antragsgegner zur Zahlung von Betreuungsunterhalt verpflichtet. Mit am 14. Mai 2021 erlassenem Beschluss hat es den Verfahrenswert festgesetzt. Beide Beschlüsse sind den Verfahrensbevollmächtigten am 17. Mai 2021 zugestellt worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. Juni 2021 hat der Antragsgegner gegen den „Beschluss des AG Neuss – Familiengericht – vom 14.05.2021, zugestellt am 17.05.2021“ Beschwerde eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 30. Juni 2021 hat er klargestellt, dass sich die Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. Mai 2021 richte. Das OLG hat die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 12. Mai 2021 verworfen. Der innerhalb der Beschwerdefrist eingegangene Schriftsatz vom 7. Juni 2021, nach dessen Wortlaut Beschwerde gegen einen am 17. Mai 2021 zugestellten Beschluss vom 14. Mai 2021 eingelegt werde, könne nicht als Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache vom 12. Mai 2021 ausgelegt werden.
Das sieht der BGH anders. Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Wie bei der für das zivilprozessuale Berufungsverfahren maßgeblichen Regelung in § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nicht, auf welche Weise die angefochtene Entscheidung bezeichnet werden muss. Da § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG dem Zweck dient, dem Beschwerdegericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten Klarheit über den Gegenstand und die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens zu verschaffen, ist in der Beschwerdeschrift die angegriffene Entscheidung in der Regel durch eine vollständige Bezeichnung der Verfahrensbeteiligten, des Gerichts, das den angefochtenen Beschluss erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens zu bezeichnen. Verfahrensrechtliche Formvorschriften sind jedoch kein Selbstzweck. Daher dürfen keine übermäßigen Anforderungen an die Beachtung der Förmlichkeiten der Beschwerdeschrift gestellt werden. Ausreichend ist, wenn aufgrund der Angaben in der Beschwerdeschrift und den sonstigen aus den Verfahrensakten erkennbaren Umständen vor Ablauf der Beschwerdefrist für das Gericht nicht zweifelhaft bleibt, welche Entscheidung angefochten wird, und es anhand der im Übrigen richtigen und vollständigen Angaben in der Rechtsmittelschrift nicht daran gehindert ist, seine verfahrensvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen. Gemessen hieran hat der Antragsgegner rechtzeitig Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. Mai 2021 eingelegt. Zwar hat er den Erlasstermin der Entscheidung, gegen die sich das Rechtsmittel richten sollte, unzutreffend angegeben. Aus dem Inhalt der Verfahrensakten ergaben sich für das Gericht jedoch schon vor Ablauf der Beschwerdefrist hinreichende Anhaltspunkte, aus denen erkennbar war, dass der Antragsgegner die Entscheidung in der Hauptsache und nicht den Beschluss über die Festsetzung des Verfahrenswerts anfechten wollte. So befand sich in den Verfahrensakten bereits die Verfahrenshilfeliquidation des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, die er am Tage der Abfassung der Beschwerdeschrift beim Amtsgericht eingereicht und der er die in dem Beschluss vom 14. Mai 2021 festgesetzten Verfahrenswerte unbeanstandet zugrunde gelegt hatte. Trotz der fehlerhaften Angaben in der Beschwerdeschrift zum Erlassdatum war das Beschwerdegericht auch seit Beginn seiner Befassung mit der Sache nicht gehindert, seine verfahrensvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen. Das Verfahren wurde von der Geschäftsstelle des OLG ohne weitere Beanstandung als Rechtsmittel gegen eine Hauptsacheentscheidung unter dem „UF“-Registerzeichen und nicht – wie bei einer Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswerts – unter dem „WF“-Registerzeichen eingetragen.
(BGH, Beschluss vom 2. August 2023 – XII ZB 432/22)

Fazit: Ein Rechtsmittel ist formgerecht eingelegt, wenn trotz fehlerhafter Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung aufgrund der Angaben in der Rechtsmittelschrift und den sonstigen aus den Verfahrensakten erkennbaren Umständen vor Ablauf der Rechtsmittelfrist für das Gericht nicht zweifelhaft bleibt, welche Entscheidung angefochten wird, und es anhand der im Übrigen richtigen und vollständigen Angaben in der Rechtsmittelschrift nicht daran gehindert ist, seine verfahrensvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Anordnung einer gerichtlichen Betreuung trotz erteilter Vorsorgevollmacht.

Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt trotz Vorsorgevollmacht
BGH, Beschluss vom 11. Januar 2023 – XII ZB 106/21

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 1896 Abs. 2 Satz 2 und § 1903 BGB.

Der 85jährige Betroffene leidet an einer leichten senilen Demenz. Nachdem er mehrfach über erhebliche Geldbeträge verfügt hatte und dabei Betrügern zum Opfer gefallen war, wurde seine Ehefrau im Dezember 2019 zur Betreuerin im Bereich der Vermögenssorge bestellt und insoweit ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Diese Anordnungen hat das AG im vorliegenden Verfahren verlängert. Die dagegen eingelegten Beschwerde des Betroffenen hatte keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Die Beschwerdeentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil bereits das AG einen Verfahrenspfleger für den Betroffenen hätte bestellen müssen. Das LG hat diese Bestellung zwar nachgeholt. Es hätte den Betroffenen aber in Anwesenheit des Verfahrenspflegers erneut anhören müssen. Die ohne Verfahrenspfleger erfolgte Anhörung durch das AG ist nicht ausreichend.

Ergänzend weist der BGH unter Bezugnahme auf zwei frühere Entscheidungen darauf hin, dass die erteilte Vorsorgevollmacht der Anordnung einer Betreuung nicht entgegensteht, wenn die Voraussetzungen für einen Einwilligungsvorbehalt im Sinne von § 1903 BGB vorliegen. Eine Vorsorgevollmacht kann nicht verhindern, dass der Betroffene Rechtsgeschäfte ohne Zustimmung des Bevollmächtigen abschließt.

Praxistipp: Beide vom BGH zitierten Entscheidungen betonen, dass ein Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden darf, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten besteht (BGH, Beschluss vom 18.11.2020 – XII ZB 179/20, NJW 2021, 229 Rn. 12 [insoweit nicht in MDR 2021, 316]; Beschluss vom 27. Juli 2011 – XII ZB 118/11, MDR 2011, 1039, juris Rn. 17).