Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Organisations- und Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts beim Versand von Schriftsätzen über beA.

Eingang eines über beA eingereichten Dokuments
Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20

Mit der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf geltend. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Beklagte legte fristgerecht Berufung ein. Nach Ablauf der Frist für die Begründung des Rechtsmittels wies das OLG darauf hin, dass eine Begründung nicht eingegangen sei. Die Klägerin beantragte Wiedereinsetzung und machte geltend, die dafür zuständige Fachangestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe die Begründung am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt. Bei der durch Arbeitsanweisung vorgeschriebenen Überprüfung hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen seien Fehler nicht zu erkennen gewesen. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil alle relevanten Rechtsfragen bereits geklärt sind.

Das OLG hat zu Recht entschieden, dass die Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingegangen ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten beA-Übermittlungsprotokoll ergibt sich, dass die vor Fristablauf versandte Nachricht mit der Berufungsbegründung zwar an den Rechner der Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt, von dort aber nicht an den Empfangsrechner des OLG, den so genannten Intermediär, weitergeleitet worden ist. Der BGH hat bereits entschieden, dass der Eingang auf dem für das Gericht bestimmten Intermediär ausreichend, aber auch erforderlich ist (MDR 2020, 1272).

Ebenfalls zu Recht hat das OLG die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Ein Rechtsanwalt muss seine mit dem Versand von Dokumenten über beA betrauten Mitarbeiter anweisen, nach dem Versand zu überprüfen, ob die automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Dies hat das BAG bereits vor einiger Zeit entschieden (NJW 2019, 2793). Eine solche Überprüfung war in der im Streitfall maßgeblichen Arbeitsanweisung nicht vorgeschrieben. Wäre sie erfolgt, so wäre der Übermittlungsfehler zu Tage getreten.

Praxistipp: Im beA gibt es zusätzlich zu der Eingangsbestätigung auch ein Prüfprotokoll und ein Übermittlungsprotokoll. Aus diesen Protokollen können zwar bestimmte Fehler ersichtlich sein. Hinreichende Sicherheit, dass die Nachricht beim Gericht eingegangen ist, liefert aber nur die Eingangsbestätigung. Wo diese zu finden ist, wird erläutert im beA-Newsletter 31/2019.

BGH: Sorgfaltsanforderungen bei der Rechtsmittelbegründung per Telefax

Der BGH hat sich erneut mit Beschl. v. 15.9.2020 – VI ZB 60/19 mit der Fristwahrung per Telefax befasst. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Rechtsanwalt begann am Tage des Fristablaufes um 23.40 Uhr, eine Berufungsbegründung an die Außenstelle eines OLG zu übermitteln. Um 23.47 Uhr erhielt er eine Fehlermeldung, es wurden einige Seiten übermittelt, allerdings nicht diejenige mit der Unterschrift. Anschließend wurde eine erneute Übermittlung versucht, die wiederum scheiterte, was um 23.53 Uhr feststand. Ein letzter Versuch scheiterte gleichfalls, was um 00.01 Uhr feststand. Kurze Zeit später gelang es, die Berufungsbegründung in einer Zeit von knapp zwei Minuten an die Hauptstelle des OLG zu übermitteln. Das Faxgerät des Rechtsanwalts war so eingestellt, dass es im Rahmen einer Anwahl jeweils vier Übermittlungsversuche hintereinander unternahm. So wurde die Frist versäumt.

Der Wiedereinsetzungsantrag blieb erfolglos! Denn es bleibt – was ausreichend ist (!) – zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumnis auf einem Verschulden des Rechtsanwalts beruht. Dieses muss sich die Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Zunächst fasst der BGH informativ die Grundsätze der Sorgfalt in derartigen Fällen zusammen: Grundsätzlich darf eine Frist bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden. Risiken, die aus technischen Gegebenheiten resultieren, dürfen nicht auf den Benutzer abgewälzt werden. Normalerweise reicht es, die richtige Nummer zu wählen und so rechtzeitig mit der Übermittlung zu beginnen, so dass mit ihrer Beendigung vor Fristablauf unter normalen Umständen gerechnet werden kann. Allerdings müssen auch Verzögerungen einkalkuliert werden, mit denen gleichfalls unter normalen Umständen zu rechnen ist (z.B. unterschiedliche Übertragungsgeschwindigkeiten und Belegung des Empfangsgerätes durch andere Sendungen). Demgemäß ist ein Sicherheitszuschlag von ungefähr 20 Minuten einzuplanen. Scheitert jedoch eine Übermittlung, so sind alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen. Hierzu gehört u. a., eine weitere Faxnummer des Gerichts zu ermitteln (z.B. über den Internetauftritt des Gerichts) und die Sendung dorthin zu übermitteln bzw. dies wenigstens zu versuchen. Dies ist vor allem dann geboten, wenn das Gericht (z. B., weil es Außenstellen unterhält) über mehrere verschiedene Faxanschlüsse verfügt.

Demgemäß ist dem Rechtsanwalt hier vorzuwerfen, dass er – nach dem Scheitern des zweiten Übermittlungsversuchs – noch einen dritten an die Außenstelle versucht hat anstatt einen ersten Versuch an die Hauptstelle. Dies gilt vor allem angesichts des Umstandes, dass jeder der beiden Versuche mit sogar vier Anwahlversuchen verbunden war.

Fazit: Es ist daher stets riskant, Fristen vollständig auszuschöpfen. Und wenn es einmal gleichwohl passieren sollte, muss man am Ende einen kühlen Kopf bewahren und genau überlegen, was man tun muss. Ansonsten könnte zum einen die Frist versäumt werden und zum anderen auch die anschließende Wiedereinsetzung scheitern. Am besten, man setzt sich eine interne Frist, die mindestens eine Stunde vor der tatsächlichen Frist endet.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen schriftlichen und elektronischen Dokumenten.

Übersendung eines Schriftsatzes per E-Mail
Beschluss vom 8. Mai 2019 – XI ZB 8/19

Mit dem Grenzbereich zwischen § 130 und § 130a ZPO befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einer Familiensache hatte der Anwalt des in erster Instanz unterlegenen Antragsgegners am letzten Tag der Frist gegen 19 Uhr mehrfach erfolglos versucht, die Beschwerdebegründung per Telefax an das OLG zu übermitteln. Schließlich scannte er das unterschriebene Original in eine PDF-Datei ein und sandte diese per E-Mail an das Gericht. Dort wurde sie erst einige Tage später ausgedruckt und zu den Akten genommen. Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Einreichung der PDF-Datei per E-Mail den in § 130a ZPO Abs. 3 normierten (gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG auch in Familiensachen maßgeblichen) Anforderungen an einen elektronischen Schriftsatz nicht genügt, weil die Datei keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt und der Versand per E-Mail keinen sicheren Übertragungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO darstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein auf diesem Weg eingereichter Schriftsatz zwar als schriftliches Dokument im Sinne von § 130 ZPO zu behandeln, wenn die PDF-Datei im Gericht ausgedruckt wird. Im Streitfall erfolgte der Ausdruck aber erst nach Ablauf der Begründungsfrist. Der für Telefax-Einreichungen geltende Grundsatz, dass der Schriftsatz bereits dann bei Gericht eingegangen ist, wenn ihn das Empfangsgerät des Gerichts gespeichert hat, ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Telefax-Sendungen werden vom Gesetz von vornherein wie schriftliche Dokumente behandelt. Eine per E-Mail übersandte PDF-Datei erlangt diese rechtliche Qualität hingegen erst im Moment des Ausdrucks.

Praxistipp: Eine fristgerechte Einreichung kann in solchen (und allen anderen) Situationen mit Hilfe des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bewirkt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Darlegung der Wiedereinsetzungsgründe
Beschluss vom 25. April 2017 – VI ZB 45/16

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sich als haftungsträchtig erweisen kann, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Höhe von knapp 30.000 Euro in Anspruch. Das LG sprach ihr nur 1.750 Euro zu und wies die Klage im Übrigen ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin war an das LG adressiert und ging erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim OLG ein. In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung legte der Anwalt des Klägers dar, er habe bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes handschriftlich vermerkt, dass dieser an das OLG versandt und hierzu die erste Seite ausgetauscht werden müsse. Seine Mitarbeiterin habe die erste Seite nochmals ausgedruckt, die Adresse aber nicht geändert. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Klägerin zurück. Mit dem OLG geht er davon aus, dass der Anwalt der Klägerin darauf vertrauen durfte, dass eine zuverlässige Kanzleikraft die handschriftliche Weisung ausführen werde, und dass er deshalb nicht gehalten war, den Schriftsatz nach der Korrektur nochmals zu überprüfen. Dennoch hat das OLG Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil der Anwalt nicht dargelegt hatte, dass und weshalb er die eingesetzte Mitarbeiterin als zuverlässig ansehen durfte.

Praxistipp: Um der Darlegungslast zu genügen, sind detaillierte Ausführungen zur Ausbildung und zur bisherigen Tätigkeit der eingesetzten Kanzleikraft erforderlich; vgl. dazu etwa BGH, B. v. 14.10.2014 – XI ZB 13/13.

Nachweis fristgerechten Eingangs
Beschluss vom 26. April 2017 – XII ZB 33/17

Mit den Anforderungen an die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Beklagte war vom AG zur Zahlung von 787,50 Euro verurteilt worden. Das LG hatte die Frist zur Begründung der Berufung bis Freitag, 4. November 2016 verlängert. Die eingereichte Berufungsbegründung war auf diesen Tag datiert, trug aber den Eingangsstempel vom darauf folgenden Montag. Der Anwalt des Beklagten legte dar, seine langjährige und stets außerordentlich zuverlässige Kanzleiangestellte habe den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs gegen 12:30 Uhr in den Nachtbriefkasten eingelegt. Zur Glaubhaftmachung legte er eine eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin vor. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Eine eidesstattliche Versicherung ist zwar nur in Ausnahmefällen geeignet, die rechtzeitige Einreichung eines Schriftsatzes zu beweisen, weil sie grundsätzlich nur der Glaubhaftmachung dient, die Beweiskraft des Eingangsstempels gemäß § 418 Abs. 2 ZPO aber nur durch einen Vollbeweis entkräftet werden kann. Wenn das LG die eidesstattliche Versicherung nicht als ausreichend ansah, musste es dem Anwalt aber durch einen entsprechenden Hinweis  Gelegenheit geben, ergänzend Zeugenbeweis anzutreten.

Praxistipp: Wenn eidesstattliche oder anwaltliche Versicherungen vorgelegt werden, sollte zur Sicherheit stets auch die Vernehmung der betreffenden Personen als Zeugen angeboten werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Berufungsbegründung per Telefax
Beschluss vom 26. Januar 2017  – I ZB 43/16

Grenzen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht bei der Einreichung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax zeigt der I. Zivilsenat auf.

Der Prozessbevollmächtigte der in erster Instanz unterlegenen Beklagten hatte am letzten Tag der Frist von 23:28 Uhr an mehrfach vergeblich versucht, die sieben Seiten umfassende Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Alle Sendeversuche brachen mit der Meldung „Übertragungsfehler“ ab. Eine nachträgliche Überprüfung ergab, dass es beim Faxgerät des Berufungsgerichts am besagten Tag mehrfach zu vergleichbaren Übermittlungsfehlern gekommen war. Das Berufungsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag dennoch als unbegründet zurück. Es bejahte ein Verschulden, weil die Möglichkeit bestanden habe, den Schriftsatz an den Telefaxanschluss des Pressesprechers zu übermitteln, dessen Nummer auf den Internetseiten des Gerichts veröffentlicht war.

Der BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er knüpft an seine ständige Rechtsprechung an, wonach die Übersendung eines Schriftsatzes per Telefax am letzten Tag der Frist kein Verschulden begründet, sofern ein ausreichender Zeitpuffer eingeplant wird, um eine vorübergehende Belegung des Anschlusses zu kompensieren. Diese Anforderung war für die Übersendung von sieben Seiten um 23:28 Uhr gewahrt. Aufgrund der vom OLG getroffenen Feststellungen war ferner davon auszugehen, dass die Übermittlung aufgrund eines technischen Fehlers am Empfangsgerät gescheitert ist. Bei dieser Ausgangslage brauchte sich der Anwalt entgegen der Auffassung des OLGs nicht auf das Wagnis einzulassen, den Schriftsatz an den Telefaxanschluss des Pressesprechers zu übermitteln. Dessen Nummer war zwar auf den Internetseiten des OLG veröffentlicht. Daraus ging aber nicht hervor, dass der Anschluss zur Entgegennahme von fristgebundenen Schriftsätzen dient.

Praxistipp: Wenn das zuständige Gericht einen bestimmten Faxanschluss ausdrücklich zur Entgegennahme von fristgebundenen Schriftsätzen benannt hat, ist die Übermittlung an einen anderen, nicht für diesen Zweck eingerichteten Anschluss nicht ohne weiteres zur Fristwahrung geeignet – selbst dann, wenn sie innerhalb der maßgeblichen Frist erfolgt.

Formwahrung durch gerichtlich festgestellten Vergleich
Beschluss vom 1. Februar 2017  – XII ZB 71/16

Die seit langem umstrittene Frage, ob ein nach § 278 Abs. 6 ZPO durch Beschluss festgestellter Vergleich entsprechend § 127a BGB zur Wahrung der notariellen Form geeignet ist, bejaht der XII. Zivilsenat in einer ausführlich begründeten Entscheidung.

In einem Scheidungsverfahren hatten die Beteiligten einen vom Gericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich geschlossen, der unter anderem einen gegenseitigen Verzicht auf Zugewinn und Unterhalt enthielt. Später focht der Antragsteller den Vergleich wegen arglistiger Täuschung an und begehrte im Wege der Stufenklage Auskunft und Zugewinnausgleich. Das Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde zurück. Er teilt die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Vergleich dem in § 1410 BGB vorgesehenen  Erfordernis der notariellen Beurkundung genügt. § 127a BGB, wonach ein gerichtlich protokollierter Vergleich die notarielle Beurkundung ersetzt, ist für Vergleiche, deren Zustandekommen das Gericht durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO feststellt, zwar nicht unmittelbar anwendbar. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten aber eine analoge Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts oder aufgrund übereinstimmender Schriftsätze der Beteiligten zustande gekommen ist.

Praxistipp: Noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob ein nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellter Vergleich zur Formwahrung auch dann geeignet ist, wenn das Gesetz die gleichzeitige Anwesenheit beider Teile vorschreibt, wie etwa in § 925 BGB für eine Auflassung.

Montagsblog: Neues vom BGH

Überprüfung des Telefaxgeräts
Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZB 35/14

Mit den Folgen einer missglückten Telefaxübermittlung befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wollte eine Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist gegen 23:30 Uhr per Telefax an das Gericht übermitteln. Das für den Versand vorgesehene Faxgerät war eine Woche zuvor installiert worden und hatte beim letzten Sendevorgang – vier Tage vor dem gescheiterten Sendeversuch – einwandfrei funktioniert. Das Berufungsgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurück, weil der Prozessbevollmächtigte die Funktionsfähigkeit des Geräts am Tag des beabsichtigten Versands nicht rechtzeitig überprüft habe.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bekräftigt seine ständige Rechtsprechung, nach der ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Telefax übermitteln will, erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Die Sorgfaltspflicht geht aber nicht so weit, das zum Versand vorgesehene Faxgerät täglich einer Funktionsprüfung zu unterwerfen.

Praxistipp: Das nach der Rechtsprechung erforderliche erhöhte Maß an Sorgfalt umfasst unter anderem die Pflicht, einen ausreichenden Zeitpuffer für den Fall einzuplanen, dass der Telefaxanschluss des Gerichts durch andere Sendungen vorübergehend belegt ist.

Eigenes Gebot des Anbieters bei eBay-Versteigerung
Urteil vom 24. August 2016 – VIII ZR 100/15

Mit grundlegenden Voraussetzungen des Vertragsschlusses bei einer Versteigerung auf eBay befasst sich VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte bot auf eBay einen gebrauchten VW Golf für einen Startpreis von 1 Euro zum Verkauf an. Zugleich beteiligte er sich unter einer anderen Benutzerkennung an der Versteigerung. Die einzigen Gebote von dritter Seite gab der Kläger ab, und zwar ausgehend von einem Startpreis von 1,50 Euro bis zu einem letzten Gebot in Höhe von 17.000 Euro. Er wurde jeweils vom Beklagten überboten, dem letztendlich auch der Zuschlag erteilt wurde. In einer kurz darauf ebenfalls vom Beklagten initiierten zweiten Auktion bot ein Dritter einen Kaufpreis von 16.500 Euro. Diesen Betrag verlangte der Kläger vom Beklagten als Schadensersatz. Sein Begehren hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach die Eröffnung einer Auktion auf eBay ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags darstellt und der Vertrag mit demjenigen Bieter zustande kommt, der innerhalb der Auktionsfrist das höchste wirksame Gebot abgibt. Mit dem OLG ist der BGH der Auffassung, dass die vom Beklagten unter einer anderen Benutzerkennung abgegebenen Gebote unwirksam waren, weil eine Willenserklärung gegenüber einer anderen Person abgegeben werden muss. Deshalb ist ein Kaufvertrag mit dem Kläger zustande gekommen, der als einziger wirksame Gebote abgegeben hat. Abweichend vom OLG hält der BGH nicht das letzte Gebot des Klägers (über einen Kaufpreis von 17.000 Euro) für maßgeblich, sondern das erste (über einen Kaufpreis von 1,50 Euro). Ein Kaufvertrag mit diesem Inhalt ist unter den gegebenen Umständen nicht als sittenwidrig anzusehen und die Geltendmachung von Rechten daraus nicht als treuwidrig. Im Hinblick auf das Ergebnis der zweiten Auktion billigt der BGH auch die vom LG angestellte Schätzung, wonach der Wert des Fahrzeugs mindestens 16.501,50 Euro betragen hat.

Praxistipp: Damit ein Bieter von der ihm günstigen Rechtsprechung profitieren kann, muss er beweisen, dass hinter dem anderen Bieter in Wahrheit der Verkäufer steckt. Unter welchen Voraussetzungen eBay diesbezügliche Auskünfte erteilen muss, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Zuordnung einer Telefax-Nummer zu einem Gericht
Beschluss vom 5. Oktober 2016 – VII ZB 45/14

Mit der Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Prozessbevollmächtigte der in erster Instanz unterlegenen Beklagten hatte die Berufung gegen das Urteil des AG zur Fristwahrung per Telefax übermitteln lassen. Das Original (mit dem Zusatz „vorab per Telefax an 2017-1009“) ging erst nach Fristablauf beim LGein. Auf einen Hinweis des LG, dass ein Faxeingang nicht festgestellt werden könne, machte der Prozessbevollmächtigte glaubhaft, dass seine Sekretärin den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs an die angegebene Telefaxnummer übermittelt hatte. Auf einen ergänzenden Hinweis des LG, diese Nummer sei dem AG zugeordnet, zeigte er auf, dass die Nummer sowohl im Dienstleistungsportal des Landes als auch im gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder als Faxnummer des LG ausgewiesen ist. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält bereits die Feststellungen des LG zur Zuordnung der Faxnummer für unzureichend. Anlass zu eingehenderen Ermittlungen bestand aus Sicht des BGH schon deshalb, weil AG und LG eine gemeinsame Briefannahmestelle unterhalten und es deshalb naheliegt, dass eine Geschäftsordnungsregel getroffen wurde, wonach die bei einem dort vorhandenen Faxanschluss eingehenden Schreiben – ebenso wie ein im Original eingegangener Schriftsatz – als bei demjenigen Gericht eingegangen gelten, an das die Sendung adressiert ist. Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass im Hinblick auf die Zuordnung der Faxnummer in den beiden Internetportalen jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dass der diesbezügliche Vortrag erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erfolgte, ist unschädlich, weil für den Prozessbevollmächtigten erst aus dem ergänzenden Hinweis des LG ersichtlich war, dass die Faxnummer einem anderen Gericht zugeordnet sein könnte.

Praxistipp: Wenn ein Gericht mitteilt, eine bestimmte Faxsendung nicht erhalten zu haben, sollte vorsichtshalber auch vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, woraus sich die Zuordnung der verwendeten Telefaxnummer zu dem betreffenden Gericht ergibt.

Schadensersatzpflicht eines Zuschauers für Verbandsstrafe
Urteil vom 22. September 2016 – VII ZR 14/16

Ebenfalls der VII. Zivilsenat war zur Entscheidung eines Falls berufen, der für einige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gesorgt hat.

Der Beklagte hatte als Zuschauer bei einem Fußballspiel der 2. Bundesliga einen dem Sprengstoffgesetz unterfallenden Knallkörper gezündet. Dabei wurden sieben andere Zuschauer verletzt. Der Deutsche Fußballbund setzte gegen den Heimverein eine Geldstrafe fest. Die auf Ersatz des gezahlten Betrags gerichtete Klage war in erster Instanz erfolgreich. Das OLG wies die Klage hingegen ab, weil es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehle.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Durch den Stadionbesuch ist ein Zuschauervertrag zustande gekommen, der den Beklagten verpflichtete, das Interesse des Klägers an einem ungestörten Spielablauf nicht zu beeinträchtigen. Der Beklagte hat diese Pflicht verletzt und damit die durch Festsetzung der Verbandsstrafe eingetretene Vermögensbeeinträchtigung auf Seiten des Klägers verursacht. Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es nicht an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Zwischen der verletzten Pflicht und der daraus resultierenden Folge besteht ein hinreichender innerer Zusammenhang. Das Mittel der Verbandsstrafe als Sanktion für schuldhafte Störungen durch Zuschauer dient ebenfalls dem Zweck, einen störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Ob die der Festsetzung der Strafe zugrunde liegenden Regeln des DFB wirksam sind, ist irrelevant, weil die Entscheidung des Klägers, die Strafe zu zahlen, jedenfalls keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion darstellt. Der Beklagte kann sich auch nicht auf ein Mitverschulden wegen unzureichender Einlasskontrollen berufen. Diese Kontrollen dienen nicht der Erfüllung einer Obliegenheit des Veranstalters gegenüber Zuschauern, die verbotene Gegenstände mit sich führen.

Praxistipp: Um Diskussionen über die Wirksamkeit der vom DFB erlassenen Verfahrensregeln (dazu BGH, Urteil vom 20. September 2016 – II ZR 25/15) zu vermeiden, ist es zweckmäßig, den Regressanspruch erst nach Zahlung der Geldstrafe geltend zu machen.

BGH: Fristwahrung durch zu knappe Klageschrift?

Der Kläger war Opfer einer rechtswidrigen Durchsuchung geworden. Die von ihm beantragte Entschädigung hatte die Justizverwaltung im Wesentlichen abgelehnt. Die dreimonatige Klagefrist (§ 13 Abs. 1 S. 2 StrEG) wollte der Kläger durch folgende Klageschrift wahren, der keine Anlagen beigefügt waren: „Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33.280,27 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 7.2.2014 an den Kläger zu bezahlen. – Begründung: Der Vorgang wird bei der Beklagten unter dem Aktenzeichen II B 5 – 4220/E/28/2013 geführt. Eine Begründung des Antrags wird in Kürze in einem gesonderten Schriftsatz erfolgen.“ Später wurde diese „Klageschrift“ nach Fristablauf ergänzt. Der Kläger verlor den Prozess durch alle Instanzen.

Der BGH (Urt. v. 17.3.2016 – III ZR 200/15 = MDR 2016, 541; mit Besprechung Conrad MDR 2016, 572) nutzt diesen Fall, um ausführlich über die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO sowie die Bezugnahme auf Schriftstücke zu referieren. Erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Dafür ist Schlüssigkeit und Substantiierung nicht erforderlich, vielmehr ist es ausreichend, wenn der Anspruch identifizierbar ist. Grundsätzlich kann diese Indentifizierbarkeit auch durch eine konkrete Bezugnahme auf Anlagen erfolgen, wobei das Gericht aber nicht dazu verpflichtet ist, umfangreiche und ungeordnete Anlagen durchzuarbeiten. Anlagen dienen nur zur Erläuterung und Konkretisierung, nicht aber der Ersetzung von Vortrag. Wenn die Anlagen dazu erforderlich sind, die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO herbeizuführen, müssen sie von einem Rechtsanwalt stammen, auf Schreiben der Partei selbst darf nicht Bezug genommen werden. Wendet man diese Maßstäbe auf die hier vorliegende Klageschrift an, so ergibt sich, dass sie den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht entspricht. Die Klageschrift enthält keinerlei Ausführungen, woraus sich ein Anspruch auf Zahlung von 33.280,27 € ergeben soll. Die Bezugnahme in der Klageschrift enthält keine Bezugnahme auf konkrete Urkunden, sondern nur einen allgemeinen Bezug auf eine Akte. Dies ist nicht ausreichend, zumal die Akte – oder wenigstens Auszüge daraus – auch nicht beigefügt waren. Damit war die Frist versäumt. Die Nachholung der Angaben entfaltet keine Rückwirkung.

Oftmals gilt der Satz: „Hier wäre weniger mehr gewesen.“ Im hiesigen Fall verhält es sich anders: Hier wäre „mehr“ unbedingt erforderlich gewesen. Im Zeitalter des „Bearbeiten-Kopieren-Einfügens“ dürfte es eigentlich keine Probleme bereiten, eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift vorzulegen, mitunter kann auch ein Scanner helfen. In einer Klageschrift, die zur Fristwahrung erforderlich ist, ist grundsätzlich Vorsicht bei Bezugnahmen angebracht, da eine Heilung wegen der zu wahrenden Frist nicht möglich ist.