Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümern, Gemeinschaft und Verwalter.

Keine Schutzwirkung des WEG-Verwaltervertrags zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer
BGH, Urteil vom 5. Juli 2024 – V ZR 34/24

Der V. Zivilsenat befasst sich mit den Rechtsbeziehungen nach dem seit 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrechts.

Der Kläger ist Mitglied einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Die Beklagte ist deren Verwalterin. Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe nach einem im Jahr 2022 eingetretenen Wasserschaden die vom Gebäudeversicherer an die Gemeinschaft gezahlte Entschädigung zu spät an ihn weitergeleitet. Er begehrt deshalb Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klage ist in den beiden ersten Instanzen erfolglos geblieben.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Ansprüche aus einem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag scheiden schon deshalb aus, weil auf Eigentümerseite nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Partei des Verwaltervertrags ist, nicht hingegen die einzelnen Eigentümer.

Anders als nach dem früher geltenden Recht kommt dem Verwaltervertrag keine Schutzwirkung zugunsten der einzelnen Eigentümer mehr zu.

Nach dem seit 1.12.2020 geltenden Recht kann ein einzelner Eigentümer, dem durch pflichtwidriges Verhalten des Verwalters ein Schaden entstanden ist, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Ersatz in Anspruch nehmen. Die Gemeinschaft hat für die Pflichtverletzung des Verwalters nach § 31 BGB einzustehen, weil dieser nach neuem Recht ihr Organ ist. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis mehr, den Eigentümern durch Einbeziehung in den Schutzbereich des Verwaltervertrags die unmittelbare Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verwalter zu ermöglichen.

Dass ein geschädigter Eigentümer die an ihn erbrachten Ersatzleistungen der Gemeinschaft über die allgemeine Kostenverteilung teilweise mitzutragen hat, begründet kein hinreichendes Schutzbedürfnis. Die Gemeinschaft ist in der Regel verpflichtet, den Verwalter in Regress zu nehmen.

Praxistipp: Wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Verwalter gebietet, kann ein einzelner Eigentümer einen diesbezüglichen Beschluss durch eine Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG herbeiführen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Schadensersatzpflicht des Vermieters nach Entzug des vertragsgemäßen Gebrauchs.

Ersatz von Mehrkosten für Unterbringung in Notunterkunft
BGH, Urteil vom 21. Juni 2023 – VIII ZR 303/21

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit der Reichweite von Ersatzansprüchen nach § 536a und § 536 Abs. 3 BGB.

Die Beklagte hatte eine knapp 70 m² große Wohnung für rund 900 Euro inklusive Nebenkostenvorauszahlung an einen arbeitslosen Flüchtling untervermietet, der darin mit seiner insgesamt vierköpfigen Familie wohnte. Die Miete einschließlich Nebenkosten zahlte die Klägerin auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Einige Monate nach Abschluss des Untermietvertrags kündigte der Hauptvermieter den Mietvertrag mit der Beklagten wegen unerlaubter Untervermietung und Zahlungsrückständen. In einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich die Beklagte zur Herausgabe der Wohnung.

Der Untermieter kam dem Räumungsverlangen des Hauptvermieters nach. Er wurde mit seiner Familie in einer von einem öffentlich-rechtlichen Träger betriebenen Unterkunft untergebracht. Hierfür wurden pro Person 590 Euro pro Monat in Rechnung gestellt, insgesamt also 2.360 Euro pro Monat. Die Klägerin übernahm diese Kosten. Ihre Klage auf Ersatz der Mehrkosten hatte vor dem AG überwiegend Erfolg. Das LG wies die insoweit zuletzt auf Zahlung von rund 37.000 Euro gerichtete Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass dem Untervermieter gegen die Beklagte wegen schuldhaften Entzugs des vertragsgemäßen Gebrauchs der untervermieteten Wohnung ein Schadensersatzanspruch nach § 536a und § 536 Abs. 3 BGB zusteht und dass dieser Anspruch in Höhe der erbrachten Sozialleistungen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf die Klägerin übergegangen ist.

Entgegen der Auffassung des LG steht einem Anspruch auf Ersatz von Mehrkosten für die Unterbringung in der Notunterkunft nicht der Schutzzweck der verletzten Norm entgegen. Die Unterbringung ist eine Folge der Gefahr, die die Beklagte durch den unberechtigten Entzug der untervermieteten Wohnung geschaffen hat.

Dass die Unterbringung mit Kosten verbunden ist, die die vereinbarte Miete deutlich übersteigen, ist allenfalls bei der Bemessung der Schadenshöhe zu berücksichtigen. Nach der Zurückverweisung der Sache wird das LG die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Die zu erstattenden Mehrkosten sind nach § 249 BGB auf den Zeitraum bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zum ersten möglichen Kündigungstermin begrenzt. Ferner sind sie nur insoweit ersatzfähig, als sie für eine anderweitige Unterbringung erforderlich waren. Hierfür ist von Bedeutung, welche Möglichkeiten zum Anmieten einer anderen Wohnung bestanden und wieviel Zeit für die Suche nach einer solchen Wohnung erforderlich war.

Das LG wird ferner zu prüfen haben, inwieweit die nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II erforderliche Personenidentität zwischen Anspruchsberechtigtem und Leistungsempfänger besteht.

Praxistipp: Während Ersatzansprüche gegen Dritte bei Zahlung von Bürgergeld und Grundsicherung gemäß § 33 Abs. 1 SGB II kraft Gesetzes auf den Leistungsträger übergehen, bedarf es bei Zahlung von Sozialhilfe gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII grundsätzlich einer Überleitung durch Verwaltungsakt. Einen gesetzlichen Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger sehen § 94 Abs. 1 SGB XII für Unterhaltsansprüche, § 115 Abs. 1 SGB X für Ansprüche auf Arbeitsentgelt und § 116 Abs. 1 SGB X für Schadensersatzansprüche vor.

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Diese Woche geht es um die Schadensberechnung nach einer Teilreparatur des beschädigten Unfallfahrzeugs.

Keine Umsatzsteuer bei Abrechnung auf Basis fiktiver Reparaturkosten
Urteil vom 5. April 2022 – VI ZR 7/21

Mit der Reichweite von § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Das Fahrzeug der Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Die Beklagte hat als Haftpflichtversicherer für die Unfallfolgen einzustehen. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger bezifferte die Reparaturkosten auf rund 5.500 Euro netto. Die Beklagte erstattete diesen Betrag. Die Klägerin ließ für rund 4.400 Euro netto eine Teilreparatur durchführen. Sie begehrt Zahlung der darauf angefallenen Umsatzsteuer in Höhe von rund 850 Euro. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Der BGH lässt offen, ob die durchgeführte Reparatur notwendig war, um das Fahrzeug in einen verkehrs- und betriebssicheren Zustand zu versetzen. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, stünde der Klägerin gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB kein Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer zu, weil sie ihren Schaden nicht anhand der tatsächlich angefallenen Kosten für die Teilreparatur berechnet hat, sondern anhand der fiktiven Kosten einer vollständigen Reparatur. Eine Kombination der beiden Berechnungsarten ist unzulässig. Dies gilt auch im Falle einer Teilreparatur.

Praxistipp: Übersteigen die Kosten der Teilreparatur einschließlich Umsatzsteuer die bereits erstatteten fiktiven Kosten einer vollständigen Reparatur, darf der Geschädigte nachträglich die Abrechnungsmethode wechseln.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Prozesszinsen und Darlehenszinsen

Anrechnung von Prozesszinsen auf zu erstattende Darlehenszinsen
Urteil vom 2. Juli 2021 – V ZR 95/20

Mit dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatten von der Beklagten im März 2007 für rund 130.000 Euro eine Eigentumswohnung gekauft. Zur Finanzierung nahmen sie einen Bankdarlehen über einen Gesamtbetrag von rund 140.000 Euro auf. Im Juli 2015 wurde die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung zur Erstattung des gesamten Darlehensbetrags nebst Prozesszinsen seit Dezember 2012 verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte den Darlehensbetrag zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von rund 27.000 Euro an die Klägerin. Im nunmehr anhängigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ersatz der an die Bank gezahlten Zinsen und weiterer Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt rund 36.000 Euro. Die Klage war in den beiden ersten Instanzen im Wesentlichen erfolgreich.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG sind die zugesprochenen Prozesszinsen auf den Anspruch auf Ersatz für die im gleichen Zeitraum angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen über die Vorteilsanrechnung. Prozesszinsen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die der Gläubiger erleidet, weil er einen ihm zustehenden Geldbetrag nicht nutzen kann. Dieser Nachteil ist im Streitfall deckungsgleich mit dem Nachteil, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie weiterhin Zinsen auf das zur Finanzierung des Wohnungserwerbs aufgenommene Darlehen zahlen musste. Die Prozesszinsen sind deshalb auf den Anspruch auf Ersatz der ab Dezember 2012 angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Welcher Betrag danach verbleibt, hat das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.

Praxistipp: Um die Klage schlüssig zu machen, muss der Kläger im Einzelnen darlegen, welche Darlehenszinsen in dem Zeitraum angefallen sind, für den ihm Prozesszinsen zugesprochen wurden.

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Diese Woche geht es um die Klagebefugnisse einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Abwehr von Störungen des Sondereigentums
Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 41/19

Mit der Reichweite von § 9a Abs. 2 WEG befasst sich der V. Zivilsenat.

Dem Kläger steht das Nießbrauchsrecht an einer Eigentumswohnung zu. Der Beklagte ist Eigentümer einer zu derselben Anlage gehörenden Wohneinheit, die aus einem Einzelhaus besteht. Der Kläger macht geltend, Geschosszahl und Gebäudehöhe dieses Hauses widersprächen den Vorgaben der Teilungserklärung. Er begehrt deshalb in Prozessstandschaft für die Eigentümerin der von ihm genutzten Wohnung Schadensersatz wegen Wertminderung in Höhe von 55.000 Euro. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH lässt offen, ob die Gebäudehöhe in Einklang mit der Teilungserklärung steht, und weist die Klage – insoweit abweichend von der Vorinstanz – bereits als unzulässig ab.

Auf eine Beeinträchtigung des Sondereigentums kann die Klage weder nach altem noch nach neuem Recht gestützt werden. Nach der seit 1. Dezember 2020 geltenden Regelung in § 9a Abs. 2 WEG ist die Ausübung von Rechten aus dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft vorbehalten. Zu diesen Rechten gehören nicht nur Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung, sondern auch daran anknüpfende Sekundäransprüche. Da die Klage im Streitfall vor diesem Stichtag erhoben wurde, bliebe eine nach altem Recht bestehende Klagebefugnis zwar bestehen. Nach der insoweit maßgeblichen Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. war die Wohnungseigentümerin, deren Rechte der Kläger geltend macht, aber ebenfalls nicht klagebefugt. Der BGH lässt dabei offen, ob der Inhaber eines Beseitigungsanspruchs – der nach altem Recht grundsätzlich vom einzelnen Eigentümer geltend gemacht werden konnte – gemäß § 281 Abs. 4 BGB nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Die Geltendmachung eines solche Schadensersatzanspruchs durch einen einzelnen Wohnungseigentümer widerspräche jedenfalls einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Der Anspruch ist deshalb gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. und kann nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums darf ein einzelner Wohnungseigentümer sowohl nach altem wie nach neuem Recht alleine geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von der geltend gemachten Störung betroffen ist. Diese Befugnis gilt auch für einen Entschädigungsanspruch, den § 14 Abs. 3 WEG für den Fall vorsieht, dass der betroffene Eigentümer eine über das zumutbare Maß hinausgehende Störung ausnahmsweise zu dulden hat. Eine solche Duldungspflicht ist im Streitfall nicht ersichtlich. Der Kläger macht vielmehr einen Schadensersatzanspruch aus § 280 und § 281 BGB geltend. Solche Ansprüche können sowohl nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. als auch nach § 9a Abs. 2 WEG n.F. nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Praxistipp: Die Geltendmachung von Ansprüchen durch einen einzelnen Wohnungseigentümer hat nach neuem Recht nur noch dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Entschädigung nach § 14 Abs. 3 WEG gerichtet und auf eine Beeinträchtigung des Sondereigentums gestützt sind.

BGH: Zur Notwendigkeit einer Beweisaufnahme über Sicherheitsvorschriften für Hotelzimmer des Reiseveranstalters im Reiseland

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 25.6.2019 (X ZR 166/18) die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Tatrichter dem Vorbringen einer Partei zum Inhalt von ausländischen Sicherheitsvorschriften für Hotelzimmer im Zielgebiet einer Pauschalreise nachzugehen hat.

Unstreitig sind die örtlichen Verhältnisse und nicht ein unionsrechtlicher oder deutscher Standard als Maßstab für den zu fordernden Sicherheitsstandard von unter Vertrag genommenen Leistungserbringern eines Reiseveranstalters heranzuziehen (BGH, Urt. v. 25.2.1988 – VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298 = MDR 1988, 573; Staudinger, in hrich/Staudinger, 8. Aufl. 2019, § 22 Rn. 36, 40 m. w. Nachw.). Dies ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des Art. 17 Rom II-VO, wonach bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, faktisch und soweit angemessen die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen sind, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsrechtlichen Ereignisses in Kraft sind. Hierbei hat der Tatrichter auch im Zivilprozess kodifizierte Normen, aber auch einen von der Rechtsprechung konkretisierten Sorgfaltsmaßstab zu ermitteln und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Gleichwohl gilt ein Mindestsicherheitsstandard, der trotz örtlich festgesetzter Grundlagen, nicht unterschritten werden darf. Gelten im Urlaubsland niedrigere Anforderungen, hat der Veranstalter zudem eine Hinweispflicht, um einer Haftung aus einem Reisemangel bzw. einer Verkehrssicherungspflicht zu entgehen.

Hinsichtlich der Verletzungshandlungen des Reiseveranstalters, hat der BGH bereits im Glasschiebetür-Fall entschieden, dass das Vorhandensein einer notwendig zu benutzenden Eingangstüre aus nicht bruchsicherem Glas und ohne sichtbare Kennzeichnung einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellt, wenn der Veranstalter die Unterkunft mit „kindgerechter Ausstattung“ beworben wird (BGH, Urt. v. 18.7.2006 – X ZR 44/04, MDR 2007, 200 = NJW 2006, 2918). Aus der Prospektangabe, dass eine Unterkunft mit Kindern gebucht werden kann, ist damit meines Erachtens zu schließen, dass aus Sicht des Kunden, dies sich nicht nur auf zusätzliche kindgerechte Ausstattungen, sondern auch auf die bauliche Beschaffenheit der Unterkunft selbst bezieht. Sollte die Tür diesem örtlichen Standard nicht entsprochen haben, bestand eine besondere Gefährdungslage, in der eine einfache Markierung auf der Scheibe nicht ausreicht. Daher hat ein Veranstalter, der Kinder in seine Unterkünfte einbucht, sich regelmäßig in seinen Vertragshotels von der Einhaltung der örtlichen Sicherheitsvorschriften des Gastgebiets zu überzeugen.

 Zur Darlegungs- und Beweislast sah der BGH entgegen der Auffassung der Vorinstanz den Vortrag des Klägers zu einem Verstoß gegen die örtlichen Bauvorschriften als hinreichend konkret an. Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, eine Glastür für einen Balkon müsse nach den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen so beschaffen sein, dass sie einem Anprall eines siebenjährigen Kindes nach kurzem Anlauf standhalte. Dieser Sachverhalt ist nach Auffassung des BGH hinreichend konkret, um ihn rechtlich zu bewerten. Zwar sei es nicht Aufgabe eines Zivilgerichts, die Ursachen eines Unfalls von Amts wegen aufzuklären. Wenn ein Kläger einen hinreichend konkreten Sachverhalt vorträgt, müsse das Gericht aber den Inhalt der dafür maßgeblichen in- und ausländischen Vorschriften in eigener Zuständigkeit ermitteln (§ 293 ZPO).

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Um die Bestimmung des Streitgegenstands und die Wirkungen einer unzulässigen Urteilsergänzung geht es in dieser Woche.

Schadensersatz wegen Planungsmängeln
Urteil vom 21. Februar 2019 – VII ZR 105/18

Mit einem gründlich misslungenen Versuch, ein Versehen durch ein „Ergänzungsurteil“ zu korrigieren, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den beklagten Ingenieur mit Planungsleistungen für eine Tiefgarage beauftragt. Nach Fertigstellung des Gebäudes erwies sich die Bodenplatte als undicht. Die Klägerin warf dem Beklagten einen Planungsfehler vor und verlangte von ihm Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten für den Austausch der Bodenplatte in Höhe von 532.000 Euro. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin könne aufgrund des festgestellten Planungsmangels einen Vorschuss auf die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels verlangen. Dagegen wandten sich der Beklagte mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG später ein „Ergänzungsurteil“, in dem es ausführte, der zugesprochene Betrag stehe der Klägerin als Schadensersatz zu. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück und verwarf die Anschlussberufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, aufgrund des nicht angefochtenen Ergänzungsurteils stehe bindend fest, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das Ergänzungsurteil des LG keine Bindungswirkung, weil es ohne verfahrensrechtliche Grundlage ergangen ist. Für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO war kein Raum, weil das LG bereits in seinem ursprünglichen Urteil vollständig über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Klage betrifft einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie auf einen Planungsmangel gestützt ist und der Kläger nicht die Beseitigung dieses Mangels, sondern den Ersatz eines aus diesem resultierenden Folgeschadens begehrt. Das ursprüngliche Urteil des LG betrifft diesen Lebenssachverhalt, auch wenn es das Begehren rechtlich unzutreffend als Vorschussanspruch qualifiziert hat. Mit dieser Einordnung hat das LG dem Klagebegehren zwar nicht vollständig entsprochen, weil die Klägerin über erhaltene Vorschüsse später abrechnen muss. Auch insoweit ist das ursprüngliche Urteil aber nicht unvollständig, sondern inhaltlich unzutreffend. Das OLG wird sich deshalb nach Zurückverweisung mit der Begründetheit des Klagebegehrens zu befassen haben.

Praxistipp: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist der Übergang von einer „echten“ Vorschussklage zu einer auf denselben Mangel gestützten Klage auf Schadensersatz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls nicht als Klageänderung anzusehen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, Tz. 53 – BGHZ 218, 1 = MDR 2018, 465).

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Dass die sorgfältige rechtliche Qualifikation eines Vertrags nicht nur theoretische Bedeutung hat, belegt eine aktuelle Entscheidung des BGH.

Lieferung und Montage einer Einbauküche
Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 19/18

Der VII. Zivilsenat erinnert daran, dass ein Vertrag über Lieferung und Montage einer Einbauküche je nach den Umständen des Einzelfalls rechtlich unterschiedlich zu qualifizieren ist.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten für 10.020 Euro eine Küche einschließlich Lieferung und Montage bestellt. Nach der Montage unterzeichnete sie ein Übergabeprotokoll, in dem vermerkt ist, dass die Arbeitsplatte in Ordnung sei. Später bemängelte die Klägerin, die Arbeitsplatte sei abweichend von der Bestellung nicht durchgehend in schwarz-weiß-grau gehalten, sondern weise über weite Strecken eine beigefarbene, rote und braune Färbung auf. Die auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 3.800 Euro gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Das LG sah den geltend gemachten Anspruch gemäß § 640 Abs. 2 BGB (seit 28.4.2017: § 640 Abs. 3 BGB) als unbegründet an, weil die Klägerin das Werk in Kenntnis des geltend gemachten Mangels vorbehaltlos abgenommen habe.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er verweist auf seine Rechtsprechung, wonach ein Vertrag über Lieferung und Montage einer Küche je nach Leistungsschwerpunkt als Kauf mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag einzuordnen ist. Weder das AG noch das LG haben sich mit dieser Frage befasst. Sie durfte im Streitfall nicht offen bleiben, weil das Kaufrecht eine dem § 640 Abs. 3 BGB vergleichbare Regelung nicht kennt.

Praxistipp: Ob § 640 Abs. 3 BGB, der seinem Wortlaut nach nur die Ansprüche auf Nacherfüllung und Ersatz der Aufwendungen zur Mangelbeseitigung sowie das Recht auf Minderung und Rücktritt ausschließt, auch einem auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gerichteten Schadensersatzanspruch entgegensteht, ist für das seit 1.1.2002 geltende Werkvertragsrecht noch nicht abschließend geklärt; vgl. dazu etwa Schwenker/Rodemann in Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 640 Rn. 22).  

Montagsblog: Neues vom BGH

Die Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden und die Rechte an einer gemeinsamen Grenzanlage stehen im Mittelpunkt der in dieser Woche veröffentlichten Entscheidungen.

Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden
Urteil vom 25. Januar 2018 – VII ZR 74/15

Mit den Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die auf Mallorca wohnhafte Klägerin hatte die Beklagte mit Sanitärarbeiten in einem Haus in Deutschland beauftragt. Drei Monate nach Ausführung der Arbeiten stellte ein Zeuge fest, dass der Fußboden in einer Wohnung vollständig unter Wasser stand. Die Klage auf Ersatz der Kosten zur Behebung der Schäden blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Zurechnungszusammenhang zwischen der – mangels abweichender tatrichterlicher Feststellungen zu unterstellenden – mangelhaften Abdichtung einer Gastherme und den eingetretenen Schäden nicht wegen der langen Abwesenheit der Klägerin aufgehoben. Die Klägerin war auch nicht gehalten, den Zustand der Wohnung mehrmals wöchentlich kontrollieren zu lassen. Selbst wenn gelegentliche Kontrollen geboten gewesen wären, käme eine Anspruchsminderung nach § 254 BGB nur dann in Betracht, wenn der Schaden dadurch ganz oder teilweise hätte vermieden werden können. Zudem kann sich die Beklagte auf ein Mitverschulden ohnehin nicht berufen, wenn ihr die Klägerin, wie von dieser vorgetragen, aufgegeben hat, die Wasserzufuhr abzustellen.

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO durchaus Erfolg haben kann.

Maschendraht oder Holzgeflecht?
Urteil vom 20. Oktober 2017 – V ZR 42/17

Als Klassiker des Nachbarrechts könnte sich die Entscheidung des V. Zivilsenats erweisen.

Die benachbarten Grundstücke der beiden Parteien sind durch einen rund 1,0 Meter hohen Maschendrahtzaun voneinander getrennt. Die Mieter der Beklagten stellten unmittelbar dahinter einen rund 1,8 Meter hohen Holzflechtzaun auf. Das AG verurteilte die Beklagten antragsgemäß zur Beseitigung des neuen Zauns. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Nach § 921 BGB spricht eine Vermutung dafür, dass der Maschendrahtzaun, der teils auf dem einen, teils auf dem anderen Grundstück verläuft, von beiden Nachbarn einvernehmlich errichtet wurde. Ob es sich um eine gesetzliche Vermutung im Sinne von § 292 ZPO oder um eine tatsächliche Vermutung handelt, lässt der BGH offen, weil im Streitfall auch die (potentiell weniger strengen) Voraussetzungen für die Erschütterung einer tatsächlichen Vermutung nicht erfüllt sind. Gemäß § 922 Satz 3 BGB ist ein Nachbar nicht berechtigt, eine gemeinsame Grenzanlage ohne Zustimmung des anderen zu beseitigen zu ändern. Dies gilt auch für Änderungen des Erscheinungsbilds. Der Holzflechtzaun muss deshalb entfernt werden.

Praxistipp: Wenn der Mieter die neue Grenzanlage eigenmächtig errichtet hat und der Vermieter an deren Beibehaltung nicht interessiert ist, genügt es, dem Mieter nach Klageerhebung den Streit zu verkünden.

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Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens und das Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und dem nachfolgenden Rechtsstreit bilden das Thema von zwei aktuellen Entscheidungen

Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kaskoversicherung
Urteil vom 19. Dezember 2017 –VI ZR 577/16

Eine grundsätzliche Frage, die bei vielen Verkehrsunfällen auftreten kann, behandelt der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten ersetzte den geltend gemachten Sachschaden zu drei Viertel. Den Ersatz des Schadens, den die Klägerin erlitten hat, weil sie wegen des restlichen Betrags ihre Kaskoversicherung in Anspruch genommen hatte und deshalb höhere Beiträge zahlen musste, lehnte die Versicherung ab. Die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte auch diesen Rückstufungsschaden zu ersetzen hat, blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Rückstufungsschaden auch dann (anteilig) ersatzfähig ist, wenn der Geschädigte für den Schaden mitverantwortlich ist. Die Rückstufung und die daraus resultierende Beitragserhöhung treten zwar unabhängig davon ein, in welchem Umfang die Kaskoversicherung in Anspruch genommen wird. Dennoch ist die schädigende Handlung für diesen Vermögensschaden mitursächlich, weshalb der Schaden nach dem allgemeinen Maßstab des § 254 BGB zu verteilen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Kaskoversicherung erst in Anspruch nimmt, nachdem der Schädiger den auf ihn entfallenden Teil des Sachschadens bereits ersetzt hat.

Praxistipp: Anwaltskosten, die dem Geschädigten entstanden sind, um den Kaskoversicherer zur Erstattung des auf ihn selbst entfallenden Schadensanteils zu veranlassen, hat der Schädiger generell nicht zu tragen.

Fortgeltung von Anträgen aus dem selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 14.11.2017 – VIII ZR 101/17

Mit dem Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der spätere Beklagte hatte gegen den Kläger ein selbständiges Beweisverfahren wegen Mängeln an einer Mietwohnung eingeleitet. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass keine bauseitigen Mängel vorlägen. Einen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen wies das AG mit der Begründung zurück, das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil mittlerweile Klage in der Hauptsache erhoben worden sei. In diesem Rechtsstreit begehrte der Kläger in erster Linie Räumung der Wohnung und Zahlung rückständiger Miete. Der Beklagte griff das Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Privatgutachten an. In der mündlichen Verhandlung vor dem AG beantragte er ergänzend, den im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen mündlich anzuhören. Das AG wies diesen Antrag als verspätet zurück. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Das AG durfte den Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nicht als verspätet zurückweisen, weil der Beklagte ihn bereits im selbständigen Beweisverfahren gestellt hatte. Dieser Antrag war auch im nachfolgenden Rechtsstreit zu beachten, ohne dass es einer Wiederholung bedurfte. Darin, dass sich der Beklagte zunächst auf ein anderes Gutachten bezog, lag auch kein konkludenter Verzicht auf die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen.

Praxistipp: Wenn das Gericht im selbständigen Beweisverfahren dem Beklagten eine Erklärungsfrist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzt hat, kann ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nach Maßgabe von § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.